E_1928_Zeitung_Nr.062
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<strong>1928</strong> — AUTOMOBIL-REVUE<br />
Beliebte Ausflu^spunkle.<br />
Ragaz und die Tamiaaschlucht. Kurz bevor<br />
die wilde Tarnina ins weite Rheintal einrfiündet,<br />
liegt in einer bevorzugten Lage,<br />
herrlich schön gebettet, das Bad Ragaz. Vor<br />
einem halben Jahrhundert noch ein stilles<br />
Bauerndorf, ist es heute ein komfortabler<br />
Badeort von Weltruf geworden. Wem der<br />
Sinn für wilde und romantische Bergschönheiten<br />
geblieben ist, darf an Ragaz nicht<br />
vorbeifahren. Der Automobilist wird in einem<br />
der hier rühmlichst bekannten Hotels<br />
(Grand Hotel Quellenhof, Grand Hotel Hof<br />
Ragaz, Badhotel Tamlna, Hotel Lattmann,<br />
Hotel Rosengarten) Halt machen, um so<br />
mehr, als er in allen Gelegenheit hat, sein<br />
Vehikel einzustellen, um der Taminaschlucht<br />
einen Besuch abzustatten, den er nicht zu<br />
bereuen haben wird. Auch dann nicht, wenn<br />
er nicht auf ärztliche Anweisung hin seine<br />
Beine in das warme, dampfende Thermalwasser<br />
von Pfäffers hineinhängen muss.<br />
Diese Quellen wurden übrigens schon um<br />
das Jahr 1000 herum entdeckt, nur musste<br />
man noch Jahrhundertlang die Kranken an<br />
Seilen in die Schlucht hinunter lassen. Heute<br />
ist der Zugang bequemer; auf einem guten<br />
und wohlgepfkgten Fussweg begeht man<br />
diese einzigartige, tief in die Felsen hineingerissene<br />
Schlucht, in welcher sich niemand<br />
dem gewaltigen und ergreifenden Eindruck<br />
entziehen kann, den sie mit dem unter grossem<br />
Getöse und Brausen davoneilenden<br />
Wasser auf alle Besucher ausübt. Die Bergwände<br />
dieses Engpasses führen senkrecht<br />
gen Himmel, der sich weit oben nur durch<br />
einen schmalen blauen Streifen dem suchenden<br />
Auge verrät und von wo aus die wärmenden<br />
Sonnenstrahlen nur während wenigen<br />
Stunden in die Tiefe dringen.<br />
Ragaz ist als Bad vortrefflich und allen<br />
Ansprüchen genügend eingerichtet. Dem hier<br />
anhaltenden Automobilisten bieten sich, von<br />
dem Besuch der Taminaschlucht abgesehen,<br />
noch eine Reih© anderer prächtiger Ausflüge.<br />
Bevorzugte Ziele sind stets das alte Schloss<br />
Freudenberg, auf dessen rebenbekränztem<br />
Berghtigel man eine prächtige Aussicht geniesst,<br />
sowie die Burgruine Wartenstein.<br />
.Wer anstrengender« Touren liebt, hat Ge-<br />
Unterwasser. Im oberen Toggenburg zwischen<br />
Wildhaus und Alt-St. Johann liegt Unterwasser,<br />
der beliebte Ferienort, umgeben<br />
von schattigen Tannenwäldern, im Hintergrund<br />
beschirmt und überragt vom mächtigen<br />
Felsenmassiv des Säntis. Nach Süden<br />
sind es die- Churfirsten, die in zackiger Reihe<br />
einen harmonischen Abschluss bilden.<br />
Bekannt geworden ist Unterwasser in Automobilistenkreisen<br />
dadurch, dass es an internationaler<br />
Durchgangsstrasse liegt, dann<br />
aber haben die Durchfahrenden immer und<br />
immer wieder der Zauber des sauberen hübschen<br />
Dorfes angezogen und mancher hat<br />
