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März 2018 I Jahrgang 17 I Nr. 189<br />
Politik & Wirtschaft 09<br />
Gute Noten für heimische Firmen<br />
Focus-Business kürt die 1000 Top-Arbeitgeber: Mitarbeiter bewerten die Attraktivität des eigenen Unternehmens.<br />
VON HERIBERT LOHR<br />
Der Mangel an Fachkräften<br />
nötigt den Firmen einiges<br />
an Engagement ab, um sich<br />
bei potentiellen Mitarbeitern,<br />
Schulabgängern oder Studenten<br />
in Szene zu setzen. Da ist es natürlich<br />
sehr hilfreich, wenn die Bemühungen<br />
auch entsprechende<br />
Aufmerksamkeit finden.<br />
Bereits zum sechsten Mal hat das<br />
Nachrichtenmagazin Focus nun<br />
sein Ranking der besten Arbeitgeber<br />
in der Bundesrepublik veröffentlicht.<br />
Dazu wertete das Hamburger<br />
Markforschungsinstitut<br />
Statista 127 000 Bewertungen<br />
aus, die über das Acces-Online-Panel,<br />
die Xing-Befragung und die<br />
Bewertungsplattform Kununu erhoben<br />
wurden. Dazu wurden<br />
21 000 Arbeitnehmer anonym<br />
und unabhängig befragt.<br />
Ingesamt wurden 50 Fragen zu<br />
den einzelnen Firmen/Arbeitgebern<br />
gestellt. Teilnehmen konnten<br />
Angestellte und Arbeiter aus allen<br />
Hierarchie- und Altersstufen. Die<br />
Befragten gaben unter anderem<br />
an, wie zufrieden sie mit dem Führungsverhalten<br />
ihres Vorgesetzten,<br />
ihren beruflichen Perspektiven,<br />
dem Gehalt sowie der Work-<br />
Life-Balance des Arbeitgebers<br />
sind. Entscheidend war auch, ob<br />
die Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber<br />
weiterempfehlen würden. Heraus<br />
kam das Gesamtranking der<br />
Attraktiv: Zum fünften Mal schneidet EBM-Papst im Branchen-Ranking hervorragend ab.<br />
1000 besten Arbeitgeber und ein<br />
spezielles Branchenranking. Einmal<br />
mehr zeigte sich, dass sich<br />
auch zahlreiche Firmen aus der<br />
Region mit ihrer Personalarbeit einen<br />
guten Namen gemacht haben.<br />
Und es sind nicht immer nur die<br />
Größten, die bei Arbeitnehmern<br />
hoch im Kurs stehen.<br />
Bereits zum zweiten Mal wurde<br />
etwa die BTI Befestigungstechnik<br />
(Teil der Berner-Gruppe) zu einem<br />
der besten Arbeitgeber<br />
Deutschlands gewählt. Dabei<br />
konnte BTI vor allem in der Kategorie<br />
„Weiterempfehlungsbereitschaft“<br />
punkten. „Das bedeutet,<br />
dass uns viele Mitarbeiter gerne<br />
der Familie und Freunden empfehlen“,<br />
erklärt Felix Ulrich, Leitung<br />
Personal bei BTI Befestigungstechnik<br />
in Ingelfingen. Auch Leonhard<br />
Weiss in Satteldorf steht wieder<br />
hoch im Kurs. Im Ranking werden<br />
aus Unternehmen mit mehr als<br />
500 Mitarbeitern die Top Arbeitgeber<br />
aus 22 Branchen ermittelt. Bereits<br />
zum fünften Mal in Folge<br />
ging das Familienunternehmen<br />
als einer der Top drei der Baubranche<br />
hervor. Für Geschäftsführer<br />
Alexander Weiss, für Personal<br />
und Kommunikation zuständig,<br />
sind gute Arbeitsbedingungen und<br />
Foto: EBM-Papst<br />
