E_1934_Zeitung_Nr.055
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N« 55 - <strong>1934</strong> AUTOMOBIL-REVUE 13<br />
Motorfahrzeug und Alkohol.<br />
Eine Stimme vom Land.<br />
Nachdem in Gerichtsurteilen, medizinischen<br />
Gutachten und Abhandlungen in Fachschriften<br />
gegen den Genuss von Alkohol durch Motorfahrzeuglenker<br />
gewettert wird, was das<br />
Zeug hält, ist es interessant, über diesen<br />
Punkt die Ansicht eines ländlichen Bezirksgerichtes<br />
des Kantons Zürich zu vernehmen.<br />
Ein Rosshändler unternahm als Soziusfahrer<br />
eines Motorradfahrers mittags 12 Uhr<br />
eine Tour nach Rapperswil und den See hinunter<br />
bis Zürich, dann wieder Richtung Uster.<br />
Die beiden kehrten während dieser Zeit<br />
zwölfmal in Wirtschaften ein. Nachts 11 Uhr<br />
wurde nun der Soziusfahrer auf der Heimfahrt<br />
abgeworfen und erlitt Verletzungen. Im<br />
Prozess wurde geltend gemacht, den Soziusfahrer<br />
treffe ein Mitverschulden von mindestens<br />
einem Drittel. (Der Unfall passierte<br />
noch unter dem Konkordat.)<br />
In der Begründung seines Urteils führte<br />
nun das ländliche Bezirksgericht, welches die<br />
Angelegenheit zu beurteilen hatte, unter anderm<br />
folgendes aus:<br />
« Naoh den Akten ist nicht erwi«een, dass es<br />
sich bei der kritischen Fahrt lediglich um eine<br />
Weinreise, eine Lustfahrt, gehandelt habe. Gegenteils<br />
muss davon ausgegangen werden, dass der<br />
Kläger die Fahrt unternahm, um eine Reihe von<br />
Geschäften zu erledigen, bzw. Geschäftsfreunde zu<br />
besuchen, und wenn dabei jeweilen in Wirtschaften<br />
angekehrt und Alkohol konsumiert wurde, so liegt<br />
das in der Natur der Sache, da sich diese Art Handel<br />
in der Regel nicht bei Eglisana abwickelt. Aber<br />
auch wenn es sich teilweise um eine Vergnügungsfahrt<br />
gehandelt hätte, so würde das einen Schadenersatzanspruch<br />
nicht ausschüessen, weil auch der<br />
Teilnehmer an einer solchen Anspruch darauf erheben<br />
kann, von dem verantwortlichen Führer mit<br />
gesunden Knochen nach Hause gebracht zu werden.<br />
Es wäre auch weltfremd und tendenziös, wollte<br />
man den Schadenersatzanspruch eines Verunfallten<br />
schon deshalb ausschüessen, weil er sich einem<br />
Führer anvertraut hat, der (im Verlaufe der Fahrt)<br />
eines oder mehrere Gläser Wein oder Bier getrunken<br />
hat und vielleicht auch die naturgemässen Zeichen<br />
von Angeregtsein aufweist. Solange kein Alkoholverbot<br />
für den Führer besteht, hat sich auch<br />
die Rechtspflege bei Bemessung der Anforderungen<br />
an die diesbezügliche Diligenzpflicht nach den<br />
tatsächlichen Verhältnissen und der bestehenden<br />
Uebung zu richton. Diese ist nun einmal so, dass<br />
auch dem Führer ein massiger Alkoholgenuss, bemessen<br />
an seinem individuellen Mass, gestattet ist.<br />
Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass es für den<br />
einzelnen Teilnehmer einer Fahrt sehr schwer ist,<br />
festzustellen, ob der Führer über dieses Mass hinaus<br />
getrunken hat oder nicht, eolange er nicht ausgesprochene<br />
Zeichen von Angeheitertsein aufweist.<br />
Man wird daher einem Mitfahrer auch niemals<br />
Selbstverschulden oder überwiegendes Mitverschulden<br />
vorwerfen dürfen, wenn er sich einem durch<br />
die Blutprobe nachträglich als erheblich alkoholisiert<br />
erwiesenen Führer anvertraut hat, solange<br />
nicht erwiesen ist, dass dieser Führer ausgesprochene<br />
Anzeichen seines Zustandes aufgewiesen hat.<br />
Das Mass des genossenen Alkohols bzw. der Ausfall<br />
der Alkoholprobe ist dafür nicht ohne weiteres<br />
beweisend, weil die individuelle Reaktion darauf<br />
völlig verschieden ist. Im übrigen schliesst im vorwürfigen<br />
Fall auch das Gerichtlich-Medizinische<br />
Institut aus dem Alkoholgehalt beim Beklagten lediglich<br />
