4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Ha- bilitations
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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />
Meier, Astrid, Johannes Pahlitzsch, Lucian<br />
Reinf<strong>and</strong>t (Hrsg., 2009): Islamische Stiftungen<br />
zwischen juristischer Norm <strong>und</strong> sozialer Praxis. –<br />
Akademie Verlag: Berlin, Stiftungsgeschichten Bd. 9,<br />
279 S.<br />
Veröffentlichungen zum Stiftungswesen in der islamischen<br />
Welt gehören bislang nicht zum bevorzugten<br />
Genre orientalistischer Literatur; zu Unrecht, wie dieser<br />
zu rezensierende Sammelb<strong>and</strong> nachdrücklich beweist.<br />
Er greift den Bereich islamischer Stiftungen in<br />
interdisziplinärer Weise – „aus einer weit gefassten<br />
gesellschafts-geschichtlichen Perspektive“ (Einleitung<br />
S. 13) – auf <strong>und</strong> vermag den Leser auf ein interessantes<br />
Feld zu führen, welches reichen Ertrag für ein genaueres<br />
Bild vom Orient verspricht <strong>und</strong> gleichsam<br />
Schlüsse in die Zukunft ermöglichen kann. Die insgesamt<br />
elf Beiträge des Buches basieren auf einem<br />
Workshop an der FU Berlin im Jahre 2004. Die verbindende<br />
Klammer bildet dabei das Spannungsverhältnis<br />
von Stiftungsrecht <strong>und</strong> Stiftungspraxis (S. 12).<br />
M. Macuch untersucht anh<strong>and</strong> der Kompilation<br />
„<strong>Ha</strong>zār dādestān“ aus dem 7. Jh. die möglichen<br />
sasanidischen Einflüsse auf die Rechtsgestaltung der<br />
islamischen Stiftung (S. 19-38). Im Ergebnis ihrer<br />
Analyse erkennt sie sechs „bemerkenswerte juristische<br />
Übereinstimmungen zwischen diesen beiden Institu<strong>tionen</strong>“<br />
(S. 36-38). Sie plädiert vollkommen<br />
überzeugend für die Berücksichtigung der sasanidischen<br />
Stiftungen bei der Erforschung der Ursprünge<br />
islamischer auqāf.<br />
Christliche Stiftungen in Syrien <strong>und</strong> im Irak im 7.<br />
<strong>und</strong> 8. Jh. thematisiert J. Pahlitzsch (S. 39-54). Er<br />
konstatiert eine „generelle Kontinuität sozialer <strong>und</strong><br />
ökonomischer Verhältnisse“ am Übergang von byzantinischer<br />
zu islamischer Herrschaft (S. 40). Am Beispiel<br />
christlicher Stiftungen in frühislamischer Zeit (S.<br />
42-49) sowie aufgr<strong>und</strong> von Beteiligungen muslimischer<br />
Herrscher an der Gründung christlicher Stiftungen<br />
wird demonstriert, dass ein kultureller Transfer in<br />
diesem Bereich wahrscheinlich ist, aber im Konkreten<br />
noch weiterer Untersuchungen bedarf.<br />
Der einzige englischsprachige Beitrag im Sammelb<strong>and</strong><br />
(S. 55-60) stellt die Frage nach der Rechtspersönlichkeit<br />
des waqf. D. Behrens-Abouseif sieht einerseits<br />
normative Übereinstimmungen zwischen der<br />
98<br />
islamischen Stiftung <strong>und</strong> der kirchlichen Stiftung, betont<br />
aber <strong>and</strong>ererseits die unterschiedliche sozialpolitische<br />
Bedeutung in der jeweiligen Rechtskonzeption<br />
(S. 59).<br />
St. Heidemann beschäftigt sich mit der Abgaben-<br />
<strong>und</strong> Stiftungspolitik in der Mitte des 12. Jh. in Syrien<br />
<strong>und</strong> Nordmesopotamien (S. 61-77). Er räumt mit bislang<br />
