KIRRMANNS SCHWUR
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entweder über die Schweiz, oder unmittelbar über die Grenze zwischen der annektierten und der<br />
verbotenen Zone, um zur Universität Straßburg in der freien Zone zu finden.<br />
Ich schwänzte die Vorlesungen und im März kehrte ich nach Zabern zurück. Etwas später traf<br />
auch Ring bei uns ein. Mein Vater hatte seine Einstellung und Ansichten geändert. Er war zwar<br />
noch vom Gedanke der Vertreibung betroffen, aber er war sich sicher, dass die Vertreibung zu<br />
Ende war, umso mehr da es den Deutschen nicht gelungen war, im Lauf des zweiten Halbjahrs<br />
1940 in England Fuß zu fassen. Unter der Bevölkerung herrschte die allgemeine Meinung, dass<br />
«sie» - auch wenn keiner etwas genaues wusste - den Krieg verlieren würden; «sie» hätten keine<br />
Chancen mehr, ihn noch zu gewinnen. Ring reiste nach Straßburg ab und wir vereinbarten, uns<br />
gegenseitig auf dem Laufenden zu halten. So vernahm ich von ihm, dass er über die Schweiz in<br />
der freien Zone angekommen war. Einige Wochen später, im Mai 1941, würde ich ihn in<br />
Clermont-Ferrand wiederfinden.<br />
In Zabern setzte mein Vater alle Hebel in Bewegung, um meine Flucht vorzubereiten. Er fand<br />
einen Fluchtweg, der uns überraschend und unglaublich erschien. Einer seiner Freunde war<br />
Käsegroßhändler und war von der Militärbehörde aufgefordert, wöchentlich die bei Nancy<br />
einquartierte deutsche Division mit der erforderlichen Menge Käse zu versorgen. Die Lieferung<br />
wurde von einem Konvoi begleitet, ein Militärlieferwagen mit zwei österreichischen Offizieren,<br />
die als Landsleute nach der Reichsgebietserweiterung in die Wehrmacht eingebunden worden<br />
waren. Ich erinnere mich ihrer Namen nicht mehr. Sie waren im Hause Bohn untergebracht und<br />
hatten in vollem Vertrauen zum Ehepaar Bohn ihre Abneigung und Opposition zum Hitlerregime<br />
geäußert. Sie waren einverstanden, mich in ihrem Lieferwagen zu verstecken, jedoch unter der<br />
Bedingung, dass einer von den beiden sich vorher mit mir unterhalten könnte. So begab ich mich<br />
dann am späten Abend zu der Familie Bohn und hörte zu, als einer dieser Österreicher mir kurz<br />
und klar seine Überzeugung über die Sinnlosigkeit des Krieges kundgab. Die Aktion wurde<br />
geplant und vorbereitet. Er versicherte mir, dass er in der Zukunft auch noch andere mitnehmen<br />
würde, wenn die Kontrolle der Lieferfahrten nach Nancy so bleiben würde wie bisher. Ring war<br />
schon fort und ich verging fast vor Ungeduld. Die Apriltage gingen vorüber. Eines Tages wurde<br />
ich auf der Straße vom Untersuchungsrichter Mischlich angesprochen. Was die Verschwiegenheit<br />
betraf, war ich sofort beruhigt, als er mir seine Absicht, auch zu flüchten, anvertraute. Obwohl er<br />
der jüngste Untersuchungsrichter Frankreichs war, hatte er bereits eine brillante Karriere hinter<br />
sich und sollte diese in den Nachkriegsjahren als Erster Vorsitzende des Berufungsgerichts zu<br />
Colmar abschließen. Aber damals, auf der Straße in Zabern, war er ratlos, denn er hatte keine<br />
zuverlässigen Verbindungen. Er fragte mich, ob ich für ihn einen Fluchtweg in die freie Zone<br />
finden könnte. Dass wusste ich schon, aber ich konnte ihm nicht ohne weiteres meinen Plan<br />
offenlegen. Ich empfahl ihm, nach meiner Abfahrt meinen Vater aufzusuchen. Ich merkte wie er<br />
sich doch etwas wunderte, nicht sofort Auskunft zu erhalten, denn sein Beruf war für ihn wie zu<br />
einer zweiten Natur geworden. Erst im Oktober 1941 ergriff er selbst die Initiative, landete in<br />
einem Militärbüro in Paris, wo er versuchte, sich einen Ausweis ausstellen zu lassen, um eine<br />
angebliche Freundin in der freien Zone besuchen zu können. Dann zog er in die Landes südlich<br />
von Bordeaux und von dort, unter riskanten und gewagten Bedingungen, über die<br />
Demarkationslinie in die nicht besetzte Zone. In Cusset nahe Vichy wurde er in das Amt des<br />
Staatsanwalts berufen. Später suchte er mich in Clermont auf und erzählte mir seine Geschichte.<br />
In Zabern fiel mir das Warten schwer. Seit drei Wochen stand mein Reisesack parat. Ich machte<br />
mir Sorgen. Vielleicht war der gesamte Plan, der Fluchtweg aufgedeckt worden. Am 28. April kam<br />
endlich die Nachricht: Morgen früh geht es los. Spät in der Nacht überbrachte ich den Reisesack,<br />
wie vereinbart. Ich hatte einen unruhigen Schlaf. Ich hatte darum gebeten, morgens früh mit<br />
meiner Mutter allein sein zu können. Ich erklärte ihr, dass ich davon überzeugt war, dass überall<br />
im alten Frankreich Widerstandsbewegungen aufgebaut und organisiert wurden. Sie konnte ihre<br />
Tränen nicht zurückhalten, als ich aus dem Haus ging und mich zu Fuß auf den Weg begab, die<br />
Hände in den Hosentaschen, mit einer ruhigen Miene, obwohl ich ganz genau das grausame<br />
Gefühl spürte, mir selbst entrückt zu sein. Alleine die Idee, vielleicht niemals mehr<br />
zurückzukommen, war für mich eine Folter. Es musste aber sein. Das Marschieren tat mir wohl<br />
und nach einer halben Stunde hatte ich die zweite Kurve auf dem Weg zum Col erreicht. Kurz<br />
darauf hielt der «österreichische» Lieferwagen an und sobald ich in das vorgerichtete Versteck<br />
geschlüpft war, fuhr er ab. Auf der Strecke wurde einmal angehalten, wie vorgesehen, nämlich bei<br />
der «Grenzkontrolle» zum Departement Meurthe-et-Moselle. Etwas weiter stieg ich im Innenhof<br />
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