DER BIEBRICHER, Nr. 316, März 2018
Stadtteilmagazin für Wiesbaden-Biebrich
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Beeindruckendes Kinder-Chor-Projekt mit<br />
Werken von Johann Sebastian Bach<br />
250 Kinder aus neun Grundschulen<br />
waren in den vergangenen<br />
sechs Monaten Teil<br />
eines musikalischen Projekts,<br />
das zum ersten Mal in Hessen<br />
veranstaltet wurde. Die Tübinger<br />
Musikprofessorin<br />
Friedhilde Trüün hat<br />
es konzipiert. „Sing<br />
Bach“: Sie hatte die<br />
Idee, Bachs Musik<br />
von Kindern singen<br />
zu lassen.<br />
Die Spezialistin für Kinderchöre<br />
arbeitet seit vielen Jahren<br />
mit jungen Sängern und hat<br />
ihr Projekt „Sing Bach“ bereits<br />
in zahlreichen deutschen Städten<br />
mit Schulkindern auf die<br />
Bühne gebracht. Hildegard Fischer,<br />
Musik-Koordinatorin der<br />
Peter-Rosegger-Schule Igstadt,<br />
hatte Friedhilde Trüün 2015 auf<br />
dem Deutschen Evangelischen<br />
Kirchentag in Stuttgart erlebt.<br />
„Wie sie mit Kindern gesungen<br />
hat, ihre besondere Art: Das hat<br />
mir unheimlich gut gefallen“,<br />
sagt Hildegard Fischer. Sie holte<br />
jetzt „Sing Bach“ nach Wiesbaden<br />
und fand neun Grundschulen<br />
aus Wiesbaden und dem<br />
Rheingau-Taunus-Kreis, die<br />
mitmachen wollten. Auch die<br />
Klasse „G3-gelb“ der Biebricher<br />
Diesterwegschule mit ihrer Lehrerin<br />
Nina Lenhart war dabei.<br />
Ein halbes Jahr lang studierten<br />
die Kinder separat mit ihren von<br />
Friedhilde Trüün im<br />
Vorfeld speziell gecoachten<br />
Lehrerinnen<br />
zehn Stücke von Johann<br />
Sebastian Bach<br />
ein, die von Trüün<br />
und dem Jazzmusiker<br />
Frank Schlichter<br />
Ein großer Kinderchor<br />
sang vor der<br />
prächtigen Kulisse<br />
der Lutherkirche<br />
Stücke von Johann<br />
Sebastian Bach.<br />
Diesterwegschule<br />
wirkt<br />
mit bei<br />
„Sing Bach“<br />
kindgerecht arrangiert und<br />
teilweise mit Texten versehen<br />
worden waren. Die charismatische<br />
Musikerin probte dann vor<br />
einigen Wochen persönlich mit<br />
den Kindern und dirigierte<br />
jetzt selbst in der Lutherkirche<br />
die beiden<br />
Konzerte, bei denen<br />
auch Kultusminister<br />
Alexander Lorz und<br />
Oberbürgermeister<br />
Sven Gerich im Publikum<br />
saßen. Kultusministerium<br />
und Kulturamt sowie<br />
weitere Sponsoren ermöglichten<br />
das Projekt, das, so hofft<br />
Trüün, auf die Schüler nachhaltige<br />
Wirkung hat – nicht nur als<br />
möglicher künftiger Chornachwuchs,<br />
sondern auch durch das<br />
tolle Gemeinschaftserlebnis.<br />
Beim Konzert waren die Kinder<br />
sehr konzentriert bei der<br />
Sache, sehr aufmerksam auf<br />
die Dirigentin eingestellt. Die<br />
einstudierten Gesten halfen<br />
deutlich beim Erreichen hoher<br />
Töne oder bei sehr synchronen<br />
Zeilenabschlüssen, bei vielen<br />
Chören sonst gern mal ein neuralgischer<br />
Punkt. Die einzelnen<br />
Stücke wurden von Kindern am<br />
Mikrofon souverän anmoderiert,<br />
so erfuhren die Erwachsenen<br />
im Publikum einiges aus<br />
Bachs Leben – als Vater von 20<br />
Kindern zum Beispiel, oder als<br />
Auftragskomponist für viele<br />
unterschiedliche „Kunden“ –<br />
oder auch, warum es seit Bachs<br />
Zeiten ein kleines Taktstöckchen<br />
zum Dirigieren gibt. Beim<br />
Menuett G-Dur durften die Zuschauer<br />
sogar selbst auf „Dü,<br />
dü, dü“ mitsingen, bevor die<br />
Kinder dann mit „Kling, meine<br />
kleine Melodie“ übernahmen.<br />
Die vierköpfige Jazz-Band von<br />
Frank Schlichter begleitete den<br />
riesigen Kinderchor. Manchmal<br />
klang es nach Blues, manchmal<br />
nach Gospel – Friedhilde Trüün<br />
leitete dazu das richtige Klatschen<br />
auf dem Offbeat an. Und<br />
der Kanon „Kraut und Rüben“<br />
hatte dann wieder begeisterte<br />
Eltern als Mitmacher. Schade<br />
nur, dass sie die Bitte der Dirigentin,<br />
während des Konzertes<br />
nicht zu fotografieren und zu<br />
filmen, so zahlreich ignorierten.<br />
Höhepunkt des Konzertes war<br />
eine Passionsmusik-Einlage, die<br />
die Kinder fast szenisch darstellten:<br />
Wie Petrus dreimal Jesus<br />
verleugnete und wie die Menge<br />
Barabas freisprach aus der<br />
Johannes-Passion, sowie die<br />
„Blitze und Donner“ aus der<br />
Matthäus-Passion kombinierte<br />
Friedhilde Trüün zu einer kleinen<br />
Szene, die den Kindern sicher<br />
gut in Erinnerung bleiben<br />
wird. Vielleicht gibt es jetzt bald<br />
250 neue Chorsänger: Allein in<br />
der Lutherkirche gäbe es dafür<br />
eine tolle Gelegenheit mit der<br />
neuen „Singakademie“.<br />
(art)<br />
ANJA BAUMGAART-PIETSCH<br />
8 <strong>DER</strong> <strong>BIEBRICHER</strong> / MÄRZ <strong>2018</strong>