vorherrschenden Meinungen auf, wonach das<br />
Stiftungswesen zur gesellschaftlichen Stagnation geführt<br />
habe. Während der Regierungszeit von Nūr ad-<br />
Dīn Maỏmūd (1146-1174) „bilden Stiftungen von<br />
städtischen, rententragenden Immobilien eine vom<br />
staatlichen Fiskalapparat unabhängige Finanzierungsquelle<br />
öffentlicher <strong>und</strong> semi-öffentlicher Institu<strong>tionen</strong><br />
<strong>und</strong> Aufgaben“ (S. 73). Der Autor schätzt sie als „urbanes<br />
Äquivalent zum ländlichen iqţā‛“ ein (S. 73).<br />
Gleichzeitig werden islamisch-rechtlich illegitime<br />
Steuern abgeschafft.<br />
G. Wedel wendet die computergestützte Textanalyse<br />
an, um im Werk von Ibn Ốallikān „Wafayāt al-a‛yān“<br />
nach Einträgen zur Stiftung <strong>und</strong> zum Stifter zu suchen<br />
(S. 79-116). Seine Ausführungen erläutern zunächst<br />
die Datenbasis, Probleme <strong>und</strong> Möglichkeiten einer<br />
solchen Auswertung von arabischen Texten. Mit Hilfe<br />
der Concordance-Software (S. 87 f.) würden sich<br />
auch komplexe Suchfunk<strong>tionen</strong> durchführen lassen.<br />
Im Ergebnis entwirft der Verf. ein Suchprofil, welches<br />
auch für <strong>and</strong>ere Textcorpora nutzbar ist (S. 116).<br />
Eine Stiftungsurk<strong>und</strong>e aus mamlukischer Zeit steht<br />
im Mittelpunkt des Beitrages von L. Reinf<strong>and</strong>t (S.<br />
117-152). Der Edition des Urk<strong>und</strong>entextes in arabischer<br />
Sprache (S. 137-152) ist eine historische Auswertung<br />
vorangestellt, die die Praxis des Stiftungswesens<br />
in Ägypten in jener Zeit erhellt <strong>und</strong> dabei Aufschlüsse<br />
zur Herauslösung von Stiftungskapital durch<br />
Tausch oder Geldzahlungen ermöglicht (S. 126). Gerade<br />
diese Studie zeigt, dass die Auswertung von Stiftungsurk<strong>und</strong>en<br />
unser Orient-Bild ganz wesentlich<br />
konkretisieren <strong>und</strong> erweitern kann.<br />
Zur Rolle von Frauen im Stiftungswesen der<br />
Mamlukenzeit analysiert R. Jacobi das sog. Frauenlexikon<br />
des as-Saốāwī (gest. 1497). Im Unterschied zu<br />
einem bestimmten Rechtstext könne eine solche Quelle<br />
„Motivation oder die äußeren Gründe“ für eine<br />
Stiftung stärker in den Vordergr<strong>und</strong> rücken (S. 156).<br />
Die Autorin legt dar, dass Frauen aus der einheimischen<br />
Elite „in größerem Umfang als bisher bekannt<br />
oder vermutet“ selbst als Stifterinnen oder als Verwalterinnen<br />
von Stiftungen in Erscheinung getreten sind<br />
(S. 165).<br />
Die folgenden drei Beiträge des B<strong>and</strong>es können<br />
durchaus als Fallbeispiele (S. 16) bezeichnet werden,<br />
beleuchten sie doch unterschiedliche Aspekte des islamischen<br />
Stiftungswesens in unterschiedlichen Zeiten<br />
<strong>und</strong> Regionen. Zunächst widmet sich Chr. Werner<br />
der ebenso schwierigen (vgl. die Textbeispiele S. 188-<br />
189) wie wichtigen Frage der sozialen Funktion von<br />
Stiftungen am Beispiel des schiitischen Schreins von<br />
Mašhad (S. 167-189). Er unterscheidet dabei vier<br />
hauptsächliche Bereiche: Beleuchtung <strong>und</strong> Heizung<br />
der Gebäude, Durchführung von Trauerveranstaltungen,<br />
Personal- <strong>und</strong> Betriebskosten sowie Unterstüt-