E_1928_Zeitung_Nr.072
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Vom notwendigen und unnötigen Lärm.<br />
Edison prophezeit den Grossstadtbewohnern<br />
einer ziemlich nahen Zukunft vollständige<br />
Taubheit, weil seiner Meinung nach, dem<br />
gesteigerten Verkehrs- und Industrielärm die<br />
Gehörnerven nicht mehr gewachsen sein würden.<br />
Ob nun der taube Erfinder die Widerstandsfähigkeit<br />
des Gehörorgans im besondern<br />
unterschätzt oder nicht..., das allgemeine<br />
Nervensystem wird schon jetzt durch<br />
den Grossstadtlärm erheblich in Anspruch genommen,<br />
und es haben sich sogar etliche<br />
Gesellschaften gebildet, die eifrig zur Bekämpfung<br />
des Lärms arbeiten, mit welchem<br />
Erfolg ist zwar nicht bekannt... Ein schallsicherer<br />
Helm für geistige Arbeiter fand aus<br />
naheliegenden Gründen bisher wenig Anklang,<br />
schalldämpfende Wände wären eher<br />
willkommen, werden aber der Kosten des<br />
Umbaues wegen in schon bestehenden Häusern<br />
kaum allzu häufig eingeführt werden,<br />
ganz abgesehen davon, dass ein offenes Fenster<br />
im Sommer den erzielten Vorteil wieder<br />
aufhebt.<br />
Augenblicklich ist es also noch immer praktischer<br />
und jedenfalls billiger, den Lärm an<br />
sich nach Möglichkeit zu beschränken und<br />
wider überflüssige Geräusche Sturm zu laufen.<br />
Da und dort werden polizeiliche Erlasse<br />
veröffentlicht, in denen gegen rücksichtslose<br />
Motorfahrzeugführer vorzugehen aufgefordert<br />
wird. Nicht nur Geschwindigkeitsexzesse,<br />
welche eventuell die Glieder der Nebenmenschen<br />
gefährden, sondern auch übertriebene<br />
und rücksichtslose Lärmentwicklung sollen<br />
inskünftig geahndet werden. Eine solche Verordnung<br />
kann ihr Gutes haben, wenn sie nicht<br />
einseitig und zu rigoros gehandhabt wird!<br />
Denn eine solche Stellungnahme richtet sich<br />
nur gegen eine exzedierende kleine Minderheit<br />
der Motorfahrergilde, und die besonnenen<br />
Automobilisten und Motorradfahrer haben<br />
selbst das lebhafteste Interesse an der Bestrafung<br />
der Schädlinge des Automobilismus<br />
und die einschlägigen Vereinigungen sind in<br />
wiederholten Publikationen von den unrühmlichen<br />
Vertretern ihrer Gruppe abgerückt. •<br />
Lärm, sofern er unvermeidlich ist, muss als<br />
notwendige Begleiterscheinung des heutigen<br />
Grossstadtlebens wohl oder übel mit in Kauf<br />
genommen werden, denn die Geräusche des<br />
Alltags im Maschinenzeitalter sind eben aufdringlicher<br />
als die in den sogenannten guten<br />
alten Zeiten der Postkutsche. Um *o energischer<br />
soll aber gegen alle überflüssigen aku-<br />
stischen Exzesse, in denen sich Gedankenlosigkeit<br />
und Mutwillen gedankenlos ausleben,<br />
eingeschritten werden.<br />
Der besonnene Automobilist oder Motorradfahrer<br />
fährt nicht mit knatterndem Auspuff<br />
durch die nächtlichen Strassen und der rücksichtsvolle<br />
Bürger unterhält sich um Mitternacht,<br />
nach «Pinten»-Schluss, auf dem Heimweg<br />
nicht in schmetterndem Ausruferton mit<br />
seinen Weggefährten und Stammtischgenossen.<br />
Auch die «johlenden Männerchöre» weinseliger<br />
Zecher gehören in normalen Zeiten<br />
nicht in das nächtliche Programm der Strasse<br />
und was das Abladen rasselnder Milchkannen<br />
noch vor dem Morgengrauen betrifft, so wäre<br />
mit einigem guten Willen auch hier eine<br />
Dämpfung zu erreichen.<br />
Die Nachtruhe einer tagsüber schwer geplagten<br />
Bevölkerung ist für deren Leistungsfähigkeit<br />
so wichtig, dass sie wohl ein wenig<br />
besser geschützt werden darf.<br />
Die Freiheit, welche die Exzedenten des<br />
Lärms für sich beanspruchen, ist vollkommen<br />
undemokratisch und der Grundsatz «schlafe<br />
ich nicht, so brauchst du auch nicht zu schlafen»<br />
widerspricht den primitivsten Forderungen<br />
des Gemeinsinns, den keine Gesellschaftsordnung<br />
— und wäre sie die freieste<br />
— entbehren kann.<br />