ein vertrauensvolles Klima wichtige<br />
Elemente einer positiven Personalpolitik.<br />
„Wir legen sehr viel<br />
Wert auf das Feedback. Nur ein offener<br />
Austausch auf Augenhöhe<br />
macht es möglich, dass man immern<br />
wieder die Stellschrauben<br />
zur weiteren Entwicklung und Verbesserung<br />
findet.“<br />
Erstmals hat Focus-Business neben<br />
den Gesamt- und Branchensiegern<br />
auch Top-Arbeitgeber in<br />
Extra-Kategorien gekürt. Ausgezeichnet<br />
werden jeweils die Top-<br />
50-Unternehmen Deutschlands in<br />
den Kategorien „Internationalität“,<br />
„digitaler Arbeitsplatz“, „Arbeitsatmosphäre“,<br />
„Karriere“, „Eigeninitiative“,<br />
„Weiterbildung &<br />
Entwicklung“, „Führungskultur“<br />
und „Gesund & Fit“. Leonhard<br />
Weiss konnte hier in den beiden<br />
Kategorien Weiterbildung und Entwicklung<br />
sowie Karriere Punkte<br />
sammeln. Das familiengeführte<br />
Bauunternehmen ist bekanntlich<br />
stets auf der Suche nach jungen<br />
Talenten und bietet deshalb potenziellen<br />
Bewerbern eine Vielzahl<br />
an Entwicklungschancen in eine<br />
mögliche Fach- und Führungskarriere.<br />
Eine enge Begleitung durch<br />
Beratung, Coaching, Feedback-Gespräche<br />
und Weiterbildungsmaßnahmen<br />
ist. Auch EBM-Papst gehört<br />
wieder zu den besten Arbeitgebern<br />
Deutschlands und landete<br />
im Gesamtranking auf Platz 146<br />
(Vorjahr: Platz 147). In der Branche<br />
Maschinen- und Anlagenbau<br />
konnte ein stabiler Platz 12 (Vorjahr:<br />
11) erreicht werden, in der<br />
Branche Elektronik und Elektrotechnik<br />
sprang der Ventilatorenund<br />
Motorenhersteller auf Platz<br />
14. Stefan Brandl, Vorsitzender<br />
der Geschäftsführung, betont:<br />
„Wir freuen uns sehr über dieses<br />
gute Ergebnis. Es zeigt, dass wir<br />
ein gutes Unternehmensklima haben<br />
und sich die Menschen bei<br />
uns wohlfühlen. Daran wollen wir<br />
auch weiterhin arbeiten.“<br />
www.focus.de<br />
TOP-Arbeitgeber aus der Region<br />
Maschinen- und Anlagenbau: Bosch (Crailsheim, Abstatt) Rang<br />
2, insgesamt Rang 33; EBM-Papst (Mulfingen)12/146; Bürkert<br />
Fluid Control Systems (Ingelfingen, Gerabronn) 20/229; Mahle<br />
(Gaildorf, Schwäbisch Hall, Neuenstein) 31/404; Banken und Versicherungen:<br />
Bausparkasse (Schwäbisch Hall) 20/241; Bauwirtschaft:<br />
Leonhard Weiss (Satteldorf) 3/88; Bekleidung: Intersport<br />
(Heilbronn) 21/880, Einzelhandel: Kaufland (Neckarsulm)<br />
33/655; Elektrotechnik: EBM-Papst (Mulfingen) 14/146; Wittenstein<br />
(Igersheim) 49/645; Kärcher (Winnenden, Bühlertal)<br />
16/177; Großhandel: Würth (Künzelsau) 21/621, BTI Befestigungstechnik<br />
32/923; Verarbeitung: Groninger (Crailsheim) 32/<br />
532; Roto Frank (Bad Mergentheim) 41/728.<br />
Gastkommentar<br />
Vorsicht: „Overtourism“!<br />
Steigende Touristenzahlen verärgert Einheimische. Dennoch bildet Tourismus für viele Länder einen wichtigen Wirtschaftsfaktor.<br />
Überfüllt: Am Strand von Arenal auf der Mittelmeerinsel Mallorca<br />
herrscht im Sommer Tourismus-Hochbetrieb.<br />
