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Der Pädosexuelle und die Strafverfolgung - SCIP - Universität Bern

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<strong>Der</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong><br />

Stimmen der Beteiligten am <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess<br />

Diplomarbeit im Rahmen des Nachdiplomstudiums „Kriminologie Weiterbildung“<br />

Eingereicht an der: Rechtswissenschaftlichen Fakultät<br />

<strong>Universität</strong> <strong>Bern</strong><br />

Betreuung durch: Prof. Dr. K.-L. Kunz<br />

Eingereicht von: lic. phil. I Chantal Billaud<br />

Benteliweg 1<br />

3018 <strong>Bern</strong><br />

<strong>Bern</strong>, den 6. Oktober 2004


Inhaltsverzeichnis<br />

2<br />

1. Einleitung.......................................................................................................... 5<br />

2. Das Phänomen der Kinderpornografie ........................................................................ 8<br />

2.1. Inhalt der kinderpornografischen Darstellungen ....................................................... 8<br />

2.2. Herstellung, Tausch, Verbreitung .......................................................................11<br />

2.2.1. Gruppierungen auf dem Internet...................................................................11<br />

2.2.2. Weitere Austauschmöglichkeiten ..................................................................12<br />

2.2.3. Ausmass ................................................................................................12<br />

3. Das Phänomen der Pädosexualität ...........................................................................14<br />

3.1. Begrifflichkeit <strong>und</strong> Ausprägungsformen ................................................................14<br />

Exkurs I: „Das Motto ist immer Macht, nicht Erotik“ ......................................................17<br />

3.2. Verbreitung .................................................................................................19<br />

4. Pädosexualität <strong>und</strong> Kinderpornografie ......................................................................22<br />

5. Methodische Überlegungen ....................................................................................26<br />

6. Stimmen der Beteiligten nach Funktion im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess ...................................28<br />

6.1. Unterschiedliche Begegnungen mit unterschiedlichen <strong>Pädosexuelle</strong>n ............................28<br />

6.2. <strong>Der</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> in der Gesetzgebung.................................................................41<br />

6.3. <strong>Der</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> in der polizeilichen Ermittlung ....................................................45<br />

6.4. <strong>Der</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> in der Rechtssprechung .............................................................50<br />

6.5. <strong>Der</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> in der forensischen Begutachtung.................................................54<br />

6.6. <strong>Der</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> in der therapeutischen Behandlung ...............................................57<br />

Exkurs II: <strong>Der</strong> Suchtaspekt...................................................................................62<br />

6.7. <strong>Der</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> in seiner Selbstdarstellung .........................................................66<br />

6.7.1. Von Pädophilen <strong>und</strong> Pädokriminellen..............................................................66<br />

6.7.2. Pädophile zu ausgewählten Themen des <strong>Strafverfolgung</strong>sprozesses .........................68<br />

7. Erkenntnisse .....................................................................................................75<br />

7.1. Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen zu Kindern (sexuell) hingezogen fühlen ..........75<br />

7.2. Die polizeiliche Ermittlung steckt noch in den Kinderschuhen .....................................75<br />

7.3. Besser auf <strong>die</strong> Begutachtung achten!...................................................................76<br />

7.4. Spricht <strong>die</strong> Rechtssprechung Recht? ....................................................................76<br />

7.5. Und dennoch ein Plädoyer für <strong>die</strong> Therapie ...........................................................77<br />

8. Empfehlungen ...................................................................................................79<br />

8.1. Offen reden <strong>und</strong> frei forschen ...........................................................................79<br />

8.2. Bestehendes Know-how in der Ermittlungsarbeit teilen.............................................79<br />

8.3. EntscheidungsträgerInnen sensibilisieren ..............................................................80<br />

8.4. Begutachtung <strong>und</strong> Therapie stärken <strong>und</strong> spezialisieren .............................................80<br />

8.5. Seriöse Therapieangebote für (potentielle) Täter....................................................81


3<br />

8.6. Akteure an einen Tisch bringen..........................................................................81<br />

8.7. Übersicht erlangen <strong>und</strong> Kräfte konzentrieren.........................................................82<br />

Literatur ..........................................................................................................83<br />

Anhang I; „Leitfaden“ <strong>und</strong> ExpertInneninterviews .........................................................85<br />

1. Interview mit Dr. med. Thomas Knecht................................................................86<br />

2. Interview mit Dr. rer. nat., Dipl.- Psych. Dietrich Pülschen........................................92<br />

3. Interview mit Dr. Phil., Psychologe FSP Hans-Werner Reinfried ...................................99<br />

4. Interview mit der Gruppe Kinderschutz der Stadtpolizei Zürich................................. 112<br />

5. Interview mit Repräsentantinnen der Kantonspolizei <strong>Bern</strong> ....................................... 119<br />

6. Interview mit lic. jur. Philipp Kronig, Leiter KOBIK................................................ 123<br />

Anhang II; Textbeispiele aus offenen Newsgroups ....................................................... 125<br />

Anhang III; Beispiel einer geschlossenen Gruppierung................................................... 128


Danksagung<br />

4<br />

Ohne <strong>die</strong> Unterstützung <strong>und</strong> Zustimmung meines Arbeitsgebers, dem B<strong>und</strong>esamt für Polizei,<br />

hätte ich mein Nachdiplomstudium <strong>und</strong> <strong>die</strong>se Arbeit gar nicht in Angriff nehmen können.<br />

Ich bin sicher, dass Erfahrungen <strong>und</strong> Einsichten aus <strong>die</strong>ser Arbeit in meine alltägliche Arbeit<br />

einfliessen werden. In <strong>die</strong>sem Sinne können hoffentlich beide von <strong>die</strong>ser Investition profitieren.<br />

Ein ganz spezielles Dankeschön an meinen direkten Vorgesetzten, Erich Leimlehner, der<br />

mir stets mit Rat <strong>und</strong> Tat zur Seite stand.<br />

Meine Interviewpartner <strong>und</strong> -partnerinnen lieferten mindestens <strong>die</strong> Hälfte aller Inhalte. Sie<br />

haben sich kostbare Zeit genommen <strong>und</strong> mir einen Teil ihres Fachwissens vermittelt. Ich hoffe<br />

sehr, dass sie sich in der Arbeit wieder finden. Für alle Interpretationen <strong>und</strong> Einbettungen<br />

übernehme ich selbstverständlich <strong>die</strong> Verantwortung.<br />

Alle beschäftigen sich in ihrer alltäglichen Arbeit mit Problemen, <strong>die</strong> nicht einfach zu ertragen<br />

sind. Sie widmen sich direkt oder indirekt mit viel Engagement dem Schutz der Schwächeren<br />

in unserer Gesellschaft. Sie haben sich ihre Herzlichkeit bewahrt <strong>und</strong> den differenzierten<br />

Blick nicht verloren. Deshalb einen ganz herzlichen Dank an Thomas Knecht, Dietrich Pülschen,<br />

Hans-Werner Reinfried, Rolf Nägeli <strong>und</strong> seine MitarbeiterInnen, Irène Pellet, Ursula<br />

Hirschi <strong>und</strong> Philipp Kronig. Hoffentlich kreuzen sich unsere Wege in Zukunft noch<br />

häufig!<br />

Eva Bollmann vom B<strong>und</strong>esamt für Polizei war <strong>und</strong> ist mir eine wertvolle Arbeitskollegin, <strong>die</strong><br />

mit ihrem Fachwissen im Bereich der Internetkriminalität wertvolle Inputs geliefert hat <strong>und</strong><br />

stets für Fragen Zeit fand. Ich hoffe, ich kann mich bald revanchieren.<br />

Prof. Karl-Ludwig Kunz hat mir als Betreuer <strong>die</strong>ser Arbeit viel Freiraum gelassen <strong>und</strong> hat<br />

sehr flexibel auf einige Änderungsvorschläge meinerseits reagiert. Ich hoffe, er bereut es<br />

nicht.<br />

Meine Familie freut sich sehr, wenn Mama abends nicht mehr für <strong>die</strong> Schule lernen muss.<br />

Ihnen ein riesengrosses Dankeschön für ihre Geduld <strong>und</strong> ihre alltägliche Unterstützung!


1. Einleitung<br />

5<br />

Das Thema der Pädosexualität ist ein Modethema. Zwar sind <strong>die</strong> öffentliche Berichterstattung<br />

<strong>und</strong> der Alltagsdialog stärker ausgeprägt als <strong>die</strong> f<strong>und</strong>ierte, wissenschaftliche Auseinandersetzung,<br />

dennoch ist bereits Wissen vorhanden. Welchen Beitrag kann <strong>die</strong>se Arbeit zur<br />

Thematik leisten?<br />

Zum einen will <strong>die</strong>se Arbeit inhaltlich einen Fokus auf Kinderpornografie legen, den <strong>Pädosexuelle</strong>n<br />

in seinem voyeuristischen Tun thematisieren. Zum anderen sollen in den folgenden<br />

Ausführungen Repräsentanten verschiedener Funktionen in der <strong>Strafverfolgung</strong> r<strong>und</strong> um das<br />

Thema Pädosexualität <strong>und</strong> Kinderpornografie zu Wort kommen.<br />

Ein <strong>Pädosexuelle</strong>r kann ein straffreies Leben führen, sei <strong>die</strong>s, weil seine strafrechtlich relevanten<br />

Tätigkeiten nicht entdeckt werden, sei <strong>die</strong>s, weil er gar nicht kriminell auffällig wird,<br />

seine Orientierung oder seine Phantasien gar nicht auslebt oder <strong>die</strong> Handlungen mit Kindern<br />

nicht in den strafrechtlich relevanten Bereich fallen.<br />

Gewisse <strong>Pädosexuelle</strong> werden jedoch von der <strong>Strafverfolgung</strong> erfasst, gerade auch über ihre<br />

voyeuristischen Aktivitäten, wenn sie sich Kinderpornografie beschaffen, <strong>die</strong>se herstellen,<br />

verbreiten oder einfach besitzen <strong>und</strong> sammeln.<br />

Verschiedene Akteure sind am Prozess der <strong>Strafverfolgung</strong> 1 beteiligt. Chronologisch steht an<br />

erster Stelle der Gesetzgeber, der versucht, mit entsprechenden Gesetzen dem <strong>Pädosexuelle</strong>n<br />

gesetzliche Schranken zu weisen. Implizit oder explizit sind Vorstellungen zu Motiven,<br />

Vorgehensweisen <strong>und</strong> Reaktionen auf <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong> vorhanden. Man stellt gewisse Tätigkeiten<br />

unter Strafe, andere nicht, definiert einen Strafrahmen, macht Überlegungen zur<br />

möglichen <strong>Strafverfolgung</strong> <strong>und</strong> zum Nutzen eines Strafgesetzartikels.<br />

Die Ermittlungsbehörden, in <strong>die</strong>sem Deliktsbereich <strong>die</strong> Kantons- <strong>und</strong> B<strong>und</strong>espolizeien, sind<br />

verantwortlich für <strong>die</strong> Ermittlung gegen Gesetzesbrecher. Dazu müssen sie eine Vorstellung<br />

davon haben, wie <strong>Pädosexuelle</strong> vorgehen, wie sie „geschnappt“ werden können, welche Motive<br />

sie treiben <strong>und</strong> wo sie unvorsichtig werden. Auch müssen sie in der <strong>Strafverfolgung</strong> Prioritäten<br />

setzen, sie müssen <strong>die</strong> Gefährlicheren von den Ungefährlicheren unterscheiden können.<br />

Wird ein <strong>Pädosexuelle</strong>r gefasst, weil er Kinderpornografie besitzt, verbreitet oder herstellt,<br />

oder weil er sich des Kindsmissbrauchs schuldig macht, kommt es zu einem Gerichtsverfahren.<br />

<strong>Der</strong> Richter oder <strong>die</strong> Richterin spricht ein Urteil. Die Urteile sind je nach Schwere des<br />

Deliktes, je nach Kanton, je nach Vorgeschichte der Täter anders. Was wird dabei berücksichtigt?<br />

Einige der verurteilten <strong>Pädosexuelle</strong>n werden forensisch begutachtet. Was wird berücksichtigt<br />

bei der Begutachtung? Welche Behandlungen werden empfohlen, aufgr<strong>und</strong> welcher<br />

Überlegungen wird das Rückfallrisiko eingeschätzt?<br />

<strong>Der</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> wird je nach gutachterlichem respektive richterlichem Entscheid behandelt.<br />

Nach psychiatrischen oder psychologischen Gr<strong>und</strong>sätzen sind Vorstellungen davon<br />

vorhanden, welche Behandlungsmethoden möglich <strong>und</strong> wirksam sind, was das Ziel der Behandlung<br />

sein soll <strong>und</strong> welche Chancen der Behandlung eingeräumt werden sollen oder<br />

können.<br />

<strong>Pädosexuelle</strong> oder, wie sie sich teilweise selbst lieber nennen, Pädophile haben schlussendlich<br />

auch eigene Vorstellungen von ihrer Orientierung, von ihrem Verhältnis zu Pornografie,<br />

von der <strong>Strafverfolgung</strong>, <strong>die</strong> ihnen das Leben schwer macht <strong>und</strong> von ihren Vorlieben <strong>und</strong> ihren<br />

Wünschen nach Lebensgestaltung mit Kindern.<br />

1 <strong>Der</strong> Begriff der <strong>Strafverfolgung</strong> wird hier, wohl juristisch nicht korrekt oder zumindest unüblich, sehr breit verstanden.<br />

Wir verstehen darunter <strong>die</strong> Prozesse <strong>und</strong> Mechanismen, <strong>die</strong> dazu <strong>die</strong>nen, <strong>die</strong> „Strafe zu verfolgen“. Das<br />

heisst in <strong>die</strong>sem breit gefassten Verständnis <strong>die</strong> Gesetze zu definieren, den Bruch der Gesetze zu ermitteln, das<br />

Brechen der Gesetze zu verurteilen, <strong>die</strong> Verurteilten gemäss ihrer Schuld zu begutachten <strong>und</strong> therapeutisch im<br />

Hinblick darauf zu behandeln, dass sie <strong>die</strong> Gesetze im bestmöglichen Fall nicht wieder brechen.


6<br />

Zu (fast) jedem <strong>die</strong>ser Momente im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess habe ich eine Stimme gesucht,<br />

<strong>die</strong> punktuell <strong>und</strong> individuell Auskunft gibt zu den einzelnen Funktionen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Träger innehaben,<br />

zu den Schwierigkeiten, <strong>die</strong> sie antreffen <strong>und</strong> zu den Glaubens- <strong>und</strong> Wissenssystemen,<br />

<strong>die</strong> sie mit sich tragen <strong>und</strong> <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Entscheidungsprozesse einfliessen. Die gesammelten<br />

Aussagen, <strong>die</strong> aus offenen Interviews, aus der Literatur oder aus dem Internet zusammengetragen<br />

wurden, haben keinerlei Anspruch auf Repräsentativität. Andere VertreterInnen<br />

in den entsprechenden Funktionen hätten wahrscheinlich andere Akzente gesetzt,<br />

andere Meinungen geäussert oder andere Schlussfolgerungen gezogen. Weder <strong>die</strong> Jurisprudenz,<br />

noch <strong>die</strong> Medizin oder <strong>die</strong> Psychologie sind exakte Wissenschaften.<br />

Zudem sind <strong>Pädosexuelle</strong> keine homogene Bevölkerungsgruppe. Gemeinsam ist ihnen einzig<br />

der rechtlich <strong>und</strong> gesellschaftlich geächtete Umgang mit Kindern. Die befragten FunktionsträgerInnen<br />

im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht –<br />

über <strong>die</strong> individuelle Begegnung <strong>und</strong> über ihre beruflich definierte Art des Umgangs - mit<br />

einzelnen <strong>Pädosexuelle</strong>n. Daraus <strong>und</strong> aus ihrer Fachliteratur beziehen sie ihre Vorstellungen,<br />

welcher Art von Umgang der angemessenste ist. Die Erfahrungen können ganz unterschiedlich<br />

sein.<br />

Dennoch bin ich der Überzeugung, dass es sich lohnt, einen Überblick <strong>und</strong> einen mehr oder<br />

weniger willkürlichen Einblick zu erstellen. Die einzelnen Beteiligten im Umgang mit <strong>Pädosexuelle</strong>n<br />

haben konkret kaum miteinander zu tun <strong>und</strong> haben dennoch gemeinsam einen Einfluss<br />

auf den umfassenden Umgang mit dem <strong>Pädosexuelle</strong>n <strong>und</strong> auf <strong>die</strong> gesellschaftlichen<br />

Vorstellungen von ihnen als Tätergruppierung.<br />

Im besten Fall entsteht bei der Leserin / beim Leser <strong>die</strong> Vorstellung, dass ein Zusammenrücken<br />

der verschiedenen Funktionen im Umgang mit <strong>die</strong>ser Delinquentengruppe sinnvoll<br />

wäre um <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong> zu verbessern, Rückfälle weniger wahrscheinlich zu machen<br />

<strong>und</strong> somit <strong>die</strong> Kinder vor Übergriffen zu schützen. Im erwarteten Fall entsteht ein kaleidoskopartiges<br />

Bild der Komplexität der Täterschaft, der Delikte <strong>und</strong> des möglichen Umgangs<br />

damit in der <strong>Strafverfolgung</strong>.<br />

<strong>Der</strong> aufmerksamen Leserin / dem aufmerksamen Leser ist nicht entgangen, dass ein wichtiges<br />

Element in <strong>die</strong>ser Arbeit nicht angesprochen wird: <strong>die</strong> Opferseite. Verschiedene Gründe<br />

haben mich bewogen, <strong>die</strong> Opfer auszublenden. Einerseits, weil <strong>die</strong> Darstellung der Opferseite<br />

eine Arbeit für sich darstellen würde <strong>und</strong> deren Bearbeitung nur rudimentär angegangen<br />

werden könnte, was zynisch wäre angesichts der Schwere der Bürde, <strong>die</strong> sie tragen müssen.<br />

Andererseits ist <strong>die</strong> Thematik vor allem von Opferschutzorganisationen breit behandelt worden.<br />

Auch wenn in der öffentlichen Meinung, gerade in der aktuellen politischen Landschaft,<br />

Stimmen laut wurden, dass <strong>die</strong> Opferseite im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess zu wenig zur Kenntnis<br />

genommen werde, sieht es beim Wissensstand zu Täter- <strong>und</strong> Opferseite anders aus. Es<br />

herrscht in den Fachgebieten <strong>und</strong> über <strong>die</strong> politischen Einheiten hinaus mehr oder weniger<br />

Konsens darüber, dass sexuelle Übergriffe an Kindern meist mehr oder weniger gravierende<br />

Schäden beim Opfer hervorrufen, <strong>die</strong> detailliert beschrieben sind. <strong>Der</strong> Umgang mit Opfern in<br />

der <strong>Strafverfolgung</strong> wurde in den letzten Jahren reflektiert <strong>und</strong> Verbesserungen sind offensichtlich.<br />

Die Täterseite hingegen ist schwach durchleuchtet. Pauschale Annahmen, gerade auch was<br />

Kinderpornografen betrifft, kursieren. Eine differenzierte Auseinandersetzung ist eher <strong>die</strong><br />

Ausnahme als <strong>die</strong> Regel. Eine professionelle Prävention <strong>und</strong> <strong>Strafverfolgung</strong> kommt aber<br />

nicht darum herum, Überlegungen anzustellen <strong>und</strong> sich Wissen darüber anzueignen, was<br />

<strong>die</strong>se Menschen dazu bringt, das zu tun, was sie tun, wie sie es tun <strong>und</strong> wie sie davon abgehalten<br />

werden können, es zu tun. Vielleicht kann <strong>die</strong>se Arbeit einen kleinen Beitrag dazu<br />

leisten.<br />

Formal sind <strong>die</strong> folgenden Ausführungen so aufgebaut, dass je nach Stelle im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess<br />

Zitate ausgewählter Interviewpartner zusammengetragen werden, <strong>die</strong> spezifische<br />

Aufgaben, Vorstellungen <strong>und</strong> Schwierigkeiten exemplarisch beleuchten, aber auch an-


7<br />

dere Akteure zu den entsprechenden Aufgaben zu Wort kommen. So entsteht eine Art Matrixaufbau,<br />

der sich folgendermassen darstellen lässt 2 :<br />

Aufgabe<br />

Funktion<br />

Jurist<br />

Polizistin / Polizist<br />

Richterin / Richter<br />

Forensische Begutachtung <br />

Forensischtherapeutische<br />

Psychiatrie /<br />

Psychologie<br />

„<strong>Pädosexuelle</strong>r“<br />

Gesetzgebung<br />

<strong>Strafverfolgung</strong> <br />

Rechtssprechung<br />

Begutacht-ung<br />

Therapeutische<br />

Behandlung<br />

„<strong>Pädosexuelle</strong>s<br />

Delikt“<br />

Bevor wir aber auf <strong>die</strong> einzelnen Aufgaben <strong>und</strong> Funktionen in Bezug auf Pädosexualität in<br />

der <strong>Strafverfolgung</strong> eingehen, vorausgehend einige Ausführungen vor allem aus der Literatur<br />

zum Phänomen der Kinderpornografie <strong>und</strong> der Pädosexualität. Ziel dabei ist, das vorhanden<br />

Wissen dazu in einem repräsentativen Sinn quasi als Interpretationsgr<strong>und</strong>lage für <strong>die</strong> nachfolgenden,<br />

individuellen Aussagen bereit zu stellen.<br />

2<br />

Zu den grau markierten Feldern sind Aussagen gemacht worden. Leider konnten mit den gemachten Gesprächen<br />

nicht alle Felder gefüllt werden.


2. Das Phänomen der Kinderpornografie<br />

8<br />

Kinderpornografie ist heutzutage ein oft benutzter Begriff in den Me<strong>die</strong>n. Mehr Polizeiaktionen<br />

<strong>und</strong> ein verstärktes Bewusstsein zur Thematik des Kinderschutzes haben zu einer vermehrten<br />

Berichterstattung zum Thema Kinderpornografie <strong>und</strong> Pädosexualität geführt. Wie<br />

immer bei Themen, <strong>die</strong> Verbrechen <strong>und</strong> Sexualität zum Inhalt haben <strong>und</strong> gar noch Kinder<br />

miteinbeziehen, ist <strong>die</strong> Aufmerksamkeit garantiert. So ist es schwierig, sauber zu entschlüsseln,<br />

inwiefern das Phänomen zum einen neu (<strong>und</strong> nicht einfach alter Wein im neuen Internetschlauch)<br />

<strong>und</strong> zum anderen so verbreitet ist, wie es gemäss den Pressemeldungen auf<br />

den ersten Blick scheint.<br />

Zudem ist für <strong>die</strong> meisten Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger der Begriff Kinderpornografie abstrakt.<br />

Natürlich ist allen bewusst, dass dabei Kinder in pornografische Aktivitäten miteinbezogen<br />

werden <strong>und</strong> intuitiv wird fast Jede <strong>und</strong> Jeder den unmittelbaren Eindruck nicht los, dass Pornografie<br />

in Zusammenhang mit Kindern unnatürlich, verwerflich, abstossend <strong>und</strong> grausam<br />

sei. Warum haben wir <strong>die</strong>sen ersten Eindruck? Hat es mit unseren Vorstellungen von kindlicher<br />

Sexualität zu tun, mit dem Begriff der Pornografie, ausschliesslich mit der Kombination?<br />

So abwegig <strong>die</strong> Frage auf den ersten Blick anmutet, so wichtig ist sie dennoch, wenn wir das<br />

Phänomen verstehen <strong>und</strong> es in allgemein-gesellschaftliche Prozesse einordnen wollen.<br />

Im Folgenden soll beschrieben werden, worum es sich bei Kinderpornografie im Konkreten<br />

handelt, mit welchem Ausmass wir es zu tun haben <strong>und</strong> inwiefern der alte Wein in den neuen<br />

Schläuchen auch zu einem neuen Wein geworden ist.<br />

Wir haben polizeiliche Informationen 3 <strong>und</strong> Wissen aus der Fachliteratur zur Verfügung, um<br />

uns ein klareres Bild zu den aktuell gehandelten Materialien auf dem Kinderpornografie-<br />

Markt zu machen.<br />

Ein kurzer Blick in <strong>die</strong> Vergangenheit macht klar, dass <strong>die</strong> Darstellung von sexuellen Aktivitäten<br />

zwischen Erwachsenen <strong>und</strong> Kindern keine Seltenheit war; <strong>die</strong> allseits bekannte griechische<br />

Knabenliebe 4 wird auch oft <strong>und</strong> gerne von Pädophilenvereinigungen (siehe Kap. 6.7.)<br />

herangezogen, um <strong>die</strong> kulturelle Verankerung der Pädophilie respektiv Päderastie zu untermauern.<br />

Hier ist nicht der Ort, einen historischen Abriss zur Pädophilie zu versuchen. Es ist<br />

durchaus möglich, dass einige Formen der Darstellung von Sex mit Kindern an Traditionen<br />

anknüpfen. In der Regel wird das aktuell gehandelte Material aber wenig bis nichts mit gesellschaftlich<br />

verankerten Formen der Pädophilie zu tun haben, wie folgende Ausführungen<br />

verdeutlichen sollen.<br />

2.1. Inhalt der kinderpornografischen Darstellungen<br />

Das Material wird in Form von Filmen, Bildern in Magazinen <strong>und</strong> Seiten im Internet, Videos,<br />

Texten <strong>und</strong> auch Comics angeboten. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass Serien von Bildern<br />

hergestellt <strong>und</strong> gesammelt werden. Die Serien können thematisch oder über <strong>die</strong> Kinder<br />

selbst definiert werden. Eine grosse Polizeiaktion in Schweden im Jahr 2003 hat <strong>die</strong> HerstellerInnen<br />

5 einer ganz speziellen Serie verhaften können, <strong>die</strong> den Missbrauch ihrer eigenen<br />

Tochter <strong>und</strong> einiger ihrer Schulkameradinnen über Jahre gefilmt <strong>und</strong> fotografiert hatten. Diese<br />

Serie war in Pädophilenkreisen äusserst beliebt <strong>und</strong> eine möglichst komplette Sammlung<br />

der Mädchenbilder stellte eine Herausforderung dar 6 .<br />

Systematische Analysen kinderpornografischer Materialien sind kaum vorhanden. Niederländische<br />

ForscherInnen des Institutes for Psychological Therapies (IPT) 7 untersuchten bereits<br />

im Jahr 1992 kinderpornografisches Material. Vorausgeschickt werden muss, dass sich<br />

3<br />

Mit „wir“ ist hier meine Person in der Funktion als Analytikerin beim B<strong>und</strong>esamt für Polizei gemeint.<br />

4<br />

Wenn auch klar der Oberschicht vorenthalten, klaren Regeln unterworfen <strong>und</strong> in der Regel mit Knaben in oder<br />

kurz vor oder nach der Pubertät.<br />

5<br />

Es handelte sich um ein Ehepaar. Ansonsten wird im Folgenden <strong>die</strong> pädosexuelle Person in der männlichen<br />

Form beschrieben, weil <strong>die</strong> Frauen <strong>die</strong>ses Personentypus deutlich untervertreten sind.<br />

6<br />

Das haben polizeiliche Analysen von Aussagen <strong>Pädosexuelle</strong>r in Chatrooms belegen können.<br />

7 http://www.ipt-forensics.com/


9<br />

<strong>die</strong> Analyse auf Darstellungen in Magazinen beschränkte, welche vor über 10 Jahren noch<br />

