4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Ha- bilitations
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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />
terpretierten Kollektivs zur politischen oder ökonomischen<br />
Führungsebene unterstellten.<br />
Diese gemutmaßten Verbindungen werden mit dem<br />
Täuschungsvorwurf in Zusammenhang gebracht, so<br />
dass der Eindruck erzeugt werde, die Herrschaftseliten<br />
gehörten entweder selbst der betreffenden Gruppe<br />
an oder stünden in einem Abhängigkeitsverhältnis zu<br />
dieser. Um ihre vermeintliche Verbindung zum<br />
„Feind“ nach außen hin zu demonstrieren, würden in<br />
islamfeindlichen Internetblogs Politiker <strong>und</strong> christliche<br />
Kirchenfunktionäre, die sich im Sinne der gesellschaftlichen<br />
Ansprüche von Muslimen einsetzten, sogar<br />
mit muslimischen Namen präsentiert. Die B<strong>und</strong>esvorsitzende<br />
von Bündnis90/Die Grünen, Claudia<br />
Roth, beispielsweise werde als „Claudia Fatima Roth“<br />
angeführt, so dass jegliches gesellschaftspolitische<br />
Agieren der betreffenden Person als „Einsatz für die<br />
Herrschaft des Islam“ erscheine. Die eigene politische<br />
Gegnerschaft zu ihr lasse sich somit als „Widerst<strong>and</strong>“<br />
gegen eine unermesslich weitreichende bedrohliche<br />
Macht des Islam legitimieren.<br />
Durch die Medien erlangt der Diskurs Breitenwirkung<br />
Auffällig am antisemitischen wie am islamfeindlichen<br />
Diskurs ist die von den Autoren hervorgehobene Tatsache,<br />
dass beide in einem Kontext entst<strong>and</strong>en sind, in<br />
dem die Religion für die Majorität der Bevölkerung<br />
einen zurückgehenden oder untergeordneten Stellenwert<br />
besaß. Zum Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts als bedeutsamer<br />
geltenden Identitätsstifter, der Nation, fühlten<br />
sich die seit Genera<strong>tionen</strong> in Deutschl<strong>and</strong> ansässigen<br />
Juden ebenso zugehörig. Die gegenwärtig hierzul<strong>and</strong>e<br />
aufgewachsene sogenannte „dritte Immigrantengeneration“<br />
besitzt durch den Schulalltag eine<br />
mindestens ebenso tiefgründige Beziehung zur deutschen<br />
Gesellschaft wie zum majoritär muslimischen<br />
Herkunftsl<strong>and</strong> ihrer Vorfahren. Der Ausschließungsdiskurs<br />
geht folglich von minoritären Strömungen innerhalb<br />
der Mehrheitsgesellschaft aus, die an traditionellen<br />
Identitätskriterien festzuhalten beanspruchen,<br />
die sie durch den Einfluss des „fremden“ Elements<br />
bedroht wähnen. Ihnen gelinge es, so die Botschaft<br />
der Autoren, ihre ressentimentbeladene Sichtweise<br />
medial so weit zu verbreiten, dass sie auch jenseits ihrer<br />
Klientel auf Resonanz träfen.<br />
Besonders anschaulich wird anh<strong>and</strong> der Veröffentlichungen<br />
der christlich-f<strong>und</strong>amentalistischen Kleinpartei<br />
Christliche Mitte (CM) aus den 1980er <strong>und</strong> frühen<br />
1990er Jahren demonstriert, wie darin geäußerte Ressentiments<br />
gegen den als „fremd“ <strong>und</strong> „feindlich“<br />
stigmatisierten Islam von Gesellschaftsschichten aufgenommen<br />
werden, in denen die Ideologie der Urheber<br />
auf <strong>and</strong>ere Themenbereiche bezogen in keiner<br />
Weise geteilt wird. Mag die CM bis heute kaum über<br />
1 % der Stimmen bei Wahlen erhalten, die von ihren<br />
Funktionären verbreiteten, auf den Islam oder die<br />
Muslime bezogenen Stereotype f<strong>and</strong>en in modifizierter<br />
Form Eingang bis in die offiziellen interreligiösen<br />
Dialogpapiere der Evangelischen Kirche. Sogar in<br />