Gerade die Volksherrschafft, die Demokratie,<br />
setzt voraus, dass jeder vorerst einmal<br />
sich selbst zu beherrschen vermag. Wenn er<br />
das nicht will oder nicht kann, dann ist er<br />
halt noch nicht reif zur... Freiheit und kann<br />
der Aufsicht des Büttels nicht entraten...<br />
Mit einem temperamentvoll stilisierten Donnerwetter<br />
verlangt Schopenhauer für den Unfug<br />
des starken und anhaltenden Peitschenknallens<br />
in der Stadt die Prügelstrafe. Hätte<br />
er die mannigfaltigen oft arg übertriebenen<br />
akustischen Auswüchse unserer Zeit erlebt...<br />
sogar dem streitbaren Philosophen wäre vielleicht<br />
der grimmige Kraftstrom seiner Beredsamkeit<br />
knapp geworden... sicherlich<br />
aber das spanische Rohr! R.<br />
Jagd. Drell, in Firma Drell & Jnlett, lässt<br />
sich in die Geheimnisse der Jagd einweihen<br />
und macht die erste Birsch auf Hasen.<br />
Wütend kommt er heim. «Das ist nichts<br />
für einen soliden Kaufmann. Seit frühester<br />
Jugend bin ich an drei Monate Ziel gewöhnt,<br />
da kann man sich nicht plötzlich umstellen.»<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1928</strong> — 72<br />
Die Frage «Motorfahrzeuge und Nachtruhe» wird<br />
immer wieder in Diskussion gezogen. Bereits haben<br />
sich einzelne Kantone ernstlich mit der Frage des<br />
Nachtfahrverbotes für Lastwagen und Motorräder<br />
beschäftigt, — Bern hat es teilweise eingeführt und<br />
ein eingereichter Rekurs wurde vom Bundesgericht<br />
geschützt, — und auch die Polizeidirektorenkonferenz<br />
hat sich mit der Frage befasst. Bisher konnte<br />
man sich aber noch nicht auf einheitliche Vorschriften<br />
einigen.<br />
Auf die Initiative des Gemeindeammannes von<br />
Wohlen, Herrn Schleiniger, hin, soll nun die Frage<br />
auch an einer auf den 9. September, nachmittags<br />
halb zwei Uhr ins «Kasino» nach Wohlen einberufenen<br />
Versammlung der Gemeindeammänner des<br />
Kantons Aargau besprochen werden. Die Herren<br />
Nationalrat Dr. Nietlispach und Fürsprecher Dr. Irmiger<br />
werden Referate halten und diesen soll sich<br />
eine freie Aussprache anschliessen, die sicherlich<br />
allgemeinem Interesse begegnen wird. — ey.<br />
Die Bremgartner Brücke im Bau<br />
Die Brücke von der Felsenau nach Bremgarten,<br />
deren Konstruktion wir in Nr. 49 unseres Blattes<br />
eingehend besprochen haben, ist soeben in Angriff<br />
genommen worden. Das Sappeurbataillon 3, das<br />
vor einigen Tagen einrückte, wird die 62 Meter<br />
lange Holzkonstruktion erstellen für eine Fahrbahn<br />
von 5 m und 2 Trottoirs von 70 cm Breite, während<br />
die Hoch- und Tiefbau A.-6. die beiden betonierten<br />
Widerlager und das Rammen der beiden<br />
eisernen Mitteljoche als Vorarbeit zu besorgen hat.<br />
Die Holzkonstruktion soll Ende dieser Woche in die<br />
Widerlager eingebaut werden.<br />
Die Brücke, die zwei Automobilen ein müheloses<br />
Kreuzen erlauben wird, und auf eine Tragfähigkeit<br />
von 20 Tonnen berechnet ist, erschliesst Bremgarten<br />
und seine Umgebung für den unmittelbaren Vorortsverkehr<br />
der Stadt Bern. Sie hat siedlungspolitisch<br />
eine hohe Bedeutung.<br />
go.<br />
DEM<br />
LESERKREIS<br />
Ein geschätzter Abonnent schreibt uns:<br />
Eine unliebsame Bussenfängerei macht sich im<br />
Glarnerländli bemerkbar. Bin ich da an einem<br />
Sonntagmorgen in aller Gemütsruhe nach Schwanden<br />
gefahren und zwar in einem Tempo, in dem<br />
ich für eine Strecke von 60 km volle 2 Stunden<br />
brauchte, ohne irgend einen Halt! Aber, liebe Kollegen,<br />
nach zirka 10 Tagen erschien eine Amtsperson<br />
und teite mir mit, dass ich im Glarnerland<br />
mit einer Schnelligkeit von 35 km durch ein Dorf<br />
gefahren sei. Diese Feststellung sei auch von einer<br />
Amtsperson gemacht worden. Auf meine Reklamation<br />
hin erhielt ich aber trotzdem am 26. Juli<br />
eine Busse von Fr. 30.—. Ich habe gegen diese<br />
wieder reklamiert und betont, dass sie ungerecht<br />