<strong>die</strong> übliche Form der Verbreitung darstellten.<br />

Die Resultate der Stu<strong>die</strong> lassen sich folgendermassen zusammenfassen: Von den etwa<br />

10.000 Darstellungen beinhalteten 0,9 Prozent bizarre Darstellungen, 10,7 Prozent Darstellungen<br />

von Geschlechtsverkehr, 6,8 Prozent Darstellungen mit Oralverkehr sowie 20,5 Darstellungen<br />

mit Körperkontakt. <strong>Der</strong> überwiegende Teil der Darstellungen bildete bekleidete,<br />

nackte <strong>und</strong> posierende Kinder ab. Eine Auswertung des Gesichtsausdrucks der beteiligten<br />

Kinder ergab, dass etwa ein Prozent eine negative Reaktion auf <strong>die</strong> Aufnahmen zeigten,<br />

während bei 18 Prozent unzweideutig Lachen <strong>und</strong> Freude festgestellt wurde. Auf den restlichen<br />

Darstellungen konnte der Gesichtsausdruck nicht mit Sicherheit interpretiert werden 8 .<br />

Vielversprechender sind <strong>die</strong> Ansätze von COPINE 9 (Combating Paedophile Information Networks<br />

in Europe). Das COPINE-Projekt existiert seit 1997 am Department of Applied Psychology,<br />

University College Cork in Irland. Die sehr engagierten Psychologen <strong>und</strong> Psychologinnen<br />

haben unter anderem auch kinderpornografisches Material ausgewertet, das sie aus<br />

Polizeikreisen zwecks Analyse erhalten oder selbst aus dem Internet heruntergeladen haben.<br />

Nach Tylor (2002) können vier grobe Kategorien unterschieden werden:<br />

- Erotika: darunter fallen Darstellungen von Kindern, <strong>die</strong> weder nackt, noch bei sexuellen<br />

Handlungen abgebildet werden. Oft sind <strong>die</strong> Kinder beim Baden oder bei sonstigen Freizeitaktivitäten<br />

zu sehen. Kinder-Erotika finden sich auch auf Pädophilen-Homepages. Diese<br />

Darstellungen sind nicht strafbar, deuten aber auf pädophile Tendenzen hin, wenn sie in<br />

nicht nachvollziehbarer Art gesammelt werden (unbekannte Kinder, kein Kontext o.ä.).<br />

- Nacktaufnahmen von Kindern: Darstellungen von Kindern an FKK-Orten (teilweise ungefragt<br />

abgelichtet <strong>und</strong> von schlechter Qualität) werden gesammelt <strong>und</strong> angeboten. Diese Aufnahmen<br />

sind in der Regel nach den Gesetzgebungen in Europa legal. Die Sammlung solcher<br />

Darstellungen ohne Kontext weist wiederum auf pädophile Interessen hin. Es gibt Internet-Seiten,<br />

<strong>die</strong> vorwiegend solches Material anbieten.<br />

- Posierende, nackte Kinder: Diese Darstellungen werden mit legalen Softporno-<br />

Darstellungen verglichen. Es handelt sich um nackte Kinder, vor allem Mädchen, <strong>die</strong> in eindeutig<br />

sexualisierten Haltungen posieren. Die sexuelle Handlung ist aber eher implizit angedeutet.<br />

Die Bilder sind meist professionell gemacht <strong>und</strong> in künstlichen Kontexten aufgenommen.<br />

Die Kinder sind herausgeputzt <strong>und</strong> hübsch. Nicht alle Gesetzgebungen verbieten <strong>die</strong>se<br />

Art von Posing-Bildern, auch wenn sie ausschliesslich <strong>und</strong> klar in sexuellen Kontexten angeboten<br />

werden, oft auch in Kombination mit eindeutig pornografischen Darstellungen. Wiederum<br />

ist Japan ein führendes Land in der Produktion <strong>und</strong> beim Anbieten solcher Bilder. Sammler<br />

<strong>die</strong>ser Darstellungen sind eindeutig sexuell an Kindern interessiert. Es wird angenommen,<br />

dass <strong>die</strong>se Bilder in Zusammenhang mit so genannten „Grooming“-Prozessen gesehen werden<br />

können. Das heisst, dass Pädophile in ihrer Annäherung an Kinder solche Bilder einsetzen,<br />

sei <strong>die</strong>s, um sie für Modellaufnahmen zu ködern oder um ihnen zu zeigen, wie harmlos<br />

<strong>die</strong>se Darstellungen sind, da andere ja auch solche Aufnahmen von sich machen lassen 10 .<br />

- Pornografie mit Kinder: Bei pornografischen Darstellungen sind <strong>die</strong> sexuellen Handlungen<br />

explizit. Die sexuellen Varianten sind so zahlreich wie bei der Erwachsenenpornogra-<br />

8 Die Resultate der Stu<strong>die</strong> in Bezug auf den Gesichtsausdruck wird von Autoren auf Websites von Pädophilenvereinigungen<br />

auch aufgegriffen <strong>und</strong> als Beweis dafür aufgeführt, dass <strong>die</strong> Kinder auf den kinderpornografischen<br />

Darstellungen Freude an den sexuellen Aktivitäten hätten. Fahrlässig wird von den Autoren der Stu<strong>die</strong> <strong>und</strong> von<br />

den Personen, <strong>die</strong> darauf verweisen, ausgeblendet, dass ein freudiger Gesichtsausdruck der Kinder nicht mit ihren<br />

inneren Gefühlslagen gleichgesetzt werden kann. Es ist aus Polizeikreisen bekannt, dass Kinder nach Phasen<br />

des Ekels <strong>und</strong> der Resignation in <strong>die</strong> Rolle kleiner „Pornostars“ hineinwachsen können. Zudem werden nicht selten<br />

Drogen eingesetzt. Nicht zuletzt müsste angegeben werden, bei welcher Art der Darstellungen <strong>die</strong> „freudigen“<br />

Gesichter vorhanden sind.<br />

9 http://www.copine.ie/publications.php<br />

10 Gerade ältere Mädchen sprechen immer noch auf <strong>die</strong> Fangmethode des angeblichen Modell-Fotografen an.


10<br />

fie 11 . Auch brutale <strong>und</strong> sadistische Formen der Pornografie <strong>und</strong> sexuelle Handlungen mit<br />

Kleinkindern <strong>und</strong> Säuglingen werden angeboten. Tonaufnahmen dazu werden häufiger, da<br />

auch <strong>die</strong> technischen Mittel leichter <strong>und</strong> billiger erhältlich sind. Die Tonaufnahmen machen<br />

meist <strong>die</strong> Qual <strong>und</strong> das Leiden der Kinder deutlich, sie werden demzufolge von sadistisch<br />

veranlagten <strong>Pädosexuelle</strong>n gesucht (vgl. Kapitel 3.1.) Nicht nur Handlungen zwischen Erwachsenen<br />

<strong>und</strong> Kindern, sondern auch zwischen Kindern unter sich (spontane, aber meist<br />

erzwungene) werden gefilmt <strong>und</strong> fotografiert. Von der Qualität her finden sich professionelle<br />

Darstellungen, aber auch oft Filme <strong>und</strong> Bilder in „Home-Video“-Art. In der europäischen<br />

Rechtsprechung ist solches Material eindeutig illegal.<br />

Von allen <strong>die</strong>sen Kategorien existieren auch technisch verfremdete oder rein fiktive Aufnahmen,<br />

sei <strong>die</strong>s in Form von Comics oder eher realistischen Darstellungen nachempf<strong>und</strong>ener<br />

Szenen. Je nach nationaler Gesetzgebung 12 sind auch <strong>die</strong> fiktiven Darstellungen verboten.<br />

Auch Textprodukte, meist in Form von erotischen oder pornografischen Kurzgeschichten,<br />

kursieren im Internet, in harmloseren Formen auch auf den Pädophilen-Internetseiten (vgl.<br />

Kap. 6.7.).<br />

Nach Auskunft des B<strong>und</strong>eskriminalamtes in Wiesbaden, das als eines der wenigen Länder in<br />

Europa über eine Opfer-Bilddatenbank verfügt, werden sadistische Bilder mit immer jüngeren<br />

Opfern beobachtet.<br />

Generell gilt, dass weder Mädchen noch Buben überrepräsentiert sind, beide Geschlechter<br />

haben ihre K<strong>und</strong>schaft, wobei man den homosexuellen Pädophilen (so genannte Boylovers)<br />

nachsagt, dass sie ältere Kinder (zwischen 10 <strong>und</strong> 15 Jahren), <strong>und</strong> den Mädchenliebhaber,<br />

wie sie sich nennen, dass sie jüngere Mädchen bevorzugen.<br />

Auch zur Nationalität der Opfer gibt es keine systematischen Untersuchungen. Aus den Ländern,<br />

<strong>die</strong> führend sind in der Produktion von Kinderpornografie (v.a. Ostländer, asiatische<br />

Ländern) finden sich viele Opfer. Dies hat mit der wirtschaftlichen Armut, den damit einhergehenden,<br />

leicht verfügbaren Strassenkindern <strong>die</strong>ser Länder zu tun <strong>und</strong> mit der mangelhaften<br />

oder mangelnden Rechtslage im Bereich der Kinderpornografie <strong>und</strong> im Kinderschutz allgemein.<br />

Gewisse Gruppierungen vor allem aus Ostländern haben zudem einen professionellen<br />

Markt vor allem im Bereich der (auch im Westen nicht strafrechtlich relevanten) Kindererotika<br />

geschaffen. Aber auch über <strong>die</strong> USA werden zahlreiche Kinderpornografie-Sites angeboten,<br />

was aber eher mit dem Server-Angebot in den USA zu tun hat. Die Produktion, also<br />

das Filmen von Missbrauchssituationen, wird kaum in den USA stattfinden, zumindest nicht<br />

im Bereich der professionellen Anbieter von Kinderpornografie.<br />

Die Kinder auf den professionellen Websites zu Kinderpornografie machen aber nur einen<br />

Teil der Opfer aus. Wie wir im folgenden Kapitel darstellen, stammt eine beträchtliche Menge<br />

an kinderpornografischem Material aus privater Produktion. Die Opfer <strong>die</strong>ser Darstellungen<br />

stammen meist aus dem sozialen Nahbereich der Täter. Die Täter stammen aus allen Ländern<br />

der ersten Welt, inklusive der Schweiz.<br />

Gerade weil <strong>die</strong> Beschreibung der Darstellungen sehr nüchtern ausfällt <strong>und</strong> in <strong>die</strong>sem Kontext<br />

keine Missbrauchsdarstellungen gezeigt werden dürfen <strong>und</strong> sollen, muss ich anfügen,<br />

dass das Beschreiben von Kinderpornografie nicht annährend vermitteln kann, was wirklich<br />

dargestellt wird. Ohne pathetisch wirken zu wollen, muss (auch im Gedanken an <strong>die</strong> Opfer)<br />

angefügt werden, dass das Elend <strong>und</strong> <strong>die</strong> Perversität von Kinderpornografie bei mir <strong>und</strong><br />

(meines Wissens) bei praktisch allen Personen, <strong>die</strong> in ihrer Arbeit mit solchen Darstellungen<br />

zu tun haben, einen bleibenden <strong>und</strong> schrecklichen Eindruck hinterlässt.<br />

11 Nach Aussagen aus Polizeikreisen macht der kinderpornografische Markt mit neuen „Moden oder Exklusivitäten“<br />

<strong>die</strong>selbe Entwicklung mit, wie im Bereich der Erwachsenenpornografie.<br />

12 Wie zum Beispiel in der Schweiz <strong>und</strong> in den meisten benachbarten Ländern.


11<br />

2.2. Herstellung, Tausch, Verbreitung<br />

Das Internet ist aktuell <strong>die</strong> grösste Plattform für kinderpornografisches Material 13 . Das hat<br />

zum einen technische Gründe (schnelle, billige Verbreitung), zum anderen suggeriert das Internet<br />

aber auch Anonymität 14 . Die früheren Postzustellungen oder der Kauf unter der Theke<br />

von Pornoshops waren <strong>und</strong> sind für <strong>Pädosexuelle</strong> mit mehr Risiko behaftet. Zudem ist der Internetzugang<br />

privat <strong>und</strong> jederzeit möglich <strong>und</strong> es besteht <strong>die</strong> Möglichkeit, <strong>die</strong> eigene Identität<br />

im indirekten Austausch zu verschleiern oder zu verändern.<br />

Das Anbieten von Kinderpornografie auf eigens dafür kreierten Websites (wie im Fall Genesis<br />

resp. Landslide) ist aber nur eine Möglichkeit, <strong>die</strong> zudem anzahlmässig abnimmt. Professionelle<br />

Hersteller beschränken sich zunehmend auf das Angebot von strafrechtlich nicht relevanter<br />

Kinder-Erotika, da <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong>sbehörden im Finden <strong>und</strong> Verfolgen solcher<br />

offener Angebote immer effizienter werden. Das Internet bietet den an Kinderpornografie Interessierten<br />

aber auch andere, sicherere Möglichkeiten, Material auszutauschen. Diese<br />

Formen sind dementsprechende häufiger anzutreffen.<br />

In Chatrooms oder Newsgroups treffen sich Menschen mit ähnlichen Interessen, in <strong>die</strong>sem<br />

Fall das (sexuelle) Interesse am Kind. Die Internet-Gemeinschaften spielen bei illegalen oder<br />

tabuisierten Interessen eine grosse Rolle. Die sonstige Ausgegrenztheit oder das Risiko,<br />

strafbar zu werden, kann umgangen werden. Zugleich ermöglichen es <strong>die</strong>se Gemeinschaften,<br />

Hemmungen abzubauen, Komplizenschaft herzustellen, sich unter Gleichgesinnten zu<br />

rechtfertigen, sich gegenseitig zu unterstützen, Tipps auszutauschen <strong>und</strong> – natürlich fast<br />

immer mit dabei – Bildmaterial auszutauschen. Zudem suchen <strong>Pädosexuelle</strong> teilweise über<br />

das Internet Kontakte zu Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen (siehe auch Kapitel 2.2.2.) Ein Einblick in<br />

Internet-Austausch-Gespräche machen alle <strong>die</strong>se Aspekte deutlich.<br />

2.2.1. Gruppierungen auf dem Internet<br />

Es existieren offene <strong>und</strong> geschlossene Gruppierungen auf dem Internet. Bei den offenen<br />

Gruppen (Newsgroups im engeren Sinne) werden kaum Bilder ausgetauscht, sondern es<br />

wird über das gemeinsame Thema diskutiert 15 . Ein kurzer Einblick in zum Beispiel google-<br />

Newsgroups (z.B. alt.sex.children-, alt.pädo- <strong>und</strong> ähnliche Gruppenbezeichnungen) machen<br />

erschreckend deutlich, wie offen Teilnehmende auf dem Internet über Sex mit Kindern kommunizieren.<br />

Sie fühlen sich dabei anscheinend auch sicher (Vergleiche Ausschnitte aus<br />

Newsgroups in Anhang II).<br />

Informationen zu geschlossenen Gruppierungen erhalten wir von Polizeikreisen aus erfolgreichen<br />

Polizeiaktionen. Es ist, wie auch Einblicke in offene Newsgroups belegen (Vgl. Beispiel<br />

6 in Anhang II), gut möglich, dass <strong>die</strong> offenen Gruppen dazu <strong>die</strong>nen, Interessenten für<br />

geschlossene Gruppen zu finden. Wie das Beispiel des Wonderland-Clubs 16 (vgl. Anhang III)<br />

deutlich macht, sind geschlossene Gruppen für Tauschzwecke konzipiert. Eintritt haben nur<br />

<strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> neue Bilder oder Filme anbieten, sich somit bereits zu Beginn zu Komplizen<br />

im illegalen Geschäft machen <strong>und</strong> so eine gewisse Garantie für <strong>die</strong> anderen anbieten, sie<br />

nicht zu verraten. Mitgehangen, mitgefangen. Newsgroups haben meist eine Art Chef, der<br />

über Eingangskontrollen verfügen <strong>und</strong> den Austausch steuern kann. Wie im Beispiel des<br />

Wonderland-Clubs, sind <strong>die</strong> Chefs <strong>die</strong>ser Gruppen auch <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> im Ausleben ihrer<br />

Phantasien am weitesten gehen. Wie bei anderen kriminellen Organisationen findet sich also<br />

auch bei <strong>die</strong>sen Gruppen <strong>die</strong> Idee, dass <strong>die</strong> Härtesten, Skrupellosesten <strong>und</strong> Verwegensten<br />

Chefpositionen einnehmen. Sie stellen <strong>die</strong> „echten“ Bilder her, sorgen nicht selten für<br />

„Frischfleisch“ <strong>und</strong> lassen sich selber beim Missbrauch der Kinder filmen <strong>und</strong> fotografieren.<br />

13 Fachleute sprechen von 90 Prozent aller Materialen, <strong>die</strong> bereits über das Internet verbreitet werden.<br />

14 Die Anonymität ist zwar auf dem Internet auch nicht zu h<strong>und</strong>ert Prozent garantiert, aber geeignetes Know How<br />

<strong>und</strong> dementsprechende Technik macht es für <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong>sbehörden sehr schwierig, <strong>die</strong> Identitäten herauszufinden.<br />

15 So genannte Postings werden abgelegt.<br />

16 <strong>Der</strong> Name ist ein direkter Verweis auf Alice im W<strong>und</strong>erland, deren Autor, unter dem Pseudonym Lewis Caroll,<br />

über eine enorme Nacktbilder-Sammlung von Kindern verfügte <strong>und</strong> in Pädophilenkreisen als einer ihrer Vorzeige-<br />

Pädophilen des Öfteren Erwähnung findet.


12<br />

Groebel (2001) erwähnt in seinem Aufsatz eine Stu<strong>die</strong>, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Sozialstruktur von Pädophilen-Gruppierungen<br />

17 auf dem Internet untersucht hat. Die Stu<strong>die</strong> kam zum Schluss, dass den<br />

Infrastruktur-Koordinatoren wichtige Funktionen zukommen. Sie agieren als Schutzschilder<br />

gegen unliebsame Besucher <strong>und</strong> sichern den reibungslosen Ablauf des Austausches, indem<br />

Sie FAQ (Frequently Asked Questions) zur Verfügung stellen, technische Hilfeleistungen anbieten<br />

<strong>und</strong> Tipps zur Einhaltung der Anonymität bereitstellen. Zudem sind sie für <strong>die</strong> neuen<br />

Besucher verantwortlich <strong>und</strong> sind im Besitz der privaten Email-Adressen, <strong>die</strong> Zweier-Tauschgeschäfte<br />

möglich machen. Mit allen <strong>die</strong>sen Funktionen <strong>und</strong> dem Wissen der Identitäten der<br />

Teilnehmer besitzen sie viel Macht über <strong>die</strong> Gruppe. Bei polizeilichen Ermittlungen sollte es<br />

immer auch Ziel sein, an <strong>die</strong>se Schlüsselfiguren heran zu kommen.<br />

Die Darstellungen, <strong>die</strong> bei Hausdurchsuchungen von Tauschpartnern gef<strong>und</strong>en wurden, zeigen<br />

oft keine professionellen Aufnahmen. Die Echtheit <strong>und</strong> <strong>die</strong> Authentizität der Darstellungen<br />

der Verbrechen finden gar grösseren Absatz als professionell hergestellte Pornos mit<br />

Kindern. Aufnahmen von Missbrauchssituationen in Kinderzimmern, elterlichen Schlafzimmern,<br />

generell in Privaträumen, laienhaft aufgenommen <strong>und</strong> nicht weiter verarbeitet, sind <strong>die</strong><br />

Regel.<br />

Wie Gallwitz (1998) dazu ausführt: „Auf <strong>die</strong>sem Feld ist nur der kleinere Teil aus offensichtlich<br />

professioneller Hand <strong>und</strong> aus gut eingerichteten Studios. Hier lässt sich auch laienhaft<br />

aufgenommenes Material in schlechter Qualität sehr gut an den K<strong>und</strong>en bringen. Ja, es<br />

befriedigt geradezu den Wunsch nach dem „Kind von nebenan“, dem Nichtprofi, der ersten<br />

heimlichen Kinderschändung an <strong>die</strong>sem Opfer. Die erste Aufnahme, <strong>die</strong> Unbeholfenheit, das<br />

Unvorbereitetsein des Kindes auf <strong>die</strong> Art der Übergriffe, können den Preis in der Szene steigern.“<br />

(S. 32)<br />

2.2.2. Weitere Austauschmöglichkeiten<br />

Auch in Chatrooms finden <strong>die</strong> KOBIK-Monitoring 18 -Angestellten <strong>und</strong> PolizistInnen regelmässig<br />

Personen, <strong>die</strong> mehr oder weniger offen nach Kinderpornografie, nach Kindern für Pornodarstellungen<br />

oder nach Kindern für sexuelle Aktivitäten suchen. Es ist wahrscheinlich, dass<br />

sich über Chatrooms auch Gleichgesinnte finden, <strong>die</strong> Tipps <strong>und</strong> Tricks austauschen <strong>und</strong> einander<br />

auf verdecktere Angebote aufmerksam machen.<br />

Spezielle File-Sharing-Programs (so genannte Peer-to-Peer-Netzwerke) stellen <strong>die</strong> Strafverfolger<br />

vor neue Herausforderungen. Über <strong>die</strong>se Software ist es Privaten möglich, ihre auf<br />

dem eigenen PC heruntergeladenen Dateien anderen zugänglich zu machen <strong>und</strong> so direkt<br />

zu tauschen. <strong>Pädosexuelle</strong> haben <strong>die</strong>se Software schon seit Längerem zum Austausch von<br />

illegalen Materialien entdeckt. Eine Analyse des United States General Accounting Office<br />

(2003) fand bei einer Stichprobe von über 1200 Files über 40 Prozent Kinderpornografie, <strong>die</strong><br />

über <strong>die</strong>se Software bei Privaten heruntergeladen wurde.<br />

Dass <strong>Pädosexuelle</strong> <strong>die</strong>se verdeckteren Austauschmöglichkeiten nutzen, ohne dass finanzielle<br />

Interessen vorliegen, ist möglich. Es gibt aber Hinweise darauf, dass auch bei <strong>die</strong>sen Austauschformen<br />

Kinderpornografie verkauft wird. Dazu werden auch Zahlungsinstitute, wie <strong>die</strong><br />

Western Union, als Zahlungsmöglichkeit genutzt, denn sie sind sicherer als <strong>die</strong> Kreditkartenfirmen,<br />

<strong>die</strong> üblicherweise von den professionellen Anbietern als Zahlungsmöglichkeit für ihre<br />

K<strong>und</strong>en genutzt werden.<br />

2.2.3. Ausmass<br />

Gesicherte Angaben zum Ausmass <strong>und</strong> zur Verbreitung von Kinderpornografie existieren<br />

nicht. Dass <strong>die</strong> Produktion <strong>und</strong> der Vertrieb von Kinderpornografie ein lukratives Geschäft ist,<br />

17 Von 40'000 Newsgroups waren 0.07% kinderpornografischen Inhalts.<br />

18 Die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (KOBIK) betreibt anlassunabhängige Recherchen<br />

im Internet zum Erkennen strafbarer Handlungen auf dem Internet (mit aktuellem Schwerpunkt Kinderpornografie)<br />

<strong>und</strong> bearbeitet Verdachtsmeldungen (selbst recherchierte oder Meldungen aus der Bevölkerung), um sie<br />

an <strong>die</strong> Kantone weiterzuleiten, <strong>die</strong> in der Regel <strong>die</strong> entsprechenden Verfahren eröffnet. Siehe auch www.kobik.ch.


13<br />

ist hingegen unbestritten. UNICEF-Schätzungen 19 gehen davon aus, dass jährlich weltweit<br />

zirka 20 Milliarden Dollar für Kinderpornografie <strong>und</strong> Kinderprostitution umgesetzt werden.<br />

Das B<strong>und</strong>eskriminalamt in Deutschland schätzt den jährlichen Umsatz für Kinderpornografie<br />

auf zirka 5 Milliarden Euro 20 . Die Basis solcher Schätzungen ist meist nicht genau nachvollziehbar.<br />

Im besten Fall gehen sie von Einzelfällen aus 21 <strong>und</strong> rechnen in Bezug auf <strong>die</strong> geschätzte<br />

Anzahl kinderpornografischer Websites hoch. Gemäss solcher Hochrechnungen ist<br />

es wahrscheinlich, dass sich der Umsatz in Milliardenhöhe bewegt. Welche Schätzungen<br />

aber auch immer beigezogen werden, <strong>die</strong> meisten europäischen Länder gehen davon aus,<br />

dass sich der Gewinn aus der Kinderpornografie mit anderen grossen illegalen Geschäften,<br />

wie Drogen- oder Menschenhandel vergleichen lässt 22 .<br />

Nun stellt sich <strong>die</strong> Frage, ob es sich denn wirklich vorwiegend um <strong>Pädosexuelle</strong> handelt, <strong>die</strong><br />

sich Kinderpornografie anschauen. Auch angesichts tiefer Schätzungen zur Verbreitung von<br />

Kinderpornografie ist es doch befremdlich anzunehmen, dass pädosexuelle Interessen derart<br />

verbreitet sind. Es gibt theoretisch viele Gründe, aus denen eine Person nach Kinderpornografie<br />

auf dem Internet Ausschau hält; Neugier, <strong>die</strong> Suche nach Verbotenem, allgemein perverse<br />

Neigungen, unter denen Kinderpornografie nur eine Möglichkeit darstellt, sexuelles Interesse<br />

an Kindern, sadistische Orientierungen, u.s.w. Die Meinungen darüber, ob <strong>die</strong> Mehrheit<br />

der Konsumenten am Kind als Sexualpartner interessiert ist, sind geteilt 23 . Es sind meines<br />

Wissens noch keine systematischen Untersuchungen zu <strong>die</strong>ser Thematik gemacht worden.<br />

Widmen wir uns erst den Untersuchungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Verbreitung von pädosexuellen Phantasien<br />

unter der Bevölkerung zum Gegenstand haben. Neben dem direkten Zugang über <strong>die</strong><br />

Täterseite, kann <strong>die</strong> Verbreitung von <strong>Pädosexuelle</strong>n auch über <strong>die</strong> Opferseite angegangen<br />

werden.<br />

19 Siehe unter www.unicef-suisse.ch.<br />

20 Vgl. www.bka.de<br />

21 <strong>Der</strong> US-Anbieter Landslide (Aktion Genesis) alleine hat monatlich bis zu 1,4 Millionen Dollar umgesetzt <strong>und</strong><br />

über einen K<strong>und</strong>enkreis von 250'000 Personen verfügt.<br />

22 Siehe z.B: http://www.ncis.co.uk/ukta/2003/threat09.asp<br />

23 Beim B<strong>und</strong>esamt für Polizei <strong>und</strong> in verschiedenen Kantonen, darunter auch in Basel unter der Leitung von Prof.<br />

V. Dittmann, versucht man anhand der Daten der Aktion Genesis herauszufinden, aus welchen Motiven Männer<br />

Kinderpornografie konsumieren. Die Resultate <strong>die</strong>ser Untersuchungen liegen noch nicht vor.


