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4 Dissertationen und Habilita- tionen / Dissertations and Ha- bilitations

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REZENSIONEN BOOK REVIEW<br />

rade einzigartigen) Rekurses auf kanonische Texte attestiert.<br />

Die Aufnahme von Frauen wird als wichtiger Unterschied<br />

zu <strong>and</strong>eren islamistischen Bewegungen präsentiert.<br />

Diese Feststellung verw<strong>und</strong>ert insbesondere<br />

deshalb, da in einer der wenigen Studien, welche bisher<br />

die SMT zu Studium islamistischer Organisa<strong>tionen</strong><br />

herangezogen haben, Frauen großes Augenmerk<br />

zukommt 5 . Zu Vergleichszwecken wird lediglich die<br />

zwischenzeitlich gewalttätige tadschikische IRPT<br />

herangezogen, während gleichsam gewaltlos lokal<br />

bzw. global agierende Organisa<strong>tionen</strong>, wie eben Hizb<br />

al-Islah im Jemen oder etwa Tablighi Jamaat weltweit,<br />

gänzlich ausgespart bleiben. Eine Grafik zur<br />

Struktur der von Hizb ut-Tahrir entworfenen Form<br />

des zu errichtenden Kalifats, widerspricht den beigegebenen<br />

Erklärungen offensichtlich in zwei Punkten.<br />

All dies soll jedoch nicht über den beträchtlichen Informationsgehalt<br />

<strong>und</strong> die zeitgemäße Zielsetzung des<br />

Buches hinwegtäuschen.<br />

Philipp Bruckmayr, Linz<br />

� � �<br />

Khiabany, Gholam (2010): Iranian Media. The<br />

Paradox of Modernity. – Routledge: New York, 251<br />

p.<br />

Die iranische Medienl<strong>and</strong>schaft steht spätestens seit<br />

der so genannten Twitter-Revolution vom Sommer<br />

2009 im Mittelpunkt eines breiteren öffentlichen Interesses.<br />

Insbesondere der über Youtube <strong>und</strong> Facebook<br />

kommunizierte Todesfall der Studentin Neda Soltan<br />

schuf eine weltweite mediale Aufmerksamkeit. Der<br />

iranische Regisseur Ali Samadi Ahadi berichtete gar<br />

über die entstehende Blogger-Bewegung in seinem<br />

animierten Dokumentar-Film „Iran Elections 2009“.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> liefert Gholam Khiabany<br />

mit seinem Buch über Entstehung <strong>und</strong> Inhalte iranischer<br />

Medien brauchbare Hintergr<strong>und</strong>informa<strong>tionen</strong><br />

zur rechten Zeit. Teilweise sind die Kapitel allerdings<br />

bereits zwischen 2005 <strong>und</strong> 2008 <strong>and</strong>ernorts als eigenständige<br />

Aufsätze veröffentlicht worden. Und obwohl<br />

der Verlag als Erscheinungsjahr 2010 angibt, bleiben<br />

die Ereignisse des Sommers 2009 bedauerlicherweise<br />

ausgeklammert. Hier wurde eine Chance vertan, in einem<br />

einzigen Werk die Entwicklung iranischer Medien<br />

bis ins Web-2.0-Zeitalter nachzuzeichnen.<br />

Nichtsdestotrotz h<strong>and</strong>elt es sich um eine willkommene<br />

Best<strong>and</strong>saufnahme des iranischen Medienmarktes.<br />

Khiabany selbst beabsichtigt, sich insbesondere<br />

auf die vielfältige Pressel<strong>and</strong>schaft zu konzentrieren,<br />

<strong>und</strong> zeichnet deren Entstehen ab dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

nach. Analog geht er bei der staatlichen Islamic Republic<br />

of Iran Broadcasting (IRIB) für R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong><br />

Fernsehen vor. Er folgt dabei drei analytischen<br />

Schwerpunkten:<br />

(1) Zunächst hinterfragt er die These eines „Islamic<br />

exceptionalism“, einer unreflektierten essentialisti-<br />

5 Clark, Janine: Islam, Charity, <strong>and</strong> Activism. Middle-Class Networks<br />

<strong>and</strong> Social Welfare in Egypt, Jordan, <strong>and</strong> Yemen. – Indianapolis:<br />

