Leo Juli 2018
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MUSIK<br />
Dabei geht es Rick Astley großartig – kein Wunder,<br />
hat er doch ein „Beautiful Life“!<br />
Als Rick Astley vor zwei Jahren in Berlin aufgetreten ist, haben<br />
alle Besucher seine Hits mitgesungen und sich von seinem<br />
Charme und seiner Freude anstecken lassen. Man grinste über<br />
das ganze Gesicht … und war gleichzeitig verblüfft, wie viele<br />
junge Menschen im Publikum waren, die ebenfalls jede Zeile<br />
auswendig konnten: mehrere Gruppen von 19-Jährigen, die<br />
aussahen, als wären sie mehr Gucci-Gang als alles andere, aber<br />
nicht aufhören könnten, auf Instagram zu posten, dass sie<br />
gerade bei Rick Astley waren.<br />
„Das ist so eigenartig“, findet Rick auch. „Vor<br />
ein paar Monaten waren wir für einige Auftritte<br />
in den USA und dort scheint es sogar<br />
noch mehr von ihnen zu geben! Vielleicht<br />
liegt das ja am Rickrolling …“ Was gar nicht<br />
mal unwahrscheinlich ist, denn als vor zehn<br />
Jahren der Spaß begann, verschiedenste<br />
Links auf sein Video zu „Never Gonna Give<br />
You Up“ zu setzen, wurden der Song und<br />
Rick selbst eines der größten Internetmemes.<br />
Und was eigentlich dazu gedacht<br />
war, Menschen zu nerven und zu veralbern,<br />
wurde stattdessen Kult. Jemand hatte ungewollt<br />
Werbung für einen der spaßigsten Hits<br />
der 80er und einen seiner sympathischsten<br />
Stars gemacht. Aber nicht nur deshalb<br />
kommt Rick gut mit dem Netz klar. „Das<br />
Internet hat für uns, die früher erfolgreich<br />
waren, viel geändert. Es geht heutzutage<br />
nämlich nicht nur um neue Musik. Wenn<br />
jemand, während er für die Uni arbeitet, im<br />
Hintergrund ein Video auf YouTube anmacht,<br />
ist er, ohne es zu wissen, plötzlich bei Depeche<br />
Modes erstem Album oder Fleetwood<br />
Mac oder vielleicht sogar bei mir gelandet.“<br />
Und wer so auf den Geschmack gekommen<br />
ist oder neugierig wird, kann einen Klick<br />
weiter ganze Alben sofort hören. Außerdem<br />
identifizieren sich viel weniger junge Leute<br />
mit einem oder zwei bestimmten Genres.<br />
„Sie hängen immer noch an ihren Lieblingskünstlern,<br />
aber niemand verurteilt sie, wenn<br />
sie nach Def Leppard Kanye West hören. Sie<br />
müssen sich nicht erklären.“<br />
Und so, mit vereinter Hilfe aller Generationen<br />
und der modernen Medienwelt,<br />
passierte es dann auch, dass Rick Astleys<br />
letztes Album „50“ von 2016 plötzlich auf<br />
Nummer eins der britischen Charts landen<br />
konnte. Was Rick dann doch arg überrascht<br />
hat, denn eigentlich hat er seine Karriere<br />
Anfang der 90er-Jahre beendet, bevor sie<br />
ihn zerbrechen konnte oder bevor es peinlich<br />
wurde. „Aber es kam damals sowieso<br />
zu einem Ende. Es war ja nicht so, dass ich<br />
noch überall Nummer-eins-Platten hatte,<br />
weiß du? Ich nahm mir erst einmal ein Jahr<br />
frei und war einfach Vater.“ Eigentlich wollte<br />
er dann anfangen, Platten zu produzieren,<br />
„aber es war schwer. Ich kann Songs schreiben.<br />
Aber es war eine Phase, in der Künstler<br />
einfach an eine Platte geklebt wurden<br />
– das war ja auch schon in den 80ern so,<br />
in unserer Stock-Aitken-Waterman-Welt:<br />
,Du singst jetzt diesen Song.‘“ Mit dem<br />
Unterschied, dass Rick auch wirklich singen<br />
konnte. „Einige Manager – und ich habe das<br />
gehasst – haben gefragt, ob ich für dieses<br />
