17.12.2012 Aufrufe

Der Pädosexuelle und die Strafverfolgung - SCIP - Universität Bern

Der Pädosexuelle und die Strafverfolgung - SCIP - Universität Bern

Der Pädosexuelle und die Strafverfolgung - SCIP - Universität Bern

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

6<br />

Zu (fast) jedem <strong>die</strong>ser Momente im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess habe ich eine Stimme gesucht,<br />

<strong>die</strong> punktuell <strong>und</strong> individuell Auskunft gibt zu den einzelnen Funktionen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Träger innehaben,<br />

zu den Schwierigkeiten, <strong>die</strong> sie antreffen <strong>und</strong> zu den Glaubens- <strong>und</strong> Wissenssystemen,<br />

<strong>die</strong> sie mit sich tragen <strong>und</strong> <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Entscheidungsprozesse einfliessen. Die gesammelten<br />

Aussagen, <strong>die</strong> aus offenen Interviews, aus der Literatur oder aus dem Internet zusammengetragen<br />

wurden, haben keinerlei Anspruch auf Repräsentativität. Andere VertreterInnen<br />

in den entsprechenden Funktionen hätten wahrscheinlich andere Akzente gesetzt,<br />

andere Meinungen geäussert oder andere Schlussfolgerungen gezogen. Weder <strong>die</strong> Jurisprudenz,<br />

noch <strong>die</strong> Medizin oder <strong>die</strong> Psychologie sind exakte Wissenschaften.<br />

Zudem sind <strong>Pädosexuelle</strong> keine homogene Bevölkerungsgruppe. Gemeinsam ist ihnen einzig<br />

der rechtlich <strong>und</strong> gesellschaftlich geächtete Umgang mit Kindern. Die befragten FunktionsträgerInnen<br />

im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht –<br />

über <strong>die</strong> individuelle Begegnung <strong>und</strong> über ihre beruflich definierte Art des Umgangs - mit<br />

einzelnen <strong>Pädosexuelle</strong>n. Daraus <strong>und</strong> aus ihrer Fachliteratur beziehen sie ihre Vorstellungen,<br />

welcher Art von Umgang der angemessenste ist. Die Erfahrungen können ganz unterschiedlich<br />

sein.<br />

Dennoch bin ich der Überzeugung, dass es sich lohnt, einen Überblick <strong>und</strong> einen mehr oder<br />

weniger willkürlichen Einblick zu erstellen. Die einzelnen Beteiligten im Umgang mit <strong>Pädosexuelle</strong>n<br />

haben konkret kaum miteinander zu tun <strong>und</strong> haben dennoch gemeinsam einen Einfluss<br />

auf den umfassenden Umgang mit dem <strong>Pädosexuelle</strong>n <strong>und</strong> auf <strong>die</strong> gesellschaftlichen<br />

Vorstellungen von ihnen als Tätergruppierung.<br />

Im besten Fall entsteht bei der Leserin / beim Leser <strong>die</strong> Vorstellung, dass ein Zusammenrücken<br />

der verschiedenen Funktionen im Umgang mit <strong>die</strong>ser Delinquentengruppe sinnvoll<br />

wäre um <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong> zu verbessern, Rückfälle weniger wahrscheinlich zu machen<br />

<strong>und</strong> somit <strong>die</strong> Kinder vor Übergriffen zu schützen. Im erwarteten Fall entsteht ein kaleidoskopartiges<br />

Bild der Komplexität der Täterschaft, der Delikte <strong>und</strong> des möglichen Umgangs<br />

damit in der <strong>Strafverfolgung</strong>.<br />

<strong>Der</strong> aufmerksamen Leserin / dem aufmerksamen Leser ist nicht entgangen, dass ein wichtiges<br />

Element in <strong>die</strong>ser Arbeit nicht angesprochen wird: <strong>die</strong> Opferseite. Verschiedene Gründe<br />

haben mich bewogen, <strong>die</strong> Opfer auszublenden. Einerseits, weil <strong>die</strong> Darstellung der Opferseite<br />

eine Arbeit für sich darstellen würde <strong>und</strong> deren Bearbeitung nur rudimentär angegangen<br />

werden könnte, was zynisch wäre angesichts der Schwere der Bürde, <strong>die</strong> sie tragen müssen.<br />

Andererseits ist <strong>die</strong> Thematik vor allem von Opferschutzorganisationen breit behandelt worden.<br />

Auch wenn in der öffentlichen Meinung, gerade in der aktuellen politischen Landschaft,<br />

Stimmen laut wurden, dass <strong>die</strong> Opferseite im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess zu wenig zur Kenntnis<br />

genommen werde, sieht es beim Wissensstand zu Täter- <strong>und</strong> Opferseite anders aus. Es<br />

herrscht in den Fachgebieten <strong>und</strong> über <strong>die</strong> politischen Einheiten hinaus mehr oder weniger<br />

Konsens darüber, dass sexuelle Übergriffe an Kindern meist mehr oder weniger gravierende<br />

Schäden beim Opfer hervorrufen, <strong>die</strong> detailliert beschrieben sind. <strong>Der</strong> Umgang mit Opfern in<br />

der <strong>Strafverfolgung</strong> wurde in den letzten Jahren reflektiert <strong>und</strong> Verbesserungen sind offensichtlich.<br />

Die Täterseite hingegen ist schwach durchleuchtet. Pauschale Annahmen, gerade auch was<br />

Kinderpornografen betrifft, kursieren. Eine differenzierte Auseinandersetzung ist eher <strong>die</strong><br />

Ausnahme als <strong>die</strong> Regel. Eine professionelle Prävention <strong>und</strong> <strong>Strafverfolgung</strong> kommt aber<br />

nicht darum herum, Überlegungen anzustellen <strong>und</strong> sich Wissen darüber anzueignen, was<br />

<strong>die</strong>se Menschen dazu bringt, das zu tun, was sie tun, wie sie es tun <strong>und</strong> wie sie davon abgehalten<br />

werden können, es zu tun. Vielleicht kann <strong>die</strong>se Arbeit einen kleinen Beitrag dazu<br />

leisten.<br />

Formal sind <strong>die</strong> folgenden Ausführungen so aufgebaut, dass je nach Stelle im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess<br />

Zitate ausgewählter Interviewpartner zusammengetragen werden, <strong>die</strong> spezifische<br />

Aufgaben, Vorstellungen <strong>und</strong> Schwierigkeiten exemplarisch beleuchten, aber auch an-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!