auf einen «leichten bis mittelschweren<br />
Rausch », ohne dass deswegen schon Gleichgewichtsstörungen<br />
und dgl. auftreten müssten. »<br />
Medizinisch war festgestellt, dass der Motorradfahrer<br />
1,5 Promille Alkohol im Blut<br />
hatte; vom Verletzten erklärte der Arzt, es<br />
seien auch bei diesem Anzeichen eines gewissen<br />
Alkoholgenusses konstatiert, und das Gericht<br />
sagt nun, es gehe nicht an, lediglich aus<br />
dem Katalog der besuchten Wirtschaften zu<br />
schliessen, dass der Unfall des Rosshändlers<br />
darauf zurückzuführen sei, dass dieser wegen<br />
seines alkoholisierten Zustandes wie ein Sack<br />
heruntergefallen sei; der Rosshändler sei ein<br />
robuster Mann, der deshalb und auch wegen<br />
der Natur seiner beruflichen Betätigung den<br />
Alkohol über das Normalmass hinaus vertrage.<br />
Das Gericht hat denn auf Grund dieser<br />
seiner Feststellungen ein Selbstverschulden<br />
des Klägers deswegen, weil er mit dem<br />
angeheiterten Beklagten weitergefahren ist,<br />
nicht angenommen. Im übrigen sei die Begründung<br />
des Urteils ohne jeden Kommentar<br />
begleitet.<br />
F.-Z.<br />
Stvassen<br />
Klöntalerstrasse. Wer mit dem Wagen einmal<br />
versuchte, an den Klöntalersee zu fahren,<br />
der musste die Beobachtung machen,<br />
dass die bestehende Klöntalerstrasse dem<br />
Automobilverkehr etwelche Schwierigkeiten<br />
bietet. Vor allem ist die Strecke stellenweise<br />
recht schmal und auf grösserer Distanz weist<br />
sie zu starke Steigung auf. Man hat sich dadurch<br />
zu helfen versucht, dass bis anhin<br />
diese Strecke zur Bergfahrt freigegeben<br />
wurde, während für die Rückfahrt vorschriftsgemäss<br />
die Route über den Sackberg<br />
einzuschlagen war. Nach Beschluss des glarnerischen<br />
Landrates soll nun das Teilstück<br />
zwischen dem Staldengarten am Eingang des<br />
Klöntals bis zur « gelben Runs» verbessert<br />
und ausgebaut werden. Voraussichtlich wird<br />
mit dem Umbau bereits noch im Verlaufe der<br />
Herbstmonate als Notstandsarbeit begonnen.<br />
Das weitere Teilstück, d. h. der Abschnitt<br />
von der gelben Runs bis zum Klöntalersee<br />
kann noch nicht in Angriff genommen<br />
werden, weil diese Strecke auf Korporationsgebiet<br />
liegt und die Korporationsgemeinde<br />
eine Uebernahme durch den Kanton<br />
verlangt, was einen Landsgemeindebeschluss<br />
notwendig macht. Der Ausbau der Klöntalerzum<br />
Teilstück einer durchgehenden Pragelstrasse<br />
wird 1 aller Wahrscheinlichkeit nach<br />
noch lange auf sich warten lassen, denn nirgends<br />
in unsern Kantonen steckt der Strassenbau<br />
in derart argen Verhältnissen wie im<br />
Kanton Schwyz. Einzig die kurzen Teilsrücke<br />
Brunnen-Schwyz, SchindeHegi-Biberbrücke<br />
und in der March sind bis heute gut ausgebaut,<br />
während 1 es z. B. auf schwyzerischem,<br />
Zuger- wie Vierwaldstätterseegebiet noch im<br />
Argen liegt. Vor einigen Jahren war in der<br />
Schwyzer Presse vielfach von der Anlage<br />
eines Qütersträsschens nach dem Pragel die<br />
Rede, seither ist es aber wieder recht ruhig<br />
geworden um dieses Projekt. Vielleicht trägt<br />
der Vorstoss der Jungliberalen mit ihrer<br />
Strassenbauinitiative etwas Leben in die<br />
schlafende schwyzerische Strassenbaupolitik<br />
hinein.<br />
a<br />
Um die Stoserbrücke. Der Zuger Kantonsrat<br />
hat in seiner letzten Sitzung auf Antrag<br />
des Regierungsrates mit 36 gegen 24 Stimmen<br />
beschlossen, an Stelle der reparaturbedürftigen<br />
hölzernen Reussbrücke bei Sins auf<br />
eigene Kosten und ohne Beteiligung des Kantons<br />
Aargau, eine Betonbrücke zu erstellen.<br />
Bekanntlich hatte sich die aargauische Baudirektion<br />
seinerzeit auf den Standpunkt gestellt,<br />
nur dann einen Beitrag an diese<br />
