4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Ha- bilitations
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DISSERTATIONEN UND HABILITATIONEN DISSERTATIONS AND HABILITATIONS<br />
jeweils sehr verschieden. Genau hier müssen Konfliktlösungsversuche<br />
ansetzen.<br />
Im Fokus steht die Frage, wie die Ressource Wasser<br />
in Israel <strong>und</strong> den palästinensischen Gebieten wahrgenommen<br />
wird, um so Parallelen, Ähnlichkeiten <strong>und</strong><br />
Ansatzpunkte für Dialog innerhalb des israelischen<br />
<strong>und</strong> des palästinensischen Wasserdiskurses herauszuarbeiten.<br />
Zunächst wird die Struktur der Diskursstränge<br />
„Wasser in Israel“ <strong>und</strong> „Wasser in Palästina“ von<br />
1882 bis 2005 in einer Diskursgenese entfaltet <strong>und</strong><br />
vergegenwärtigt. Als Basis dient die vorh<strong>and</strong>ene Sek<strong>und</strong>ärliteratur<br />
zum Thema. Darauf folgt eine kritische<br />
Diskursanalyse, deren Ergebnisse verdeutlichen,<br />
wie die beiden Gesellschaften die Ressource Wasser<br />
heute politisch, strategisch <strong>und</strong> gesellschaftlich bewerten<br />
<strong>und</strong> inwieweit Wasser ver- oder entsicherheitlicht<br />
wird. Die Datenbasis bildeten 17 halboffene, semistrukturierte<br />
Interviews, die 2005 mit israelischen <strong>und</strong><br />
palästinensischen Wasserexperten geführt wurden. So<br />
wird die konkrete, aktuelle Ausgestaltung des Wasserdiskurses<br />
in Israel <strong>und</strong> Palästina auf der Ebene der<br />
Experten/der Wissenschaft beschreibbar. In einem<br />
dritten <strong>und</strong> letzten Schritt werden aus den Entwicklungen<br />
seit 1882 bis 2005 Trends für die zukünftige<br />
Entwicklung der Wasserdiskurse <strong>und</strong> damit des Wasserverteilungskonfliktes<br />
zwischen Israelis <strong>und</strong> Palästinensern<br />
formuliert, auf deren Basis neue Friedensinitiativen<br />
aufbauen könnten.<br />
Die Diskursgenese <strong>und</strong> die synchrone Diskursanalyse<br />
zeigen, dass sich in Israel <strong>und</strong> der palästinensischen<br />
Gesellschaft zwei f<strong>und</strong>amental unterschiedliche Interpreta<strong>tionen</strong><br />
von Wasser <strong>und</strong> Wasserknappheit gegenüber<br />
stehen. Diese sind aus der spezifischen Entwicklung<br />
<strong>und</strong> Struktur der jeweiligen nationalen Diskursstränge<br />
erklär- <strong>und</strong> nachvollziehbar. Beide Diskursstränge<br />
enthalten Elemente eines Hegemonial- <strong>und</strong><br />
eines Gegendiskurses. Die Sagbarkeitsfelder in beiden<br />
Diskurssträngen hängen einerseits stark von der Ebene<br />
ab, auf die sich das Gesagte jeweils bezieht, <strong>und</strong> <strong>and</strong>ererseits<br />
von der Position des jeweiligen Sprechers im<br />
Diskurs.<br />
Auf der internationalen Ebene, also bei Themen der<br />
Gerechtigkeit, des internationalen Rechts <strong>und</strong> der<br />
Verteilung der natürlichen Wasserressourcen unter<br />
allen Anrainern des Wassereinzugsgebiets, ist Kritik<br />
am Wassermanagement der jeweiligen ingroup im<br />
Hegemonialdiskurs in aller Regel unsagbar. Hier<br />
überwiegen konfliktive Diskursstrukturen, die die<br />
Unterscheidung zwischen in- <strong>und</strong> outgroup <strong>und</strong> die<br />
Bedrohung, als die bestimmte outgroups wahrgenommen<br />
werden, in den Mittelpunkt stellen. Wasser<br />
wird auf dieser Ebene als Nullsummenspiel wahrgenommen:<br />
Die Aufgabe von Kontrolle über Wasser,<br />
insbesondere über die natürlichen Ressourcen, bedeutet<br />
realen Wasserverlust, während gleichzeitig fehlende<br />
Kontrolle als existenzielle Bedrohung wahrgenommen<br />
wird. Kooperatives Wassermanagement wird<br />
