Der Pädosexuelle und die Strafverfolgung - SCIP - Universität Bern
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Die von der Polizei ermittelten Täter werden, sofern das Verfahren nicht eingestellt wird, dem<br />
Richter, beziehungsweise der Richterin zugeführt. Da wir keine Stimme aus Richterkreisen<br />
zur Verfügung haben <strong>und</strong> somit nicht aus erster Hand wissen, was Richterinnen <strong>und</strong> Richter<br />
von ihrer Klientel zu berichten haben, im Folgenden ein kurzer Exkurs zur Rechtssprechung<br />
in Zusammenhang mit der Aktion Genesis aus dem Jahr 2002 52 . Da wir uns im<br />
Kapitel zu den konkreten Begegnungen befinden, wird hier nur auf <strong>die</strong> Typen der Verdächtigten,<br />
<strong>und</strong> nicht auf <strong>die</strong> Rechtssprechung (siehe dazu Kapitel 6.3.) eingegangen.<br />
Knapp <strong>die</strong> Hälfte der Verfahren der über 1000 Verdächtigten der Aktion Genesis wurden bis<br />
anhin (Stand September 2004) eingestellt. Dies aber vor allem, weil strafrechtlich relevantes<br />
Material „nur“ konsumiert worden ist. Zur Übersicht über <strong>die</strong> Population der Konsumenten<br />
können deshalb praktisch alle für eine Grobanalyse beigezogen werden. An <strong>die</strong>ser Stelle<br />
sind folgende Merkmale der Population interessant 53 :<br />
• Die wenigsten der Kinderpornografie-Konsumenten waren vorbestraft;<br />
• Die Mehrheit der Konsumenten übt einen technischen Beruf aus. Die Berufe beschränken<br />
sich aber nicht nur auf IT-Berufe, sondern umfassen alle Arten von mechanischen,<br />
elektrischen oder sonst handwerklich-technisch ausgerichteten Berufen;<br />
• Viele konsumierten oder besassen neben kinderpornografischem Material auch andere<br />
Formen von illegaler Pornografie (mit Tieren, menschlichen Ausscheidungen<br />
oder Gewalt);<br />
• Eine Minderheit der Verdächtigten zeichnete sich durch eine enorme Sammeltätigkeit<br />
aus <strong>und</strong><br />
• es zeichnete sich keine Überrepräsentation eines Zivilstandes ab.<br />
Alles in allem entsteht der Eindruck, dass es sich um gut integrierte, vor allem aus dem Mittelstand<br />
stammende, technisch versierte Normalbürger handelt. Die Rechtsprechung der bis<br />
anhin grössten Kinderpornografie-Aktion in der Schweiz ist vielleicht dementsprechend in der<br />
Regel sehr milde ausgefallen. Die Mehrheit der Urteile betraf Geldbussen von einigen tausend<br />
Franken, schwerere Fälle (bei besonders viel <strong>und</strong>/oder besonders grausamen Darstellungen<br />
oder bei einschlägigen Vorstrafen) wurden mit bedingten Freiheitsstrafen von maximal<br />
drei Monaten bestraft. Ergänzend muss aber angeführt werden, dass es sich bei <strong>die</strong>ser<br />
Aktion aus verschiedenen Gründen um einen Spezialfall handelt. <strong>Der</strong> Anbieter (Landslide)<br />
bot auch viele Seiten mit legaler Pornografie an, das heisst, dass sich möglicherweise viele<br />
Konsumenten aus Neugier in den illegalen Bereich wagten. Zu dem Zeitpunkt, als <strong>die</strong> meisten<br />
auf den amerikanischen Anbieter stiessen (1999), war <strong>die</strong> Internetdichte noch nicht so<br />
gross wie heute <strong>und</strong> der schnelle Zugang für viele noch keine Realität. Die Erfahrungen,<br />
welche <strong>die</strong> Kantone <strong>und</strong> der B<strong>und</strong> inzwischen mit Kinderpornografie-Konsumenten sammeln<br />
konnten (vor allem auch über P2P-Netzwerke oder über Gruppierungen auf dem Internet,<br />
siehe oben), zeigen ein anderes Bild, auch wenn bis anhin noch keine systematischen Untersuchungen<br />
gemacht werden konnten. Zum einen finden sich unter der Population, <strong>die</strong><br />
über das Internet Kinderpornografie tauscht, viele Wiederholungstäter <strong>und</strong> Sammler. Und<br />
zum anderen scheint der Anteil aktiver Missbraucher unter den Sammlern höher zu sein, als<br />
bis anhin angenommen. Deutschland, Kanada <strong>und</strong> <strong>die</strong> USA spricht man von bis zu<br />
30 Prozent an Missbrauchern unter den Konsumenten.<br />
Mit welchem Typus von Personen <strong>die</strong> RichterInnen in der Regel bei Verfahren gegen Kinderpornografie<br />
zu tun haben, kann noch nicht gesagt werden. Mit Verdächtigten bezüglich<br />
pädosexuellen Übergriffen haben <strong>die</strong> RichterInnen aber natürlich langjährige Erfahrung <strong>und</strong><br />
eine einzelne Stimme dazu wäre an <strong>die</strong>ser Stelle wünschenswert.<br />
52 Im Rahmen einer Arbeitsgruppe zur Evaluation der Aktion Genesis aus B<strong>und</strong>esebene, bei der <strong>die</strong> Verfasserin<br />
teilnahm, kann an <strong>die</strong>ser Stelle kurz berichtet werden. Es handelt sich aber einschränkend bei <strong>die</strong>ser Täterschaft<br />
praktisch ausschliesslich um Konsumenten (Besitzende) von Kinderpornografie <strong>und</strong> nicht um aktive Missbraucher.<br />
53 Für eine Detailanalyse muss <strong>die</strong> wissenschaftliche Arbeit in Zusammenarbeit mit der <strong>Universität</strong> Lausanne abgewartet<br />
werden. Diese Arbeit erscheint voraussichtlich ende Jahr 2004.