Brückenbaute entrichten zu können, wenn<br />
der Standort der neuen Brücke verschoben<br />
würde, wodurch grössere Unkosten für Erstellung<br />
neuer Pfeiler, von Widerlagern und<br />
Zufahrtsstrassen erwachsen wären.<br />
Italienische Strassenbauten. Der von der<br />
Strassenverwaltung Bozen ausgearbeitete<br />
Bauplan für die Erneuerung der gesamten<br />
Strecke durch das Pustertal ist bei einem<br />
Kostenaufwand von 12 Millionen Lire vom<br />
Ministerium für öffentliche Arbeiten genehmigt<br />
worden. Zusammen mit den bereits<br />
ausgebauten Strassen über den Brenner,<br />
durchs Vintschgau tmd über den Passo di<br />
Mendola wird die neue Pustertalerroute<br />
stark zur Belebung des Automobilverkehrs<br />
im nördlichen Teil der Dolomiten beitragen,<br />
stellt sie doch eine der Zufahrtslinieti zum<br />
Passo di Campohmgo dar. Diese Nachricht<br />
illustriert weiterhin den Unterschied zwischen<br />
dem eidgenössischen Raten und den<br />
italienischen Taten.<br />
Oesterreich. — Die Befahrongsmögiichkeiten<br />
der Grossglockner-Hochalpenstrasse.<br />
Die im Bau befindliche Grossglockner-Hochalpenstrasse<br />
kann gegenwärtig auf der Südseite<br />
von Heiligenblut bjs zur Franz-Josefs-<br />
Höhe (2366 m) und auf der Nordseite von<br />
Dorf Fusch bis Hochmais (1660 m) befahren<br />
werden. Die Bauarbeiten an der Scheitelstrecke<br />
sind in vollem Gange und man hofft,<br />
die Strasse im September 1936 dem Verkehr<br />
übergeben zu können. ET<br />
Kein erhöhter Strassenverschleiss durch<br />
Anhänger. Von seiten der Wegunterhaltungspflichtigen<br />
wird oftmals ein Kampf gegen<br />
die Anhänger der Lastwagen geführt, mit<br />
der Begründung, dass von dem Hin- und<br />
Herpendeln dieser Anhänger die Fahrbahnen<br />
mehr angegriffen werden als vom Wagen<br />
selbst.<br />
Um einwandfreies Material zur Beurteilung<br />
dieser Streitfrage zu erhalten, sind nun<br />
im Auftrage des deutschen Verkehrsministeriums<br />
bei Braunschweig auf einer Versuchsstrasse<br />
kürzlich Versuche auf einer<br />
geraden Strecke gemacht worden. Um vollkommen<br />
vergleichbare Ergebnisse zu erzielen,<br />
wurden auf vier nebeneinanderliegenden<br />
Fahrspuren fabrikneue Wagen, und zwar<br />
alle dreiachsig und von gleichschwerem Typ<br />
verwendet. Drei dieser Wagen fuhren mit<br />
Luftreifen, davon einer ohne Anhänger,<br />
einer mit einem zweiachsigen und einer mit<br />
•inem dreiachsigen dagegen der vierte Lastwagen<br />
und sein zweiachsiger Anhänger waren<br />
elastikbereift. Die ersten 3 Lastautos fuhren<br />
mit einer Geschwindigkeit von 40 km,<br />
der vierte wegen der Bereifung mit 25 Kilometer<br />
in der Stunde, wobei die tägliche mittlere<br />
Belastung auf jeder Fahrspur 2160 Tonnen<br />
betrug.<br />
Das Ergebnis fiel in jeder Hinsicht für die<br />
Anhänger günstig aus. Man fasste die gesamten<br />
Betriebskosten der Fahrzeuge und<br />
die Aufwendungen zur Unterhaltung, Tilgung<br />
und Verzinsung für die Fahrbahn für<br />
jedes Fahrzeug und jede Fahrbahn zusammen.<br />
Das Ergebnis war ein erheblich billigerer<br />
Transport für die Gruppen mit Anhänger gegenüber<br />
dem alleinfahrenden Wagen, und<br />
zwar für den dreiachsigen Anhänger um<br />
29,7%, für den zweiachsigen Anhänger mit<br />
Luftbereifung um 28,3% und für den elastikbereiften<br />
um 30,3%. Die Unterschiede erklären<br />
sich in der Hauptsache aus den Unterhaltungskosten<br />
der Bahnen die bei dem zweiachsigen<br />
luftbereiften Anhänger nur um 0,5%<br />
und bei dem dreiachsigen Anhänger um 2,1%<br />
höher waren als bei dem alleinfahrenden<br />
Wagen. Lediglich bei dem elastikbereiften<br />
Anhänger waren die Unterhaltungskosten<br />
13,2% höher. Es muss aber darauf hingewiesen<br />
werden, dass die Strassenkosten lediglich<br />
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