14<br />

3. Das Phänomen der Pädosexualität<br />

Bevor wir uns der Frage nach der Anzahl von <strong>Pädosexuelle</strong>n in der Bevölkerung widmen,<br />

müssen wir erst Klarheit darüber schaffen, was mit Pädosexualität eigentlich gemeint ist. Ist<br />

es so klar, wie man auf den ersten Blick meint? Ist Pädophilie einfach eine sexuelle Orientierung,<br />

wie beispielsweise Homosexualität? Werden <strong>die</strong> meisten oder alle sexuellen Übergriffe<br />

an Kindern von <strong>die</strong>sen Pädophilen ausgeführt? Gibt es auch im sexuellen Interesse an Kindern<br />

Varianten?<br />

Dem Kind werden im Allgemeinen vielerlei Eigenschaften zugeschrieben. Das Kind gilt als<br />

unschuldig, aber auch als frech <strong>und</strong> direkt. Das Kind ist leicht dominierbar, schwach <strong>und</strong><br />

wehrlos. Die Persönlichkeit des Kindes ist noch im Auf- <strong>und</strong> Ausbau. Das Kind verfügt über<br />

Sinnlichkeit, ihm wird aber eine Sexualität im Erwachsenen-Sinn abgesprochen. Das Kind ist<br />

naiv <strong>und</strong> gutgläubig, neugierig <strong>und</strong> auch fordernd. Das Kind ist käuflich, aber auch ehrlich.<br />

Das Kind ist verletzbar. Das Kind phantasiert, kann noch nicht zwischen Realität <strong>und</strong> Phantasie<br />

unterscheiden. Das Kind ist nicht bedrohlich <strong>und</strong> kumpelhaft.<br />

Alle <strong>die</strong>se dem Kind zugeschriebenen Eigenschaften (<strong>und</strong> noch viele mehr) spielen eine Rolle<br />

beim sexuellen Missbrauch an Kindern. Alle <strong>die</strong>se Facetten des Kindes werden auch von<br />

Menschen wahrgenommen, deren Interesse am Kind weitergeht, als es von der Gesellschaft<br />

toleriert wird. Um zu verstehen, warum einige Menschen am Kind auch sexuell oder erotisch<br />

interessiert sind, darf man den Facettenreichtum an Beziehungsmöglichkeiten nicht ausser<br />

Acht lassen.<br />

Schon in den üblichen Begriffen zur Bezeichnung von Menschen, <strong>die</strong> sich Kindern sexuell<br />

nähern, wird deutlich, dass es sich nicht um einen monolithischen Menschenschlag handeln<br />

kann; Pädophilie, <strong>Pädosexuelle</strong>, Pädokriminelle, Kinderschänder, Kindsmissbraucher, etc.<br />

3.1. Begrifflichkeit <strong>und</strong> Ausprägungsformen<br />

<strong>Der</strong> üblichste Begriff ist immer noch „der Pädophile“, auch wenn er seit Längerem kritisch<br />

hinterfragt wird, vor allem von Kinderschutzorganisationen 24 .<br />

<strong>Der</strong> Begriff der Pädophilie geht auf Krafft-Ebing zurück, der 1886 in seinem Werk Psychopathia<br />

sexualis (Krafft-Ebing, 1997) verschiedene Typen von Menschen beschreibt, <strong>die</strong> Kinder<br />

sexuell missbrauchen. Neben Personen, <strong>die</strong> sich durch moralische Schwäche (Wüstlinge),<br />

durch Hirnerkrankungen oder episodische Verwirrungen an Kindern vergehen, beschreibt<br />

er eine kleine Gruppe, deren sexuelles Interesse an Kindern in einer „krankhaften<br />

Disposition“, einer „psycho-sexualen Perversion“ begründet ist. Kriterien <strong>die</strong>ser sexuellen<br />

Abweichung, der „Pädophilia erotica“ umfassen:<br />

- <strong>die</strong> primäre Neigung zu unreifen Personen;<br />

- <strong>die</strong> Potenz der Betroffenen (Abgrenzung zu „Pseudo-Pädophilie“ bei Impotenz);<br />

- <strong>die</strong> Unerregbarkeit durch sexuelle Reize Erwachsener <strong>und</strong><br />

- <strong>die</strong> vorwiegende Beschränkung auf Betasten der Kinder <strong>und</strong> Onanieren mit den Kinder ohne<br />

dass es zum Geschlechtsakt kommt (S. 417 u.f).<br />

Krafft-Ebing (ebenda) beschrieb bereits <strong>die</strong> unterschiedlichen Alterspräferenzen von homosexuellen<br />

(konträrsexuellen Päderasten) <strong>Pädosexuelle</strong>n <strong>und</strong> den eigentlichen Pädophilen,<br />

<strong>die</strong> auf viel jüngere Kinder des anderen Geschlechts (es werden auch Frauen beschrieben)<br />

ansprechen. Er beschreibt auch den „Wüstling“, der sich aus Gründen einer willkommenen<br />

Abwechslung <strong>und</strong>/oder aufgr<strong>und</strong> der einfachen Verfügbarkeit an Kindern vergreift, nicht aber<br />

primär an Kindern interessiert ist.<br />

24 Man stört sich am ursprünglichen Sinne des Begriffs, der im Griechischen <strong>die</strong> Liebe zum Kind meint. <strong>Der</strong> Begriff<br />

der Pädophilie wurde aber im psychiatrisch-medizinischen Kontext der Paraphilien geprägt. Bei Nekrophilie oder<br />

Zoophilie kommt seltsamerweise niemand auf <strong>die</strong> Idee zu meinen, dass <strong>die</strong>se pervertierten Formen der Sexualität<br />

etwas mit dem positiven Begriff der Liebe zu tun hätte.


15<br />

Nach der Internationalen Klassifikation von Krankheiten (ICD) der WHO (World Health Organization)<br />

meint Pädophilie (F65.4 Pädophilie) eine Störung der Sexualpräferenz resp. wird<br />

als Paraphilie beschrieben:<br />

„Die sexuelle Präferenz für Kinder, Jungen oder Mädchen oder Kinder beiderlei Geschlechts,<br />

<strong>die</strong> sich meist in der Vorpubertät oder in einem frühen Stadium der Pubertät befinden.“<br />

Im diagnostischen <strong>und</strong> statistischen Manual DSM IV werden drei diagnostische Kriterien für<br />

Pädophilie differenzierter ausformuliert:<br />

- Über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten wiederkehrende, intensive sexuell<br />

erregende Phantasien (…), <strong>die</strong> sexuelle Handlungen mit einem präpubertären<br />

Kind (…) beinhalten;<br />

- Die Phantasien (…) verursachen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigung<br />

in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen;<br />

- Die Person ist mindestens 16 Jahre alt <strong>und</strong> mindestens fünf Jahre älter als das Kind.<br />

Zudem muss abgeklärt werden, auf welches Geschlecht <strong>die</strong> Person orientiert ist, ob <strong>die</strong><br />

Phantasien <strong>und</strong> Handlungen auf Inzest beschränkt sind <strong>und</strong> ob es sich um einen ausschliesslichen<br />

(fixierten) Typus handelt oder um einen nicht-ausschliesslichen (nach Knecht,<br />

2001a, zusammengefasst wieder gegeben). Diese Ausdifferenzierungen verdeutlichen, dass<br />

Untergruppierungen vorzunehmen sind.<br />

Andere, vor allem psychologische Ansätze, sehen <strong>die</strong> sexuelle Neigung von Erwachsenen<br />

zu Kindern als Kompensation einer Störung in der Entwicklung zum Erwachsenen oder als<br />

ein Versuch, eigene Missbrauchserfahrungen zu bewältigen (siehe dazu Knecht, T., 2001<br />

oder B<strong>und</strong>schuh, C., 2001).<br />

Phänomenologische Beschreibungen von Tätertypen gehen mit den geläufigen Definitionen<br />

einher. So ist es üblich (siehe z.B. Gallwitz, 1998, Lautmann, 1994), Menschen mit pädosexuellen<br />

Präferenzen in Gruppen aufzuteilen (siehe unten). Auch hier soll kurz eine solche<br />

Typologie vorgestellt werden, aber mit dem Hinweis von Schorsch (1986) versehen: „ Wenn<br />

„Typen“ von Pädophilen hergestellt werden, dann ist selbstverständlich zu berücksichtigen,<br />

dass solche Typen immer eine Schematisierung darstellen. Solche Vereinfachungen dürfen<br />

nicht den Blick für <strong>die</strong> Besonderheit eines jeden Einzelschicksals trüben. Ferner ist gerade<br />

bei pädophilen Handlungen in Betracht zu ziehen, dass sich viele nicht in Typen zwängen<br />

lassen. Wegen des didaktischen Wertes als Orientierungsrahmen sind Typologien jedoch<br />

hilfreich.“ (S. 341)<br />

- <strong>Der</strong> "echte" Pädophile oder Kernpädophile der sich für Kinder als ganzheitlichen, auch<br />

sexuellen Partner interessiert. Es wird angenommen, dass es sich dabei um eine sexuelle<br />

Orientierung handelt. Kernpädophile sind teilweise in Vereinen organisiert (vgl. auch Kapitel<br />

6.7.) <strong>und</strong> behaupten von sich, dass sie Kinder als adäquate Partner betrachten, Kinder lieben,<br />

nie Gewalt anwenden würden <strong>und</strong> dass gewisse sexuelle Handlungen mit Kindern (vor<br />

allem gegenseitiges Onanieren oder Streicheln) für beide Seiten natürlich <strong>und</strong> wünschenswert<br />

seien. Sie sehen sich als Opfer der (aktuellen) gesellschaftlichen Tabuisierung der kindlichen<br />

Sexualität <strong>und</strong> nicht als abnorm oder krank. Lautmann (1994) hat mittels Inseraten in<br />

der öffentlichen Presse Pädophile gesucht <strong>und</strong> <strong>die</strong>se im Hinblick auf ihre Interessen an Kindern<br />

interviewt 25 . Dem Buch kommt insofern eine grosse Bedeutung zu, als <strong>die</strong> sonstigen<br />

25 Zitat aus einem Interview mit einem Kernpädophilen von Lautmann (1994), dass <strong>die</strong> gewünschte Beziehung<br />

zwischen dem Erwachsenen <strong>und</strong> dem Kind exemplarisch veranschaulichen soll: "Mich reizt nicht nur <strong>die</strong> Sexualität,<br />

mich reizt das ganze Kerlchen. Von den Zehenspitzen bis zu den Haaren, eigentlich alles. Du kannst ihm viel<br />

erklären, du kannst mit ihm allen möglichen Blödsinn machen. Er kam zum Beispiel eines Abends an <strong>und</strong> sagte,<br />

dass sie in der Schule Bergwerk durchgenommen haben. Ich: „Bergwerk ist was Schönes, da kannst du was erleben,<br />

das Einfahren, das ist schon was." „Haben wir nicht gemacht." Ich: „Also, wir fahren jetzt nach Bochum, wo<br />

das nächste Bergwerksmuseum ist." - Wir haben dann später dort alles angeguckt. Manche Leute haben bestimmt<br />

gedacht, dass wir beknackt sind. In <strong>die</strong> engsten Flöze sind wir reingekrochen, wir sahen aus wie <strong>die</strong><br />

Schweine. Dann bei den Sprenglöchern haben wir mit Stöcken nachgeprüft, ob <strong>die</strong> auch richtig tief sind. Da lagen<br />

Bohrköpfe, Diamantbohrer, r<strong>und</strong>e <strong>und</strong> viereckige Köpfe. Er hat den Bohrer in <strong>die</strong> Hand genommen <strong>und</strong> einmal<br />

gedreht. Wir haben also Bergwerk richtig erlebt, <strong>und</strong> mitzuerleben, wie er sich darüber freut, das war toll."


16<br />

Ausführungen zu <strong>Pädosexuelle</strong>n meist aus dem klinischen Kontext oder aus der Gefängnispopulation<br />

stammen <strong>und</strong> <strong>die</strong>se dementsprechend eine Selektion darstellen.<br />

Für Schorsch (1986) ist <strong>die</strong>ser Typus <strong>die</strong> einzige Form von Pädophilie, <strong>die</strong> als sexuelle Deviation<br />

bezeichnet werden kann. Das heisst, wenn eine vorwiegende <strong>und</strong> ausschliessliche Fixierung<br />

auf Kinder vorliegt <strong>und</strong> meist auch nur, wenn der inten<strong>die</strong>rte Partner ein vorpubertierendes<br />

Kind ist. Nach Schorsch wird „nur“ etwa <strong>die</strong> Hälfte der sexuellen Handlungen mit kleinen<br />

Kindern von Männern mit einer solchen Deviation ausgeführt 26 . Er bestätigt zudem aus<br />

seiner psychiatrischen Tätigkeit, dass man kaum im engeren Sinne aggressive Handlungen<br />

unter <strong>die</strong>sen Pädophilen finde. Die Erotik <strong>die</strong>ser Pädophilen sei gekoppelt an <strong>die</strong> Situation<br />

<strong>und</strong> sie entfalte sich nicht ohne ein „Hineinillusionieren“ in <strong>die</strong> Kindheit.<br />

Wichtig sind abschliessend zwei Feststellungen (v.a. im Zusammenhang mit Kernpädophilen)<br />

von Schorsch (ebenda), <strong>die</strong> sich auch in der Beschäftigung mit dem Phänomen<br />

der Kinderpornografie wieder finden (siehe Kapitel 4) . Dass sich zum einen „bei der Fixierung<br />

auf kleine Kinder nicht selten eine Tendenz zur Vergegenständlichung <strong>und</strong> Partialisierung<br />

des kindlichen Körpers mit fetischistischen Zügen“ (S. 339) finde, <strong>und</strong> dass es „ (…)<br />

psychologisch <strong>und</strong> sexualwissenschaftlich einen erheblichen Unterschied macht, ob der Adressat<br />

einer sexuellen Handlung ein pubertierendes oder ein kleines, vorpubertierendes Kind<br />

ist. (…) Je jünger das Kind, desto „pathologischer“ ist <strong>die</strong> Beziehung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Persönlichkeit<br />

des Erwachsenen“. (S. 339)<br />

- <strong>Der</strong> Ersatz-Objekt-Täter, der sich aus Mangel an erwachsenen SexualpartnerInnen an<br />

Kindern vergreift. Die pädokriminellen Aktivitäten beschränken sich meist auf den familiären<br />

Kontext <strong>und</strong> treten oft im Zusammenhang mit beruflichen, familiären <strong>und</strong> sozialen Schwierigkeiten,<br />

Drogenproblemen <strong>und</strong> psychischer Labilität auf. Deegener (1995) <strong>und</strong> seine MitarbeiterInnen<br />

interviewten sexuelle Missbraucher im Gefängnis. Aus den Interviewtexten wird<br />

deutlich, dass <strong>die</strong> Opfer, meist Töchter oder Stieftöchter, kurz vor oder in der pubertären<br />

Phase waren, dass <strong>die</strong> familiäre Situation desolat erschien (meist war Arbeitslosigkeit <strong>und</strong><br />

Alkohol im Spiel) <strong>und</strong> dass alle von sich behaupteten, nicht an Kindern als Sexualpartnern interessiert<br />

zu sein, sondern aus der Situation heraus Fehltritte begangen zu haben. Natürlich<br />

ist es schwierig zu entscheiden, inwieweit es sich dabei um Schutzbehauptungen handelt,<br />

wenn man bedenkt, dass <strong>die</strong> Interviewpartner im Gefängnis sassen.<br />

Schorsch (1986) behandelt <strong>die</strong> Ersatz-Objekt-Täter vorwiegend im Rahmen von Inzest-<br />

Fällen 27 : „Anders als bei den (….) dargestellten sexuellen Handlungen mit Kindern sind Inzest<br />

<strong>und</strong> familiäre Sexualdelinquenz von vornherein eingebettet in ein strukturelles Gewalt<strong>und</strong><br />

Abhängigkeitsverhältnis, dem sich das Kind bzw. Opfer in der Regel in keiner Weise<br />

entziehen kann.“ (S. 345) Diese Tatsache ist für <strong>die</strong> Opfer besonders traumatisierend. Eine<br />

Behandlung der Täterschaft bei familiärer Sexualdelinquenz bedinge auf jeden Fall <strong>die</strong> gesamte<br />

Familie als Interaktionsgeflecht.<br />

Wiederum nach Schorsch (ebenda) finden sich unter der Ersatz-Objekt-Täterschaft aber<br />

nicht nur (vor allem) männliche Familienangehörige, sondern auch kontaktarme, retar<strong>die</strong>rte<br />

Jugendliche <strong>und</strong> sozial randständige Jugendliche. Diese Tätergruppierung zeichnet sich<br />

durch spezifische psychologische Auffälligkeiten aus (z.B. sexuell unerfahren, sozial bei den<br />

Gleichaltrigen ausgegrenzt, minder intelligent, u.a.), <strong>die</strong> dazu führen, dass Kinder als Ersatzpartner<br />

für erste sexuelle Erfahrungen benutzt werden. Dies, weil sie keinen Anschluss an<br />

adäquate weibliche oder männliche Partner finden, Kinder für sie leichter verfügbar sind <strong>und</strong><br />

sie bei Kindern einfacher Anschluss <strong>und</strong> Bestätigung finden. Vor allem bei den kontaktarmen,<br />

retar<strong>die</strong>rten Jugendlichen sei <strong>die</strong> Prognose gut, wenn <strong>die</strong> momentane Lebenskrise<br />

überw<strong>und</strong>en werden könne. Bei beiden Typen fehlt das charakteristische pädophile Erleben,<br />

das sich bei den Kernpädophilen findet.<br />

- <strong>Der</strong> aggressiv-sadistische Täter missbraucht Kinder infolge pathologischer Persönlichkeitsstörungen.<br />

Kinder sind dabei nur eine Möglichkeit der Opferkategorie, meist sind<br />

26 Nach Lautmann (1994) gar nur zirka fünf Prozent.<br />

27 Inzest hier nicht im juristischen Sinne gemeint. Inzest bezeichnet hier <strong>die</strong> sexuellen Aktivitäten zwischen Erwachsenen<br />

<strong>und</strong> Kindern innerhalb des Familienkontextes.


17<br />

<strong>die</strong>se Täter nicht auf Kinder fixiert. Paraphilien treten aber häufig in Kombination auf. In <strong>die</strong>sem<br />

Sinne ist es nicht ausgeschlossen, dass sadistisch veranlagte Täter gleichzeitig eine<br />

pädosexuelle Orientierung aufweisen 28 .<br />

- <strong>Der</strong> pervers Neugierige (im Sinne von Krafft-Ebing der „Wüstling“), der gerade im Kontext<br />

von Kinderpornografie <strong>und</strong> Kinder-Sextourismus neuerdings zur Sprache kommt. Beck<br />

(1997) spricht von „Menschen, <strong>die</strong> aus Übersättigung nach immer neuen Reizen suchen“<br />

(…) „als einer „Gruppe von Erwachsenen, <strong>die</strong> Kinder sexuell ausbeuten, ohne auf sie sexuell<br />

fixiert zu sein, ohne eine Beziehung zu ihnen zu wollen <strong>und</strong> [von denen] <strong>die</strong> meisten auch so<br />

genannte normale Sexualität haben.“ (S. 6.u.f). Auch Prof. Volker Dittmann macht in einem<br />

Zeitungsinterview 29 <strong>die</strong> Aussage, dass Kinderpornografie-Konsumenten nicht mit Pädophilen<br />

gleichzusetzen sind, der Gr<strong>und</strong> zum Konsum sei vor allem Neugier 30 .<br />

- <strong>Der</strong> Alterspädophile, der sich besonders häufig in psychiatrischer oder psychologischer<br />

Begutachtung wieder findet, da angenommen wird, dass sich <strong>die</strong> pädosexuellen Übergriffe<br />

von älteren Männern mit hirnorganischen Abbauprozessen erklären lassen (siehe auch Kapitel<br />

6.5.). Interessanterweise hält Schorsch (1986) aber fest, dass der relative Anteil pädophiler<br />

Delikte, <strong>die</strong> von älteren oder alten Männern ausgeführt werden, stetig zurückgeht. Er erklärt<br />

<strong>die</strong>s mit der inzwischen grösseren Akzeptanz praktizierter Sexualität im Alter. Dies deutet<br />

darauf hin, dass sich auch bei der Alterspädophilie <strong>die</strong> Ersatz-Objekt-These wieder findet<br />

<strong>und</strong> sich <strong>die</strong> Übergriffe nicht alleine durch hirnorganische Abbauprozesse erklären lassen.<br />

Zusammenfassend <strong>und</strong> <strong>die</strong> Typologie abschliessend sei nochmals Schorsch (1986) das<br />

Wort gegeben, der ausführt, dass „ (….) sich im Sammelbegriff Pädophilie ausserordentlich<br />

heterogene Phänomene verbergen. Die Möglichkeit, wie sexuelle Beziehungen zwischen<br />

Erwachsenen <strong>und</strong> Kindern im gesetzlichen Schutzalter zustande kommen können, sind vielfältig:<br />

gegenseitige Liebesbeziehungen, erotisierte pädagogische Beziehungen, gewaltlose<br />

Verführung von Kindern durch Erwachsene, gewaltsame vergewaltigungsähnliche Attacken,<br />

Gelegenheitshandlungen von sozial unintegrierten Aussenseitern, aber auch andere sexuelle<br />

Abweichungen, <strong>die</strong> mehr oder weniger zufällig an Kindern realisiert werden.“ (S.339)<br />

Im strafrechtlichen Kontext ist <strong>die</strong> Frage nach dem genauen Umstand der sexuellen Handlung<br />

in mehrerer Hinsicht von grosser Wichtigkeit. Vor allem <strong>die</strong> Frage nach dem potentiellen<br />

Rückfall ist abhängig vom psychiatrischen, psychologischen, biografischen <strong>und</strong> situationsbedingten<br />

Kontext der sexuellen Handlung. Auch <strong>die</strong> Art <strong>und</strong> der Umfang der allfälligen Behandlung<br />

von Tätern können <strong>und</strong> müssen je nach Umstand anders ausfallen. Um <strong>die</strong>se Fragen<br />

zu beantworten, bedarf es aber einer gründlichen, professionellen Abklärung <strong>und</strong> <strong>die</strong>se<br />

ist mit einer solchen einfachen Typologisierung bei weitem nicht geleistet. Für unseren<br />

Zweck soll sie aber genügen, da sie zeigt, dass pädosexuelle Übergriffe auf Gr<strong>und</strong> verschiedener<br />

Motive <strong>und</strong> aus verschiedenen Lebenslagen heraus geschehen können <strong>und</strong> dass - wie<br />

gesagt- <strong>die</strong> Population der <strong>Pädosexuelle</strong>n keine homogene Gruppe darstellt.<br />

Bis anhin <strong>und</strong> im Folgenden wird der Oberbegriff des <strong>Pädosexuelle</strong>n gebraucht, der nur im<br />

konkreten Fall, wenn es einer Einschränkung <strong>und</strong> Präzisierung bedarf, durch einen anderen,<br />

oben aufgelisteten Begriff ersetzt werden wird.<br />

Exkurs I: „Das Motto ist immer Macht, nicht Erotik“<br />

Dieser Titel stand kürzlich über einem Artikel zum sexuellen Missbrauch im Sport. 31 Die<br />

schon relativ alte, von feministischer Seite propagierte These, dass es sich beim sexuellen<br />

Missbrauch von Kindern, aber auch von Frauen allgemein, um Machtausübung handle, hat<br />

28 Knecht (2001a) führt aus, dass bei der Diagnose von Pädophilie abgeklärt werden muss, ob kombinierte, sexuelle<br />

Normabweichungen vorliegen <strong>und</strong> dass dafür eine Reihe von Begriffen zur Verfügung stehen, wie Pädosadismus,<br />

Pädonekrophilie oder Pädofetischismus.<br />

29 Basler Zeitung vom 22.01.04<br />

30 Er bezieht <strong>die</strong>se Erkenntnis aus der Analyse der Verdächtigten innerhalb der Aktion Genesis. Aus verschiedenen<br />

Gründen stellen <strong>die</strong>se Verdächtigten mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Sondergruppe dar (siehe auch Kapitel<br />

6.1.)<br />

31 „Das Motto ist immer Macht, nicht Erotik. Sexuelle Ausbeutung. Das B<strong>und</strong>esamt für Sport beleuchtet ein gesellschaftliches<br />

Tabu-Thema“. In: Solothurner Zeitung vom 3. März 2004.


