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soziologie heute August 2011

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<strong>August</strong> <strong>2011</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 15<br />

wobei der „Event-Charakter“ hier<br />

wie dort entsprechend vorhanden<br />

ist. Die gesellschaftspolitische und<br />

religionssoziologische Einstellung<br />

dieser Generation (Bekenntnis zu Israel<br />

und zur Religion) ist in Ungarn<br />

– bedingt durch den antisemitischen<br />

Druck – viel stärker vorhanden als in<br />

Österreich.<br />

<strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong>: In der Gesellschaft<br />

gibt es immer wieder gewisse vorherrschende<br />

Bilder über Juden. Wie<br />

wirkt sich dies auf das Selbstverständnis<br />

von Juden aus?<br />

Stiegnitz: Minderheiten reagieren<br />

unterschiedlich auf Vorurteile.<br />

Selbst, die eher seltenen positiven<br />

Vorurteile, wie „hohe Intelligenz der<br />

Juden“, wird von den Betreffenden<br />

abgelehnt. Erst recht die zahlreichen<br />

negativen Vorurteile. Die Reaktionen<br />

auf diese sind in jüdischen Kreisen<br />

unterschiedlich:<br />

• Fromme Juden - vielleicht auch aus<br />

Gewohnheit - reagieren kaum mehr<br />

• assimilierte Juden reagieren gekränkt,<br />

beleidigt, sie sehen sich zurück<br />

geworfen in fromme jüdischen<br />

Kreise, die sie verlassen wollten; sie<br />

schliessen sich, wie schon erwähnt,<br />

in freiwilligen gesellschaftliche Ghettos<br />

zusammen.<br />

Das eigentliche Selbstverständnis<br />

der assimlierten, oder sogar getauften<br />

Juden mündet schlussendlich in<br />

einer „Nirgends-fachen-Zugehörigkeit“;<br />

sie sind das typische Produkt<br />

von Menschen, die stets zwischen<br />

allen Stühlen sitzen. Sie werden notgedrungen<br />

zu Kosmopoliten, oder<br />

suchen die Nähe solcher Vereine<br />

und Institutionen, wo religiöse und<br />

gesellschaftliche Positionierungen<br />

keine Rolle spielen, wie beispielsweise<br />

die Freimaurer-Logen.<br />

Peter Stiegnitz (* 1936),<br />

Soziologe, Publizist,<br />

em. Prof. der Universität<br />

Budapest, Korrespondent der<br />

„Tribüne – Zeitschrift zum<br />

Verständnis des Judentums“<br />

(Frankfurt/M).<br />

Buchbesprechung:<br />

Regina Brigitte Matuschek... und immer wieder an der „Ordnung der Welt“ rütteln<br />