Foto: NPG-Archiv<br />
Wahrscheinlich geht es Ihnen<br />
erst einmal wie mir,<br />
als ich zum ersten Mal<br />
das Wort „Overtourism“ gelesen<br />
habe: „Was ist jetzt das? Muss was<br />
Neues sein. Hört sich aber ebenso<br />
interessant wie spannend an. Also<br />
worum geht es?“<br />
Im vergangenen November trafen<br />
sich in Pisa internationale Reisefachleute,<br />
die diesen neuen Begriff<br />
schufen und ihn sogleich in<br />
die Welt hinausposaunten, auf<br />
dass er rechtzeitig vor der weltweit<br />
größten Tourismusmesse,<br />
der ITB in Berlin Anfang März, für<br />
Furore sorgen könne; schwer angestrengt<br />
übersetzt mit „Übertourismus“.<br />
Es geht also um die seit Jahren<br />
kontinuierlich steigenden Touristenzahlen,<br />
die von den Hoteliers<br />
der Destinationen gefeiert, von<br />
der „überfluteten“ einheimischen<br />
Bevölkerung aber zunehmend mit<br />
Verärgerung bis hin zur offenen<br />
Ablehnung registriert werden.<br />
Die Reiselust ist weltweit ungebrochen:<br />
2017 stieg die Zahl grenzüberschreitender<br />
Reisen um<br />
sechs Prozent, alleine in den Monaten<br />
Juli und August waren weltweit<br />
mehr als 300 Mio. Auslandsreisen<br />
zu verzeichnen. Insgesamt<br />
waren wir Deutschen im vergangenen<br />
Jahr an 1,68 Mrd. Tagen auf<br />
Ausflügen und längeren Reisen unterwegs<br />
– Weltrekord. In den Zielländern<br />
befindet sich die Begeisterung<br />
hierüber schon länger im<br />
Sinkflug, hat teilweise nicht nur<br />
bereits den Boden erreicht, sondern<br />
sich sogar ins glatte Gegenteil<br />
verkehrt und zu massiven Abwehrreaktionen<br />
geführt:<br />
In Venedig – hier treffen jährlich<br />
sagenhafte 22 Mio. Besucher auf<br />
55 000 Einwohner – wehren sich<br />
die Einheimischen mit Spruchbändern<br />
– „Grandi Navi – no!“ – gegen<br />
große Schiffe, die teilweise<br />
bis zu 6000 Touristen „geladen“<br />
haben und diese in die Lagunenstadt<br />
„auskippen“; mehrmals täglich.<br />
Schon kurz nach dem Ausstieg<br />
sehen sie sich neuerdings<br />
mit der an Hauswänden gehefteten<br />
Aufforderung konfrontiert:<br />
„Touristen, geht weg. Ihr zerstört<br />
unsere Gegend.“ Auf Mallorca zogen<br />
im letzten September mehrere<br />
tausend Insulaner durch die<br />
Straßen, „um gegen Umweltprobleme,<br />
überfüllte Strände, Trinkwasserknappheit<br />
und teure Wohnungen<br />
zu demonstrieren“.<br />
Umgekehrt klagen auch die Reiselustigen<br />
„aller Länder“ über „völlig<br />
überfüllte“ Reiseziele, seien es<br />
Sehenswürdigkeiten oder auch Urlaubsorte.<br />
So erwies sich nach einem<br />
Bericht des Handelsblatts die<br />
Chinesische Mauer als „Negativ-<br />
Champion“, eine weltberühmte Sehenswürdigkeit,<br />
„die jeder vierte<br />
Besucher als inakzeptabel überfüllt<br />
kritisierte“. Ähnlich schlecht<br />
schnitten einzelne Skigebiete in<br />
den Dolomiten, Küstendörfer an<br />
Italiens Riviera sowie die Metropolen<br />
Amsterdam und Istanbul, dazu<br />
noch Barcelona und Florenz ab.<br />