18<br />

seinerzeit sicher einen richtigen, neuen Fokus gesetzt; der besagt, dass sexuelle Übergriffe<br />

nichts mit der - inzwischen veralteten - Ansicht zu tun haben, dass sich Männer vor allem sexuelle<br />

Lust durch Gewalt verschaffen. Diese Theorie wurde meist noch in Kombination mit<br />

der Trieb- oder Dampfkesseltheorie diskutiert.<br />

Dass aber nun alles nur noch Machtausübung sei, ist eine zu wenig differenzierte Ansicht.<br />

Auf Kinder <strong>und</strong> natürlich auch auf Erwachsene kann auf unterschiedlichste Art Macht ausgeübt<br />

werden. Sie können geschlagen, eingesperrt, weggesperrt, bedroht, verhöhnt, vernachlässigt,<br />

etc. werden. Auch wenn der sexuelle Missbrauch unter dem Machtaspekt betrachtet<br />

wird, stellt sich <strong>die</strong> Frage, warum gerade über den sexuellen Übergriff <strong>und</strong> nicht in anderer<br />

Art <strong>und</strong> Weise Macht ausgeübt wird.<br />

Schorsch (1986) stellt hilfreiche Konzepte zur Sexualität <strong>und</strong> zur Bedeutung sexueller Devianz<br />

auf, <strong>die</strong> ich an <strong>die</strong>ser Stelle kurz einführen möchte, um <strong>die</strong> Komplexität <strong>und</strong> Besonderheit<br />

sexueller Handlungen zu verdeutlichen. Schorsch vertritt einen psychodynamischen,<br />

verstehenden Ansatz, der im Bereich der <strong>Strafverfolgung</strong> dahingehend relevant ist, dass das<br />

Verständnis der Tatmotivation im Vordergr<strong>und</strong> steht <strong>und</strong> <strong>die</strong>s forensisch im Kontext der Gerichtsverhandlung,<br />

der Begutachtung <strong>und</strong> natürlich auch in der forensischen Therapie zur<br />

Sprache kommt.<br />

Wie bereits erwähnt, ist in der modernen Sexualwissenschaft das Dampfkessel-Modell überholt.<br />

Vergewaltiger <strong>und</strong> Kindsmissbraucher leiden nicht unter einem zu starken Sexualtrieb,<br />

den sie notfalls mit gewalttätigen Übergriffen ausleben müssen. Schorsch meint, dass der<br />

Begriff des Triebes <strong>und</strong> der Triebstärke das Verständnis der Funktion der Sexualität verhindere.<br />

Aus der psychodynamischen Perspektive werden in der sexuellen Erregung <strong>und</strong> der<br />

Lust „essentielle Ereignisse der eigenen frühen Geschichte momentan in der Regression des<br />

Orgasmus wieder lebendig – dazu gehören <strong>die</strong> W<strong>und</strong>en, <strong>die</strong> Traumata, <strong>die</strong> Ängste ebenso<br />

wie Zustände von Glück <strong>und</strong> Erfüllung (….) Zugleich ist Sexualität der Bereich, in dem der<br />

Mensch am intensivsten mit anderen Menschen in Beziehung tritt bzw. treten kann. In der<br />

Sexualität kommen folglich <strong>die</strong> Eigenarten <strong>und</strong> Besonderheiten, aber auch <strong>die</strong> Schwierigkeiten,<br />

Ängste <strong>und</strong> Störungen des Menschen am deutlichsten zum Ausdruck.“ (S. 325)<br />

Im Bereich der sexuellen Deviation wird deutlich, dass <strong>die</strong> Sexualität (auch) Funktionen der<br />

Angstabwehr, Konfliktbewältigung <strong>und</strong> Wunscherfüllung innehat <strong>und</strong> <strong>die</strong>se Funktionen in<br />

teils bizarren Formen Stabilität herzustellen versuchen. Nach Schorsch (1986) gilt <strong>die</strong> Faustregel:<br />

„ Je mehr <strong>die</strong> Sexualität der Angstabwehr <strong>und</strong> Konfliktbewältigung <strong>die</strong>nt, desto geringer<br />

wird <strong>die</strong> partnerschaftliche Beziehungsfähigkeit, desto stärker treten im allgemeinen aggressive<br />

Anteile <strong>und</strong> Feindseligkeiten in den Vordergr<strong>und</strong>.“ (S. 326)<br />

Die perverse Phantasie oder der perverse Akt haben insofern stabilisierende Funktion <strong>und</strong><br />

Abwehrcharakter, als frühere W<strong>und</strong>en, Traumata <strong>und</strong> Ängste rekonstruiert werden können<br />

indem sie momentan verleugnet, <strong>und</strong> zusammen mit der sexuellen Erregung punktuell überw<strong>und</strong>en<br />

werden können. Auch wenn hier nicht der Ort ist, psychodynamische Theorien der<br />

Sexualität in all ihren Breiten <strong>und</strong> Tiefen auszuleuchten, hilft nur schon <strong>die</strong>se kurze Konzeptdarstellung,<br />

um auch pädosexuelle Beziehungen theoretisch besser zu verstehen.<br />

„In der pädophilen Beziehung ist nachweisbar, dass sich der erwachsene Mann in dem Kind<br />

wieder erkennt; es sind zumindest stark identifikatorische Beziehungen. (…) Es sind in der<br />

Regel Männer, denen <strong>die</strong> innere Lösung von der Mutter nur unzureichend gelungen ist, <strong>die</strong><br />

bis ins Erwachsenenalter hinein eine starke Sehnsucht haben, in <strong>die</strong> frühe, kleinkindhafte<br />

Beziehung zur Mutter zurückzukehren, <strong>und</strong> <strong>die</strong>ses infantile Beziehungsmuster in all ihre Beziehungsversuche<br />

hineintragen. (…) das perverse Ritual hat auch hier wieder <strong>die</strong> Funktion<br />

einer Umdeutung – etwa in der Art: Die Ängste, klein, abhängig, kindlich, schwach, unmännlich<br />

zu sein, wenn ich den Wünschen nachgebe, <strong>die</strong> alte Mutter-Kind-Beziehung wieder herzustellen,<br />

sind unbegründet; denn in der Beziehung zum Kind erleb ich mich im Gegenteil<br />

stark, mächtig, potent, unabhängig <strong>und</strong> überlegen. Diese Uminterpretation ist verb<strong>und</strong>en mit<br />

einem Hochgefühl von Befriedigung.“ (Schorsch, 1986, S. 329)<br />

Dieses Konzept ist meines Erachtens auf <strong>die</strong> verschiedenen Typen (siehe oben) von <strong>Pädosexuelle</strong>n<br />

anwendbar. Unabhängig davon, ob eine dauerhafte, ungebrochene Fixierung auf


19<br />

das Kind vorliegt, oder ob der Übergriff stärker durch Lebenskrisen oder situativen Momente<br />

bedingt ist, sind Deutungsformen der Angstabwehr <strong>und</strong> der Krisenbewältigung anwendbar.<br />

Nach Schorsch (ebenda) sind auch unterschiedliche Grade an Determiniertheit durch eine<br />

Deviation zu beobachten. <strong>Der</strong> fixierte Typus des <strong>Pädosexuelle</strong>n kann seine Sexualität gar<br />

nicht anders als in Verbindung zur Deviation leben. Sehr viel häufiger treten aber Deviationen<br />

(in allen Formen) in Verbindung mit Lebenskrisen, sei <strong>die</strong>s in der Pubertät oder im Alter,<br />

oder aber in Verbindung mit situativen, biografisch geb<strong>und</strong>enen Lebenskrisen wie Suchtabhängigkeit,<br />

Eheproblemen oder Arbeitslosigkeit, auf.<br />

3.2. Verbreitung<br />

Um Angaben zur Verbreitung von <strong>Pädosexuelle</strong>n weltweit oder national machen zu können,<br />

stehen verschiedene Daten zur Verfügung. Die Anzeige- <strong>und</strong> Urteilsstatistiken, Dunkelfeldforschungen<br />

zur Verbreitung von <strong>Pädosexuelle</strong>n oder zur Anzahl missbrauchter Kinder, oder<br />

Schätzungen aufgr<strong>und</strong> von Polizeiaktionen. Zu jeder <strong>die</strong>ser Datengr<strong>und</strong>lagen wird im Folgenden<br />

ein Beispiel gegeben um eine Idee davon zu erhalten, wie <strong>und</strong> wodurch sich <strong>die</strong> Angaben<br />

unterscheiden <strong>und</strong> um eine Vorstellung zur Verbreitung zu gewinnen respektive um<br />

zu zeigen, dass <strong>die</strong>s nicht so einfach möglich ist.<br />

Statistische Angaben in der Schweiz:<br />

In der gesamtschweizerischen Anzeigestatistik 32 werden pädosexuelle Delikte (insbesondere<br />

Art 187 StGB <strong>und</strong> Art 197 StGB) nicht gesondert ausgewiesen. Aufgr<strong>und</strong> der Kriminalstatistik<br />

des Kantons Zürich (KRISTA) kann davon ausgegangen werden, dass pro Jahr im Kanton<br />

Zürich zirka 300 bis 400 Fälle von sexuellen Handlungen mit Kindern zur Anzeige kommen.<br />

Bezüglich Art. 197 (Pornografie) kann der Anteil an Kinderpornografie nicht herausgelesen<br />

werden 33 , insgesamt bewegen sich <strong>die</strong> Anzeigen in <strong>die</strong>sem Bereich bei 100 bis 200<br />

Anzeigen pro Jahr. Geht man davon aus, dass im Schnitt zirka ein Sechstel (Anteil an der<br />

gesamtschweizerischen Wohnbevölkerung] aller Straftaten im Kanton Zürich begangen werden,<br />

kann man <strong>die</strong>se Zahlenangaben auf ein gesamtschweizerisches Niveau hochrechnen 34 .<br />

Das ergäbe dann ungefähr 1800 bis 2400 Anzeigen infolge sexuellen Missbrauchs von Kindern<br />

in der Schweiz. Vergleicht man <strong>die</strong>se Zahlen aber mit der Gesamtzahl der Anzeigen infolge<br />

strafbarer Handlungen gegen <strong>die</strong> sexuelle Integrität – <strong>die</strong> Anzahl Anzeigen bewegt sich<br />

über <strong>die</strong> letzten Jahren immer um <strong>die</strong> 3000 Fälle -, ist das Resultat der Hochrechnung zu<br />

hoch 35 .<br />

Nach derselben Art von Hochrechnung beliefen sich <strong>die</strong> Anzeigen gemäss Art. 197 StGB<br />

(Pornografie) in der gesamten Schweiz auf 600 bis 1200 Fälle. Eine Aktion in der Grössenordung<br />

der Operation Genesis, innerhalb derer nur schon im Kanton Zürich über 300 Personen<br />

zur Anzeige gebracht wurden, zeigt, wie unsicher solche Zahlenwerte sind.<br />

Im Bereich der gesamtschweizerischen Urteilsstatistik 36 sind <strong>die</strong> Angaben präziser. In den<br />

letzten Jahren wurden pro Jahr zwischen 200 <strong>und</strong> 300 Personen wegen sexuellen Handlungen<br />

mit Kindern verurteilt.<br />

In Bezug auf Art. 197 StGB schwankt <strong>die</strong> Anzahl Verurteilungen jährlich stark. In den letzten<br />

Jahren wurden jährlich zwischen 200 <strong>und</strong> 800 Urteile gesprochen. Da auch bei den Urteilen<br />

nicht nach Kinderpornografie innerhalb des Artikels 197 StGB unterschieden werden kann<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Verurteilungen wiederum stark abhängig sind von einzelnen Polizeiaktionen, sind <strong>die</strong><br />

Angaben nicht sehr aussagekräftig.<br />

32<br />

einsehbar unter: http://www.statistik.admin.ch/stat_ch/ber19/PKS/dtfr19_crim.htm<br />

33<br />

Illegale Pornografie umfasst in der Schweiz sexuelle Handlungen mit Kindern, mit Tieren, mit extremer Gewaltausübung<br />

<strong>und</strong> mit menschlichen Ausscheidungen.<br />

34<br />

Da davon ausgegangen wird, dass der sexuelle Missbrauch in allen Gesellschaftsschichten <strong>und</strong> über alle Altersstrukturen<br />

verteilt vorkommt, ist eine solche Hochrechnung auch von urban geprägten Gebieten legitim.<br />

35<br />

Auch wenn gemäss Angaben des B<strong>und</strong>esamtes für Statistik <strong>die</strong> Anzahl Verurteilungen wegen sexuellem Missbrauch<br />

an Kindern unter allen Delikte gegen <strong>die</strong> sexuelle Integrität am höchsten ist.<br />

36<br />

Einsehbar unter: http://www.statistik.admin.ch/stat_ch/ber19/dtfr19.htm


20<br />

Dennoch geben <strong>die</strong> Angaben eine Vorstellung davon, in welcher ungefähren Grössenordnung<br />

sich <strong>die</strong> Anzeigen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Verurteilungen bewegen.<br />

Gerade im Bereich der sexuellen Handlungen mit Kindern, <strong>die</strong> erwiesenermassen zu 70 bis<br />

90 Prozent (bspw. Warzecha, 1999) im familiären Kontext geschehen, ist <strong>die</strong> Dunkelziffer<br />

sehr hoch.<br />

Dunkelfeldforschungen in <strong>die</strong>sem Bereich sprechen demzufolge eine andere Sprache.<br />

In der Schweiz wurde eine gross angelegte Befragung zum Dunkelfeld des sexuellen Missbrauchs<br />

durchgeführt (vgl. Halpérin, D. et al. (1997). Mittels anonymer Befragungen von<br />

knapp 1200 Genfer Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler konnten folgende Aussagen gemacht werden:<br />

Knaben<br />

N = 548<br />

Absolute Zahlen<br />

Mädchen<br />

N = 568<br />

Prozent Absolute Zahlen<br />

Alle Formen von Missbrauch 60 10,9 192 33,8<br />

Missbrauch ohne Körperkontakt* (Pornografie,<br />

Zuschauen bei Masturbation, Anschauen Geschlechtsteile)<br />

Missbrauch mit Körperkontakt ohne Penetration*<br />

Prozent<br />

42 7,7 76 13,4<br />

12 2,2 84 14,8<br />

Missbrauch mit Penetration* 6 1,1 32 5,6<br />

* Die Kategorien schliessen sich gegenseitig aus. Kinder mit berichteten Missbrauchserfahrungen mit <strong>und</strong> ohne Körperkontakt<br />

wurden nur unter der Kategorie „mit Körperkontakt“ aufgelistet.<br />

Aufgr<strong>und</strong> <strong>die</strong>ser repräsentativen Dunkelfeldforschung geht man davon aus, dass über<br />

10 Prozent der Knaben <strong>und</strong> knapp 34 Prozent der Mädchen Missbrauchserfahrungen gemacht<br />

haben. Schwerere Formen des Missbrauchs betreffen immerhin noch über ein Prozent<br />

der Knaben <strong>und</strong> über fünf Prozent der Mädchen.<br />

Was das Alter der Opfer betrifft, waren <strong>die</strong> Knaben bei der ersten Missbrauchserfahrung zu<br />

50 Prozent, bei den Mädchen zu über 60 Prozent über 12 Jahre alt.<br />

Die meisten Opfer berichteten von „nur“ einer Missbrauchserfahrung.<br />

Eine zweite Dunkelfeldstu<strong>die</strong>, <strong>die</strong> Aussagen zu sexuellem Missbrauch zulässt, ist <strong>die</strong> Rekrutenbefragung<br />

von Frau Prof. Haas (2001). Eine anonyme Befragung von über 20'000 Rekruten<br />

im Jahr 1997 ergab zum Thema „eigene Missbrauchserfahrungen“, dass über 11 Prozent<br />

(2356) der Rekruten von Missbrauch in der Kindheit berichteten. Die Art des Missbrauchs<br />

wurde in sechs Kategorien unterteilt (Abstufungen von ohne Körperkontakt über mit Körperkontakt<br />

bis Penetration). Missbrauchserfahrungen mit Körperkontakt machen zirka 4 Prozent<br />

aus. Bei der Frage nach Missbrauchssituationen im Jugendalter gaben über 12 Prozent der<br />

Rekruten einschlägige Erfahrungen an, davon über 5 Prozent mit Körperkontakt.<br />

Dank den Aussagen aus den zwei Dunkelfeldstu<strong>die</strong>n können guten Gewissens 37 zwei Aussagen<br />

gemacht werden:<br />

- das Hellfeld des sexuellen Missbrauchs bildet nur einen Bruchteil des tatsächlichen<br />

Geschehens ab <strong>und</strong><br />

- der Missbrauch von Knaben wird in der Diskussion zu Kindsmissbrauch tendenziell<br />

unterschätzt. 38<br />

37<br />

Dunkelfeldforschung begegnet immer einer Reihe von Kritiken, auf <strong>die</strong> an <strong>die</strong>ser Stelle nicht eingegangen werden<br />

soll. Die zwei ausgewählten Stu<strong>die</strong>n zeichnen sich aber im Kontext der Dunkelfeldforschungen durch grosse<br />

Sorgfalt in der Durchführung <strong>und</strong> Auswertung aus.<br />

38<br />

Auch wenn in den letzten Jahren das Augenmerk der Forschung im Einzelfall auch auf <strong>die</strong>sen Bereich gerichtet<br />

worden ist (siehe auch Kloiber, 2002)


21<br />

Eine weitere interessante Dunkelfeldstu<strong>die</strong> erforscht <strong>die</strong> Verbreitung von pädosexuellen<br />

Phantasien bei Erwachsenen. Briere (1998) untersuchte <strong>die</strong> Verbreitung pädophilier Phantasien<br />

in der Gesamtbevölkerung mittels einer Fragebogenstu<strong>die</strong> bei Studenten (N = 193). Die<br />

Ergebnisse der Stu<strong>die</strong> ergaben, dass<br />

- sich 21 Prozent der Studenten von kleineren Kinder sexuell angezogen fühlen;<br />

- neun Prozent der Studenten in ihren sexuellen Phantasien Kinder miteinbeziehen;<br />

- fünf Prozent zu <strong>die</strong>sen Phantasien onanieren <strong>und</strong> dass<br />

- sieben Prozent Sex mit Kindern hätten, wenn sie keine <strong>Strafverfolgung</strong> befürchten<br />

müssten.<br />

Die sexuellen Interessen an Kindern korrelieren mit frühen, negativen sexuellen Erlebnissen,<br />

mit der Gewohnheit, zu Pornografie zu onanieren, mit der Phantasie, Frauen zu vergewaltigen,<br />

mit häufig wechselnden SexualpartnerInnen, erlebten sexuellen Konflikten <strong>und</strong> dominanten<br />

Einstellungen gegenüber Frauen.<br />

Diese Stu<strong>die</strong> unterstützt mit der Aussage, dass pädosexuelle Phantasien weit verbreitet sind,<br />

<strong>die</strong> hohe Anzahl missbrauchter Kinder aus der Dunkelfeldforschung. Leider scheint es keine<br />

weiteren Untersuchungen zu geben, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se doch erstaunlichen Resultate stützen oder widerlegen<br />

könnten.<br />

Analysiert man <strong>die</strong> Ergebnisse von erfolgreichen Polizeiaktionen im Bereich Kinderpornografie<br />

nach Anzahl der Involvierten, drängt sich der Eindruck auf, dass zumindest das<br />

Interesse für kinderpornografische Darstellungen in der Bevölkerung weit verbreitet ist.<br />

So wurden im benachbarten Deutschland in den letzten zwei Jahren einige grosse Polizeiaktionen<br />

durchgeführt, bei denen regelmässig Tausende bis Zehntausende E-Mail-Adressen<br />

bei Einzelnen gef<strong>und</strong>en wurden 39 . In der Schweiz konnten alleine bei der Operation Genesis<br />

im Jahr 2002 über tausend Konsumenten identifiziert werden. Operationen in <strong>die</strong>ser Grössenordnung<br />

sind kein Einzelfall, auch in der Schweiz nicht.<br />

Aufgr<strong>und</strong> solcher Operationen geht das B<strong>und</strong>eskriminalamt (BKA) in Wiesbaden von 50’000<br />

bis 200’000 pädosexuellen Menschen in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland aus. In England<br />

sind 18'000 Menschen, vorwiegend Männer, als sexuelle Missbraucher registriert. In der<br />

Schweiz existieren bis anhin keine solchen Schätzungen. Es gibt aber keine vernünftigen<br />

Gründe anzunehmen, dass sich <strong>die</strong> Schweizer Bevölkerung hinsichtlich der Anzahl an pädosexuell<br />

Orientierten, beispielsweise von Deutschland, unterscheidet. Die Internetdichte eines<br />

Landes hat in <strong>die</strong>sem Deliktbereich wahrscheinlich einen grösseren Einfluss, wobei sich <strong>die</strong><br />

europäischen Länder dahingehend in den letzten Jahren stark angeglichen haben.<br />

Wir wissen bis anhin immer noch nichts Genaueres über den Zusammenhang zwischen pädosexueller<br />

Neigung <strong>und</strong> Konsum von Kinderpornografie. Die Untersuchung von Briere<br />

(1998) erlaubt uns zumindest schon <strong>die</strong> Aussage, dass Pornografiekonsum (nicht spezifisch<br />

Kinderpornografie) <strong>und</strong> sexuelle Phantasien mit Kindern statistisch korrelieren. Gibt es noch<br />

weitere Stu<strong>die</strong>n zu <strong>die</strong>sen Zusammenhängen, <strong>die</strong> uns bei der Frage weiterhelfen, ob Kinderpornografie-Konsumenten<br />

auch pädosexuelle Orientierungen aufweisen?<br />

39 Email-Adressen, <strong>die</strong> im Kontext von einschlägigen Gruppierungen auf dem Internet oder für den direkten<br />

Tausch von kinderpornografischen Darstellungen genutzt werden.


22<br />

4. Pädosexualität <strong>und</strong> Kinderpornografie<br />

Die Hauptfragen, <strong>die</strong> sich in Bezug auf den Zusammenhang zwischen Pädosexualität <strong>und</strong><br />

Kinderpornografie-Konsum stellen, sind:<br />

a) Sind Konsumenten von Kinderpornografie gr<strong>und</strong>sätzlich pädosexuell?<br />

b) Erhöht der Konsum von Kinderpornografie <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit, dass der <strong>Pädosexuelle</strong><br />

ein Kind missbraucht oder eben gerade nicht? Hat der Konsum von Kinderpornografie<br />

Ventilfunktion oder senkt er <strong>die</strong> Hemmschwelle?<br />

Zur Frage a) wurde bis anhin schon einiges geschrieben. Zum einen wurde festgehalten,<br />

dass es auch andere Motive gibt, sich Kinderpornografie anzuschauen, als das primäre Interesse<br />

am Kind als potentiellen Sexualpartner. Ist Neugier das Hauptmotiv, wird sich aber der<br />

Konsum auf wenige Betrachtungen beschränken 40 . Die Neugier sollte damit gestillt sein.<br />

Dass bei vielen Konsumenten auch anderen Formen von illegaler Pornografie gef<strong>und</strong>en<br />

werden, ist an sich kein Hinweis darauf, dass das Kind nicht als sexueller Schlüsselreiz funktioniert.<br />

Wir haben gesehen, dass es auch nicht-ausschliessliche Typen von Pädosexualität<br />

gibt <strong>und</strong> dass Paraphilien oft in Kombination auftreten.<br />

Zum anderen wurde <strong>die</strong> Frage im Kontext der Verbreitung gestellt. Die Behauptung, dass<br />

nicht alle Konsumenten von Kinderpornografie sich für Kinder als Sexualpartner interessieren<br />

- also pädosexuell veranlagt sind – wird damit begründet, dass es zu viele Kinderpornografiekonsumenten<br />

gäbe <strong>und</strong> Pädosexualität in der Bevölkerung nicht so verbreitet sein könne.<br />

Wie wir aber im vorhergehenden Kapitel festgestellt haben, gibt es doch einige Hinweise<br />

darauf, dass pädosexuelle Phantasien in der Bevölkerung verbreiteter sind, als gemeinhin<br />

angenommen. Zudem stellt sich bei den Resultaten zu den Opfererfahrungen im Bereich des<br />

Missbrauchs <strong>die</strong> Frage nach dem Ausmass der Täterschaft. Nach polizeilichen Erkenntnissen<br />

hat ein entdeckter Pädokrimineller zwar in der Regel schon mehrere Opfer auf dem Gewissen,<br />

dennoch muss das Ausmass an Opfern in einer gewissen Relation zum Ausmass<br />

der Täterschaft stehen.<br />

Die Frage, wie viele <strong>Pädosexuelle</strong> sich unter den Kinderpornografie-Konsumenten befinden,<br />

kann (noch) nicht abschliessend beantwortet werden. Bei zukünftigen Untersuchungen, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong>se Fragen beantworten wollen, müssen folgende Punkte berücksichtigt werden:<br />

- welche Person besitzt welche Arten von illegaler Pornografie in welchem Umfang?<br />

- Sammelt <strong>die</strong>se Person auch Darstellungen von Kindern, <strong>die</strong> nicht strafrechtlich relevant<br />

sind (FKK-Bilder, Katalogbilder, etc.), <strong>die</strong> darauf schliessen lassen, dass das<br />

Kind als solches einen Schlüsselreiz darstellt?<br />

- Wie ist <strong>die</strong> Ablage der Dateien bei der betreffenden Person organisiert? Deutet <strong>die</strong><br />

Dateiablage auf eine starke Beschäftigung mit dem Material hin?<br />

- Ist <strong>die</strong> betroffene Person in einschlägigen Internet-Gruppierungen engagiert?<br />

- Ist <strong>die</strong> betreffende Person in einschlägigen Deliktsbereichen polizeilich bekannt?<br />

- Ist <strong>die</strong> betreffende Person technisch so versiert, dass spezielle Austausch- <strong>und</strong> Verschlüsselungssoftware<br />

im Umgang mit kinderpornografischem Material vorhanden<br />

ist? 41<br />

Kann man <strong>die</strong>se Fragen beantworten, ist es möglich, eine Einschätzung zum Anteil der pädosexuelle<br />

Orientierten unter den Konsumenten zu machen. Dies hätte den Vorteil, dass<br />

man sich bei künftigen Polizeiaktionen stärker auf <strong>die</strong>jenigen Konsumenten konzentrieren<br />

40 Es ist aber in der Tat so, dass bei Aussagen zur Anzahl von Kinderpornografie-Konsumenten bei Polizeiaktionen<br />

nicht unterschieden wird, ob <strong>die</strong> Verdächtigten einmal oder mehrere Male auf Kinderpornoseiten zugegriffen<br />

haben. Untersuchungen zur Aktion Genesis beinhalten zwar <strong>die</strong>se Frage, <strong>die</strong> Resultate dazu stehen aber noch<br />

aus.<br />

41 Was auf eine intensivere Beschäftigung mit dem verbotenen Material hindeuten kann.


23<br />

könnte, <strong>die</strong> sich eindeutiger für Kinder als potentielle Sexualpartner interessieren. Die Gefahr<br />

eines Kindsmissbrauchs ist bei eindeutiger pädosexuell Interessierten grösser.<br />

Diese Überlegung führt uns direkt zur Frage b). Unabhängig vom Anteil <strong>Pädosexuelle</strong>r unter<br />

den Kinderpornografen, ist es wichtig zu wissen, ob der Konsum von Kinderpornografie das<br />

Risiko erhöht, dass ein <strong>Pädosexuelle</strong>r zur Tat schreitet.<br />

„Wenn schliesslich Kinderpornografie sehr vielen pädophil empfindenden Menschen hilft, ihre<br />

Neigung unter Kontrolle zu halten <strong>und</strong> kein Kind zu belästigen, ist sie vielleicht per se<br />

nicht schon gut, aber sicher das kleinere Übel. 42 “<br />

Dieses Zitat geht von der Annahme aus, dass der Konsum von Kinderpornografie helfe, <strong>die</strong><br />

Kinder vor „Belästigungen“ zu schützen. Pädophilenvereinigungen stützen <strong>die</strong>se These natürlich.<br />

Sie führen Forschungsresultate an, <strong>die</strong> belegen sollen, dass sexuelle Gewalt (an Kindern)<br />

in einer Nation zurückgeht, wenn sie über eine liberale Pornografie-Gesetzgebung verfügt.<br />

Die bekannteste Stu<strong>die</strong> dazu soll hier kurz Erwähnung finden.<br />

Berl Kutchinsky (1991) konnte mittels einer von der Regierung in Auftrag gegebenen Längsschnittstu<strong>die</strong><br />

zeigen, dass <strong>die</strong> nichtsexuellen Gewaltverbrechen in Dänemark, Schweden <strong>und</strong><br />

West-Deutschland zwischen 1964 <strong>und</strong> 1984 um 300 Prozent gestiegen sind, <strong>die</strong> Vergewaltigungsrate<br />

aller drei Länder aber während <strong>die</strong>ses Zeitraumes entweder zurückging oder konstant<br />

blieb, obwohl <strong>die</strong>se Länder gleichzeitig ihre Verbote sexueller Materialien erheblich lockerten.<br />

Speziell <strong>die</strong> Sexualverbrechen gegen Mädchen (unter 15 Jahren) sanken von 1965<br />

bis 1982 in Dänemark von 30 pro 100’000 auf 5 pro 100'000 EinwohnerInnen. In <strong>die</strong>sem<br />

Zeitraum herrschte, besonders in Dänemark, eine sehr liberale Haltung gegenüber der Kinderpornografie.<br />

Herstellung, Vertrieb <strong>und</strong> Erwerb waren möglich <strong>und</strong> ein freier Zugang zu<br />

sexuellen Darstellungen von Kindern gegeben. Geringere Anzeigebereitschaft wurde dabei<br />

als Gr<strong>und</strong> für den Rückgang ausgeschlossen.<br />

Solche Resultate müssen ernst genommen werden, auch wenn viele Kinderschutz- <strong>und</strong> feministische<br />

Bewegungen dagegen anrennen. Aber widerlegt ein solches Forschungsresultat<br />

<strong>die</strong> Annahme, dass Kinderpornografie auch den gegenteiligen Effekt haben kann? Kutchinsky<br />

(1991) gibt Auskunft über den Einfluss von liberalen oder repressiven Gesetzgebungen<br />

auf eine gesamte Bevölkerungsgruppe. Wie würde der Fall aussehen, wenn wir im Speziellen<br />

gefährdete Bevölkerungsgruppen anschauen würden?<br />

Gallwitz & Paulus (1998) führen in ihrem Buchkapitel „Ist jeder Konsument von Kinderpornos<br />

ein Pädophiler?“ aus, dass „es wohl Hinweise <strong>und</strong> Umfragen gibt, nach denen sich Pädophile<br />

mehr mit Magazinen wie „Sonnenfreuden“ oder anderen FKK-Postillen (…) beschäftigen.<br />

Doch alle Pädophilen <strong>und</strong> <strong>Pädosexuelle</strong>n, <strong>die</strong> wir kennen gelernt haben 43 <strong>und</strong> <strong>die</strong> sich zu ihrer<br />

Neigung bekannten, waren im Besitz von Kinderpornos.“ (S. 29)<br />

Beide Autoren befassen sich auch mit der Frage, ob “es sich bei Kinderpornografie um <strong>die</strong><br />

Vorstufe des sexuellen Missbrauchs handeln kann.“ (S.28) Sie vertreten dabei <strong>die</strong> Meinung,<br />

dass: „Pornografie nicht nur ein vorübergehend genutztes Ventil ist, ein Ersatz, eine Hilfe für<br />

<strong>die</strong> Selbstbefriedigung. Sie beeinflusst auch <strong>die</strong> Hemmung, <strong>die</strong> bisher von Straftaten abhielt,<br />

im Sinne einer Herabsetzung. Pornografie beeinflusst vor allem auch <strong>die</strong> sexuellen Phantasien<br />

<strong>und</strong> damit <strong>die</strong> sexuellen Bedürfnisse <strong>und</strong> <strong>die</strong> sexuellen Experimentierfreudigkeit. Und<br />

der gesellschaftliche Umgang mit Pornografie beeinflusst <strong>die</strong> gesellschaftliche Legitimation.“<br />

(S. 28).<br />

In Polizeikreisen seien zudem einige Sexualstraftäter bekannt, <strong>die</strong> exzessiv pornographisches<br />

Material konsumierten. Nun ist es wie bei anderen Themen auch in <strong>die</strong>sem Be-<br />

42 Anonymer Autor auf http://www.itp-arcados.net/<br />

43 Adolf Gallwitz ist Professor an der Hochschule für Polizei, Psychotherapeut <strong>und</strong> Polizeipsychologe <strong>und</strong> Leiter<br />

der Forschungsgruppe „Sexuelle Gewalt“. Manfred Paulus ist Kriminalhauptkommissar <strong>und</strong> Leiter des Deliktsbereichs<br />

Sexualstraftaten bei der Kriminalpolizei Ulm. In <strong>die</strong>sen Funktionen haben beide häufigen Kontakt mit <strong>Pädosexuelle</strong>n,<br />

aber in der Regel mit solchen, <strong>die</strong> strafrechtlich aufgefallen sind, was einer negativen Selektion entspricht.