hier verweilt, der zuerst diese Etappe gar<br />
nicht in seinem Reiseprogramm hatte. Ein<br />
Vorteil ist auch, dass Unterwasser nicht nur<br />
ein Ferienort zur Hochsommerszeit, sondern<br />
sich auch im Frühling und Herbst seiner nebelfreien<br />
Umgebung wegen ausgezeichnet für<br />
einen längeren oder kürzeren Kuraufenthalt<br />
eignet.<br />
An Unterhaltung fehlt es den Gästen nicht,<br />
prächtige Spaziergänge führen nach allen<br />
Richtungen und besonders der Ausflug zu<br />
den Thurwasserfällen ist ausserordentlich<br />
lohnend. Besondere Anziehungskraft übt auch<br />
das glänzend angelegte Luft-, Schwimmund<br />
Sonnenbad aus, das denn auch eine sehr<br />
starke Frequenz zeigt. Seine Anlage ist aber<br />
auch ideal und die mittlere Wassertemperatur<br />
vom Juni bis September beträgt 19 Grad.<br />
Wer also durch die Ostschweiz kommt, der<br />
verfehle nicht, auch die Fahrt durchs Toggenburg<br />
auf sein Reiseprogramm zu nehmen.<br />
Er findet so viel des Schönen von Lichtenstein<br />
hinauf über Wattwil, Ebnat-Kappel,<br />
'Alt-St. Johann, Nesslau, Unterwasser bis<br />
hinauf nach Wildhaus. e.<br />
Guter Rat. «Wenn ich nur meinem Manne das<br />
Sprechen im Schlafe abgewöhnen könnte!» —<br />
«Lassen Sie ihn bei Tage reden!»<br />
Das Glas. Pitter steigt mit seiner Frau Appolonia<br />
auf den 85 Meter hohen Pressaturm. Appolonia,<br />
bei ausserordentlichen Ereignissen immer ein bisschen<br />
poetisch gestimmt, schaut über die weite<br />
Rheinebene, seufzt und sagt: «Schad, Pitter, dat<br />
wir kein Ilas mitjenommen han!» — «Jibt's wat ze<br />
saufe hier?» fragt Pitter freudig, «dann drinken<br />
mer aus de Flasch!»<br />
legenheit, im Gebiet der Grauen Hörner, der<br />
Sardona und des Rhätikon seine Kräfte zu<br />
versuchen. Philosophisch veranlagten Naturen<br />
sei nicht verchwiegen, dass der Friedhof<br />
von Ragaz das Grabdenkmal des Philosophen<br />
F. W. v. Schelling birgt. G.<br />
Rapperswil. Wer mit seinem Auto dem<br />
Zürichsee entlang fährt, sollte nie verfehlen,<br />
Rapperswil, feinem der reizendsten und anmutigsten<br />
Schweizerstädtchen, einen Besuch<br />
abzustatten. Rapperswil vermochte, wie nur<br />
wenige Städtchen von gleichem Charakter,<br />
seinen interessanten mittelalterlichen Typus<br />
in aller Reinheit zu bewahren. Keine anziehendere<br />
Silhouette einer kleinen alten<br />
Stadt als diejenige RappersWils lässt sich<br />
denken, wenn der Tag herniederbricht und<br />
die Abendsonne das imposante, aus dem 13.<br />
Jahrhundert stammende Grafenschloss, das<br />
fast zwei Generationen hindurch das jedem<br />
Polen heilige polnische Nationalmuseum beherbergte,<br />
mit ihren Strahlen vergoldet. Das<br />
Städtchen zeigt dem Besucher eine ganze<br />
Reihe von Sehenswürdigkeiten. Neben dem<br />
Schloss das Rathaus mit alten Fresken und<br />
Antiquitäten, die katholische Kirche mit einem<br />
wertvollen und sehenswürdigen Kirchenschatz,<br />
und das Kapuztaerkloster. Eine<br />
prachtvolle Aussicht geniesst man vom<br />
Schloss oder vom Linidenhof aus auf den<br />
