Hinz&Kunzt 297 November 2017
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In dieser Serie<br />
bereits erschienen<br />
Bridge&Tunnel (Mai <strong>2017</strong>)<br />
LemonAid (Juni <strong>2017</strong>)<br />
tricargo (Juli <strong>2017</strong>)<br />
FahrradGarderobe (September <strong>2017</strong>)<br />
Weberei Hamburg (Oktober <strong>2017</strong>)<br />
Vom Geografiestudent zum Start-up-Unternehmer: Malte Schremmer<br />
hatte erst Durchfall und dann die Idee zu Goldeimer. Jetzt wollen er und seine<br />
Mitstreiter Komposttoiletten für den Katastrophenschutz entwickeln.<br />
Möglich machten das die 3000 Euro<br />
Preisgeld eines Uni-Ideenwett bewerbs<br />
und Schremmers Professor, der die Gedanken<br />
des Studenten zuvor in die richtigen<br />
Bahnen gelenkt hatte: „Schau mal,<br />
wo hier die Probleme liegen!“, meinte er<br />
trocken, als Schremmer erzählte, er wolle<br />
seine Bachelorarbeit über die Sanitärversorgung<br />
in Westafrika schreiben.<br />
Schremmer forscht also zum Potenzial<br />
von Komposttoiletten auf hiesigen<br />
Open-Air-Veranstaltungen – und stellt<br />
fest, dass „dort ganz schön viel Scheiße<br />
passiert“. Der Klassiker auf dem Festival<br />
ist die Dixie-Toilette: praktisch,<br />
hässlich und wegen der Chemikalien<br />
und der energieaufwendigen Entsorgung<br />
eine Umweltsünde. Die gute<br />
Alternative dazu, so die Erkenntnis des<br />
Studenten, sind eine Komposttoilette<br />
und ein Becher Sägespäne nach jedem<br />
Klogang – „so entsteht nicht der bissige<br />
Geruch des Ammoniaks“. Zwar ist die<br />
Entsorgung des Toiletteninhalts kein<br />
Selbstgänger – die deutsche Abfallverordnung<br />
hat dafür bis heute keine<br />
Bezeichnung – doch gibt es immerhin<br />
einige Verwertungsanlagen, die ihn abnehmen<br />
und daraus Kompost machen.<br />
Es geht Schremmer aber um mehr:<br />
„Goldeimer“ kompakt<br />
Standort: Hamburg<br />
Gründung: 2014 (als Social Business innerhalb von „Viva con Agua“)<br />
Motto: Toiletten für alle, alle für Toiletten!<br />
Mitarbeiter/Bezahlung: Zwei Vollzeit-Geschäftsführer mit 1330 Euro Bruttolohn<br />
monatlich, zwei Teilzeitkräfte, 25 Saisonarbeiter (Studenten) mit 11 Euro Stundenlohn,<br />
gut 200 Ehrenamtliche<br />
Finanzierung: Für den Bau von 80 Komposttoiletten bekam „Goldeimer“ über<br />
die Beteiligungsgesellschaft von „Viva con Agua“ 145.000 Euro Darlehen von Großspendern,<br />
die in Raten zurückgezahlt werden sollen. Jahresumsatz rund 200.000<br />
Euro, zuletzt schrieb „Goldeimer“ erstmals eine schwarze Null in der Bilanz.<br />
Internet: www.goldeimer.de und www.vivaconagua.org<br />
Er will „die Toilette aus der Schmuddelecke<br />
rausholen“, sagt: „Man muss jeden<br />
Tag aufs Klo gehen. Warum hat das<br />
dann so ein schlechtes Image?“<br />
Also basteln die Uni-Preisträger eine<br />
Prachttoilette aus Holz, kaufen sich<br />
einen alten VW-Transporter – und<br />
überreden Festival-Veranstalter, ihrer<br />
Idee eine Chance zu geben: eine Toilette,<br />
die nicht nur ökologisch, sondern<br />
angenehm ist. Die im Innern nach<br />
Lavendel duftet und von außen mit ausgewählter,<br />
selbst aufgelegter Musik bespielt<br />
wird. Die Veranstalter kostet das<br />
nichts, die Gäste sollen zwei Euro pro<br />
Toilettengang zahlen oder 15 Euro<br />
„Flatrate“ fürs gesamte Festival. Die<br />
ersten Reaktionen waren heftig, erzählt<br />
Schremmer: „Was? Zwei Euro? Das ist<br />
ja frech!“ Doch mit der Zeit änderte<br />
sich die Resonanz. Immer häufiger hieß<br />
es: „So geil hab ich noch nie gekackt!“<br />
Die „Wohlfühloase“ ist Mittel zum<br />
Zweck. So will Malte Schremmer mit<br />
Menschen ins Gespräch kommen über<br />
die Themen, die ihn bewegen, die er<br />
den „globalen Kontext“ nennt. Also<br />
klären „Goldeimer“-Aktivisten Festivalbesucher<br />
nach dem Klogang darüber<br />
auf, dass ein Drittel der Weltbevölkerung<br />
keine Toilette hat. Dass Durchfal-<br />
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