24<br />

reich so, dass Umkehrschlüsse nicht immer so einfach anwendbar sind 44 . Wenn sich viele<br />

Sexualstraftäter oder Pädokriminelle mit Pornografie beschäftigen, heisst das umgekehrt<br />

nicht, dass der Konsum von Pornografie generell zu Straftaten animieren muss. Das heisst<br />

aber auch, dass man bei gewissen Risikogruppen differenziert schauen muss, was der Pornografiekonsum<br />

auslöst <strong>und</strong> welche Einflüsse eine Tat wahrscheinlicher machen.<br />

Ein wesentlicher Punkt, der von der psychologisch-psychiatrischen Fachliteratur betont wird<br />

(siehe dazu Exkurs II) ist der Suchtaspekt. Folgendes, ausführliches Zitat eines anonymen<br />

Pädophilen soll veranschaulichen, wie der Suchtaspekt im Bereich (Kinder-) Pornografie<br />

phänomenologisch in der Selbstwahrnehmung beschrieben wird:<br />

„Das bewegungslose Bild ermöglicht mir - mehr noch als der Film -, meinen eigenen "Porno"<br />

zu inszenieren. Unabhängig davon, ob mein Sexbegehren auf kleine oder große Menschen<br />

ausgerichtet ist, werde ich einen Rahmen schaffen, in welchem ich meinen Sex<br />

lustvoll erleben kann. Diesen Rahmen gestalte ich mir sowohl real als auch in der Phantasie.<br />

(…) <strong>Der</strong> Junge auf dem Bild sieht mich - nicht. Ich sehe ihn mit "seinem" (?) erwartungsvollen<br />

Blick - auf mich? Ich nehme ihn auf in meinen Rahmenbau für mein Phantasieszenario.<br />

Ich gestalte, ich konkretisiere so meine Beziehungsbedürftigkeiten auf ihn hin.<br />

Mit ihm? Ein Teil meiner Phantasie spielt ihn so, wie ich ihn begehre. (…) Ich halte das<br />

Benutzen von Pornomaterial für kontraproduktiv. Es suggeriert mir Nähe zu nur Gesehenem,<br />

Gedachtem <strong>und</strong> vergrößert so meinen Abstand zu real begehrten kleinen Menschen.<br />

Sie werden - sind - wie <strong>die</strong> Bilder. Ich sage dann: "Ich habe einen tollen Jungen gesehen",<br />

halte das für berichtenswert <strong>und</strong> erlebe mich mit ihm ... in nur meinen Rahmungen. Ich<br />

kenne das so, dass Menschen, <strong>die</strong> ständig ohne reale Sexbeziehungen leben, ihr Fehlen<br />

ständig mit ihrem Kopf/Körper an jede gesehene Realität herantragen. Die Welt wird Porno,<br />

<strong>die</strong> Welt wird irreal schön, löst überall neuerliches Begehren aus, <strong>und</strong> gleichzeitig finde<br />

ich keinen wirklichen Kontakt, keinen Einstieg in eine wirkliche Begegnung.(…) Meine Erfahrungen<br />

mit pornotauglichem Material sind identisch mit dem, was auch homosexuelle<br />

oder heterosexuelle Männer berichten. Nach einiger Zeit sind <strong>die</strong> Bilder, Hefte, Filme untauglich.<br />

Sie sind sozusagen verbraucht. Ihre anregende Potenz verliert sich. Was aber<br />

bedeutet das genau? Auf jeden Fall brauche ich neue Bilder, andere Posen. Ein Teil meiner<br />

Zeit verbringe ich nun mit der Beschaffung: der Reiz der Suche <strong>und</strong> das Erschließen<br />

neuer Quellen ist aufregend - fast schon Vorspiel. Es ist fast so, als lernte ich neue Jungen<br />

kennen. (…) Die Abnutzung trat schneller ein. Onaniegenuss wurde zunehmend flacher,<br />

unbefriedigender. <strong>Der</strong> Beginn mit neuerlichem Material war manchmal exzesshaft, unersättlich<br />

- bis zur rein körperlichen Erschöpfung <strong>und</strong> dann: Leere. (…) Neues Material ...<br />

oder ganz altes ... Unruhe <strong>und</strong> tiefe Einsamkeitsgefühle. <strong>Der</strong> Fluch der eigenen Gier? (….)<br />

Es wurde wie ein Sog. Die schnelle Verfügbarkeit der Bilder, das widerpartlose Integrieren<br />

der Jungen in meine Bedürfnisphantasien machte mich unsensibel in jeder Realität. Ich<br />

verhielt mich nicht mehr, ich glotzte nur noch: sehnsüchtig <strong>und</strong> schmachtend. (…..) Für einige<br />

Männer scheint es lange eine Frage der verschiedenen Umgangstechniken zu sein.<br />

Sie verändern von Zeit zu Zeit ihr Konsumverhalten bei Pornos. Analog den Alkoholikern:<br />

Verknappungsstrategien: nur wenige ... nur ein Bild ... erst heute Abend ... nur 50 DM im<br />

Monat dafür ... mal einen Tag aussetzen usw. 45<br />

Dieses ausführliche Zitat eines „pädophil empfindenden Menschen“ zu seinen Erfahrungen<br />

mit Pornografie verdeutlicht, wie sich durch das Betrachten der Bilder eine Eigendynamik<br />

entwickelt, <strong>die</strong> (fast) nicht mehr kontrolliert werden kann <strong>und</strong> wie sich durch einen exzessiven<br />

Konsum von pornografischen Darstellungen der Blick im Alltag verändert. <strong>Der</strong> Eindruck, dass<br />

über den Konsum der Schritt zum Missbrauch eher erleichtert oder forciert denn abgeschwächt<br />

wird, drängt sich auf.<br />

Die Frage, ob Pornografiekonsum <strong>die</strong> Sexualstraftat wahrscheinlicher macht, kann nicht<br />

pauschal beantwortet werden. Die Frage muss lauten, unter welchen Bedingungen der Konsum<br />

zur Tat antreibt. Dazu lesen wir bei Gallwitz <strong>und</strong> Paulus (1998): „<strong>Der</strong> Handlungsdruck,<br />

das Bestreben Phantasien umzusetzen, hängen neben der Steuerungsfähigkeit der Person<br />

von der Motivlage <strong>und</strong> Hemmschwelle <strong>und</strong> nicht von der Veranlagung, heterosexuell, homosexuell,<br />

bisexuell, pädosexuell oder promiskuitiv, ab. Erst bei Menschen, <strong>die</strong> ihr eigenes se-<br />

44 Diese Diskussion ist auch in den Bereichen Gewaltvideos <strong>und</strong> kriminelle Jugendliche, Waffen <strong>und</strong> psychisch labile<br />

Persönlichkeit oder Drogen <strong>und</strong> Psychosen u.a. schon an vielen Stellen geführt worden.<br />

45 Nachzulesen unter: http://www.itp-arcados.net/sonder/badporno/porno2000ke.html


25<br />

xuelles Verhalten nicht mehr unter Kontrolle haben, werden <strong>die</strong> sexuellen Phantasien zum<br />

Abnormen.“ (S. 30)<br />

Im aktuellen gesellschaftlichen Kontext kann ein Mensch, der sich sexuell nur von Kindern<br />

angezogen fühlt, seine Sexualität nicht legal ausleben. Kernpädophile müssen, setzen sie<br />

sich nicht über das Recht hinweg, ihre Sexualität ständig unter Kontrolle haben. Die völlige<br />

Kontrolle bedeutet keine partnerschaftliche Sexualität zu leben. Wir werden im empirischen<br />

Teil mehr über <strong>die</strong> Möglichkeiten <strong>und</strong> Unmöglichkeiten <strong>die</strong>ser Tatsache zu hören bekommen.<br />

Durch <strong>die</strong> theoretischen Ausführungen wurden - so hoffe ich - etwas Klarheit geschaffen. So<br />

sollte klar geworden sein, dass im Bereich der Pädosexualität <strong>und</strong> der Kinderpornografie <strong>und</strong><br />

deren Verbindungen noch Vieles unklar ist…<br />

Bevor wir uns den Aussagen der Interview-PartnerInnen widmen, noch einige Worte zu den<br />

Datenquellen <strong>und</strong> zum Umgang mit <strong>die</strong>sen.


5. Methodische Überlegungen<br />

26<br />

Wie bereits erwähnt, hat der empirische Teil <strong>die</strong>ser Arbeit keine repräsentative, sondern illustrative<br />

Funktion. Das soll aber nicht heissen, dass keine methodischen Überlegungen angestellt<br />

wurden, wenn auch in der Tat nicht sehr weitgehende. Am nächsten steht <strong>die</strong> Methodik<br />

den Gr<strong>und</strong>sätzen der Gro<strong>und</strong>ed Theory von Glaser <strong>und</strong> Strauss. 46<br />

„Es handelt sich dabei um eine Methodik der Theorie-Entwicklung auf der Basis einer detaillierten<br />

quasi mikroskopischen Untersuchung <strong>und</strong> Interpretation sozialer Phänomene. Hauptsächlich<br />

auf induktivem Entdeckungs-, Kontrastierungs- <strong>und</strong> Schlussfolgerungsweg werden<br />

<strong>die</strong> herausanalysierten Strukturen empirischer Einzelphänomene zu Theorie-Entwürfen verallgemeinert<br />

<strong>und</strong> im fortwährenden rekursiven Kontakt mit dem Untersuchungsfeld elaboriert.“<br />

(Breuer, 1996, S. 16).<br />

Die Nähe kann ich nicht durch systematisches, professionelles <strong>und</strong> sorgfältiges empirisches<br />

Arbeiten begründen, ein solches Vorgehen hätte den Rahmen <strong>die</strong>ser Arbeit gesprengt. Hingegen<br />

wurden gewisse Gr<strong>und</strong>sätze der qualitativen Sozialforschung im Allgemeinen <strong>und</strong> der<br />

Gro<strong>und</strong>ed Theory im Speziellen befolgt. Das heisst:<br />

- Die „Forscherin“, in <strong>die</strong>sem Kontext <strong>die</strong> Interviewerin, ist sich bewusst, dass sie Teil des<br />

Geschehens ist <strong>und</strong> thematisiert <strong>die</strong>s, wenn nötig, auch deutlich. Objektive Berichterstattung<br />

oder Darstellung ist weder Ziel noch Bedingung der Empirie.<br />

- Die Forscherin begibt sich ins Feld, zum Phänomen hin, das heisst in <strong>die</strong>sem Fall, dass<br />

ExpertInnenwissen direkt bei den Personen gesucht wird, <strong>die</strong> im Alltag auch mit dem interessierenden<br />

Phänomen arbeiten. Die Minimalversion des einmaligen Gesprächs mit Experten<br />

wurde zumindest eingehalten. Und<br />

- Daten zur Datenerhebung sind relevant <strong>und</strong> sollen transparent dargestellt werden.<br />

Bei der Gro<strong>und</strong>ed Theory geht das Bestreben dahin „ für Inhaltsbereiche, <strong>die</strong> wir als interessant<br />

<strong>und</strong> ungenügend konzeptuell aufgeklärt ansehen, differenzierte Theorie-Entwürfe zu<br />

entwickeln“ (Beuer, S. 21). Dies Bestreben gilt auch hier. In <strong>die</strong>sem Sinn sollten auch Maximen<br />

<strong>die</strong>ses Modell zumindest annähernd angewendet werden. Zum Beispiel wird <strong>die</strong> Kontrastbildung<br />

ernst genommen. Konkret bedeutet das, zur Thematik „der <strong>Pädosexuelle</strong> im<br />

<strong>Strafverfolgung</strong>sprozess“ nicht nur exemplarische Stimmen von FunktionsträgerInnen zu<br />

Wort kommen zu lassen, sondern auch kontrastierenden Stimmen aus demselben Funktionsbereich<br />

Raum zu geben. Wir haben Aussagen zu denselben Problempunkten <strong>und</strong> Themengebieten<br />

einander gegenüber gestellt. Aussagen anderer Personen mit denselben Funktionen<br />

im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess hätten das Bild ganz anders geprägt.<br />

<strong>Der</strong> Kontrastierung wurde aber zumindest dadurch Genüge getan, dass der Deliktstypus des<br />

<strong>Pädosexuelle</strong>n von verschiedenen Seiten besprochen wurde <strong>und</strong> daraus deutlich werden<br />

sollte, wie facettenreich der Umgang mit einem Delinquententypus <strong>und</strong> einem Deliktsfeld<br />

sein kann, wenn verschiedene Akteure in einem <strong>die</strong>sen Typus behandelnden Prozess einander<br />

gegenüber gestellt werden.<br />

Von Theoriebildung zu sprechen wäre in <strong>die</strong>sem Kontext verwegen. Eine gewisse konzeptuelle<br />

Arbeit soll aber dennoch geleistet werden, indem von einer aussenstehenden Warte <strong>die</strong><br />

Zusammenfassungen <strong>und</strong> Bündelungen kommentiert werden. Dies zum einen aus dem theoretischen<br />

Hintergr<strong>und</strong>wissen heraus, zum anderen aus der übergeordneten Perspektive der<br />

Interviewerin.<br />

Beim konkreten Arbeiten wurde auf folgende Punkte geachtet:<br />

• Die Datenquellen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Aufarbeitung sollen so transparent <strong>und</strong> nachvollziehbar wie<br />

möglich gehalten werden;<br />

• Bei den Gesprächspartnern <strong>und</strong> –partnerinnen handelt es sich um ausgewiesene<br />

Kenner <strong>und</strong> Expertinnen. Zudem spielten gewisse Überlegungen eine Rolle, <strong>die</strong> über<br />

46 Glaser, Barney G & Strauss, Anselm L. (1967)


27<br />

das Expertentum hinausgingen. Zum Beispiel war wichtig, dass Repräsentanten <strong>und</strong><br />

Repräsentantinnen der Polizeiorgane je aus einem städtischen <strong>und</strong> einem eher ländlichen<br />

Gebiet befragt werden konnten;<br />

• Die Gespräche wurden in ihrer Gesamtheit auf Tonband aufgenommen <strong>und</strong> nahe am<br />

Wort transkribiert. Die Transkripte der Gespräche finden sich alle im Anhang, damit<br />

auch der Kontext der Äusserungen nachvollzogen werden kann;<br />

• Die transkribierten Texte wurden in der Rohform den Gesprächspartnerinnen noch<br />

einmal vorgelegt um besser gewährleisten zu können, dass <strong>die</strong> Inhalte richtig erfasst<br />

wurden;<br />

• Alle Textausschnitte der verschiedenen Beteiligten zu mehr oder weniger derselben<br />

Thematik wurden zusammengestellt, um <strong>die</strong> verschiedenen Sichtweisen besser erkennen,<br />

<strong>und</strong> um <strong>die</strong> Hauptthemen herausfiltern zu können. Und schlussendlich wird<br />

versucht, Hypothesen für eine eventuelle, verbesserte Zusammenarbeit im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess<br />

zu formulieren.<br />

Die Methodik ist zugegebenermassen wenig ausgereift <strong>und</strong> entspricht kaum wissenschaftlichen<br />

Standards. Als Entschuldigung oder Trost soll gelten, dass sich aus der eher deskriptiven<br />

Haltung heraus interessante, weiterführende Fragen ergeben könnten, <strong>die</strong> es erlauben,<br />

in Folgearbeiten nach sauberen wissenschaftlichen Kriterien bearbeitet zu werden.


6. Stimmen der Beteiligten nach Funktion im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess<br />

28<br />

Im Folgenden werden <strong>die</strong> verschiedenen Aufgaben im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess in einzelnen<br />

Kapiteln aufgeführt, mit Zitaten der verschiedenen Beteiligten illustriert <strong>und</strong> im Anschluss<br />

kommentiert.<br />

Die Reihenfolge der Kapitel folgt dem chronologischen Ablauf des Prozesses. Das heisst,<br />

dass erst <strong>die</strong> Gesetzgebung (behandelt werden sollte), danach <strong>die</strong> Ermittlungsarbeit der Polizeien,<br />

<strong>die</strong> Rechtssprechung, <strong>die</strong> Begutachtung <strong>und</strong> schlussendlich <strong>die</strong> (forensische) Therapiearbeit<br />

behandelt wird. Als Zusatz sollen Pädophile selbst noch durch ihre Statements auf<br />

der Homepage der schweizerischen Pädophilenvereinigung zu Wort kommen <strong>und</strong> ihre<br />

Sichtweise darstellen können.<br />

Als Einstieg <strong>und</strong> als Übersicht handelt das erste, vom eigentlichen <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess<br />

unabhängige Kapitel von den Phänomenen, mit denen es <strong>die</strong> verschiedenen Beteiligten aus<br />

ihren Aufgaben heraus zu tun haben. Jede Aufgabe birgt auch eine gewisse Selektion des<br />

Zusammentreffens mit <strong>Pädosexuelle</strong>n in sich. So haben (<strong>die</strong> „Gesetzgeber“), <strong>die</strong> Ermittlungsbehörden,<br />

<strong>die</strong> Rechtssprecher, <strong>die</strong> Gutachter <strong>und</strong> <strong>die</strong> Therapeuten je ein anderes<br />

„Klientel“ vor sich. Es soll zum vornherein klar werden, mit welchen Personen <strong>die</strong> Beteiligten<br />

in ihrem konkreten Alltag arbeiten. Diesen Personen ist als einziges gemein, dass sie sich<br />

Kindern in einer Art nähern, <strong>die</strong> von geschriebenen <strong>und</strong> ungeschriebenen Gesetzen in unserer<br />

Gesellschaft nicht akzeptiert wird.<br />

Die Auswahl der Beteiligten am <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess ist leider nicht vollständig. Zum einen,<br />

weil einige Akteure im Planungsprozess nicht erkannt worden sind, wie zum Beispiel<br />

Vertreter der Vorm<strong>und</strong>schaftsbehörden oder von Opferschutzorganisationen. Zum anderen<br />

war es schwierig <strong>und</strong> aus zeitlichen Gründen nicht mehr machbar, VertreterInnen des Gerichtes<br />

für ein Gespräch zu gewinnen. Diese Mängel können teilweise indirekt behoben werden,<br />

in dem <strong>die</strong> Interviewten von ihren Erfahrungen mit <strong>die</strong>sen Behörden berichten, oder direkter,<br />

indem schriftliche Erzeugnisse der fehlenden Stellen zugezogen werden.<br />

Leser <strong>und</strong> Leserinnen, <strong>die</strong> keine Erfahrung mit wortnah transkribierten Aussagen haben,<br />

werden erstaunt sein ob der Holprigkeit <strong>und</strong> „grammatikalisch unkorrekten“ Sprache. Auch<br />

Personen, <strong>die</strong> im direkten Dialog „reden wie gedruckt“, sind befremdet, wenn sie ihre gesprochene<br />

Sprache in schriftlicher Form lesen. Ich hoffe, <strong>die</strong> GesprächspartnerInnen verzeihen<br />

mir, dass ich ihre Aussagen nicht in eine Schriftform gebracht habe. Um möglichst nahe<br />

an den Aussagen bleiben, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Lebendigkeit der Aussagen erhalten zu können, habe ich<br />

<strong>die</strong> transkribierte, gesprochene Sprache belassen.<br />

6.1. Unterschiedliche Begegnungen mit unterschiedlichen <strong>Pädosexuelle</strong>n<br />

Wie bereits erwähnt, wird im Anschluss – wiederum chronologisch dem Prozess folgend –<br />

mittels Zitaten aus den Interviews <strong>die</strong> konkrete Klientel dem Leser <strong>und</strong> der Leserin näher gebracht.<br />

Da es für <strong>die</strong> Gesetzgebung 47 nicht in dem Sinne RepräsentantInnen gibt wie für <strong>die</strong><br />

47 Als Übersicht zur Gesetzgebung, <strong>die</strong> pädosexuelle Delikte betreffen, <strong>die</strong> Kurzzusammenfassung vom B<strong>und</strong>esamt<br />

für Statistik (http://www.statistik.admin.ch/stat_ch/ber19/dthe19.htm):<br />

Seit 1. Oktober 1992 ist das revi<strong>die</strong>rte Sexualstrafrecht (Artikel 187-200 Strafgesetzbuch (StGB) über «strafbare<br />

Handlungen gegen <strong>die</strong> sexuelle Integrität», im folgenden auch als Sexualdelikte bezeichnet) in Kraft. Folgende Artikel<br />

betreffen dabei speziell <strong>die</strong> sexuelle Integrität von Minderjährigen:<br />

- Nach Artikel 187 werden sexuelle Handlungen mit Kindern unter 16 Jahren mit Zuchthaus bis zu 5 Jahren oder<br />

Gefängnis bestraft. Sie bleiben straffrei, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei<br />

Jahre beträgt. Die Verjährung tritt nach 10 Jahren ein. Seit dem 1. Oktober 2002 dauert <strong>die</strong> Verfolgungsverjährung<br />

mindestens bis zum vollendeten 25. Lebensjahr des Opfers (Art. 70 Ziff.2 StGB).<br />

- Handelt es sich bei den sexuellen Handlungen mit Kindern indessen um eine sexuelle Nötigung, eine Vergewaltigung<br />

oder eine Schändung, so sind in erster Linie <strong>die</strong> Artikel 189, 190 oder 191 StGB anwendbar, <strong>die</strong> eine<br />

Höchststrafe von 10 Jahren Zuchthaus vorsehen. Da <strong>die</strong>se Bestimmungen zusammen mit Artikel 187 StGB zur<br />

Anwendung kommen, kann <strong>die</strong> Höchststrafe in solchen Fällen aufgr<strong>und</strong> von Artikel 68 StGB 15 Jahre Zuchthaus<br />

betragen.


29<br />

anderen Aufgaben, hätten an <strong>die</strong>ser Stelle Kommentare von StrafrechtsexpertInnen oder relevante<br />

B<strong>und</strong>esgerichtsentscheide beigezogen werden können. Da <strong>die</strong> Schreibende selbst<br />

keine juristische Fachausbildung genossen hat <strong>und</strong> <strong>die</strong> Suche nach dem „Menschenbild hinter<br />

der Gesetzeslage“ <strong>die</strong>s erfordern <strong>und</strong> zudem eine Arbeit für sich darstellen würde, wird<br />

hier auf <strong>die</strong>se Aufgabe verzichtet.<br />

Ein ausführlicher Teil schildert nun <strong>die</strong> Sicht der Polizei. Die Ausführlichkeit rührt daher,<br />

dass in den Gesprächen mit VertreterInnen der Polizeiorgane ein Hauptgewicht auf <strong>die</strong> verschiedenen<br />

Typen von Delinquenten bei der Ermittlungsarbeit gelegt wurde.<br />

Lassen wir zuerst <strong>die</strong> Stadtzürcher zu Wort kommen. Die Zürcher Stadtpolizei ermittelt gegen<br />

Konsumenten von Kinderpornografie (Besitz etc.) oft infolge von Anzeigen wegen<br />

Kindsmissbrauch. Die Anzeigen kommen in der Regel von Spitälern, Schulen, anderen Behörden<br />

oder von Familien respektive den Opfern selbst. Ausschliesslich zu Kinderpornografie<br />

eröffnen sie Verfahren aus Meldungen von KOBIK 48 . Besitzende von Kinderpornografie<br />

scheinen, nach Erfahrungen der Polizei in Zürich, technisch nicht sonderlich versiert zu sein:<br />

Die, <strong>die</strong> wir bis jetzt rein genommen hatten, waren entweder so gut auf dem PC, dass wir<br />

nichts gemerkt haben oder es waren wirklich Banausen. Solche, <strong>die</strong> ihre Daten wirklich mit<br />

eindeutigen Namen kennzeichnen, wie Lolitas oder so, offensichtlich für alle sichtbar. Wir<br />

hatten bis jetzt noch keinen, der seine Sachen wirklich gut versteckt hat. Wir hatten einen,<br />

der seine Bilddateien oder Filme präparierte, dass man meinen konnte, es wären Word-<br />

Dokumente. Er hat einfach das .avi durch ein .doc ersetzt, aber von der Grösse her hat<br />

man das sofort gemerkt. Aber das war nur einmal der Fall. Einen Fall hatten wir mit einem<br />

speziellen Programm, aber er wusste selbst nicht, es zu gebrauchen. Wir hatten schon<br />

Personen, <strong>die</strong> nach dem 1.4.02, nachdem der Besitz von Kinderpornografie strafbar wurde,<br />

einfach alles auf ihren Temp-Files lassen <strong>und</strong> irgendwie aufbewahren können.<br />

Bei Hausdurchsuchungen fällt den StadtzürcherInnen aber auch auf, dass viele strafrechtlich<br />

nicht relevantes Material besitzen, mit dem sie ihre (sexuellen) Fantasien befriedigen:<br />

Und bei vielen Fällen finden wir auch Kinderpornografie, aber viel auch im Grenzbereich,<br />

so Hamilton-Zeugs <strong>und</strong> Sachen, <strong>die</strong> nicht eindeutig strafrechtlich relevant sind.<br />

Was uns zum Beispiel auffällt ist, dass bei jedem rechten <strong>Pädosexuelle</strong>n, der h<strong>und</strong>erte von<br />

Videos zu Hause hat, h<strong>und</strong>ertprozentig mindestens eine Kassette zur Miniplayback-Show<br />

vorhanden ist. Generell haben sie Kindersendungen zu Hause. Auch Kassetten von beispielsweise<br />

Michel aus Löhneberg, es muss nicht mal was Sexuelles oder so sein. Die<br />

stehen auf Kindersendungen. Auch fast alle haben FKK-Heftchen, sie machen da Ausdrucke.<br />

Zudem haben viele auch Jelmolikataloge oder ähnlich, in denen sie dann einfach <strong>die</strong><br />

Kindermodels anschauen. Sie schneiden dann Kinder aus <strong>und</strong> sammeln <strong>die</strong>, stapelweise.<br />

Und Bücher über Kindsmissbrauch, das haben auch fast alle. Da markieren sie dann <strong>und</strong><br />

lesen das intensiv. Sie post-iten dann <strong>die</strong> Seiten, bei denen es ums Ermitteln, ums Überführen<br />

<strong>und</strong> so geht. Sie sammeln Infos, damit sie sich selber schützen können, wenn sie<br />

dann mal verhaftet werden würden.<br />

Mit dem Delinquenten, der sich Kindern sexuell nähert, haben <strong>die</strong> ErmittlerInnen folgende Erfahrungen<br />

gemacht:<br />

Wir hatten gerade in letzter Zeit den Fall des Coiffeurs 49 . Er ist nicht der Intelligenteste, der<br />

in der Badi unter Wasser kleine Jungs oral befriedigte <strong>und</strong> behauptete, <strong>die</strong> Kleinen hätten<br />

das von ihm verlangt <strong>und</strong> er hätte ihnen nur einen Gefallen getan. <strong>Der</strong> ist völlig uneinsich-<br />

- Wer mit einer unmündigen Person von mehr als 16 Jahren, <strong>die</strong> von ihm durch ein Erziehungs-, Betreuungs- oder<br />

Arbeitsverhältnis abhängig ist, sexuelle Handlungen vornimmt, wird nach Artikel 188 mit Gefängnis bestraft.<br />

- Wer eine unmündige Person der Prostitution zuführt, wird nach Artikel 195 mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren oder<br />

Gefängnis bestraft.<br />

- Das Anbieten von pornographischen Schrift- oder Bilddokumenten an Personen unter 16 Jahren gemäss Artikel<br />

197, Ziffer 1, sowie das Herstellen oder Anbieten von Aufnahmen, <strong>die</strong> gemäss Artikel 197, Ziffer 3 sexuelle Handlungen<br />

mit Kindern oder Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, wird mit Gefängnis oder Busse bestraft.<br />

Wir konzentrieren uns vorwiegend auf <strong>die</strong> Artikel 187 <strong>und</strong> 197 StGB.<br />

48 Das Verfahren zur Operation Genesis wurde im Kanton Zürich ausschliesslich von der Kantonspolizei geführt.<br />

49 Über <strong>die</strong>sen Fall wurde in den Me<strong>die</strong>n berichtet.