Amsterdam reagierte recht rabiat:<br />
Die Stadtverwaltung begrenzte die<br />
Anzahl der Tage, an denen Privatleute<br />
ihre Betten vermieten dürfen<br />
auf 30 pro Jahr und neue Geschäfte<br />
mit Souvenir- und Touristenbedarfsangeboten<br />
sind ebenso<br />
untersagt wie neue Fast-Food-Anbieter,<br />
Fahrradverleiher und Eisdielen.<br />
Mallorca erhöhte die Kurtaxe<br />
– der angestrebte Erfolg<br />
blieb aus: Die Zahlen der Malle-<br />
Besucher sind deutlich gestiegen;<br />
Tendenz: weiter nach oben.<br />
Der Präsident des deutschen Touristikverbands,<br />
Ex-TUI-Chef Michael<br />
Frenzel, antwortete auf die<br />
Frage nach Lösungsvorschlägen:<br />
„Es gilt, Lösungen zu finden, die<br />
den Unmut ernst nehmen, beheben<br />
und möglichst erst gar nicht<br />
aufkommen lassen.“ Und weiter:<br />
„Ganz generell soll es darum gehen,<br />
es durch geschicktes Management,<br />
durch Innovationen und Investitionen<br />
erst gar nicht zu Problemen<br />
kommen zu lassen. Saisonverlängernde<br />
Ideen wie auch spe-<br />
Dr. Walter Döring<br />
Der gebürtige Stuttgarter war lange eine<br />
der Gallionsfiguren der FDP. Er war Gemeinderat<br />
in Schwäbisch Hall, Vorsitzender der<br />
Landtagsfraktion und Wirtschaftsminister<br />
von Baden-Württemberg. Heute arbeitet<br />
der 63-Jährige als Consultant und hält Vorlesungen<br />
an Hochschulen. Im Kreistag ist er<br />
für die Freien Demokraten politisch aktiv.<br />
Döring ist Initiator und Mitorganisator des<br />
Kongresses „Gipfel der Weltmarktführer“<br />
in Schwäbisch Hall und gründete die Akademie<br />
Deutscher Weltmarktführer.<br />
zielle Marketingmaßnahmen und<br />
Angebote für die Nebensaison können<br />
für Badeziele zielführend<br />
sein; in Städten kann es hilfreich<br />
sein, den Gästen Attraktionen und<br />
Stadtteile abseits der klassischen<br />
Touristenpfade schmackhaft zu<br />
machen. Und mit Blick auf Einwohnerproteste<br />
macht es Sinn,<br />
dass Kommunen die sogenannte<br />
Sharing-Economy-Angebote stärker<br />
regulieren.“<br />
Scheint mir alles nicht sehr hilfreich,<br />
weshalb vielleicht nur eine<br />
Selbstbescheidung hinsichtlich<br />
der Anzahl individueller Reiselust<br />
Abhilfe schaffen kann, wenn wir<br />
nicht noch mehr „Bhutan-Regelungen“<br />
gegen „Overtourism“ erleben<br />
wollen: „Wohin die Furcht<br />
vor Overtourism führen kann,<br />
zeigt das Himalaja-Königreich<br />
Bhutan. Ins Land darf nur, wer einen<br />
Guide beauftragt und pro Urlaubstag<br />
umgerechnet 225 a<br />
zahlt. Die Einreisezahlen hat der<br />
buddhistische Staat streng limitiert.<br />
Laut Fünfjahresplan sollen<br />
2018 nicht mehr als 200 000 Touristen<br />
ins Land kommen. Ziel der<br />
Politik sei das Glück der Landesbewohner.“<br />
So kann aber eben nur<br />
ein Staat handeln, dessen Bevölkerung<br />
bei ihrem Streben nach Wahrung<br />
des „Bruttonationalglücks“<br />
auf Wirtschaftseinnahmen verzichtet<br />
– was bisher nirgends auf der<br />
Welt Nachahmer gefunden hat.