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Katalog-105_Galerie_Fach

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RUDOLF KARL ALEXANDER „SASCHA“ SCHNEIDER<br />

1870 St. Petersburg – Swinemünde 1927<br />

Götz von Berlichingen traut seine Schwester Maria mit Adelbert von Weislingen.<br />

Bleistift, auf cremefarbenem Velin, auf Untersatz montiert, verso Nachlaßstempel. 44:28,5 cm.<br />

Sascha Schneider, der Sohn eines Verlegers und Druckers,<br />

wuchs in Sankt Petersburg und Zürich auf. Nach seines Vaters<br />

Tod siedelte die Familie nach Dresden über, wo er sich 1889 in<br />

die Kunstakademie einschrieb. Er war schon früh sehr erfolgreich<br />

und wurde 1904 zum Professor an der Großherzoglichsächsischen<br />

Kunstschule in Weimar ernannt.<br />

Die Kunstschule war bekannt für ihre progressiven Tendenzen,<br />

sich von der strikten akademischen Art abwendend, unterstützte<br />

sie die durch die Schule von Barbizon bekannte Pleinairmalerei.<br />

Schneider hatte zu dieser Zeit eine Beziehung mit dem Maler<br />

Hellmuth Jahn, der ihn mit dieser Beziehung zu erpressen<br />

begann. Daraufhin floh Schneider nach Italien, wo Homosexualität<br />

zu dieser Zeit nicht so forsch verfolgt wurde.<br />

Nach seiner Reise durch den Kaukasus lebte er in Florenz bevor<br />

er 1914 nach Dresden zurückkehrte. Dort gründete er das sogenannte<br />

Kraft-Kunst-Institut, welches als frühes Body-Building-<br />

Studio gesehen werden kann. Hier fand Schneider die Modelle<br />

für seine Kunst. Die neue Weimarer Republik war in Hinblick<br />

auf Sexualität toleranter zu nennen als das alte Kaiserreich.<br />

Noch 1912 wurde die Skulptur Die badenden Jünglinge, welche<br />

Schneider für das Museum der bildenden Künste in Leipzig<br />

entwarf, mit der Begründung abgelehnt, daß diese zu „Aufreizung<br />

zur widernatürlichen Unzucht“ auffordere.<br />

Schneider wurde einer breiten Öffentlichkeit bekannt durch seine<br />

Umschlaggestaltung der Karl May Bücher, die von Friedrich<br />

Ernst Fehsenfeld in Freiburg publiziert wurden. Schneider traf<br />

May 1903 und es war des Schriftstellers Wunsch, Schneiders<br />

Entwürfe zu verwenden, ungeachtet der Tatsache, daß Schneider<br />

ihm seine Homosexualität offenbarte. Die Einbände waren<br />

oftmals von symbolischer Natur und unterstrichen somit die<br />

spirituellen Aspekte in Mays Texten.<br />

Nach Mays Tod 1912 und der Gründung des Karl-May-Verlages<br />

1913 in Radebeul, tauschte Fehsenfeld unverzüglich Schneiders<br />

Entwürfe gegen andere aus. Er glaubte, und das war wahrscheinlich<br />

nicht falsch, daß die breite Öffentlichkeit Mays Bücher<br />

hauptsächlich als Abenteuerromane ansahen. Karl May als<br />

Autor von Jugendbüchern blieb das 20. Jahrhundert hindurch<br />

sehr populär in Deutschland.<br />

Karl Mays Werk wurde unlängst einer bedeutenden Neubeurteilung<br />

unterzogen, initiiert von den Schriftstellern Arno<br />

Schmidt und Hans Wohlschläger. In gleicher Art wurde Sascha<br />

Schneiders Werk neu bewertet und als ein wichtiger Vertreter<br />

des Deutschen Symbolismus anerkannt.<br />

Anläßlich der Wiedereröffnung des renovierten Albertinum<br />

in Dresden in 2010 beschrieb Dieter Bartezko die prominent<br />

präsentierte Skulptur Der Gürtelbinder als „ein den Kuroi der<br />

griechischen Archaik nachgebildeter, überschlanker Halbwüchsiger,<br />

der zwischen getarntem Lustobjekt und antiprüder<br />

Rebellion changiert“; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. Juni<br />

2010.<br />

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