30<br />

tig. <strong>Der</strong> Bademeister hat ihn da an den Ohren aus dem Wasser gezogen. Diesen Typ sehen<br />

wir ab <strong>und</strong> zu, <strong>die</strong> sind recht dumm uneinsichtig.<br />

Bei anderen, konkreten Beispielen bekommt man den Eindruck, dass es sich eher um sozial<br />

wenig integrierte Personen handelt:<br />

Es gibt <strong>die</strong> Ungepflegten, „Verdruckten“, meist auch sehr abstossend, vernachlässigt <strong>und</strong><br />

ungepflegt. Einer, der schon vor 10 Jahren wegen sexuellen Handlungen mit Kindern verurteilt<br />

wurde, hat über Migros <strong>und</strong> Coop Inserate aufgehängt, dass er Jungs für Kopierarbeiten<br />

suchen würde. Die Jungs fanden aber fast alle - wir hatten einige von denen hierder<br />

sei gar nicht so schlimm. Auch <strong>die</strong> Eltern fanden den meist nett. Das sei ein Lässiger,<br />

ein Netter, aber als wir den sahen, das war wirklich widerlich. Er hat auch noch Nachhilfe<br />

gegeben, gratis, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Wohnung sah wirklich aus wie er. Wir konnten nicht verstehen,<br />

dass <strong>die</strong> Eltern <strong>die</strong>ser Person ihre Kinder in <strong>die</strong>se Wohnung anvertrauten. Nur eine Mutter<br />

hat <strong>die</strong> Wohnung gesehen <strong>und</strong> hat ihr Kind grad wieder mitgenommen. Man muss dazu<br />

schon noch sagen, dass bis auf eines alle Kinder Ausländerkinder waren. Er hat dann mit<br />

den Kindern ein „Königsspiel“, ein Kartenspiel gemacht, das ging so: wenn der Junge gewonnen<br />

hat, hat das Kind 5 Franken bekommen <strong>und</strong> wenn er gewonnen hat, durfte er sich<br />

was wünschen, so ausziehen <strong>und</strong> anfassen. Die Übergriffe gingen recht weit, <strong>die</strong> sind<br />

dann auch im Bett gelandet <strong>und</strong> haben einander betatscht. Zudem hatte er eine Holzkiste<br />

in Kindergrösse gebastelt mit Ösen zum Fesseln daran <strong>und</strong> er hatte auch Peitschen <strong>und</strong><br />

so weiter. Für uns ist das ein ganz Gefährlicher <strong>und</strong> den hat man über Jahre therapiert.<br />

(…) Aber bei den <strong>Pädosexuelle</strong>n finden wir schon typische Sachen, wie gesagt. Es sind<br />

übrigens oft „Messies“, <strong>die</strong> extrem sammeln <strong>und</strong> <strong>die</strong> Wohnung mit irgendwelchen Sachen<br />

voll gestopft haben. Häufig finden wir auch Sammler von Modellen wie Flugzeuge, Autos,<br />

Eisenbahnen, alles so auf Rädern, was Buben eben auch mögen. Viele sind wie gesagt<br />

sehr ungepflegt. Das hören wir auch von Opfern, dass sie sagen, dass der Täter stinke.<br />

Das sind schon Hinweise, dass sie sozial verwahrlost sind. Solche, <strong>die</strong> nie Gutes erfahren<br />

haben <strong>und</strong> Kinder sind <strong>die</strong> einzigen Ansprechpartner für sie, <strong>die</strong> komman<strong>die</strong>ren <strong>die</strong> nicht<br />

rum, da schaut jemand zu ihnen auf, manchmal suchen <strong>die</strong> gar nicht Kinder als Sexualpartner<br />

weil sie das so wollen, sondern weil sie bei den Erwachsenen draussen sind<br />

Solche <strong>Pädosexuelle</strong> kann man am ehesten als sozial Ausgegrenzte, auf Kinder fixierte Personen<br />

bezeichnen, <strong>die</strong> ihre Aktivität darauf ausrichten, Kinder zu treffen <strong>und</strong> sich ihnen in<br />

sexueller Absicht zu nähern. Die Ermittelnden sagen von sich aus, dass es sich wohl um eine<br />

Art Negativselektion handelt. Diese Männer fallen auf, weil sie sich auffällig in Badeanstalten<br />

oder auf Spielplätzen bewegen, weil sie zum Teil sozial verwahrlost sind <strong>und</strong> auch<br />

weil sie unvorsichtig werden in ihrem Tun. Zudem handelt es sich bei den beschriebenen<br />

Fällen um ausserfamiliäre Täter, <strong>die</strong>, wie man weiss, eher angezeigt werden, auch wenn sie<br />

prozentual in der Minderheit sind.<br />

Bei der sozialen Ausgrenzung, ob in Folge oder als Ursache oder unabhängig von der sexuellen<br />

Orientierung auf Kinder, können der Computer <strong>und</strong> das Internet eine spezielle Rolle<br />

spielen:<br />

Wir haben schon auch sozial Ausgegrenzte, <strong>die</strong> sich am Computer dann ausleben. Einer<br />

zum Beispiel, der wurde am Chat süchtig <strong>und</strong> suchte nach Mädchen, <strong>die</strong> Sex mit ihm wollen.<br />

Er behauptete dann schon, dass er nur schauen wolle, ob es das gäbe, aber das sagen<br />

alle. Er meinte aber, das sei nur der Reiz des Verbotenen <strong>und</strong> er suche eigentlich<br />

nicht Kinder oder Jugendliche als Sexualpartner. Wir denken schon, dass <strong>die</strong>, <strong>die</strong> den<br />

Schritt am Chat machen <strong>und</strong> dann zu einem Treffen übergehen wollen, dass <strong>die</strong> schon<br />

sehr gefährdet sind, weiter zu gehen, wenn sich <strong>die</strong> Gelegenheit ergibt.<br />

Auf <strong>die</strong> Rolle des Internets kommen wir im Anschluss noch einmal zu sprechen, wenn es um<br />

ein Verfahren der Stadtzürcher Polizei geht.<br />

Auf meine Frage, ob es in Zürich auch eine Art „Oberschichtspädophilie“ oder „Pädophilenringe“<br />

gäbe, meinten <strong>die</strong> Polizisten <strong>und</strong> Polizistinnen:<br />

Ja sicher, aber <strong>die</strong> sind raffinierter, an <strong>die</strong> kommen wir schlecht. Es wäre unser Ziel, dass<br />

wir mal an einen Pädoring rankommen. Aber das ist sehr schwierig, das wäre eher ein Zufallstreffer.<br />

Wir glauben auch, dass das nicht unbedingt richtige Pädos sind, sondern solche,<br />

<strong>die</strong> das Kickmässige, Dekadente suchen <strong>die</strong> sich mal was „Besonderes“ leisten.


31<br />

Wir sind sicher, dass es das gibt, in Zürich <strong>und</strong> in der Schweiz sonstwo. Aber eben, wie<br />

kommen wir an <strong>die</strong> Ringe ran? Einzelfälle hatten wir durchaus, Ärzte, Pfarrer, Lehrer, aber<br />

der Ring ist in einer anderen Sphäre. Wenn wir nicht verdeckt arbeiten können, wenn wir<br />

das Equipment nicht haben, dann ist das aussichtslos.<br />

Die angesprochene Negativselektion kommt auch hier zum Tragen. Gehen Täter raffinierter<br />

vor, sind vorsichtiger <strong>und</strong> eventuell auch intelligenter, fehlen der Polizei <strong>die</strong> Mittel <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Zeit, um an sie heranzukommen.<br />

Ein weiterer Deliktstypus ist typisch städtisch. Interessant bei folgenden Ausführungen ist <strong>die</strong><br />

Rolle der Opfer:<br />

Die andere Kategorie sind <strong>die</strong> neugierigen Kinder oder Jugendlichen. Das haben wir schon<br />

einige Male gesehen. Die gehen dann ins Internet, auf eine Gayseite <strong>und</strong> posten was aufs<br />

Anschlagbrett mit der Mitteilung, dass sie interessiert sind an Boysex <strong>und</strong> wer sie da einführen<br />

könne. Dann kommt es zu einem Treffen. (…)<br />

Ja, <strong>die</strong> sind so 14 oder 15. Die Täter sind dann nicht unbedingt <strong>Pädosexuelle</strong>. Das sind oft<br />

Homosexuelle <strong>und</strong> <strong>die</strong> suchen junge Männer, es ist ihnen aber egal, wie jung <strong>die</strong> sind. Die<br />

würden dann auch ältere Männer nehmen. Bei unserem Gaynet-Verfahren, das ist quasi<br />

ein Tummelplatz für Homosexuelle, <strong>die</strong> sich treffen wollen, es geht nur ums Sexuelle. Einige<br />

sagen klar, dass sie keine Männer unter 16 suchen <strong>und</strong> wenn das so ist, ist das auch<br />

kein Problem. Es hat da auch keine, <strong>die</strong> nur auf Kinder stehen.<br />

Beim angesprochenen Gaynet-Verfahren haben Ermittler der Stadtpolizei eine minderjährige<br />

Legende kreiert <strong>und</strong> sind selbst aktiv auf dem Gay-Chat präsent gewesen. Ohne dass sie<br />

selbst Angebote gemacht hatten, wurden sie mit eindeutigen Vorschlägen zu Treffen überhäuft.<br />

Es kam zu einigen Verhaftungen von erwachsenen Männern, <strong>die</strong> sich mit minderjährigen<br />

Knaben explizit für sexuelle Aktivitäten treffen wollten. Wie im Zitat erwähnt, handelt es<br />

sich bei den betroffenen Tätern nicht unbedingt um pädosexuell Veranlagte, sondern um<br />

Männer, denen das sexuelle Abenteuer wichtig ist, <strong>die</strong> sich aber auch nicht um strafrechtliche<br />

oder ethische Barrieren kümmern.<br />

Dass es sich bei <strong>die</strong>ser Kategorie nicht ausschliesslich um Homosexuelle handelt, zeigt folgendes<br />

Zitat, das ein anderes, aber dennoch ähnliches Phänomen anspricht:<br />

Da haben wir halt auch junge Mädchen, <strong>die</strong> sich für Geld prostituieren, nicht immer <strong>und</strong><br />

nicht extrem, aber <strong>die</strong> haben ihre Männer, <strong>die</strong> sie kennen <strong>und</strong> für ein T-Shirt rufen <strong>die</strong> einen<br />

an <strong>und</strong> erlauben ihm, sie ein wenig anzufassen.<br />

Diese „halb-professionelle“ Prostitution junger Mädchen <strong>und</strong> auch Jungen aus städtischem<br />

Milieu <strong>und</strong> oft aus unterprivilegierten Kreisen ausländischer Herkunft, beschäftigt <strong>die</strong> Stadtpolizei<br />

sehr:<br />

In Zürich sind schon <strong>die</strong> Albaner-Kinder auffällig häufig in Verfahren involviert, <strong>die</strong> entweder<br />

miteinander umherziehen oder bereits in den Asylantenheimen angegangen werden.<br />

Die machen viel für Geld. Es sind schon viele Ausländerkinder, <strong>die</strong> nicht betreut sind, <strong>die</strong><br />

alleine auf sich gestellt sind <strong>und</strong> mit den Kollegen umherziehen. Die haben Sex als Geldquelle<br />

entdeckt. Wenn wir sie aufgreifen ist das schlimm für sie, weil wir das auch den Eltern<br />

sagen müssen.<br />

Die Kinderschutz-Gruppe der Stadtpolizei hat es in <strong>die</strong>sen Fällen nicht unbedingt mit <strong>Pädosexuelle</strong>n<br />

zu tun <strong>und</strong> weiss auch, dass <strong>die</strong> Opfer hier eine sehr aktive Rolle spielen. Nichtsdestotrotz<br />

handelt es sich bei <strong>die</strong>sen Fällen <strong>und</strong> eine Verletzung des Strafgesetztes <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Polizei muss eingreifen. Die Täter, ob es sich um <strong>Pädosexuelle</strong> oder eher um Ephebophile 50<br />

handelt oder um solche, denen das Alter der SexualpartnerInnen egal ist, müssen auch bei<br />

Konstellationen, bei denen <strong>die</strong> Jugendlichen sehr viel Initiative zeigen, mehr Verantwortung<br />

tragen können. Wichtig bei <strong>die</strong>sem Phänomen ist <strong>die</strong> <strong>die</strong> Konzentration auf <strong>die</strong> Stadt, auf<br />

spezielle, unterprivilegierte, jugendliche Opfer. Zudem zeigt <strong>die</strong>ses Phänomen auch <strong>die</strong> Rolle<br />

des Internets, das solche Treffen begünstigen <strong>und</strong> beschleunigen kann.<br />

50<br />

Als Ephebophilie oder als Hebephilie bezeichnet man <strong>die</strong> sexuell-erotische Neigung zu geschlechtsreifen Jugendlichen.


Zusammenfassend ist aus der Stadtzürcher Optik festzuhalten,<br />

32<br />

• dass sie es in ihrer Arbeit mit verschiedenen Deliktstypen zu tun haben, dass ihnen<br />

aber auch Gemeinsamkeiten auffallen;<br />

• dass es vom Anzeigeverhalten der Bevölkerung, vom Milieu, von der urbanen Umgebung<br />

<strong>und</strong> von den polizeilichen Mitteln, <strong>die</strong> ihnen zur Verfügung stehen, abhängt, mit<br />

welcher Art Täterschaft sie in Kontakt kommen;<br />

• dass <strong>die</strong> Selektion sowohl auf Täter- als auch auf Opferseite eher unterprivilegierte<br />

Schichten betrifft <strong>und</strong><br />

• dass das Internet das Phänomen der Pädosexualität verändert hat.<br />

<strong>Der</strong> typisch städtischen Sicht soll des Weiteren <strong>die</strong> Polizeisicht aus eher ländlichen Regionen<br />

gegenüber gestellt werden.<br />

Die Vertreterinnen der Kantonspolizei <strong>Bern</strong> beginnen ihre Ausführungen mit theoretischem<br />

Wissen über verschiedene Typen von <strong>Pädosexuelle</strong>n, <strong>die</strong> sie aber auch in der Praxis antreffen:<br />

Ich habe ein Buch gef<strong>und</strong>en, dass differenziert Typen beschreibt <strong>und</strong> wir finden das in unserer<br />

Arbeit auch in der Art. Er (Jungjohann) unterscheidet Kernpädophilie, infantile Pädophilie,<br />

senile Pädophilie <strong>und</strong> Pädophilie im Beruf, also der Pädagoge, der das auch teilweise<br />

sublimieren kann, aber manchmal halt auch nicht. Und ich sehe das auch so, in <strong>die</strong>sem<br />

Bereich gibt es relativ Viele.<br />

<strong>Der</strong> Kernpädophile ist einfach der, der nur mit Kindern als Geschlechtspartner etwas anfangen<br />

kann. Und <strong>die</strong> kennen wir auch, <strong>die</strong> gibt es. Wir erkennen <strong>die</strong>, weil sich jemand<br />

meldet, seien <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Betroffenen selber oder es kommt z.B. von KOBIK eine Meldung.<br />

Meldungen können durchaus auch aus dem sozialen Nahraum kommen, <strong>die</strong> suchen sich<br />

nicht nur fremde Kinder, er kann sich durchaus auch Kinder aus seinem Umfeld suchen.<br />

Sie suchen ja oft erst das Vertrauen der Mutter oder der Eltern.<br />

Er kann auch als Kinderpornografie-Konsument in Erscheinung treten, das muss aber<br />

nicht sein Wir haben auch schon festgestellt, dass <strong>die</strong> gar nichts Belastendes auf ihrem<br />

Computer haben. Wir denken, das ist auch eine Vorsichtsmassnahme, weil <strong>die</strong> denken,<br />

dass evt. der Vater des Kindes schauen kommen will, was <strong>die</strong> da zusammen am Computer<br />

spielen.<br />

Im Gegensatz zu den Stadtzürchern werden <strong>die</strong> Erfahrungen mit typischen F<strong>und</strong>en bei<br />

Hausdurchsuchungen nicht geteilt. In Bezug auf <strong>die</strong> intellektuellen Fähigkeiten <strong>und</strong> auch Berufsfelder<br />

sehen aber auch <strong>die</strong> <strong>Bern</strong>erinnen Unterschiede:<br />

Uns fällt auf, dass <strong>die</strong> ein irrsinniges Gespür für Kinder haben, <strong>die</strong> wissen wirklich, was<br />

Kinder wollen <strong>und</strong> können sich da richtig einfühlen. Die sind aber nicht unbedingt in <strong>die</strong>sen<br />

pädagogischen Berufen, dass ist dann eher der andere Typus, der Pädagoge. Die in den<br />

typischen Berufen scheinen uns eher <strong>die</strong> Intellektuelleren zu sein. <strong>Der</strong> Kernpädophile ist<br />

nicht unbedingt sehr intelligent. Aber auch nicht der infantile Typus, wie er im Buch unterschieden<br />

wird, sondern einfach ein Handwerker, oder einer mit einem normalen, durchschnittlichen<br />

Beruf. Es gibt schon auch so ganz Einfache, <strong>die</strong> wie Kinder wirken. Ich denke<br />

da an einen, der fuhr immer mit einem Töffli rum mit Anhänger <strong>und</strong> hat immer Kinder rumgefahren.<br />

<strong>Der</strong> war sehr typisch, der konnte mit einer Frau gar nicht kommunizieren, der<br />

hatte da gar keinen Bezug. Wir wissen aber nicht, ob es so ist, weil er nicht an Frauen herankommt<br />

oder weil <strong>die</strong> Anziehung für Kinder stärker ist.<br />

Bei Kernpädophilen kippt es dann relativ schnell zum infantilen Typus, der dann wirklich<br />

zurückgeblieben ist. Das würde nie gehen mit einer erwachsenen Frau. Die können mit<br />

Erwachsenen keine Beziehung eingehen. Aber dennoch haben sie halt Körper von Erwachsenen.<br />

Das theoretische Wissen spiegelt sich insofern in den Gesprächsausschnitten, als in <strong>die</strong><br />

Schilderung der Begegnungen mit Delinquenten bereits Überlegungen zu Motiven <strong>und</strong> Ursachen<br />

einfliessen. Auch mit Extremfällen hat <strong>die</strong> Regionalfahndung <strong>Bern</strong> bereits Erfahrungen<br />

sammeln müssen. Auf <strong>die</strong> Frage, ob Gewaltanwendungen bei den sexuellen Übergriffen<br />

häufig seien:


33<br />

Es gibt es schon auch, aber <strong>die</strong> Fälle, in denen keine physische Gewalt angewendet wurde,<br />

überwiegen. Es gibt schon auch <strong>die</strong> sadistischen Typen, aber bei denen geht es eigentlich<br />

nicht um das Kind, sondern um das kindliche Verhalten. Weil es keine Macht hat,<br />

weil es sich nicht wehren kann. Da kann der sadistische Typ einfacher Macht ausüben. Die<br />

haben Angst vor Frauen <strong>und</strong> vor Männern sowieso. Da geht es um <strong>die</strong> Lust am quälen <strong>und</strong><br />

am erniedrigen, um Macht ausüben. Wir hatten einen Fall, der zwei Mädchen vergewaltigt<br />

hat <strong>und</strong> man ist dem erst drei Jahre später auf <strong>die</strong> Spur gekommen, weil eine Mutter das<br />

Tagebuch ihrer Tochter gef<strong>und</strong>en hat <strong>und</strong> da stand drin, dass <strong>die</strong>ser Mann, der ein Bekannter<br />

der Familie war, das Kind sexuell missbraucht hat. Man hat dann im Anschluss<br />

noch weitere missbrauchte Kinder gef<strong>und</strong>en.<br />

Auch <strong>die</strong> Alterspädophilen werden im Gespräch erwähnt:<br />

Und eben, wir haben auch den senilen Typus, bei dem aber Hirnabbauprozesse <strong>und</strong> ein<br />

verändertes Lebensumfeld eine Rolle spielen. Meist war das Leben <strong>die</strong>ser Täter im Vorfeld<br />

normal.<br />

Im Gegensatz zu den Zürchern haben <strong>die</strong> Gesprächspartnerinnen keine Probleme mit Jugendlichen,<br />

<strong>die</strong> sich für Geld mit erwachsenen Männern einlassen. Sie verweisen für <strong>die</strong>se<br />

Frage an <strong>die</strong> Stadtpolizei <strong>Bern</strong>. Mit pädophilen Ringen, in denen Männer aus eher besseren<br />

Kreisen verkehren, hatte aber auch <strong>die</strong> Kantonspolizei <strong>Bern</strong> zu tun <strong>und</strong> auch hier werden <strong>die</strong><br />

mangelnden Ressourcen <strong>und</strong> Mittel zu deren Bekämpfung beklagt:<br />

Wir haben auch schon in Pädophilenkreisen ermittelt. Bei Pädophilen, <strong>die</strong> auch dazu gestanden<br />

sind. Das war so vor sechs Jahren, der Fall R. <strong>und</strong> Konsorte, <strong>die</strong> hatten Kontakte<br />

untereinander, da gingen Briefe hin <strong>und</strong> her, aber das war alles altes Material. Da konnte<br />

man nichts mehr machen.<br />

Aber eben, es ist generell auch eine Frage der Ressourcen, wir können mit Müh <strong>und</strong> Not<br />

<strong>die</strong> Fälle bearbeiten, <strong>die</strong> bei uns angezeigt werden. Da mal in einen Fall richtig reingehen,<br />

mit Telefonkontrollen <strong>und</strong> so, da haben wir einfach keine Zeit. (…)<br />

Es gibt gr<strong>und</strong>sätzlich keine Schichtzuteilung bei den Pädophilen, das kommt in allen<br />

Schichten vor, aber von Ringen aus der Oberschicht? Im Fall R., ja, <strong>die</strong> haben schon eher<br />

in der Oberschicht verkehrt. Aber wir wissen halt auch nicht mehr.<br />

Die ausgewählten Zitate aus Polizeikreisen ergeben zwar keinen repräsentativen, aber dennoch<br />

einen eindrücklichen Überblick über <strong>die</strong> Kontakte, <strong>die</strong> zwei unterschiedliche Polizeikorps<br />

mit <strong>Pädosexuelle</strong>n in ihrer täglichen Arbeit haben. Wie auch <strong>die</strong> Zürcher, haben <strong>die</strong><br />

<strong>Bern</strong>er Erfahrungen mit unterschiedlichen Delinquenten, dennoch sind Unterschiede auszumachen:<br />

• Die Schichtzugehörigkeit ist bei der Polizeiarbeit in einer eher ländlichen Region weniger<br />

auffällig, was eventuell mit der grösseren Durchmischung der Bevölkerung auf<br />

dem Lande zu tun hat;<br />

• Das Internet scheint bei der Regionalfahndung eine weniger grosse Rolle zu spielen<br />

51 ;<br />

• Die Problematik der sozial ausgegrenzten oder verwahrlosten <strong>Pädosexuelle</strong>n wurde<br />

von den <strong>Bern</strong>erinnen nicht erwähnt. Vielleicht weil <strong>die</strong> soziale Ausgrenzung oder<br />

auch der Wunsch nach Isolation oder Anonymität Leute eher in <strong>die</strong> städtische Umgebung<br />

treibt.<br />

Beiden Korps ist gemeinsam, dass ihre Fahndungen vom Anzeigeverhalten abhängig sind,<br />

was eine Selektion bei der Täterschaft nach sich zieht. So werden Missbräuche durch Vertreter<br />

der Oberschicht oder solche, <strong>die</strong> innerhalb der Familie passieren, generell weniger<br />

häufig angezeigt. Zudem schränken <strong>die</strong> polizeilichen Mittel <strong>und</strong> Ressourcen (siehe auch Kapitel<br />

6.3.) <strong>die</strong> Fahndungserfolge auf gewisse Modi Operandi der Täterschaft ein.<br />

51 Obwohl <strong>die</strong>s auch mit der Organisation der Polizei in Verbindung gebracht werden kann. Die <strong>Bern</strong>er Kantonspolizei<br />

verfügt nicht über eine eigene Kinderschutz-Gruppe, aber um eine IT-Ermittler-Gruppe, <strong>die</strong> sich mit den<br />

Fällen von Kinderpornografie auf dem Internet beschäftigen.


