17.12.2012 Aufrufe

Der Pädosexuelle und die Strafverfolgung - SCIP - Universität Bern

Der Pädosexuelle und die Strafverfolgung - SCIP - Universität Bern

Der Pädosexuelle und die Strafverfolgung - SCIP - Universität Bern

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

34<br />

Die von der Polizei ermittelten Täter werden, sofern das Verfahren nicht eingestellt wird, dem<br />

Richter, beziehungsweise der Richterin zugeführt. Da wir keine Stimme aus Richterkreisen<br />

zur Verfügung haben <strong>und</strong> somit nicht aus erster Hand wissen, was Richterinnen <strong>und</strong> Richter<br />

von ihrer Klientel zu berichten haben, im Folgenden ein kurzer Exkurs zur Rechtssprechung<br />

in Zusammenhang mit der Aktion Genesis aus dem Jahr 2002 52 . Da wir uns im<br />

Kapitel zu den konkreten Begegnungen befinden, wird hier nur auf <strong>die</strong> Typen der Verdächtigten,<br />

<strong>und</strong> nicht auf <strong>die</strong> Rechtssprechung (siehe dazu Kapitel 6.3.) eingegangen.<br />

Knapp <strong>die</strong> Hälfte der Verfahren der über 1000 Verdächtigten der Aktion Genesis wurden bis<br />

anhin (Stand September 2004) eingestellt. Dies aber vor allem, weil strafrechtlich relevantes<br />

Material „nur“ konsumiert worden ist. Zur Übersicht über <strong>die</strong> Population der Konsumenten<br />

können deshalb praktisch alle für eine Grobanalyse beigezogen werden. An <strong>die</strong>ser Stelle<br />

sind folgende Merkmale der Population interessant 53 :<br />

• Die wenigsten der Kinderpornografie-Konsumenten waren vorbestraft;<br />

• Die Mehrheit der Konsumenten übt einen technischen Beruf aus. Die Berufe beschränken<br />

sich aber nicht nur auf IT-Berufe, sondern umfassen alle Arten von mechanischen,<br />

elektrischen oder sonst handwerklich-technisch ausgerichteten Berufen;<br />

• Viele konsumierten oder besassen neben kinderpornografischem Material auch andere<br />

Formen von illegaler Pornografie (mit Tieren, menschlichen Ausscheidungen<br />

oder Gewalt);<br />

• Eine Minderheit der Verdächtigten zeichnete sich durch eine enorme Sammeltätigkeit<br />

aus <strong>und</strong><br />

• es zeichnete sich keine Überrepräsentation eines Zivilstandes ab.<br />

Alles in allem entsteht der Eindruck, dass es sich um gut integrierte, vor allem aus dem Mittelstand<br />

stammende, technisch versierte Normalbürger handelt. Die Rechtsprechung der bis<br />

anhin grössten Kinderpornografie-Aktion in der Schweiz ist vielleicht dementsprechend in der<br />

Regel sehr milde ausgefallen. Die Mehrheit der Urteile betraf Geldbussen von einigen tausend<br />

Franken, schwerere Fälle (bei besonders viel <strong>und</strong>/oder besonders grausamen Darstellungen<br />

oder bei einschlägigen Vorstrafen) wurden mit bedingten Freiheitsstrafen von maximal<br />

drei Monaten bestraft. Ergänzend muss aber angeführt werden, dass es sich bei <strong>die</strong>ser<br />

Aktion aus verschiedenen Gründen um einen Spezialfall handelt. <strong>Der</strong> Anbieter (Landslide)<br />

bot auch viele Seiten mit legaler Pornografie an, das heisst, dass sich möglicherweise viele<br />

Konsumenten aus Neugier in den illegalen Bereich wagten. Zu dem Zeitpunkt, als <strong>die</strong> meisten<br />

auf den amerikanischen Anbieter stiessen (1999), war <strong>die</strong> Internetdichte noch nicht so<br />

gross wie heute <strong>und</strong> der schnelle Zugang für viele noch keine Realität. Die Erfahrungen,<br />

welche <strong>die</strong> Kantone <strong>und</strong> der B<strong>und</strong> inzwischen mit Kinderpornografie-Konsumenten sammeln<br />

konnten (vor allem auch über P2P-Netzwerke oder über Gruppierungen auf dem Internet,<br />

siehe oben), zeigen ein anderes Bild, auch wenn bis anhin noch keine systematischen Untersuchungen<br />

gemacht werden konnten. Zum einen finden sich unter der Population, <strong>die</strong><br />

über das Internet Kinderpornografie tauscht, viele Wiederholungstäter <strong>und</strong> Sammler. Und<br />

zum anderen scheint der Anteil aktiver Missbraucher unter den Sammlern höher zu sein, als<br />

bis anhin angenommen. Deutschland, Kanada <strong>und</strong> <strong>die</strong> USA spricht man von bis zu<br />

30 Prozent an Missbrauchern unter den Konsumenten.<br />

Mit welchem Typus von Personen <strong>die</strong> RichterInnen in der Regel bei Verfahren gegen Kinderpornografie<br />

zu tun haben, kann noch nicht gesagt werden. Mit Verdächtigten bezüglich<br />

pädosexuellen Übergriffen haben <strong>die</strong> RichterInnen aber natürlich langjährige Erfahrung <strong>und</strong><br />

eine einzelne Stimme dazu wäre an <strong>die</strong>ser Stelle wünschenswert.<br />

52 Im Rahmen einer Arbeitsgruppe zur Evaluation der Aktion Genesis aus B<strong>und</strong>esebene, bei der <strong>die</strong> Verfasserin<br />

teilnahm, kann an <strong>die</strong>ser Stelle kurz berichtet werden. Es handelt sich aber einschränkend bei <strong>die</strong>ser Täterschaft<br />

praktisch ausschliesslich um Konsumenten (Besitzende) von Kinderpornografie <strong>und</strong> nicht um aktive Missbraucher.<br />

53 Für eine Detailanalyse muss <strong>die</strong> wissenschaftliche Arbeit in Zusammenarbeit mit der <strong>Universität</strong> Lausanne abgewartet<br />

werden. Diese Arbeit erscheint voraussichtlich ende Jahr 2004.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!