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Der Pädosexuelle und die Strafverfolgung - SCIP - Universität Bern

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24<br />

reich so, dass Umkehrschlüsse nicht immer so einfach anwendbar sind 44 . Wenn sich viele<br />

Sexualstraftäter oder Pädokriminelle mit Pornografie beschäftigen, heisst das umgekehrt<br />

nicht, dass der Konsum von Pornografie generell zu Straftaten animieren muss. Das heisst<br />

aber auch, dass man bei gewissen Risikogruppen differenziert schauen muss, was der Pornografiekonsum<br />

auslöst <strong>und</strong> welche Einflüsse eine Tat wahrscheinlicher machen.<br />

Ein wesentlicher Punkt, der von der psychologisch-psychiatrischen Fachliteratur betont wird<br />

(siehe dazu Exkurs II) ist der Suchtaspekt. Folgendes, ausführliches Zitat eines anonymen<br />

Pädophilen soll veranschaulichen, wie der Suchtaspekt im Bereich (Kinder-) Pornografie<br />

phänomenologisch in der Selbstwahrnehmung beschrieben wird:<br />

„Das bewegungslose Bild ermöglicht mir - mehr noch als der Film -, meinen eigenen "Porno"<br />

zu inszenieren. Unabhängig davon, ob mein Sexbegehren auf kleine oder große Menschen<br />

ausgerichtet ist, werde ich einen Rahmen schaffen, in welchem ich meinen Sex<br />

lustvoll erleben kann. Diesen Rahmen gestalte ich mir sowohl real als auch in der Phantasie.<br />

(…) <strong>Der</strong> Junge auf dem Bild sieht mich - nicht. Ich sehe ihn mit "seinem" (?) erwartungsvollen<br />

Blick - auf mich? Ich nehme ihn auf in meinen Rahmenbau für mein Phantasieszenario.<br />

Ich gestalte, ich konkretisiere so meine Beziehungsbedürftigkeiten auf ihn hin.<br />

Mit ihm? Ein Teil meiner Phantasie spielt ihn so, wie ich ihn begehre. (…) Ich halte das<br />

Benutzen von Pornomaterial für kontraproduktiv. Es suggeriert mir Nähe zu nur Gesehenem,<br />

Gedachtem <strong>und</strong> vergrößert so meinen Abstand zu real begehrten kleinen Menschen.<br />

Sie werden - sind - wie <strong>die</strong> Bilder. Ich sage dann: "Ich habe einen tollen Jungen gesehen",<br />

halte das für berichtenswert <strong>und</strong> erlebe mich mit ihm ... in nur meinen Rahmungen. Ich<br />

kenne das so, dass Menschen, <strong>die</strong> ständig ohne reale Sexbeziehungen leben, ihr Fehlen<br />

ständig mit ihrem Kopf/Körper an jede gesehene Realität herantragen. Die Welt wird Porno,<br />

<strong>die</strong> Welt wird irreal schön, löst überall neuerliches Begehren aus, <strong>und</strong> gleichzeitig finde<br />

ich keinen wirklichen Kontakt, keinen Einstieg in eine wirkliche Begegnung.(…) Meine Erfahrungen<br />

mit pornotauglichem Material sind identisch mit dem, was auch homosexuelle<br />

oder heterosexuelle Männer berichten. Nach einiger Zeit sind <strong>die</strong> Bilder, Hefte, Filme untauglich.<br />

Sie sind sozusagen verbraucht. Ihre anregende Potenz verliert sich. Was aber<br />

bedeutet das genau? Auf jeden Fall brauche ich neue Bilder, andere Posen. Ein Teil meiner<br />

Zeit verbringe ich nun mit der Beschaffung: der Reiz der Suche <strong>und</strong> das Erschließen<br />

neuer Quellen ist aufregend - fast schon Vorspiel. Es ist fast so, als lernte ich neue Jungen<br />

kennen. (…) Die Abnutzung trat schneller ein. Onaniegenuss wurde zunehmend flacher,<br />

unbefriedigender. <strong>Der</strong> Beginn mit neuerlichem Material war manchmal exzesshaft, unersättlich<br />

- bis zur rein körperlichen Erschöpfung <strong>und</strong> dann: Leere. (…) Neues Material ...<br />

oder ganz altes ... Unruhe <strong>und</strong> tiefe Einsamkeitsgefühle. <strong>Der</strong> Fluch der eigenen Gier? (….)<br />

Es wurde wie ein Sog. Die schnelle Verfügbarkeit der Bilder, das widerpartlose Integrieren<br />

der Jungen in meine Bedürfnisphantasien machte mich unsensibel in jeder Realität. Ich<br />

verhielt mich nicht mehr, ich glotzte nur noch: sehnsüchtig <strong>und</strong> schmachtend. (…..) Für einige<br />

Männer scheint es lange eine Frage der verschiedenen Umgangstechniken zu sein.<br />

Sie verändern von Zeit zu Zeit ihr Konsumverhalten bei Pornos. Analog den Alkoholikern:<br />

Verknappungsstrategien: nur wenige ... nur ein Bild ... erst heute Abend ... nur 50 DM im<br />

Monat dafür ... mal einen Tag aussetzen usw. 45<br />

Dieses ausführliche Zitat eines „pädophil empfindenden Menschen“ zu seinen Erfahrungen<br />

mit Pornografie verdeutlicht, wie sich durch das Betrachten der Bilder eine Eigendynamik<br />

entwickelt, <strong>die</strong> (fast) nicht mehr kontrolliert werden kann <strong>und</strong> wie sich durch einen exzessiven<br />

Konsum von pornografischen Darstellungen der Blick im Alltag verändert. <strong>Der</strong> Eindruck, dass<br />

über den Konsum der Schritt zum Missbrauch eher erleichtert oder forciert denn abgeschwächt<br />

wird, drängt sich auf.<br />

Die Frage, ob Pornografiekonsum <strong>die</strong> Sexualstraftat wahrscheinlicher macht, kann nicht<br />

pauschal beantwortet werden. Die Frage muss lauten, unter welchen Bedingungen der Konsum<br />

zur Tat antreibt. Dazu lesen wir bei Gallwitz <strong>und</strong> Paulus (1998): „<strong>Der</strong> Handlungsdruck,<br />

das Bestreben Phantasien umzusetzen, hängen neben der Steuerungsfähigkeit der Person<br />

von der Motivlage <strong>und</strong> Hemmschwelle <strong>und</strong> nicht von der Veranlagung, heterosexuell, homosexuell,<br />

bisexuell, pädosexuell oder promiskuitiv, ab. Erst bei Menschen, <strong>die</strong> ihr eigenes se-<br />

44 Diese Diskussion ist auch in den Bereichen Gewaltvideos <strong>und</strong> kriminelle Jugendliche, Waffen <strong>und</strong> psychisch labile<br />

Persönlichkeit oder Drogen <strong>und</strong> Psychosen u.a. schon an vielen Stellen geführt worden.<br />

45 Nachzulesen unter: http://www.itp-arcados.net/sonder/badporno/porno2000ke.html

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