von Claudia Pass<br />

Regina Matuschek setzt sich in ihrer Diplomarbeit<br />

mit einem gegenwärtig zwar<br />

in vielen gesellschaftspolitischen Diskussionen<br />

mitschwingenden, aber wenig explizit<br />

fokussierten Thema der Frauenforschung<br />

auseinander. Geschlecht gilt zwar<br />

als strukturierendes Prinzip gesellschaftlichen<br />

Handelns und sozio-kultureller<br />

Wertvorstellungen, allerdings wird das<br />

Bewusstsein hinsichtlich der Geschichte<br />

der Frauenbewegung zunehmend an den<br />

Rand der Wahrnehmung gedrängt.<br />

Dieses Defizit versucht die Autorin zu beseitigen,<br />

da sie einerseits die Geschichte<br />

der Frauenbewegung allgemein, andererseits<br />

die Geschichte des Autonomen<br />

Frauenzentrums Linz beschreibt. Anhand<br />

von sieben autobiografischen Erfahrungsberichten<br />

mit Frauen, welche<br />

dem Autonomen Frauenzentrum Linz<br />

verbunden sind, stellt Regina Matuschek<br />

eine Verbindung zwischen den weiblichen<br />

Biografien der Befragten und der<br />

Geschichte des Frauenzentrums her. Im<br />

Zentrum stehen sowohl die Fragen nach<br />

der Motivation, sich für das Frauenzentrum<br />

zu engagieren bzw. dieses zu besuchen,<br />

als auch die sozialen, kulturellen<br />

und politischen Veränderungen innerhalb<br />

des Frauenzentrums in Linz sowie<br />

jene innerhalb der Frauenbewegung insgesamt.<br />

Da viele der befragten „Mitfrauen“ zum<br />

Zeitpunkt der Interviews in der Mitte<br />

des Lebens standen, wird ebenfalls die<br />

Thematik nach dem Generationswechsel<br />

und nach der Zukunft des Autonomen<br />

Frauenzentrums angesprochen. Aus diesem<br />

Grunde wurde auch ein achtes Interview<br />

mit einer jungen Frau durchgeführt,<br />

welche dem Zentrum gegenwärtig nahe<br />

steht und die Wertvorstellungen der<br />

Frauenbewegung entsprechend vertritt.<br />

Besonders anregend ist der geschichtliche<br />

Rückblick zu den Anfängen des Frauenzentrums<br />

im Buch dargelegt. Die Hausbesetzung<br />

und das mediale Echo zeigen<br />

beispielsweise, mit welchen Schwierigkeiten<br />

Frauen in Oberösterreich 1980 zu<br />

kämpfen hatten. Im weiteren Verlauf der<br />

Darstellungen gewinnt die Leserin auch<br />

ausgesprochen interessante Einblicke in<br />

das Vereinsleben und in die Vielfalt jener<br />

„Mitfrauen“, die sich in gewissen Zeitabständen<br />

dem Autonomen Frauenzentrum<br />

Linz verbunden fühlten. Konflikte zwischen<br />

heterosexuellen und lesbischen<br />

Frauen werden genauso thematisiert wie<br />

Unstimmigkeiten im Umgang mit den<br />

Männern. Diskussionen über eine mögliche<br />

Autonomie trotz Inanspruchnahme<br />

staatlicher Subventionsgelder demonstrieren<br />

nachhaltig, wie unterschiedlich<br />

die Einstellungen innerhalb „der“ Frauenbewegung<br />

waren.<br />

Im Buch wird weiters die gegenwärtige<br />

Problematik der Frauenbewegung skizziert:<br />

die gesellschaftspolitische Diskussion<br />

über die Benachteiligung von<br />

Frauen schwingt an der Oberfläche, die<br />

errungenen Erfolge werden für die Zukunft<br />

der Frauenbewegung eher zum<br />

Nachteil. Die Ansichten der befragten<br />

„Mitfrauen“ bestätigen das gegenwärtige<br />

Regina B. Matuschek<br />

... und immer wieder<br />

an der „Ordnung der<br />

Welt“ rütteln<br />

Ein Beitrag zur Geschichte<br />

des Autonomen<br />

Frauenzentrums Linz<br />

Linzer Schriften zur<br />

Frauenforschung<br />

Trauner Verlag,<br />

1. Auflage <strong>2011</strong><br />

270 Seiten, A5, broschiert,<br />

ISBN 978-3-85499-607-1<br />

Preis: Euro 22,50<br />

gesellschaftliche Bild vom Frau-Sein, lassen<br />

aber auch gleichzeitig Fragen nach<br />

aktualisierten feministischen Forderungen<br />

aufkeimen. Dazu zählt beispielsweise<br />

die Öffnung des Frauenzentrums für<br />

aufgeschlossene Männer.<br />

Als Lektüre ist das Buch zunächst allen<br />

Linzerinnen zu empfehlen, die dieser<br />

Thematik aufgeschlossen gegenüberstehen<br />

und Einblick in die Geschichte<br />

der Frauenbewegung auf lokaler Ebene<br />

erhalten möchten. Kritisch ist anzumerken,<br />

dass der gewählte Titel bereits ein<br />

Wissen aus der Frauenszene voraussetzt.<br />

Der anregende Stil und die leichte<br />

Lesbarkeit wiegen dies aber schnell auf.<br />

Soll an der „Ordnung der Welt“ wirklich<br />

gerüttelt werden, sollten sich sowohl<br />

Frauen als auch Männer diesem Buch<br />

widmen.

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