wäre, denn ich fuhr tatsächlich im genannten Ort<br />
höchstens mit 20 km. Zudem habe ich ja den<br />
Hüter des Gesetzes schon von weitem erblickt.<br />
Aber alles Reklamieren nützte hier nichts, es<br />
wird einfach betont, eine Amtsperson habe das<br />
festgestellt.<br />
Eisenbahnfrachten und Besoldungsgesetz. Dazu<br />
schreibt man uns: Immer und immer wieder<br />
wird in den Räten und in der Presse auf die erdrückenden<br />
Frachtsätze unserer Bundesbahnen<br />
hingewiesen und betont, dass eine dauernde Erholung<br />
der gesamten Volkswirtschaft nur möglich sei,<br />
wenn diese Frachtsätze, die Höchsten in Europa,<br />
herabgesetzt würden. Mit der gleichen Regelmässigkeit<br />
erfolgt dann von Bern aus eine höfliche Antwort,<br />
deren Schlussatz gewöhnlich lautet: «Dass<br />
es im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht tunlich<br />
sei, die Frachtsätze herabzusetzen.» Eine blitzartige<br />
Beleuchtung der Situation ergibt die nachfolgende<br />
Notiz, welche nur in einem Teil der Presse<br />
kürzlich zu lesen war:<br />
c Die EinTeihung in die 26. Besoldungsklasse<<br />
Der Chef des Eisenbahn-Departements wird nächster<br />
Tage eine Delegation des schweizerischen!<br />
Eisenbahnerverbandes empfangen, um ihr Gelegen-*<br />
heit zu geben, die in der kürzlich an das Departement<br />
gerichteten Eingaben zur Aemtereinreihung<br />
geltend gemachten Begehren mündlich anzubringen^<br />
Der Eisenbahnerverband macht alle Anstrengungen,<br />
um insbesondere eine Aenderung in der Einreihung<br />
in die unterste Besoldungsklasse zu erzielen.<br />
Er macht dabei geltend, dass aruch die Arbeiter<br />
dieser Kategorie bedeutende Fachkenntnisse<br />
besitzen müssen, um ihre Obliegenheiten erfüllen<br />
zu können. Zudem handle es sich um schwere»<br />
körperliche Arbeiten mit erheblichen Unfallgefahren<br />
und Krankheits-Risiken. Es sei daher ganz<br />
am Platze, dass diese Arbeit besser gewürdigt<br />
werde, das heisst in eine bessere Klasse eingereiht<br />
werden müsse.<br />
Das Begehren des Eieenbahnerverbandes würde<br />
in seiner Gesamtheit zu einer vollständigen Preisgabe<br />
der Grundlage führen, seai der sich bisher<br />
die finanzielle Berechnung das eidgenössischen<br />
Besoldungsgesetzes aufgebaut hat. Bereits in dem<br />
letzten Verhandlungen zwischen der Generaldirektion<br />
und den Vertretern des Personals sind weitgehende<br />
Zugeständnisse zugunsten des Personal»<br />
gemacht worden. Die Verwirklichung aller Einreihungepostulate<br />
des Eisenbahnerverbandes hätte<br />
eine Mehrausgabe von 4K—5 Millionen Franken<br />
zur Folge. »<br />
Daraus geht hervor, dass hinter den Kulissen!<br />
mächtige Kräfte am Werk sind, die ganze Basis<br />
des Besoldungsgesetzes zu verschieben, um dem<br />
Bundesbahnangestellten noch weitere Vorteile zuzuschanzen.<br />
Wir zweifeln nicht, dass Endes alle*<br />
Enden bei diesen Verhandlungen der Eisenbahnerverband<br />
obenauf schwingen wird, denn seine politische<br />
Macht ist sehr gross, das hat sich ja int<br />
Jahre 1918 anlässlich des Eisenbahnerstreiks deutlich<br />
gezeigt. In Bern alber gilt das Wort: « Mao:<br />
glaubt zu schieben, doch man wird geschoben... M<br />
Und wenn dann wiederum über die Höhe der 1<br />
Frachten geklagt wird, so schiebt man die Schuldi<br />
auf die Automobil-Konkurrenz, anstatt die Axt da<br />
anzusetzen, wo sie hingehört, beim Besoldungs-Abbau.<br />
Das sind die Segnungen des Wortes: «Die<br />
Schweizerbahnen dem Schweizervolke. ><br />
Nachtrag der Redaktion: Die besagte<br />
Konferenz hat derweilen stattgefunden. Dabei<br />
machten die Personalvertreter geltend, dass die<br />
Bezüge der 26. Klasse ungenügend seien für den:<br />
Unterhalt einer Familie. Bundesrat Haab und Generaldirektor<br />
Schrafl legten ausführlich dem<br />
Standpunkt der Verwaltung dar. Die Eisenbahner-*<br />
delegation hielt an ihrem Standpunkt fest.<br />
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