Indiana UP, 2003.<br />

schen Ideologie, wonach es etwas genuin Islamisches<br />

an Medien gebe. „There is nothing specifically Islamic<br />

about medical journals, general knowledge, sport<br />

(the only Islamic aspect of sport in Iran is the banning<br />

of female athletes from participation in tournaments<br />

<strong>and</strong> of women in stadiums)“ (S. 72). Dazu kritisiert er<br />

insbesondere den „Reverse Orientalism“ (S. 7) des<br />

Kommunikationswissenschaftlers <strong>Ha</strong>mid Mowlana,<br />

der eine islamische Kommunikationstheorie ersann,<br />

die sich wiederum aber nur über ihre Unterscheidung<br />

<strong>und</strong> ihr Anderssein gegenüber den Informationsgesellschaften<br />

des „Westens“ definiert. Demgegenüber<br />

waren für Khiabany für die Entwicklung der iranischen<br />

Presse in der Vergangenheit vielmehr demographische<br />

Faktoren, die Alphabetisierung, die Einbindung<br />

von Frauen im öffentlichen Leben <strong>und</strong> der<br />

Einfluss des Staates entscheidend.<br />

(2) Diese Rolle des Staates, den er gerade auch angesichts<br />

ökonomischer Realitäten als wichtigen – <strong>und</strong><br />

nicht nur repressiven – Medienakteur verst<strong>and</strong>en wissen<br />

will, zieht sich wie ein roter Faden durch das<br />

Buch. „The central Iranian state has played <strong>and</strong> continues<br />

to play a major role in defining national ‚culture’,<br />

promoting certain traditions <strong>and</strong> heritage <strong>and</strong><br />

discarding or marginalizing other ‚tradition’ <strong>and</strong><br />

trends. It is for this reason […] that even ‚Islam’ <strong>and</strong><br />

‚Islamic culture’ in Iran has come to be defined in a<br />

particular way <strong>and</strong> alongside the interests of the national<br />

state.” (S. 12). Khiabany identifiziert den Staat<br />

nicht nur als „biggest media proprietor“ (S. 16). Auch<br />

historisch betrachtet konnte sich kaum eine staatsunabhängige<br />

Presse etablieren, war doch gerade das<br />

Pressewesen elitär geprägt. Neben dieser strukturellen<br />

Schwäche waren die Phasen politischer Freiheit kurz,<br />

politische <strong>und</strong> ökonomische Interessen des Staates<br />

groß <strong>und</strong> traditionelle Institu<strong>tionen</strong> wie die Ulama<br />

stark.<br />

(3) Eng damit verwoben zeigt Khiabany, dass die<br />

Rolle des Staates von Kontinuität <strong>und</strong> W<strong>and</strong>el geprägt<br />

ist, sich mit der Islamischen Revolution von 1979<br />

zwar inhaltlich, nicht aber strukturell geändert hat.<br />

Nach wie vor ist der Staat der zentrale Akteur in der<br />

iranischen Medienl<strong>and</strong>schaft; privaten Investoren <strong>und</strong><br />

freien Journalisten wird die (legale) Arbeit durch vielfältige<br />

Formen der Repression schwergemacht. Wenig<br />

überraschend ist ebenso die von Khiabany konstatierte<br />

Kontinuität des Pressegesetzes seit 1907, dessen<br />

willkürliche Interpretation <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Rechtsunsicherheit.<br />

Völlig zu Recht spricht er an einer Stelle die r<strong>und</strong><br />

700.000 iranischen Blogs vorwiegend junger Iranerinnen<br />

<strong>und</strong> Iraner an, die Persisch zu einer der führenden<br />

Sprachen der Blogosphäre machen. Hier entwickelte<br />

sich seit 2000 eine wahre „vierte Gewalt“, in<br />

deren Rahmen „Konservative“ <strong>und</strong> „Reformer“, „Islamismus“<br />

<strong>und</strong> „Republikanismus“ um die Definition<br />

<strong>und</strong> die Rolle von Medien kämpfen. Khiabany bezeichnet<br />

die Internet-Politik insbesondere der IRIB<br />

<strong>und</strong> damit der iranischen Regierung als „ad-hoc <strong>and</strong><br />

contradictory“ (S. 154). Die weitere Entwicklung des<br />

Internets „is constrained by confusion in government<br />

policies, varied institutional interests, <strong>and</strong> above all<br />

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