Hinz&Kunzt 297 November 2017
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Momentaufnahme<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>297</strong>/NOVEMBER <strong>2017</strong><br />
Schwer verknallt: Adam hat<br />
seine große Liebe auf seinem<br />
Verkaufsplatz kennengelernt.<br />
Jetzt wurde der 26-Jährige Papa.<br />
Pures Glück<br />
für ein paar Tage<br />
Adam, 26, verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> vor Penny in der Friedensallee.<br />
TEXT: JONAS FÜLLNER<br />
FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />
Es waren einmal ein junger Obdachloser<br />
und eine junge Supermarkt-Verkäuferin.<br />
Während sie hinter der Kasse saß,<br />
verkaufte er draußen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Erst<br />
trafen sich nur ihre Blicke. Später wurde<br />
es Liebe. Jetzt haben sie ein Baby<br />
bekommen.<br />
Klingt wie ein modernes Märchen?<br />
Ist es aber nicht. Es ist die Geschichte<br />
unseres Verkäufers Adam und seiner<br />
Freundin Amanda. „Er kam immer mal<br />
wieder zum Einkaufen rein und hat sich<br />
nur an meiner Kasse angestellt“, erzählt<br />
die 22-Jährige und muss ein wenig<br />
kichern. „Ja, das stimmt“, pflichtet<br />
Adam ihr bei und läuft bei der Erinnerung<br />
rot an. Er sei einfach „geflasht“<br />
gewesen, schiebt der gutaussehende<br />
26-Jährige mit einem Grinsen hinterher.<br />
Trotzdem vergingen Wochen. „Erst<br />
als er mitbekommen hat, dass ich auch<br />
Polnisch kann, hat er mich angesprochen“,<br />
führt die gebürtige Polin, die mit<br />
zehn Jahren nach Hamburg kam, für<br />
ihren Freund aus.<br />
Das war im August 2016. Es folgte<br />
ein erstes Date in einem Café. In den<br />
Tagen danach zahlreiche gemeinsame<br />
Raucherpausen und schließlich der erste<br />
Kuss. Wäre ihre Liebesgeschichte ein<br />
Märchen, dann wäre es so weitergegangen.<br />
In Wirklichkeit aber fingen Amandas<br />
Kolleginnen hinter ihrem Rücken<br />
an zu tuscheln. Und ihre Chefin machte<br />
Druck. Am liebsten hätte sie wohl die<br />
Treffen der beiden verboten. Adam<br />
wechselte sogar extra mehrfach seinen<br />
Verkaufsplatz. Er steht jetzt in der<br />
Friedensallee in Ottensen. Abends verkauft<br />
er zusätzlich in der Gastronomie<br />
im Eppendorfer Weg. Dort hat er keine<br />
Pro bleme. Aber Amanda wurde der<br />
Druck auf der Arbeit zu viel. Schließlich<br />
kündigte die 22-Jährige.<br />
Amanda verlor allerdings nicht nur<br />
ihre Arbeit, sondern auch ihren Schlafplatz.<br />
Zuletzt hatte sie bei ihrem Vater<br />
gelebt. Doch der setzte sie vor die Tür,<br />
als er von der Beziehung und der Kündigung<br />
erfuhr. Amanda hat das nicht<br />
überrascht. Ihr Verhältnis zum Vater sei<br />
immer schon schwierig gewesen. „Aber<br />
wir zwei finden keine Wohnung“, klagt<br />
Amanda. Und Adam keine Arbeit. Er<br />
spricht nur gebrochen Deutsch.<br />
Als Amanda dann auch noch<br />
schwanger war, wurde die Situation kritisch.<br />
Etwa 500 Euro hat Adam zuletzt<br />
monatlich für ein Bett in einem Hostel<br />
gezahlt. Eine normale Mietwohnung<br />
wäre kaum teurer. Aber ohne Arbeitsvertrag<br />
und ohne ausreichende Sprachkenntnisse<br />
hat Adam mit seiner Freundin<br />
auf dem Wohnungsmarkt ohne<br />
Hilfe keine Chance.<br />
Hilfe wiederum erhielt schließlich<br />
Amanda. In der letzten Phase ihrer<br />
Schwangerschaft durfte sie in eine Mutter-Kind-Einrichtung<br />
ziehen. Auch<br />
wenn Adam sie dort nur gelegentlich<br />
besuchen durfte, war der werdende Vater<br />
froh, seine Freundin in Sicherheit zu<br />
wissen. Als Amanda Ende September<br />
ihr gemeinsames Kind gesund zur Welt<br />
brachte, war ihr Glück perfekt. Für ein<br />
paar Tage.<br />
Denn die Probleme sind die alten.<br />
Sie benötigen eine Wohnung. Dringender<br />
als zuvor. Und Adam braucht eigentlich<br />
eine reguläre Arbeit, damit<br />
auch er versichert ist. Gearbeitet hat er<br />
schließlich schon viel in Hamburg. Nur<br />
selten habe er aber auch Geld ausgezahlt<br />
bekommen, erzählt er. „Oft betrogen“,<br />
sagt Adam bedrückt. Doch dann<br />
bekommt er wieder ein Leuchten in<br />
den Augen: „Amanda ist Rettung für<br />
mich“, sagt er in seinem gebrochenen<br />
Deutsch. Sie spreche ja Polnisch und<br />
Deutsch. Gemeinsam könnten sie es<br />
schaffen. Auch zu dritt. Da ist Adam<br />
zuversichtlich. •<br />
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