34<br />

Die von der Polizei ermittelten Täter werden, sofern das Verfahren nicht eingestellt wird, dem<br />

Richter, beziehungsweise der Richterin zugeführt. Da wir keine Stimme aus Richterkreisen<br />

zur Verfügung haben <strong>und</strong> somit nicht aus erster Hand wissen, was Richterinnen <strong>und</strong> Richter<br />

von ihrer Klientel zu berichten haben, im Folgenden ein kurzer Exkurs zur Rechtssprechung<br />

in Zusammenhang mit der Aktion Genesis aus dem Jahr 2002 52 . Da wir uns im<br />

Kapitel zu den konkreten Begegnungen befinden, wird hier nur auf <strong>die</strong> Typen der Verdächtigten,<br />

<strong>und</strong> nicht auf <strong>die</strong> Rechtssprechung (siehe dazu Kapitel 6.3.) eingegangen.<br />

Knapp <strong>die</strong> Hälfte der Verfahren der über 1000 Verdächtigten der Aktion Genesis wurden bis<br />

anhin (Stand September 2004) eingestellt. Dies aber vor allem, weil strafrechtlich relevantes<br />

Material „nur“ konsumiert worden ist. Zur Übersicht über <strong>die</strong> Population der Konsumenten<br />

können deshalb praktisch alle für eine Grobanalyse beigezogen werden. An <strong>die</strong>ser Stelle<br />

sind folgende Merkmale der Population interessant 53 :<br />

• Die wenigsten der Kinderpornografie-Konsumenten waren vorbestraft;<br />

• Die Mehrheit der Konsumenten übt einen technischen Beruf aus. Die Berufe beschränken<br />

sich aber nicht nur auf IT-Berufe, sondern umfassen alle Arten von mechanischen,<br />

elektrischen oder sonst handwerklich-technisch ausgerichteten Berufen;<br />

• Viele konsumierten oder besassen neben kinderpornografischem Material auch andere<br />

Formen von illegaler Pornografie (mit Tieren, menschlichen Ausscheidungen<br />

oder Gewalt);<br />

• Eine Minderheit der Verdächtigten zeichnete sich durch eine enorme Sammeltätigkeit<br />

aus <strong>und</strong><br />

• es zeichnete sich keine Überrepräsentation eines Zivilstandes ab.<br />

Alles in allem entsteht der Eindruck, dass es sich um gut integrierte, vor allem aus dem Mittelstand<br />

stammende, technisch versierte Normalbürger handelt. Die Rechtsprechung der bis<br />

anhin grössten Kinderpornografie-Aktion in der Schweiz ist vielleicht dementsprechend in der<br />

Regel sehr milde ausgefallen. Die Mehrheit der Urteile betraf Geldbussen von einigen tausend<br />

Franken, schwerere Fälle (bei besonders viel <strong>und</strong>/oder besonders grausamen Darstellungen<br />

oder bei einschlägigen Vorstrafen) wurden mit bedingten Freiheitsstrafen von maximal<br />

drei Monaten bestraft. Ergänzend muss aber angeführt werden, dass es sich bei <strong>die</strong>ser<br />

Aktion aus verschiedenen Gründen um einen Spezialfall handelt. <strong>Der</strong> Anbieter (Landslide)<br />

bot auch viele Seiten mit legaler Pornografie an, das heisst, dass sich möglicherweise viele<br />

Konsumenten aus Neugier in den illegalen Bereich wagten. Zu dem Zeitpunkt, als <strong>die</strong> meisten<br />

auf den amerikanischen Anbieter stiessen (1999), war <strong>die</strong> Internetdichte noch nicht so<br />

gross wie heute <strong>und</strong> der schnelle Zugang für viele noch keine Realität. Die Erfahrungen,<br />

welche <strong>die</strong> Kantone <strong>und</strong> der B<strong>und</strong> inzwischen mit Kinderpornografie-Konsumenten sammeln<br />

konnten (vor allem auch über P2P-Netzwerke oder über Gruppierungen auf dem Internet,<br />

siehe oben), zeigen ein anderes Bild, auch wenn bis anhin noch keine systematischen Untersuchungen<br />

gemacht werden konnten. Zum einen finden sich unter der Population, <strong>die</strong><br />

über das Internet Kinderpornografie tauscht, viele Wiederholungstäter <strong>und</strong> Sammler. Und<br />

zum anderen scheint der Anteil aktiver Missbraucher unter den Sammlern höher zu sein, als<br />

bis anhin angenommen. Deutschland, Kanada <strong>und</strong> <strong>die</strong> USA spricht man von bis zu<br />

30 Prozent an Missbrauchern unter den Konsumenten.<br />

Mit welchem Typus von Personen <strong>die</strong> RichterInnen in der Regel bei Verfahren gegen Kinderpornografie<br />

zu tun haben, kann noch nicht gesagt werden. Mit Verdächtigten bezüglich<br />

pädosexuellen Übergriffen haben <strong>die</strong> RichterInnen aber natürlich langjährige Erfahrung <strong>und</strong><br />

eine einzelne Stimme dazu wäre an <strong>die</strong>ser Stelle wünschenswert.<br />

52 Im Rahmen einer Arbeitsgruppe zur Evaluation der Aktion Genesis aus B<strong>und</strong>esebene, bei der <strong>die</strong> Verfasserin<br />

teilnahm, kann an <strong>die</strong>ser Stelle kurz berichtet werden. Es handelt sich aber einschränkend bei <strong>die</strong>ser Täterschaft<br />

praktisch ausschliesslich um Konsumenten (Besitzende) von Kinderpornografie <strong>und</strong> nicht um aktive Missbraucher.<br />

53 Für eine Detailanalyse muss <strong>die</strong> wissenschaftliche Arbeit in Zusammenarbeit mit der <strong>Universität</strong> Lausanne abgewartet<br />

werden. Diese Arbeit erscheint voraussichtlich ende Jahr 2004.


35<br />

Eng mit der Rechtssprechung verknüpft ist <strong>die</strong> forensische Begutachtung. Die folgenden<br />

Gesprächsausschnitte ergeben einen Eindruck davon, mit welchen Typen von <strong>Pädosexuelle</strong>n<br />

<strong>die</strong> Begutachtung zu tun haben kann. Einschränkend sei zu Beginn angeführt, dass der<br />

forensische Begutachter von Typen selbst nicht sprechen wollte:<br />

Ein Typus ist immer statisch. Das ist aber eine ideologische Diskussion. Typologien sind<br />

wie Glossare oder Diagnosen verschiedenster Provenienz, es sind Dinge, <strong>die</strong> einem erlauben,<br />

dass man sich unterhalten kann. Eine Form von Esperanto. Mehr nicht.<br />

Dennoch kann er in seiner täglichen Arbeit unterscheiden:<br />

Ich kann unterscheiden zwischen Gewohnheitspädophilen <strong>und</strong> Alterspädophilen. Die ersteren<br />

sind primärpersönlich pädophil <strong>und</strong> <strong>die</strong> anderen sind <strong>die</strong>, <strong>die</strong> aus organischen Verfallserscheinungen<br />

im Alter pädophile Handlungen begehen. Die Situationsvarianz wird bei<br />

den Alterspädophilen grösser sein, sie planen, strukturieren weniger. Gewohnheitspädophile<br />

wenden eine grössere psychische Energie, Vorbereitungshandlungen <strong>und</strong> Planungen<br />

auf. In der Forensik in Bezug auf <strong>die</strong> Zurechnungsfähigkeit ist nur <strong>die</strong> Unterscheidung<br />

zwischen <strong>die</strong>sen zwei Erscheinungsformen sinnvoll, das heisst, ob <strong>die</strong> Frage nach Art.<br />

10/11 StGB relevant ist oder nicht. Das ist so ähnlich wie bei der Fragestellung zu anderen<br />

Delikten.<br />

Bei der Neuropsychologie zum Beispiel kann man ewiglange Untersuchungen machen zu<br />

Stellen im Hirn, <strong>die</strong> relevant sind, aber für den Forensiker ist nur relevant, ob sich das im<br />

Verhalten niederschlägt in der Einsichts- <strong>und</strong> Steuerungsfähigkeit. Dasselbe gilt für das<br />

Funktionsprinzip der Pädophilie.<br />

Gleich zu Beginn des Gesprächs wird also klar, dass bei der forensischen Begutachtung <strong>die</strong><br />

Aufgabe selbst <strong>die</strong> Beurteilung eines Phänomens stark bedingt <strong>und</strong> auch einschränkt.<br />

Die zwei Formen von Pädosexualität werden im Folgenden ausgeführt. Zu den Alterspädophilen:<br />

Die können schon eine Einsicht haben, sie können zum Teil einen übergeordneten Standpunkt<br />

einnehmen. Hier stellt sich <strong>die</strong> Frage nach der Steuerungsfähigkeit. Es kann aber<br />

beide Fähigkeiten tangieren, da muss man halt schauen. Das ist ein graduelles Phänomen.<br />

Wenn der Abbau soweit fortgeschritten ist, dass <strong>die</strong> Einsicht nicht mehr gegeben ist,<br />

dann wissen <strong>die</strong> nicht mehr, was sie tun. Das ist keine Seltenheit. Das ist ein häufiges<br />

Phänomen. (…) Von der Theorie her ist da <strong>die</strong> Primärpersönlichkeit ausschlaggebend.<br />

Wenn man davon ausgeht, müsste man annehmen, dass <strong>die</strong> pädosexuelle Orientierung<br />

schon da war. Auf der anderen Seite ist da eine ausgeprägte Situationsvarianz <strong>und</strong> Kinder<br />

sind halt eine einfache Möglichkeit.<br />

Zudem wird der Selektionsprozess, der vom richterlichen (Alltags-)Verständnis abhängt, bei<br />

der Auswahl der zu Begutachtenden betont. Diese Verteilung muss nicht <strong>und</strong> wird auch<br />

kaum den realen Verhältnissen entsprechen.<br />

Wir hier in <strong>Bern</strong> haben so geschätzt doppelt so viele Alterspädophile wie Gewohnheitspädophile.<br />

Das ist natürlich aber auch eine Selektion, weil nur <strong>die</strong> von den Gerichten geschickten<br />

Personen zu uns kommen. Bei den Alterspädophilen hat man halt auch eher den<br />

Eindruck, dass da was nicht stimmen könnte. Die Gewohnheitspädophilen, <strong>die</strong> kommen<br />

am ehesten noch für Prognosen. Wenn <strong>die</strong> so für fünf Jahre in den Knast kommen <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

benehmen sich da auch sehr gut - <strong>die</strong> sind ja im Knast meist sehr gut angepasst, auch von<br />

der Knasthierarchie her - da haben <strong>die</strong> Leute halt dann Bedenken, ob man <strong>die</strong> wieder raus<br />

lassen kann.<br />

In Bezug auf <strong>die</strong> so genannten Gewohnheitspädophilen folgen wichtige Präzisierungen zur<br />

gr<strong>und</strong>sätzlichen Aufgabe der Begutachtung:<br />

Bei den Gewohnheitspädophilen ist wichtig, dass man weiss, dass es eine Einstellung ist.<br />

Nach Art. 10/11 StGB, wenn man also <strong>die</strong> Zurechnungsfähigkeit im Fokus hat, stellt sich<br />

<strong>die</strong> Frage; kann er oder will er. Nehmen wir das klassische Beispiel, wenn sich der Stiefvater<br />

an der Stieftochter vergeht oder an Nachbarskindern, dann muss man sich fragen, ob<br />

er anders hätte handeln können. Dem Alterspädophilen spricht man ja da <strong>die</strong> Wahl ab. Bei<br />

dem Gewohnheitspädophilen wird das aber sehr schwierig, weil das ja einstellungsgetragen<br />

ist.


36<br />

Einstellung meine ich ganz im psychologischen Sinn. Also zu mir hat mal ein Pädophiler<br />

gesagt, warum er denn mit seiner 14-jährigen Tochter kein sexuelles Verhältnis haben soll.<br />

Sie wolle es ja auch. Das ist ja dann auch meist <strong>die</strong> Begründung, wenn man sie danach<br />

fragt.<br />

Zur Diskussion bezüglich einer Einstellungsmodifikation hören wir mehr in Kapitel 6.6.<br />

Ist <strong>die</strong> Polizei in ihrer Wahrnehmung geprägt durch ihre Möglichkeiten <strong>und</strong> durch das Anzeigeverhalten<br />

in der Bevölkerung, ist <strong>die</strong> Auswahl bei der gutachterlichen Tätigkeit zum einen<br />

durch <strong>die</strong> richterliche Selektion bestimmt <strong>und</strong> andererseits durch <strong>die</strong> eng begrenzte Aufgabe.<br />

Auch wenn sich der forensische Gutachter noch so stark für Motive, Ursachen, Entstehungsbedingungen<br />

etc. einer Klientel respektive eines Delikts interessiert, hat er schlussendlich<br />

„nur“ zu beurteilen, ob <strong>die</strong> Person anders hätte handeln können <strong>und</strong> eventuell, ob sie es<br />

wahrscheinlich wieder tut. Auf <strong>die</strong> Frage nach den Ursachen von Pädosexualität, kommt das<br />

im Gespräch deutlich zum Ausdruck:<br />

Ich bin ja Psychologe. Selbst wenn wir so Faktoren (<strong>die</strong> Ursachen erklären würden) finden,<br />

müsste man wissen, was ist Ursache <strong>und</strong> was ist Wirkung. Die Leute kommen mit so ganz<br />

tollen Bildern aus den neurologischen Verfahren, es mag ja sein, dass sich da Unterschiede<br />

zeigen bei bestimmten Personen, aber man weiss ja nicht, was ist <strong>die</strong> Ursache <strong>und</strong> was<br />

ist <strong>die</strong> Wirkung. Die Biografie hat auch einen Einfluss auf <strong>die</strong> Hirnstruktur. Zudem ist hier<br />

wieder <strong>die</strong> Frage, was sich da niederschlägt <strong>und</strong> wie was kompensiert werden kann. Das<br />

ist <strong>die</strong> alte Leib-Seele-Frage. Für <strong>die</strong> forensische Frage, ist das wiederum irrelevant.<br />

Die Personen, <strong>die</strong> sich in der (forensischen) Therapie mit <strong>Pädosexuelle</strong>n auseinandersetzen,<br />

dürfen nicht nur, sondern sie müssen sich um <strong>die</strong> Hintergründe eines Delinquententypus<br />

kümmern. Die Vorstellungen <strong>und</strong> Ansätze sind dabei, wie in anderen Feldern<br />

auch, zwischen Psychologen <strong>und</strong> Psychiatern unterschiedlich. Lassen wir erst den Psychiater<br />

zu Wort kommen, da er sich auch um Begutachtungen kümmert <strong>und</strong> in <strong>die</strong>sem Sinne einen<br />

Übergang bildet.<br />

Wir unterscheiden zwischen ausschliesslichem, auch fixiertem, <strong>und</strong> nicht-ausschliesslichem<br />

(auch heterogenen) <strong>Pädosexuelle</strong>n. Die Ausschliesslichkeit bezieht sich auf das<br />

sexuelle Interesse am Kind. <strong>Der</strong> nicht-ausschliessliche Typus hat bessere Prognosen, ein<br />

deliktfreies Leben zu führen.<br />

Die ausschliesslichen <strong>Pädosexuelle</strong>n leben risikoreicher, da sie nicht ausweichen können.<br />

Die <strong>Pädosexuelle</strong>n, <strong>die</strong> nur eine Teilveranlagung haben, würden wohl nicht "auf freier<br />

Wildbahn" nach Kindern jagen. Diese haben genügend Rückhalt, um sich einzuschränken.<br />

Aber gerade das Internet ist für <strong>die</strong>se eine Möglichkeit, im Schutz der eigenen vier Wände<br />

sich an Dinge zu trauen, <strong>die</strong> man in der Realität nicht ausleben würde. Das Internet bietet<br />

für solche, <strong>die</strong> es bin anhin geschafft haben, der Szene fern zu bleiben, auch eine grosse<br />

Verlockung.<br />

Auch <strong>die</strong> Psychiatrie unterscheidet zwei Typen von <strong>Pädosexuelle</strong>n. Die Kriterien der Unterscheidung<br />

sind aber andere. Bestimmt bei der Begutachtung <strong>die</strong> Möglichkeit des „anders<br />

handeln Könnens“ <strong>die</strong> Unterscheidung, ist es das Kriterium <strong>die</strong> Stärke der Fixierung auf das<br />

Kind. Bei der Begutachtung ist <strong>die</strong>s nicht bezüglich der Zurechnungsfähigkeit ausschlaggebend,<br />

aber für <strong>die</strong> Prognose durchaus, wie es der Gesprächspartner gleich selbst ausführt.<br />

Weitere Ausführungen zu Persönlichkeitsstrukturen sind therapeutisch wichtig:<br />

Die narzisstische Komponente ist bei den Pädophilien ausgeprägt. Es tut ihrem Ego gut,<br />

wenn <strong>die</strong> Kinder sie bew<strong>und</strong>ern, zu ihnen aufschauen, von ihnen abhängig sind. Pädophile<br />

verfügen oft über spezielle Fähigkeiten, <strong>die</strong> den Kindern Eindruck machen, wie z.B. Zaubern.<br />

Das Kind gibt ihnen das Gefühl von Grösse, nebst dem Sexuellen, das schon das<br />

Kerngeschäft bei der Beziehung ausmacht.<br />

Pädophile sind meist nicht Gewinnertypen, sie befinden sich in der Gesellschaft nicht auf<br />

der Sonnenseite <strong>und</strong> verfügen in der Regel auch über eine tiefere Intelligenz als eine Vergleichsgruppe.<br />

Gerade <strong>die</strong> pädosexuell veranlagten Männer, <strong>die</strong> von Erwachsenen weniger<br />

Anerkennung bekommen, können über <strong>die</strong> Anerkennung von Kindern ihr Selbstbewusstsein<br />

stärken, können Macht erleben <strong>und</strong> <strong>die</strong> narzisstischen Seiten befriedigen.


37<br />

Es ist möglich, dass es sich um eine spezielle Untergruppe von Pädophilen handelt, <strong>die</strong><br />

der <strong>Strafverfolgung</strong> nicht entgehen konnten (klinisches Population). Dass also <strong>die</strong> <strong>Pädosexuelle</strong>n,<br />

<strong>die</strong> nicht auf der Verliererseite stehen, über eine durchschnittliche Intelligenz <strong>und</strong><br />

soziale Kompetenz verfügen, es einfacher oder leichter haben, nicht strafrechtlich auffällig<br />

werden.<br />

Vor der richterlichen steht natürlich <strong>die</strong> polizeiliche Selektion. Dieser Selektionsprozess<br />

durch <strong>die</strong> Ermittlungsarbeit wurde von der Polizeiseite bereits betont <strong>und</strong> kommt auch bei der<br />

Therapie wieder zum Ausdruck.<br />

Auch wenn sich <strong>die</strong> gutachterliche Stimme nicht zu Ursachen oder Entstehungsbedingungen<br />

äussern wollte oder konnte, war der Gr<strong>und</strong>satz der Einstellungsabhängigkeit zentral. Die<br />

psychiatrisch-therapeutische Sicht äussert sich zu den Entstehungsbedingungen, <strong>die</strong> hier<br />

kurz angeführt, im Kapitel 6.6. weiter ausgeführt werden:<br />

Ich beschreibe Pädophilie als eine Entwicklungsstörung mit einem sexuellen Schwerpunkt.<br />

Eine gewisse Veranlagung scheint zu bestehen, <strong>die</strong> dann auch Weichen stellt. Die Entwicklungsstörung<br />

zeigt sich aber offenbar auch in anderen Bereichen wie eben in einer tieferen<br />

Intelligenz, <strong>die</strong> sie nicht für Ehrenplätze in der Gesellschaft prädestiniert. Von dem<br />

her ist ein Zusatzbedarf an Selbstbestätigung gegeben. <strong>Der</strong> anspruchslosere Umgang mit<br />

Kindern wird gesucht, Spezialbegabungen, <strong>die</strong> besonders bei Kindern Eindruck machen,<br />

sind häufig. Wie eben z.B. Zaubern, das für Kinder besonders attraktiv ist. Die besonderen,<br />

für Kinder attraktiven Fähigkeiten müssen nicht unbedingt beruflich ausgelebt werden, sie<br />

können sich auch in der Freizeit zeigen, wie z.B. bei der Jungwacht oder der Pfadi.<br />

Im Kapitel zu den Therapiemöglichkeiten (siehe Kapitel 6.6.) wird deutlich werden, dass <strong>die</strong><br />

Vorstellungen von den Ursachen für Pädosexualität direkt <strong>die</strong> Vorstellungen von den Behandlungsmöglichkeiten<br />

bedingen.<br />

Eine zusätzliche Optik erhalten wir durch <strong>die</strong> (forensisch) psychologische Therapie. Die<br />

psychologische oder psychoanalytische Therapiearbeit beschäftigt sich in der Regel am<br />

längsten <strong>und</strong> intensivsten mit (pädosexuellen) Tätern. Sich befassen mit Motiven, Ursachen,<br />

Biografien <strong>und</strong> Rahmenbedingungen ist zentral für <strong>die</strong> Therapiearbeit. Die forensische Therapie<br />

hat in Abhebung zur Begutachtung den Hauptzweck, <strong>die</strong> Rückfallgefahr zu minimieren.<br />

Diese Funktion respektive Aufgabe verlangt es, sich ein differenziertes Bild der konkreten<br />

Persönlichkeit <strong>und</strong> Biografie des Gegenübers zu verschaffen:<br />

Diese (so genannten Pädophilen) haben ja als Gemeinsamkeit sexuelle Kontakte mit Kindern<br />

gehabt, aber das kann sehr verschiedene Hintergründe haben. Und <strong>die</strong>ser Hintergr<strong>und</strong><br />

wäre eigentlich rechtlich von grosser Bedeutung. Es hat nicht für <strong>die</strong> Straftat an sich<br />

eine grosse Bedeutung, obwohl auch <strong>die</strong> geprägt davon ist, denn nicht alle machen dasselbe<br />

mit den Kindern, es sind dann einfach qualifizierte sexuelle Kontakte, aber sie haben<br />

in ihrem Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> natürlich auch in ihren Zukunftsaussichten grosse Unterschiede<br />

untereinander weil auch ihre Entstehungsgeschichten sehr unterschiedlich sind. Das ist<br />

etwas, das das Gesetz heute praktisch nicht berücksichtigt <strong>und</strong> das auch in den Gutachten<br />

häufig nicht einmal gestreift wird.<br />

Kinder wecken auch bei der normalen Bevölkerung viele Seiten. Sie können lustig sein,<br />

herzig sein, sie können einen erheitern, sie können erotisch sein. Den einen interessiert<br />

das eine mehr als das andere. Man kann nicht sagen, dass sich der eine voll für Kinder<br />

<strong>und</strong> der andere gar nicht für Kinder interessiert. Da gibt es <strong>die</strong> ganze Palette auch im normalen<br />

Leben. <strong>Der</strong> Übergangsbereich ist gross <strong>und</strong> <strong>die</strong>ser Übergangsbereich interessiert<br />

uns ja.<br />

Anhand von konkreten Fällen wird uns im Folgenden <strong>die</strong> Palette näher gebracht:<br />

Es kann einer sein Kind missbrauchen, weil er seine Frau bestrafen will. Es handelt sich<br />

um andere Funktionen, wenn sich einer an der Tochter vergeht <strong>und</strong> eigentlich seine Frau<br />

damit meint. Da sind eher <strong>die</strong> Machtmotive als <strong>die</strong> sexuellen Motive im Vordergr<strong>und</strong>. Das<br />

kann natürlich auch sehr gravierend sein für das Opfer, aber das sind Täter, <strong>die</strong> kaum<br />

ausserhalb der Familie etwas machen würden. Die schädigen <strong>die</strong> eigene Familie, aus Wut<br />

z.B. weil sie sich nicht durchsetzen können. Ich habe aktuell gerade einen Jungen, den ich<br />

begutachte, der ist jahrelang von seinem Vater sexuell missbraucht worden. Er musste im<br />

Ehebett schlafen weil Vater <strong>und</strong> Mutter sich derart zerstritten haben, dass <strong>die</strong> Mutter pani-


38<br />

sche Angst vor dem Ehemann hatte <strong>und</strong> sie ihn auch sexuell abgewehrt hat. In <strong>die</strong>sem<br />

Kontext musste der Sohn bis er 13 Jahre alt war zwischen Mutter <strong>und</strong> Vater schlafen. Und<br />

dann hat der Vater begonnen, sich ihm sexuell zu nähern <strong>und</strong> hat gehofft, dass der Sohn<br />

das erwidert. Zum Teil war das aus sexueller Not aber es war auch eine Provokation gegenüber<br />

der Mutter, <strong>die</strong> das auch mitbekommen hat. Die Aussage war so quasi „ wenn Du<br />

mit mir nichts machst, dann halte ich mich an den Sohn“. Die Töchter haben sich jede<br />

Nacht eingeschlossen <strong>und</strong> haben geschaut, dass sie nicht „dran kommen“.<br />

In Gegenüberstellung zu den nächsten zwei „Fällen“ merkt man deutlich, wie anders <strong>die</strong> Motive,<br />

Ursachen <strong>und</strong> dementsprechend auch <strong>die</strong> Therapiemöglichkeiten <strong>und</strong> Prognoseeinschätzungen<br />

ausfallen:<br />

Dann gibt es <strong>die</strong> so genannt klassischen Pädophilien, <strong>die</strong> in ihrer Kindheit stecken geblieben<br />

sind. Ihre Erotik hat sich an Kinder oder an gleichaltrige Jugendliche geb<strong>und</strong>en. Und<br />

sie haben in ihrer Persönlichkeit nur eine Teilentwicklung durchgemacht.<br />

Ich therapiere im Moment einen Akademiker, ein hochintelligenter Mann, im Beruf anerkannt,<br />

gut sozialisiert. Er war als Kind aber schon schwierig, er lebte in einer Familie, in der<br />

alle nur für sich lebten. Sein Vater war ein Kriegstraumatisierter, der zwar ein erfolgreicher<br />

Geschäftsmann geworden ist, der sich aber auf keine Beziehungen mehr einlassen konnte<br />

<strong>und</strong> Mutter war leicht depressiv. Er lebte dann einsam als Nachzügler mit viel älteren Brüdern,<br />

geduldet, still, ohne Kontakte zu Gleichaltrigen, obwohl er sich <strong>die</strong>se Kontakte gewünscht<br />

hätte. Er träumte als Heranwachsender von Sexualität mit Buben <strong>und</strong> Mädchen<br />

so zwischen 12 <strong>und</strong> 14. Davon träumt er immer noch <strong>und</strong> nun ist er 40. Auf <strong>die</strong>ser Stufe ist<br />

<strong>die</strong> Erotik wie tiefgefroren worden. (…) Er wirbt eigentlich nur um Kinder. Er lebt in zig Familien<br />

mit, ist dann Gast des Hauses, spielt mit den Kindern, geht mit ihnen schwimmen,<br />

macht Sport mit ihnen, macht aber keine Übergriffe, auch wenn er das gerne würde. Aber<br />

er sieht sich so klein, dass er eigentlich gar nicht aktiv werden kann. Er hofft, dass das<br />

Kind auf ihn einen Übergriff macht. Aber natürlich kommt kein Kind auf <strong>die</strong>se Idee.(…) Er<br />

fühlte sich auch als Kind. <strong>Der</strong> war in der Beziehung wie ein kleiner Junge. <strong>Der</strong> hat seine<br />

Träume aus der Kindheit zu anderen Kindern nicht weiterentwickelt. Spielen ist für ihn das<br />

Grösste, obwohl er <strong>die</strong> ganze Woche wissenschaftlich tätig ist. Aber spielen <strong>und</strong> Sport mit<br />

Kindern ist für ihn das Grösste.(….)<br />

Ich erinnere mich an einen Fall, den ich in der Supervision begleitet habe. Ein Mittelschullehrer,<br />

Turnlehrer, der völlig verknallt war in seine Buben <strong>und</strong> <strong>die</strong> haben das nie bemerkt.<br />

Er war ein guter Turnlehrer <strong>und</strong> er hat sich selbst auch auferlegt, nie in <strong>die</strong> Duschen zu<br />

gehen, er musste sich beherrschen. Aber was er sich geleistet hat, war ein Opernbesuch<br />

mit vier hübschen Jünglingen, <strong>die</strong> er zum Opernbesuch eingeladen hat. Er hat dann Logenplätze<br />

gemietet unter dem Motto „ich zeige euch Kultur“. Das war auch schön für <strong>die</strong>se<br />