Mädchen oder jenen Jungen arbeiten will,<br />
und wenn sie sie vorbeigeschickt haben,<br />
konnten sie einfach nicht singen! Bei den<br />
Plattenlabels damals spielte das gar keine<br />
Rolle. Und für mich, der singt und es liebt,<br />
war das purer Wahnsinn.“ Darum mag er die<br />
gegenwärtige Musikwelt viel mehr, denn es<br />
gibt eine Fülle an talentierten Stimmen. Da<br />
sich heute niemand mehr von Plattenverkäufen<br />
ernähren kann, muss jeder Künstler<br />
eben auch auf der Bühne bestehen können.<br />
„Man muss dann nur noch glaubwürdig<br />
sein, auch wenn es nur ein Popsong ist, in<br />
dem man ,I really love you‘ singt. Ed Sheeran<br />
kann das so gut, und Adele glaubst du, dass<br />
sie in ihren Kaffee geweint hat.“<br />
Er selbst pflegt zurzeit vor allem eine entspannte<br />
Herangehensweise an die Musik.<br />
„Mein kleines Studio ist hinten im Haus, direkt<br />
hinter der Küche. Ich mach mir auf dem<br />
Weg einen Kaffee und setze mich rein. Ich<br />
denke nicht darüber nach, was auf YouTube<br />
funktionieren würde oder fürs Streaming<br />
passt, ich will einfach rumspielen, denn es<br />
ist mein kleines Studio – und wenn ich es<br />
verwerfe, hat es mich nichts gekostet, außer<br />
meiner Zeit.“ Er braucht nicht viel, um aufzunehmen.<br />
„Du kannst heute so ein kleines<br />
Set-up haben und damit großartige Sachen<br />
machen. Mein Studio könntest du im Kofferraum<br />
eines Autos unterbringen – wenn<br />
ich nicht so viele Gitarren hätte“, lacht er.<br />
Doch der Erfolg von „50“ hat seine kleine<br />
Welt ganz schön durcheinandergewirbelt.<br />
„Es ist eine Sache, Musik zu machen, wenn<br />
du an einem Album arbeitest, und eine<br />
andere, wenn du einfach nur rumspielst.“<br />
Als er an „50“ gearbeitet hat, war er einfach<br />
nur ohne Ansprüche oder große Ziele am<br />
Werkeln. Er dachte, „das wird kaum jemand<br />
hören, vielleicht ein paar Fans. Ich habe<br />
nicht erwartet, dass es zehntausende<br />
oder sogar hunderttausende Leute kaufen<br />
würden!“ Jetzt hat er versucht, nicht darüber<br />
nachzudenken, dass all diese Menschen auf<br />
neue Musik warten. Zwischenzeitlich hat er<br />
auch überlegt, sich jemanden zu holen, der<br />
produziert, und sich mit anderen Songwritern<br />
zusammenzusetzen. Aber nach ein<br />
paar Wochen hatte er bereits viele Songs<br />
geschrieben. „Ich dachte, ich mache ein paar<br />
fertig und gehe dann zu einem Produzenten.<br />
Doch dann machte ich noch eines<br />
und noch eines … und irgendwann war ich<br />
sowieso kurz davor, die Platte wieder allein<br />
gemacht zu haben.“<br />
Die Texte sind natürlich allein seine Sache,<br />
wie auch das Titelstück „Beautiful Life“, das<br />
er so erklärt: „Ich habe ein schönes Leben.<br />
Mit der Zeile war das Lied eigentlich schon<br />
fertig“, lacht er. „Aber du kannst nicht<br />
erwarten, dass es von selbst so wird, du<br />
musst dafür sorgen. Oft bist du mental und<br />
emotional weit davon weg.“ Und das betrifft<br />
sogar Rick selbst, der eigentlich immer wie<br />
ein Sonnenschein wirkt. „Ja, ich habe ein<br />
unglaubliches Leben – aber ich komme aus<br />
dem Norden Englands, und wir können uns<br />
wegen allem schlecht fühlen. Ich bin nicht<br />
weit weg von der Gegend aufgewachsen,<br />
in der Morrissey groß wurde, wenn du<br />
verstehst, was ich meine! Oder schau dir die<br />
Gallagher-Brüder an. Das ist ,northern‘!“ *fis