zwar in beiden Diskurssträngen als Wunschvorstellung<br />
formuliert, gehört aber innerhalb der hegemonialen<br />
Diskursstrukturen nur dann in den Bereich des<br />
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praktisch Möglichen, wenn politische Aspekte des<br />
Wassermanagements ausgespart werden.<br />
Auf der nationalen Ebene gestalten sich die<br />
Sagbarkeitsfelder im Hegemonialdiskurs großzügiger.<br />
Ohne die Bedrohung durch eine feindliche outgroup<br />
ist es möglich, die Wassermanagementpraktiken der<br />
eigenen ingroup in die Kritik zu nehmen <strong>und</strong> zum Teil<br />
sogar massive Veränderungen zu fordern. An dieser<br />
Stelle zeigen sich innerhalb der beiden Hegemonialdiskurse<br />
Ansatzpunkte für einen Dialog zwischen<br />
Israelis <strong>und</strong> Palästinensern, denn über die groben<br />
Linien eines idealen regionalen Wassermanagements<br />
sind sich die Wasserexperten beider Seiten weitestgehend<br />
einig.<br />
Deutliche Veränderungen <strong>und</strong> Erweiterungen erfahren<br />
die hegemonialen Sagbarkeitsfelder in den jeweiligen<br />
Gegendiskursen. Hier wird sowohl die Wahrnehmung<br />
von Wasser als Nullsummenspiel als auch<br />
die Darstellung des jeweils <strong>and</strong>eren als bedrohlich <strong>und</strong><br />
gefährlich aufgebrochen <strong>und</strong> durch kooperativere<br />
Diskursstrukturen ersetzt. Dazu dient auf der israelischen<br />
Seite die Transzendierung der bis dato primär<br />
nationalen Interessen auf die globale Ebene, auf der<br />
palästinensischen die Anerkennung der jeweiligen<br />
Eigenverantwortung in Bezug auf den herrschenden<br />
Status quo der Wasserverteilung. Wo im Hegemonialdiskurs<br />
der Fokus noch primär auf der Sicherheit der<br />
(nationalen) ingroup <strong>und</strong> dem Fehlverhalten der outgroup<br />
liegt, eröffnen sich in den Gegendiskursen neue<br />
H<strong>and</strong>lungsspielräume für Kritik am Verhalten der<br />
jeweiligen ingroup sowie eine gewisse Offenheit für<br />
die Sichtweise der <strong>and</strong>eren Seite.<br />
Im israelischen Hegemonialdiskurs, der wie der gesamte<br />
Spezialdiskurs „Wasser“ maßgeblich von Expertenmeinungen<br />
geprägt wird, gilt die natürlich vorh<strong>and</strong>ene<br />
Wassermenge im Jordanbecken als nicht<br />
ausreichend, um den derzeitigen Lebensst<strong>and</strong>ard der<br />
gesamten regionalen Bevölkerung zu erhalten, geschweige<br />
denn zu verbessern. Dieses Wasser wird im<br />
israelischen Hegemonialdiskurs als absolut knapp<br />
wahrgenommen; zusammen mit der historischen Verbindung<br />
zwischen L<strong>and</strong>, Wasser <strong>und</strong> dem Aufbau<br />
einer jüdischen Heimstatt, die aus der zionistischen<br />
Ideologie stammt, ergibt dies die Wahrnehmung von<br />
natürlicher Wasserknappheit als existenzieller Bedrohung.<br />
Die Aufgabe von israelischer Kontrolle über<br />
natürliche Wasserressourcen ist unsagbar: Die zahlreichen<br />
Versicherheitlichungen illustrieren, dass die<br />
hegemonialen Diskursstrukturen primär darauf abzielen,<br />
den Status quo der Wasserverteilung zu erhalten<br />
<strong>und</strong> zu sichern, Veränderungen in Bezug auf die Verteilung<br />
der natürlichen Wasserressourcen also zu<br />
verhindern. Der einzige Ausweg aus der als existenziell<br />
bedrohlich empf<strong>und</strong>enen Knappheitssituation besteht<br />
im israelischen Hegemonialdiskurs in der Erzeugung<br />
zusätzlichen Wassers per Entsalzung; eine f<strong>und</strong>amentale<br />
Veränderung der israelischen Wirtschaftsstruktur<br />
oder des allgemeinen Lebensst<strong>and</strong>ards ist<br />
ebenso unsagbar wie die Aufgabe auch nur eines Teils<br />
der israelischen Kontrolle über die natürlichen Was-