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Hinz&Kunzt 297 November 2017

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WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Titelgeschichte<br />

Sie haben<br />

es geschafft<br />

Die Rumänen Elena, Ionel und Tochter Rebeca haben in der<br />

Seehafenstraße 9 gelebt. Kakerlaken, Ratten, Müll und Enge nahmen<br />

sie in Kauf, denn sie hatten die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.<br />

In ihrer neuen Wohnung in Steilshoop haben sie sie gefunden.<br />

TEXT: JONAS FÜLLNER<br />

FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

Ein Knopfdruck. Dann öffnet<br />

sich im Treppenhaus der<br />

Aufzug und fährt hinauf in<br />

den sechsten Stock. Hier<br />

oben wohnen Elena und Ionel mit<br />

Tochter Rebeca. In einer sauberen, großen<br />

Wohnung. An den Wänden hängen<br />

Fotos der Kinder, von gemeinsamen<br />

Ausflügen und Erinnerungen an die rumänische<br />

Heimat. Die Einrichtung ist<br />

schlicht und praktisch. Der Kühlschrank<br />

surrt leise, ansonsten herrscht<br />

Ruhe. Dabei ist ein Fenster im Esszimmer<br />

leicht geöffnet. Man sieht Hochhäuser,<br />

blickt über Bäume, einen Park,<br />

und weit in der Ferne kann man den<br />

Hamburger Flughafen erahnen.<br />

„Gott sei Dank wohnen wir jetzt<br />

hier in Steilshoop und nicht mehr in<br />

der Seehafenstraße“, sagt Elena. Die<br />

29-Jährige arbeitet als Reinigungskraft<br />

und verkauft zusätzlich Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Ihr Mann Ionel wiederum hat noch keine<br />

Arbeit gefunden. Bislang verkauft<br />

auch er Hinz&<strong>Kunzt</strong>. So kommt genug<br />

Geld zusammen, um die Miete zu<br />

bezahlen und der neunjährigen Tochter<br />

auch mal einen Wunsch erfüllen zu können.<br />

Rebeca sei ihr Ein und Alles, sagt<br />

Elena. „Sie soll es später besser haben.“<br />

Ein erster Schritt war ihr Umzug<br />

vor zwei Jahren. Weg von Kakerlaken,<br />

die über den Boden huschten. Weg von<br />

Ratten, die auf der Suche nach Essensresten<br />

durch das Treppenhaus hasteten.<br />

Weg von überquellenden Mülltonnen<br />

im Hinterhof und dem Ausblick auf die<br />

benachbarten Ölwerke im Harburger<br />

Industriehafen. „Es stank ganz hässlich<br />

hinter den Häusern“, erzählt die Neunjährige<br />

und hält sich bei der Erinnerung<br />

die Nase zu.<br />

Ein Jahr lang lebten die drei in der<br />

„Kaker laken-Hölle von Harburg“. So<br />

hat die Hamburger Morgenpost ihr altes<br />

Wohnhaus tituliert, als Bezirk und Sozialbehörde<br />

Ende September eine Kontrolle<br />

in der Seehafenstraße 7 und 9<br />

durchführten (siehe Seite 6). Anlass für die<br />

groß angelegte Kontrolle waren nach<br />

Angabe der Sozialbehörde Hinweise, die<br />

„darauf schließen lassen, dass die Notlage<br />

von Menschen aus genutzt wird“.<br />

Neu sind diese Hinweise nicht.<br />

Spiegel TV berichtete bereits 2014<br />

darüber, geändert hatte sich aber nichts.<br />

Die Ergebnisse der jetzt vollzogenen<br />

Kontrolle liegen noch nicht vor. Fest<br />

steht nur, dass man die Häuser nicht für<br />

unbewohnbar erklärte.<br />

Loredana und Izvoras (Foto Seite 11)<br />

sind ebenfalls Mieter in der Seehafenstraße<br />

– und erleichtert. Die beiden<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer wohnen mit ihren<br />

zwei Kindern und der Oma oben<br />

unter dem Dach im Haus Nummer 9.<br />

Im April sind sie dort eingezogen. Vater<br />

Izvoras tapezierte als Erstes alle Zimmer,<br />

dichtete den Boden ab und erneuerte<br />

poröse Dichtungen. „In unserer<br />

Wohnung gibt es keinen Dreck, keine<br />

Kakerlaken“, sagt der 33-Jährige nicht<br />

ohne Stolz.<br />

Ihre kleine, irgendwie heimelig eingerichtete<br />

Wohnung steht tatsächlich<br />

im krassen Kontrast zum verdreckten,<br />

9<br />

lärmigen Treppenhaus. Aber ihre<br />

„Wohnung“ ist nicht mehr als ein<br />

großes Zimmer. Für fünf Menschen viel<br />

zu klein. Das Bad und die Küche<br />

müssen sie sich zudem mit einer weiteren<br />

rumänischen Familie teilen, die im<br />

Nachbarzimmer lebt.<br />

Genauso lebte Elena mit ihrer Familie<br />

früher auch in der Seehafenstraße:<br />

Tagsüber wurden die Schlafsofas<br />

umgeklappt, damit überhaupt für alle<br />

Platz war. Ihre Wohnung war allerdings<br />

schlimmer als Loredanas und Izvoras’<br />

Zwei Familien unter einem Dach in einer<br />

großen Wohnung: Elena mit Rebeca und<br />

Ionel. Ihre Nichte Laura (hinten Mitte) mit<br />

ihrer Mutter und ihrer Schwester Andreea.

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