Leo Juli 2018
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MUSIK<br />
NACHGEFRAGT<br />
AMY SHARK<br />
Großer Fisch<br />
Einen leibhaftigen Hai hat sie<br />
bislang noch nie zu Gesicht bekommen.<br />
Und das, obwohl Amy Shark,<br />
die eigentlich Billings mit Nachnamen<br />
heißt, an der australischen Gold Coast<br />
nahe Brisbane aufwuchs und dort<br />
immer noch ansässig ist.<br />
„Eigentlich wimmelt es bei uns an der Küste<br />
ja vor Haien“, so die 32-jährige Indie-Pop-<br />
Musikerin, die jetzt ihr erstes Album „Love<br />
Monster“ veröffentlicht, „aber ich bin wirklich<br />
noch keinem begegnet.“ Ihren Namen<br />
wählte Shark, weil sie die Haie als solche<br />
sehr liebe und sich zugleich furchtbar vor<br />
ihnen grusele. „Sie sind kluge und außergewöhnliche<br />
Tiere, weitaus vielschichtiger als<br />
ihr Ruf. Trotzdem habe ich tierisch Angst<br />
vor ihnen.“ Die enge Verbindung zwischen<br />
Amy Billings und den Raubfischen bestehe<br />
schon ewig, das Mädchen war sechs oder<br />
sieben Jahre alt, als es zum ersten Mal „Der<br />
weiße Hai“ im Fernsehen anschaute. Noch<br />
sehr lange Zeit nach diesem TV-Abend<br />
mied Amy den Pool (das Meer sowieso),<br />
„selbst die Badewanne hat mich Überwindung<br />
gekostet.“ Inzwischen traue sie sich<br />
aber wieder, regelmäßig zu surfen.<br />
Amy Shark gelang an der Gold Coast vor<br />
zwei Jahren so eine Art Blitzkarriere. Seit<br />
ihrer Jugend verfasst sie Songs, meist an<br />
der akustischen Gitarre, und „oft ließ ich<br />
die Worte dazu rauslaufen wie in einer<br />
Therapiesitzung“, doch obwohl es anfänglich<br />
ganz vielversprechend aussah mit einer<br />
Karriere als Musikerin, „machte ich den<br />
Fehler, zu sehr auf andere Leute zu hören<br />
und Lieder aufzunehmen, die mir selbst<br />
nicht besonders gut gefielen.“ Anderen<br />
auch nicht, und so war Amy irgendwann<br />
entmutigt und hatte sich schon fast mit<br />
einem Leben als Videoredakteurin beim<br />
örtlichen Rugby-Club Gold Coast Titans abgefunden,<br />
„und dann hörte ich auf, mir den<br />
Kopf beim Komponieren zu zermartern.“<br />
Heraus kam unter anderem „Adore“, jenes<br />
köstliche, selbstironische Stück Pop, das<br />
davon handelt, wie sich Amy Shark einen<br />
Typen schönsäuft („Get me a drink. I get<br />
drunk off one sip / Just so I can adore you“).<br />
„Die Jungs, die ‚Adore‘ hören, glauben alle,<br />
es ist ein Liebeslied. Und die Mädels sind<br />
überzeugt, dass es ein „Fuck Männer“-Song<br />
ist. Die Wahrheit ist: Alle liegen daneben.<br />
„‚Adore‘ ist ein Stück, das von meinen<br />
Unsicherheiten handelt, vor allem als junges<br />
Mädchen. Ich war scheu und brauchte Zeit,<br />
mich jemandem zu öffnen. Und wenn ich<br />
wegging, habe ich immer was getrunken,<br />
weil ich mich sonst zu gehemmt fühlte und<br />
Lust darauf hatte, die Kontrolle zu verlieren.“<br />
Der ehrliche, verletzliche und auch lustige<br />
Song der unbekannten Amy kletterte sensationell<br />
bis auf Platz drei der australischen<br />
Singlecharts, 2017 gewann sie den Preis als<br />
„Künstlerin des Jahres“ bei den Gold Coast<br />
Awards, sie trat schon in den US-Late-<br />
Shows von Jimmy Fallon und James Corden<br />
auf. „Nicht schlecht für eine ehemalige<br />
Rugby-Redakteurin, die ihre Freunde und<br />
Kollegen mit Bier und Pizza bestechen<br />
musste, damit sie ihr beim Schneiden ihrer<br />
Musikvideos helfen“, so Amy lachend.<br />
Nun stehen Shark, die Silverchair, Tegan &<br />
Sara, Pearl Jam und New Found Glory zu<br />
ihren Lieblingsbands zählt, alle Türen offen.<br />
Auf „Love Monster“, das ein Stück weit die<br />
goldene Power-Pop-Frauen-Phase um<br />
Alanis Morissette, Fiona Apple oder Sheryl<br />
Crow wieder aufleben lässt, finden sich<br />
noch weitaus mehr Hits, „I Said Hi“ oder „I<br />
Got You“ zum Beispiel. Und das Publikum<br />
ist auch außerhalb Australiens inzwischen<br />
so groß, „dass ich meine komplette Band<br />
mitbringen kann“. Sehr viel Spaß habe<br />
Amy, mit der Truppe und dem Bus quer<br />
durch Europa zu gurken, auf Konzerten<br />
und Sommerfestivals zu spielen und auf<br />
den Fahrten Filme zu gucken. „Der weiße<br />
Hai“ ist auch mit an Bord. „Aber ich habe<br />
der Band verboten, ihn in meiner Gegenwart<br />
anzumachen.“<br />
*Steffen Rüth