neueren Beiträgen der SPD nahen Friedrich-Ebert-<br />
Stiftung erkennen die beiden Autoren ein Islambild,<br />
das von jenen Negativassozia<strong>tionen</strong> beeinflusst sei.<br />
Die Methoden, diese Stereotype <strong>und</strong> Assozia<strong>tionen</strong><br />
zu erzeugen <strong>und</strong> damit gesellschaftliche Breitenwirkung<br />
zu erzielen, ähneln sich beim antisemitischen<br />
Diskurs des späten 19. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> dem gegenwärtigen<br />
islamophoben Diskurs offenbar so sehr, dass<br />
man auf die Schlussfolgerung gelangen könnte, die<br />
Islamophoben hätten von den Antisemiten bewusst<br />
die Strategien übernommen. Als beliebte Methode,<br />
die konstruierte Andersartigkeit ins öffentliche Bewusstsein<br />
dringen zu lassen, werde Schiffer <strong>und</strong><br />
Wagner zufolge in Medienbeiträgen die jüdische versus<br />
muslimische Religion eines Akteurs permanent<br />
angeführt, selbst dort, wo die Religion für die konkrete<br />
Angelegenheit überhaupt keine Relevanz besitze.<br />
Wie in Zeitungsartikeln der 1880er Jahre über kritikwürdiges<br />
Spekulantentum bei den diesbezüglich<br />
genannten Juden deren Konfession – im Gegensatz zu<br />
ebenfalls beteiligten Nichtjuden – eigenständige Erwähnung<br />
f<strong>and</strong>, so würden heutzutage bei Berichten<br />
über Kriminalfälle muslimischer oder aus muslimischen<br />
Ländern stammender Täter deren Religion oder<br />
ihr Migrationshintergr<strong>und</strong> in Medienberichten mit angegeben,<br />
bei Tätern aus der christlich geprägten<br />
Mehrheitsbevölkerung hingegen gewöhnlich nicht.<br />
Der Eindruck eines Zusammenhangs des Islam zu der<br />
berichteten Tat werde auf diese Weise künstlich hervorgerufen,<br />
obwohl nicht nur im konkreten Fall für<br />
eine Beziehung der Aktion zum Muslim sein des Akteurs,<br />
sondern nicht einmal für eine überproportionale<br />
Häufigkeit von Tätern muslimischer Religion Belege<br />
angeführt werden könnten.<br />
Mögen islamistische Selbstmordattentäter den Bezug<br />
ihrer Anschläge zum Islam als Religion von sich<br />
aus beabsichtigt haben <strong>und</strong> diese Anschläge sogar als<br />
„islamisch“ rechtfertigen, durch die eigenständige<br />
Erwähnung eines „möglichen islamistischen Hintergr<strong>und</strong>es“<br />
bereits bei Verdacht auf einen Anschlag entstehe<br />
die allgemeine Assoziation des Islam mit potentiellen<br />
Gewalttaten im Bewusstsein der Rezipienten.<br />
Dies gelte erst recht, wenn der Ausschluss eines spezifisch<br />
islamistisch motivierten Hintergr<strong>und</strong>es bei<br />
nichtmuslimischen Tätern oder einer nicht auf Gewalt<br />
zurückgehenden Ursache explizit genannt werde. Einem<br />
Muslim werde dadurch das Etikett des „potentiellen<br />
Gewalttäters“ angehaftet <strong>und</strong> der Islam gelte im<br />
öffentlichen Bewusstsein als „gewalttätige Religion“.<br />
Diejenigen, die tatsächlich im Namen des Islam Gewalt<br />
zu verüben beanspruchen, hätten hinsichtlich<br />
dieses im Westen Verbreitung findenden Islambildes<br />
ihr Ziel erreicht. Vielmehr sähen die Muslime sich der<br />
Definition Schiffers <strong>und</strong> Wagners zufolge ihrerseits<br />
Gewalt gegenüber, denn Gewalt beginne danach bereits<br />
mit dem Stereotyp, nicht erst mit der physischen<br />
Aktion.<br />
Bestehende Divergenzen zwischen Juden- <strong>und</strong><br />
Muslimfeindschaft bleiben nicht unberücksichtigt<br />
Die zahlreichen entdeckten Parallelen zwischen dem<br />
Antisemitismus des späten 19. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> der<br />
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