Der Pädosexuelle und die Strafverfolgung - SCIP - Universität Bern
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Nein, das Gesetz wäre schon gut, aber es wird nicht ausgeschöpft. Die härtere Bestrafung<br />
wäre auch eine Art Prävention. Nicht nur bei der Kinderpornografie, sondern auch bei den<br />
anderen Delikten gegen Kinder. (….) Höher ist sicher besser, aber <strong>die</strong> sollen doch einfach<br />
mal den Rahmen nutzen, den sie zur Verfügung haben. (… ) Wenn nun einer über einen<br />
Chat einen 13-Jährigen abschleppt <strong>und</strong> wenn er dann dafür drei Jahre Kiste riskiert, dann<br />
wirkt das schon anders <strong>und</strong> er überlegt sich das schon noch mal. Das würde Wirkung in<br />
der Gesellschaft signalisieren. Und einige davon würden sicher den Schritt nicht wagen.<br />
Wir denken auch, dass <strong>die</strong> Bevölkerung das gar nicht weiss, wie billig <strong>die</strong> davon kommen<br />
Wir werden im Kapitel zur Rechtssprechung (vgl. Kapitel 6.4.) noch sehen, wie <strong>die</strong> Polizei <strong>die</strong><br />
richterlichen Auslegungen kommentiert. Hier ist wichtig, dass offenbar von Polizeiseite nicht<br />
eine strengere Gesetzeslage gefordert wird. Ein weiteres Thema, das <strong>die</strong> verschiedenen<br />
Stellen beschäftigt, ist <strong>die</strong> gesetzlich festgelegte Schutzaltersgrenze. Die Kantonspolizei<br />
<strong>Bern</strong> dazu:<br />
Zur Schutzaltergrenze meinen wir, dass man <strong>die</strong> runter auf 14 oder 15 nehmen müsste.<br />
Das ist einfach nicht mehr zeitgemäss. Das geht an der Realität vorbei. Wir sehen mehrere<br />
Fälle mit 14 oder 15-Jährigen, <strong>die</strong> um einiges ältere Partner hatten <strong>und</strong> das fanden wir völlig<br />
daneben, wenn sich das Gesetz da reinmischte. Oder besser, man müsste den gesetzlich<br />
definierten Altersunterschied heraufsetzen. Das würde eine unnötige Kriminalisierung<br />
von ungleich alten, aber einvernehmlichen Paaren vermeiden.<br />
Diese Form der Kriminalisierung wurde von den Stadtzürchern nicht erwähnt. Es ist möglich,<br />
dass Anzeigen in <strong>die</strong>sem Bereich eher in der ländlichen Bevölkerung auftreten.<br />
Die Aussagen der Ermittlungsbehörden zur Gesetzeslage betreffen weniger <strong>die</strong> Mängel bezüglich<br />
der Straftatbestände, denn Lücken in den strafprozessualen Gesetzesgr<strong>und</strong>lagen.<br />
Auf <strong>die</strong>se Lücken kommen wir im Kapitel 6.3. zur Ermittlungstätigkeit zu sprechen. Das Fehlen<br />
der Stimme aus dem Richterstand kommt an <strong>die</strong>ser Stelle schmerzlich zum Ausdruck, da<br />
einen Gegenüberstellung zur polizeilichen Sicht der Dinge an <strong>die</strong>ser Stelle sehr interessant<br />
wäre.<br />
<strong>Der</strong> Gesprächspartner aus der forensischen Begutachtung hat zur Gesetzesgr<strong>und</strong>lage bezüglich<br />
der Straftatbestände keine Aussagen gemacht. Hingegen ist bei der forensischen<br />
Begutachtung wichtig, welche Formen von sexuellen Orientierungen überhaupt vom Gesetz<br />
erfasst werden <strong>und</strong> welche nicht. Zudem geht es um <strong>die</strong> Frage, ob eine pädosexuelle Orientierung<br />
Krankheitswert hat oder ob es sich, wie oben ausgeführt, um eine einstellungsgetragene<br />
Angelegenheit handelt:<br />
In der Forensik hat man es ja ständig mit Schuld zu tun. Es stellt sich ja immer <strong>die</strong> Fähigkeitsfrage.<br />
Und in dem Moment, wo sie es mit einer Diagnose zu tun haben, kommt ja sofort<br />
der Krankheitsstatus ins Spiel <strong>und</strong> das heisst natürlich auch, dass man sich da alles<br />
erlauben kann. Das ist das Problem. Nach den gesellschaftlichen Normen sind sie dann<br />
exkulpiert. Das hindert auch das Problembewusstsein. Wenn sie den Gewohnheitspädophilen<br />
zum Kranken erklären, dann können sie ihn auch nicht verurteilen. (…)<br />
Diagnosen gibt es ja jede Menge, wir müssen da unterscheiden zwischen den forensisch<br />
relevanten Diagnosen. Pädophilie kann ich ja unter dem ICD-10 finden mit den ganzen Untergruppen.<br />
Den Status, den man mit einer Diagnose bekommt, ist von der Schuldfrage<br />
noch weit entfernt.<br />
In der Praxis wird das sehr doppelbödig diskutiert. Auf der einen Seite heisst es, <strong>die</strong> sind<br />
krank, <strong>die</strong> müssen in den Knast <strong>und</strong> zwar für immer <strong>und</strong> Schlüssel wegschmeissen <strong>und</strong> so<br />
<strong>und</strong> auf der anderen Seite ist das eben ein Widerspruch. Denn wenn einer krank ist, gehört<br />
er nicht in den Knast. (…)<br />
Ich meine auch, dass <strong>die</strong> Jurisprudenz das auch so sieht (dass zum Beispiel Homosexualität<br />
eine Einstellungsfrage ist). Und folgerichtig wurde das aus dem Strafgesetzbuch<br />
rausgenommen, solange es eben nicht auf Kosten anderer geht. Bei der Pädophilie ist das<br />
eben ausserordentlich problematisch <strong>und</strong> deshalb ist es auch verboten. Richtig ist, dass