soziologie heute August 2011
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<strong>August</strong> <strong>2011</strong> <strong>soziologie</strong> <strong>heute</strong> 9<br />
Safe Space<br />
Sicherer Raum für Jugendliche<br />
Schüler-Coaching in Österreich:<br />
ein sozialpsychologisches Erfordernis<br />
von Bernhard Martin<br />
Die Safe Space-Idee hat sich - wie vieles andere den Grund- und Menschenrechten dienliche -<br />
aus der, historisch bedingt, die Freiheit vergleichsweise höher wertschätzenden US-amerikanischen<br />
Zivilgesellschaft heraus verbreitet. Ein Urteil des Supreme Court aus 1874 hielt maßgeblich<br />
für Kinder- und Jugendschutzrechte fest, dass alle Kinder zu schützen seien. Heute gibt es<br />
weltweit Einrichtungen, die für den Schutz von Kindern vor Missbrauch und Gewalt eintreten.<br />
In Wien organisiert sich ein Safe Space-Schülercoaching.<br />
Jede innovative soziale Bewegung beginnt<br />
mit einer menschlichen Tragödie,<br />
so scheint es. – 1873 wurde die<br />
10jährige Mary Ellen Wilson in einem<br />
New Yorker Waisenhaus, schmutzig,<br />
zerlumpt, abgemagert von einem methodistischen<br />
Missionar gefunden und<br />
aus ihrer elenden Lage befreit. In Folge<br />
rechtlicher Unterstützung durch Henry<br />
Bergh, dem Gründer der American<br />
Society for the Prevention of Animal Cruelty,<br />
konnte der Missionar die im Waisenhaus<br />
misshandelte Mary Ellen unter<br />
seine Obhut nehmen. Der Fall hatte<br />
in New Yorker Zeitungen viel Aufsehen<br />
erregt, sodass die Idee, Kinder<br />
vor Missbrauch in Schutz nehmen zu<br />
können, in der Gesellschaft Verbreitung<br />
fand. 1919 entstand in einem sozial<br />
schwachen New Yorker Stadtteil<br />
die Queensboro Society for the Prevention of<br />
Cruelty to Children, die <strong>heute</strong> – wie einige<br />
andere NGO’s – unter dem Begriff Safe<br />
Space ihre professionellen Hilfestellungen<br />
für kommunale Einrichtungen wie<br />
auch für Private anbietet.<br />
Praktischer Bedarf fand und findet sich<br />
in gesellschaftlichen Bereichen, wo<br />
aufgrund herrschender kultureller Normen<br />
und Wertvorstellungen devianten<br />
Phänomenen im Gemeinwesen mit Unterdrückung<br />
bis Gewalt begegnet wird.<br />
Das betrifft vor allem Erscheinungen<br />
von Jugendkultur, ethnische Zugehörigkeit,<br />
psychische Fähigkeiten bis hin<br />
zu (homo-)sexuellen Orientierungen.<br />
In Staaten wie Deutschland und Österreich<br />
wurzeln autoritäre Kulturen historisch<br />
besonders tief. Über Generationen<br />
bis dato entstanden kollektive Identitäten<br />
unter den Menschen, die gleichsam<br />
bipolar zwischen Opfer- und Täterrolle<br />
schwanken. Zeitnahe Theorien und Experimente<br />
zum autoritären Charakter 1 ,<br />
Evangelisches Gymnasium und<br />
Werkschulheim in Wien<br />
aber auch die bloße Inaugenscheinnahme<br />
von Massenmedien indizieren das<br />
soziokulturell wirksame Vorhandensein<br />
solcher Konformitätszwänge. Stabile,<br />
individuelle Identitätsbildung – zumal<br />
in der biopsychologisch komplexen Pubertätsphase<br />
– erfordert aber geradezu<br />
die persönliche Abgrenzung vom kulturellen<br />
Mainstream.<br />
Soziologische Grundlagen<br />
In der Wissens<strong>soziologie</strong> Karl Mannheims<br />
2 findet sich als Grundlage für<br />
die später abgeleitete Jugend<strong>soziologie</strong><br />
der Begriff der Generation. – Ausgehend<br />
von der Genealogie wird die Ge-