See und die Alpen. Ganz in der Nähe liegt<br />
di© idyllische Insel Ufenau, auf der zu Beginn<br />
des 16. Jahrhunderts der vertriebene<br />
Ulrich von Hütten seine Grabstätte fand. So<br />
bietet sich dem Besucher Rapperswils eine<br />
solche Mannigfaltigkeit, dass er gerne noch<br />
länger in der heimeligen, verträumten Rosenstadt<br />
weilen will. Als altbekanntes, bestgeführtes<br />
Haus lädt ihn das am See liegende<br />
und eine Autogarage besitzende Hotel du<br />
Lac hierzu ein. Eine gute Küche und einen<br />
guten Keller führt auch das bekannte Bahrthofbuffet,<br />
und schliesslich sei jedem, kulinarischen<br />
Genüssen nicht abgeneigten Bumm-<<br />
ler das bei Rapperswil liegende Hürden mit<br />
seinem alten, berühmten Landgasthof «Röss-<br />
11» empfohlen, das in erster Linie einer ausgezeichneten<br />
Fischktiche seinen Ruf verdankt.<br />
!<br />
G><br />
Kapperswil die „ftoienstadt", mit dem<br />
Damm, der den Obersee vom eigentlichen<br />
Zürichsee abschnürt.<br />
Unterschächeti. Wenn noch vor 20 Jahren<br />
kaum jemand den Namen Untexschächen<br />
kannte, so hat das in letzter Zeit gründlich<br />
geändert. Alle die Tausende und Abertausende,<br />
die den Klausenpass in beiden Richtungen<br />
befahren, kommen durch das hübsche<br />
Dörfchen, das hinten im Schächental in der<br />
Talsohle liegt, dort wo das Brünnital ins<br />
Haupttal einmündet. Wenn man von Spiringen<br />
herkommend auf wieder fallender<br />
Strasse nach Unterschächen fährt, so ist es<br />
erst das auf einem Hügel aufgebaute Kirchlein,<br />
das in die Augen fällt. Eine Schar brauner<br />
Berghäuschen hat sich um das Wahrzeichen<br />
des Dorfes gesammelt. Auf der andern<br />
Seite des Schächens liegt auf weitem, ebenen<br />
Wiesenplan eine Menge winziger, brauner<br />
Häuschen, gleichsam wie das Spielzeug<br />
eines Kindes, in die Natur gestreut.<br />
Gewaltig ist die Bergszenerie, die ringsum<br />
das kleine Alpendorf umgibt. Gewaltige Felswände-<br />
brechen von der Grossen Windgälle,<br />
dem Rüchen und Schneehorn ins Brünnital<br />
ab, dem Bergsteiger noch manches Problem<br />
zur Lösung offenlassend. Nach Osten sieht<br />
man hinauf zum Kammlifirn und Karnmlistock<br />
und bis auf die Passhöhe des Klausen,<br />
der vom markanten Felsturm des Märcherstöckli<br />
als treuem Wächter flankiert wird.<br />
Nordwärts sieht man hinauf an die steilen,<br />
sonnigen Flanken des Schächentals, an denen<br />
sich die Alpenwiesen hinaufziehen bis<br />
dort, wo unvermittelt aus grauem Schutt, die<br />
im Sonnenlicht hellgleissenden Kalkwände<br />
senkrecht in den Himmel stechen. Besonders<br />
ist es die bizarre Form der Schächentaler-<br />
Windgälle, die den Blick des Fahrers immer<br />
wieder auf sich zieht.<br />
Hübsch ist auch, wenn man bei sinkender<br />
Nacht von der Klausenpasshöhe herunterfährt<br />
und tief unten im Tal die Lichter von<br />
Unterschächen hinaufblinken, als ein Zeichen,<br />
dass auch in diesem einsamen Tal werktätiges<br />
Leben pulsiert. Lr.<br />
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