Buben <strong>und</strong> er hat das sehr genossen. So stellte er es sich vor, wenn er Söhne hätte. Er<br />

war sich aber auch bewusst, dass er ein älterer Mann ist <strong>und</strong> er hat gemerkt, dass er anders<br />

ist als Kinder.<br />

Diese Beispiele passen streng genommen nicht in unserer Thematik, da solche Personen,<br />

trotz eindeutig pädophiler Orientierung, nie mit dem Strafgesetzbuch in Berührung kommen<br />

müssen. (Forensische) Therapeuten haben ab <strong>und</strong> an mit leidenden <strong>Pädosexuelle</strong>n tu tun,<br />

<strong>die</strong> sich freiwillig einer Therapie unterziehen. Auch in <strong>die</strong>sem Kontext ist es aber wichtig zu<br />

sehen <strong>und</strong> zu betonen, dass nicht alle pädophil orientierten Menschen strafbare Handlungen<br />

begehen. Zudem wird damit auch klarer, welche Selektionsprozesse im eigentlichen <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess<br />

wirken. Folgende Beispiele bewegen sich wieder klar im strafrechtlich relevanten<br />

Bereich:<br />

(Es gibt auch) <strong>die</strong> Sorte, <strong>die</strong> wirklich sexuelle Erlebnisse suchen zu Kindern. Die gehen<br />

auch zu Kinderprostituierten, das ist dann eher <strong>die</strong> gefährliche Sorte. Aber ihr Traum ist ja<br />

auch immer, doch ein „anständiges“ Kind zu bekommen. Sie haben für Stricher-Kinder<br />

auch immer eine gewisse Verachtung. Es sind ja auch meist Leute, <strong>die</strong> in ihren anderen<br />

Lebensverhältnissen durchaus wohl geordnet funktionieren. Und sie merken durchaus,<br />

dass <strong>die</strong> Kinder, <strong>die</strong> sie bekommen können, auch seltsame Kinder sind, meist verwahrloste.<br />

Und dann gibt es das Phänomen – <strong>und</strong> da denke ich, das ist ein neueres Phänomen – mit<br />

Leuten, <strong>die</strong> eine sehr <strong>und</strong>ifferenzierte Sexualität leben. Die haben eigentlich keine grosse<br />

Affinität zu Kindern, sondern führen ein eher gelangweiltes Leben <strong>und</strong> <strong>die</strong> nun einen neuen<br />

Kitzel suchen. Die versuchen nun alles Mögliche aus, sei es mit Drogen, mit Drogen <strong>und</strong>


39<br />

Sexualität, Sexualität mit Prostitution, Sexualität im S/M- Bereich oder dann auch Sexualität<br />

mit Kindern. Das ist dann auch etwas Besonders. So: „wie ist das, ein 12-jähriges Mädchen<br />

zu entjungfern“, wie ist das, wenn es leidet, wenn etwas Sadistisches rein kommt.<br />

Das muss auch gar nicht so extrem sein, das kann so im Zusammenhang mit Lebenskrisen<br />

aufkommen.<br />

Ich habe gerade einen Fall eines 45-jährigen Mannes. <strong>Der</strong> war 20 Jahre verheiratet <strong>und</strong> es<br />

war nie etwas Besonderes. Aber <strong>die</strong> Sexualität mit seiner Frau hat immer mehr abgenommen,<br />

er war steril, sie hatten keine Kinder <strong>und</strong> seine Frau war darüber sehr unglücklich. Mit<br />

der Zeit haben sie keinen Sinn mehr in ihrer Ehe <strong>und</strong> in ihrer Sexualität gesehen. In dem<br />

Moment, als er sie verlassen hat, hat er angefangen, zu Prostituierten zu gehen. Und dann<br />

hat er gemerkt, dass ihm <strong>die</strong> schwarzen Prostituierten besser gefallen. Er wohnte alleine<br />

<strong>und</strong> hat plötzlich begonnen, auch Kinder anzuschauen, sich vor Kindern zu zeigen. Es<br />

zeigte sich eine Einsamkeit, auch eine starke Regression. Dann kamen so kindische Elemente,<br />

er onanierte vor Kindern, hat aber auch Kinder in <strong>die</strong> Wohnung geholt <strong>und</strong> wollte<br />

sich anfassen lassen. Er lockte <strong>die</strong> Kinder an <strong>und</strong> ein Mädchen musste man dann auch ins<br />

Heim einliefern, <strong>die</strong> hat das auch bei anderen gemacht, hatte schon einen richtigen K<strong>und</strong>enkreis.<br />

Es sind halt auch solche Kinder, <strong>die</strong> verwahrlost <strong>und</strong> vernachlässigt sind, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Männer auch erfolgreich anlocken. Er ist dann auch nackt ans Fenster gestanden, immer<br />

aber wie wenn es aus Versehen wäre. Die Kinder haben dann draussen schon auf das<br />

„Programm“ gewartet. Seine Übergriffe waren nicht wahnsinnig gravierend, es waren typische<br />

Handlungen in einem regressiven Zustand.<br />

Das Phänomen der jugendlichen „Prostituierten“, <strong>die</strong> mit pädosexuellen Ringen oder auch<br />

Einzelnen in Kontakt kommen, - es auch von der Stadtzürcher Polizei erwähnt - findet man<br />

wieder in der therapeutischen Optik, auch hier mit Fokus auf <strong>die</strong> Opferseite:<br />

Ich kenne das nur vom Hörensagen, aber da scheint Einiges zu laufen. Das ist aber wohl<br />

eher eine intellektuellere Schicht von Pädophilen. Es gibt sicher auch eine Oberschicht an<br />

Pädophilen, <strong>die</strong> sich sehr gut decken <strong>und</strong> schützen <strong>und</strong> <strong>die</strong> auch ihre Handlungen sehr gut<br />

vorbereiten <strong>und</strong> selten auffliegen. Was ich so mitbekomme, sind Jugendliche, <strong>die</strong> von zu<br />

Hause abhauen <strong>und</strong> auf <strong>die</strong> Kurve gehen. Dann sind sie so einen Monat verschw<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> man weiss nicht, wo sie gelebt haben. Mit der Zeit erfährt man, dass sie von einem<br />

zum anderen gereicht wurden. Das sind Leute, <strong>die</strong> untereinander Kontakt haben, der erste<br />

gabelt ihn auf <strong>und</strong> „probiert ihn aus“, hat ihn ein paar Tage <strong>und</strong> geht dann in eine Bar <strong>und</strong><br />

übergibt ihn einem Bekannten. Das ging dann immer gut, alle gaben ihm Geld, gutes Essen,<br />

er wurde „ernst“ genommen, er wurde halbwegs respektiert, musste aber alles mitmachen.<br />

So hat er einen Monat in Saus <strong>und</strong> Braus gelebt <strong>und</strong> wir konnten ihn nicht fassen,<br />

weil er durch diverse Villen gereicht wurde <strong>und</strong> wir haben ihn dann auf der Strasse wieder<br />

gef<strong>und</strong>en. Er sagt aber nichts aus, weil er weiss, dass er alle <strong>die</strong>se Leute wieder kontaktieren<br />

kann, wenn er das nächste mal auf <strong>die</strong> Kurve geht. Zudem hat er Angst, als sowieso<br />

unglaubwürdiger Kleinkrimineller. Auch in seinem Gefühl das starke Moment, nicht mit <strong>die</strong>sem<br />

Staat zu kooperieren, der mich nur einsperrt oder ins Heim steckt. So will er <strong>die</strong> Leute<br />

nicht ausliefern, weil sie ja auch „gut“ zu ihm waren <strong>und</strong> so kommt es nicht zu einer Anzeige.<br />

Diese auf konkrete Beispiele <strong>und</strong> Schicksale bezogene Sicht erlaubt einen tieferen Einblick<br />

in das Geschehen, in <strong>die</strong> sehr unterschiedlichen inneren <strong>und</strong> äusseren Bedingungen, <strong>die</strong> einen<br />

Menschen zu sexuellen oder erotisierten Kontakten mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen treiben<br />

können.<br />

Dieses erste Kapitel sollte im Sinne einer Einführung folgende Punkte verdeutlicht haben:<br />

• Die unterschiedlichen Aufgaben <strong>und</strong> Funktionen im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess beinhalten<br />

immer auch eine Selektion. Selektionsprozesse in Bezug auf <strong>die</strong> Populationen,<br />

mit denen man in Kontakt tritt respektive treten kann, aber auch Selektionen in Bezug<br />

auf <strong>die</strong> Art der Wahrnehmung;<br />

• Menschen mit pädosexueller Orientierung haben zum Teil nie mit (<strong>Strafverfolgung</strong>s-)<br />

Behörden Kontakt, zum Teil nur mit therapeutischen Stellen, zum Teil mit der Polizei.<br />

Diejenigen, welche mit der Polizei in Kontakt kamen, werden in der Regel auch mit<br />

richterlichen Instanzen in Berührung kommen. Diejenigen, welche vor dem Richter


40<br />

standen, werden eventuell forensische begutachtet <strong>und</strong> <strong>die</strong>jenigen, welche in Begutachtung<br />

waren, kommen teilweise in therapeutische Behandlung;<br />

• Welche Kriterien <strong>und</strong> Mechanismen im Einzelfall oder sogar als generelleres Muster<br />

für <strong>die</strong> Selektionsprozesse verantwortlich gemacht werden können, sind nur annähernd<br />

bestimmbar;<br />

• In der Bevölkerung her spielt <strong>die</strong> Selektion bezüglich familiärer resp. ausserfamiliärer<br />

Kontexte. Sozial ausgegrenzte, weniger intelligente <strong>und</strong> sozial weniger kompetente<br />

<strong>Pädosexuelle</strong>, <strong>die</strong> sich fremden Kindern nähern, werden eher auffällig <strong>und</strong> angezeigt.<br />

Zudem kommt man ihnen mit den bestehenden polizeilichen Mitteln auch eher auf <strong>die</strong><br />

Spur;<br />

• Von der richterlichen Warte aus werden eher solche <strong>Pädosexuelle</strong> zur Begutachtung<br />

geschickt, <strong>die</strong> entweder mit ihrem Verhalten aus „der Rolle fallen“, wie Alterspädophile<br />

oder solche, denen man aus verschiedenen Gründen eine höhere Gefährlichkeit<br />

attestiert;<br />

• Von der Bevölkerung, von der Polizei her <strong>und</strong> auch von der richterlichen Optik aus<br />

werden eher Personen aus unterprivilegierten Schichten wahrgenommen, <strong>die</strong>s zumindest<br />

was Personen betrifft, <strong>die</strong> sich konkret Kindern nähern, eventuell weniger im<br />

Bereich der Kinderpornografie;<br />

• Die Begutachtung wird von der richterlichen Selektion bestimmt. In <strong>die</strong>sem Fall ist <strong>die</strong><br />

Alterspädophilie im Vordergr<strong>und</strong>, was aber kaum einer realen Verteilung in der Bevölkerung<br />

entspricht;<br />

• Die therapeutische Arbeit erlaubt von ihrer Funktion her – auch wenn sich <strong>die</strong> Therapie<br />

auf <strong>die</strong> forensische Therapie beschränkt – den breitesten <strong>und</strong> tiefsten Blick auf<br />

<strong>die</strong> verschiedenen Formen der Pädosexualität <strong>und</strong> deren Geschichte. In Bezug auf<br />

<strong>die</strong> Schichtzugehörigkeiten, <strong>die</strong> soziale Einbettung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Intelligenzausprägungen<br />

ist das Klientel wahrscheinlich weniger eingegrenzt;<br />

• Die einzelnen Aufgaben bestimmen <strong>die</strong> Wahrnehmung des Gegenübers zusätzlich.<br />

Die Polizei hat bei pädosexuellen Delinquenten vorwiegend das Interesse, den Straftatbestand<br />

zu klären. Innere Bedingungen spielen eine untergeordnete Rolle. Begleitumstände,<br />

wie bestimmte F<strong>und</strong>e bei Hausdurchsuchungen hingegen sind für <strong>die</strong><br />

Ermittlungsarbeit wichtig <strong>und</strong> erlauben auch einen Einblick in <strong>die</strong> Persönlichkeit der<br />

Delinquenten;<br />

• Die RichterIn muss einerseits <strong>die</strong> Beweislage beurteilen, das Strafmass in Abhängigkeit<br />

zur Straftat <strong>und</strong> der Schuld festlegen <strong>und</strong> abschätzen, ob Gutachten<br />

<strong>und</strong>/oder Gefährlichkeitseinschätzungen in Auftrag gegeben werden müssen. Biografien<br />

<strong>und</strong> Motive spielen durchaus eine Rolle, wenn auch nicht in dem Ausmass, wie<br />

bei der therapeutischen Arbeit;<br />

• Die Begutachtung muss (gemäss reiner Lehre) ausschliesslich <strong>die</strong> Zurechnungsfähigkeit<br />

beurteilen <strong>und</strong> greift dazu auf verschiedene Informationsquellen zurück, geht<br />

aber in der Regel auch nicht sehr tief auf <strong>die</strong> Persönlichkeitsstrukturen des Delinquenten<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> ursächlichen Bedingungen der Tat ein, zumindest nicht in Bezug auf<br />

Merkmale oder Prozesse, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Zurechnungsfähigkeit nicht direkt betreffen. Bei der<br />

Prognosearbeit kann <strong>die</strong> Sachlage anders aussehen, <strong>die</strong> wurde aber in <strong>die</strong>sem Rahmen<br />

nicht speziell thematisiert;<br />

• In der Therapiearbeit hat man nicht nur bezüglich Breite, sondern auch bezüglich der<br />

Tiefe <strong>die</strong> grösste Chance, verschiedenste Motive, Rahmen- <strong>und</strong> Entstehungsbedingungen<br />

zu erfassen.<br />

Im Weiteren werden <strong>die</strong> Aufgaben selbst im Zentrum stehen. Die Sicht der Person, welche<br />

<strong>die</strong> Funktion selbst innehat, wird zuerst zu Wort kommen, kommentiert aus Sicht der Anderen.


41<br />

6.2. <strong>Der</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> in der Gesetzgebung<br />

„Legal definitions of child pornography, it seems to me, draw the<br />

bo<strong>und</strong>aries but don’t delineate the problem“ (Max Taylor, 2002)<br />

Im folgenden Kapitel werden recht heterogene Textstellen aufgeführt werden. Je nach GesprächspartnerIn<br />

sind andere Gesetzgebungen <strong>und</strong> Probleme damit, relevant.<br />

Wie bereits erwähnt, liegt es in der Natur der Sache, dass es keinen typischen Vertreter in<br />

der Gesetzgebungsfunktion gibt, aber wir lassen den Juristen zuerst zur nicht existierenden<br />

Pönalisierung des Konsums von Kinderpornografie zur Wort kommen:<br />

Nicht vom Strafrecht erfasst, heisst zunächst einmal nicht, dass ich <strong>die</strong>ses Verhalten auch<br />

befürworte. Hingegen muss unterschieden werden zwischen moralisch-ethischen Grenzen<br />

<strong>und</strong> Grenzen des Strafrechts. Letztere sollten als Ultima Ratio eingesetzt werden. <strong>Der</strong> Auftrag,<br />

den Konsum konsequent zu bestrafen, wäre auf der operativen Polizeiebene zudem<br />

nicht umsetzbar. Nicht durchsetzbare Verbote sind aber kontraproduktiv – Beispiele gibt es<br />

leider genügend. Schliesslich ist durchaus denkbar, dass man zufällig auf Kinderpornografie<br />

stösst im Internet. Die Vorsätzlichkeit zu beweisen, ist dann sehr schwer, wenn nicht<br />

unmöglich. Auch zur deutschen Regelung, <strong>die</strong> „sich Besitz verschaffen“ im Strafgesetzbuch<br />

vorsieht, bin ich skeptisch, weil es nicht eindeutig ist. Ab wann wäre der Beweis geliefert,<br />

dass sich Jemand Besitz verschaffen will? Welches sind eindeutige Suchbegriffe?<br />

Die Frage ist ja auch, was man überhaupt bestrafen will; einen krankhaften Trieb oder <strong>die</strong><br />

Etablierung <strong>und</strong> aktive Förderung eines kriminellen Marktes?<br />

Die Gesetzgebung muss sich also <strong>die</strong> Frage stellen, ob das Gesetz überhaupt durchsetzbar<br />

ist <strong>und</strong> was man damit erreichen will.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist es wohl für jeden Juristen <strong>und</strong> jede Juristin ein Thema, welche Rolle dem<br />

Strafrecht in der Gesellschaft zukommen soll oder darf. Gerade in dem sehr sensiblen Bereich<br />

der Verbrechen gegen Kinder haben Teile der Gesellschaft oder auch teils Kinderschutzorganisationen<br />

<strong>die</strong> Tendenz, dem Strafrecht moralisch-ethische Aufgaben zuschreiben<br />

zu wollen. Diese Tendenz spiegelt sich auch in den zahlreichen parlamentarischen Vorstössen,<br />

<strong>die</strong> zum Ziel haben, <strong>die</strong> Gesetzesgr<strong>und</strong>lage in <strong>die</strong>sem Bereich zu verschärfen 54 .<br />

Wie sieht <strong>die</strong> Polizei <strong>die</strong> aktuelle Gesetzeslage? Im Bereich der Pornografiegesetzgebung<br />

haben <strong>die</strong> zwei Polizeikorps zwei Aspekte angesprochen; <strong>die</strong> fehlende Strafbarkeit des Konsums<br />

<strong>und</strong> gewisse Unsicherheiten bezüglich des Verständnisses von Einfuhr <strong>und</strong> Vertrieb:<br />

Bei den P2P-Netzwerken ist das ja nun inzwischen geklärt, dass das Bereitstellen von eigenen<br />

Dateien dann eben Verbreitung ist 55 . Wir hatten bis jetzt noch nicht gross Fälle, <strong>die</strong><br />

nur auf den Temp-Files Daten hatten. Wir hatten Fälle, <strong>die</strong> hatten 20'000 Dateien in den<br />

Temp-Files, aber es genügt ein Bild aktiv abgespeichert <strong>und</strong> dann hat’s ihn.<br />

Die Problematik, dass Materialien auf den temporary files strafrechtlich nicht als Besitz gelten,<br />

löst sich bei Fällen der Stadtzürcher dadurch, dass <strong>die</strong> Meisten doch Dateien aktiv abgespeichert<br />

haben. Zudem haben es <strong>die</strong> Zürcher, wie wir schon gehört haben, selten mit IT-<br />

Spezialisten unter den Kinderpornografie-Konsumenten zu tun. Die <strong>Bern</strong>erinnen betonen bei<br />

der Gesetzeslage eher <strong>die</strong> Unklarheiten in Bezug auf <strong>die</strong> Definitionen von harter Pornografie<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> mangelnde Einbindung anderer Akteure, wie Provider, bei der Internet-Kriminalität:<br />

Für uns sind politische oder juristische Begründungen manchmal nicht nachvollziehbar.<br />

Zum Beispiel ist bei Art. 197 der Besitz eigentlich strafbar, aber wenn es um Pornografie<br />

mit Ausscheidungen geht, ist der Besitz nicht strafbar. Was sind da <strong>die</strong> Überlegungen dahinter?<br />

Wir können uns das nicht erklären. Was sind da für Entscheidungsfindungen dahinter?<br />

Im Bereich der Gesetzgebung zu sexuellen Handlungen mit Kindern beklagen <strong>die</strong> Stadtzürcher<br />

vor allem <strong>die</strong> richterliche Auslegung:<br />

54 Eine der Übersichten über <strong>die</strong> parlamentarischen Vorstösse der letzten Jahre findet sich auf der Homepage der<br />

Kinderschutzorganisation Marche Blanche. Siehe : http://www.marcheblanche.ch/interventions.php<br />

55 Im Bereich der Rechtssprechung bei den Verdächtigten der Aktion Genesis gibt es hingegen noch Kantone, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong>se Art des Tausches von Kinderpornografie nicht unter dem Aspekt der Verbreitung sahen.


42<br />

Nein, das Gesetz wäre schon gut, aber es wird nicht ausgeschöpft. Die härtere Bestrafung<br />

wäre auch eine Art Prävention. Nicht nur bei der Kinderpornografie, sondern auch bei den<br />

anderen Delikten gegen Kinder. (….) Höher ist sicher besser, aber <strong>die</strong> sollen doch einfach<br />

mal den Rahmen nutzen, den sie zur Verfügung haben. (… ) Wenn nun einer über einen<br />

Chat einen 13-Jährigen abschleppt <strong>und</strong> wenn er dann dafür drei Jahre Kiste riskiert, dann<br />

wirkt das schon anders <strong>und</strong> er überlegt sich das schon noch mal. Das würde Wirkung in<br />

der Gesellschaft signalisieren. Und einige davon würden sicher den Schritt nicht wagen.<br />

Wir denken auch, dass <strong>die</strong> Bevölkerung das gar nicht weiss, wie billig <strong>die</strong> davon kommen<br />

Wir werden im Kapitel zur Rechtssprechung (vgl. Kapitel 6.4.) noch sehen, wie <strong>die</strong> Polizei <strong>die</strong><br />

richterlichen Auslegungen kommentiert. Hier ist wichtig, dass offenbar von Polizeiseite nicht<br />

eine strengere Gesetzeslage gefordert wird. Ein weiteres Thema, das <strong>die</strong> verschiedenen<br />

Stellen beschäftigt, ist <strong>die</strong> gesetzlich festgelegte Schutzaltersgrenze. Die Kantonspolizei<br />

<strong>Bern</strong> dazu:<br />

Zur Schutzaltergrenze meinen wir, dass man <strong>die</strong> runter auf 14 oder 15 nehmen müsste.<br />

Das ist einfach nicht mehr zeitgemäss. Das geht an der Realität vorbei. Wir sehen mehrere<br />

Fälle mit 14 oder 15-Jährigen, <strong>die</strong> um einiges ältere Partner hatten <strong>und</strong> das fanden wir völlig<br />

daneben, wenn sich das Gesetz da reinmischte. Oder besser, man müsste den gesetzlich<br />

definierten Altersunterschied heraufsetzen. Das würde eine unnötige Kriminalisierung<br />

von ungleich alten, aber einvernehmlichen Paaren vermeiden.<br />

Diese Form der Kriminalisierung wurde von den Stadtzürchern nicht erwähnt. Es ist möglich,<br />

dass Anzeigen in <strong>die</strong>sem Bereich eher in der ländlichen Bevölkerung auftreten.<br />

Die Aussagen der Ermittlungsbehörden zur Gesetzeslage betreffen weniger <strong>die</strong> Mängel bezüglich<br />

der Straftatbestände, denn Lücken in den strafprozessualen Gesetzesgr<strong>und</strong>lagen.<br />

Auf <strong>die</strong>se Lücken kommen wir im Kapitel 6.3. zur Ermittlungstätigkeit zu sprechen. Das Fehlen<br />

der Stimme aus dem Richterstand kommt an <strong>die</strong>ser Stelle schmerzlich zum Ausdruck, da<br />

einen Gegenüberstellung zur polizeilichen Sicht der Dinge an <strong>die</strong>ser Stelle sehr interessant<br />

wäre.<br />

<strong>Der</strong> Gesprächspartner aus der forensischen Begutachtung hat zur Gesetzesgr<strong>und</strong>lage bezüglich<br />

der Straftatbestände keine Aussagen gemacht. Hingegen ist bei der forensischen<br />

Begutachtung wichtig, welche Formen von sexuellen Orientierungen überhaupt vom Gesetz<br />

erfasst werden <strong>und</strong> welche nicht. Zudem geht es um <strong>die</strong> Frage, ob eine pädosexuelle Orientierung<br />

Krankheitswert hat oder ob es sich, wie oben ausgeführt, um eine einstellungsgetragene<br />

Angelegenheit handelt:<br />

In der Forensik hat man es ja ständig mit Schuld zu tun. Es stellt sich ja immer <strong>die</strong> Fähigkeitsfrage.<br />

Und in dem Moment, wo sie es mit einer Diagnose zu tun haben, kommt ja sofort<br />

der Krankheitsstatus ins Spiel <strong>und</strong> das heisst natürlich auch, dass man sich da alles<br />

erlauben kann. Das ist das Problem. Nach den gesellschaftlichen Normen sind sie dann<br />

exkulpiert. Das hindert auch das Problembewusstsein. Wenn sie den Gewohnheitspädophilen<br />

zum Kranken erklären, dann können sie ihn auch nicht verurteilen. (…)<br />

Diagnosen gibt es ja jede Menge, wir müssen da unterscheiden zwischen den forensisch<br />

relevanten Diagnosen. Pädophilie kann ich ja unter dem ICD-10 finden mit den ganzen Untergruppen.<br />

Den Status, den man mit einer Diagnose bekommt, ist von der Schuldfrage<br />

noch weit entfernt.<br />

In der Praxis wird das sehr doppelbödig diskutiert. Auf der einen Seite heisst es, <strong>die</strong> sind<br />

krank, <strong>die</strong> müssen in den Knast <strong>und</strong> zwar für immer <strong>und</strong> Schlüssel wegschmeissen <strong>und</strong> so<br />

<strong>und</strong> auf der anderen Seite ist das eben ein Widerspruch. Denn wenn einer krank ist, gehört<br />

er nicht in den Knast. (…)<br />

Ich meine auch, dass <strong>die</strong> Jurisprudenz das auch so sieht (dass zum Beispiel Homosexualität<br />

eine Einstellungsfrage ist). Und folgerichtig wurde das aus dem Strafgesetzbuch<br />

rausgenommen, solange es eben nicht auf Kosten anderer geht. Bei der Pädophilie ist das<br />

eben ausserordentlich problematisch <strong>und</strong> deshalb ist es auch verboten. Richtig ist, dass


43<br />

Pädophilie 56 (im StGB) auftaucht, weil es eben keine Krankheit ist <strong>und</strong> man deswegen<br />

nicht exkulpiert wird.<br />

Man kann ja sonst machen was man will, wenn beide einverstanden sind <strong>und</strong> beim Kind<br />

geht man eben nicht davon aus.<br />

Diese Gesprächspassagen beleuchten <strong>die</strong> Problematik der Begutachtung zwischen der<br />

Schuldfrage <strong>und</strong> der Krankheitsbeurteilung. Forensische Begutachtung bewegt sich vom<br />

Auftrag her per Definition in <strong>die</strong>sem Spannungsfeld. Im gesamtgesellschaftlichen Diskurs<br />

kommt <strong>die</strong>ses Spannungsfeld gerade bei der Pädophilie auch immer wieder zum Ausdruck.<br />

Einerseits werden pädosexuelle Täter als krank beurteilt, anderseits verlangt man hohe Gefängnisstrafen.<br />

Wie oben ausgeführt, reicht aber eine Diagnose alleine nicht aus, um Jemandem<br />

<strong>die</strong> Zurechnungsfähigkeit abzusprechen. Auch unter <strong>Pädosexuelle</strong>n findet man natürlich<br />

Fälle, bei denen der Hang oder der Kontrollverlust ein Thema ist (siehe Exkurs II) <strong>und</strong><br />

denen man demzufolge zu Recht eine Massnahme ausspricht. Hier ist aber relevant, dass im<br />

Gesetz sexuelle Handlungen mit Kindern verboten sind, unabhängig von Diagnosen oder<br />

spezifischen Motiven. Es ist Aufgabe des forensischen Gutachters, in jedem Einzelfall <strong>die</strong><br />

Zurechnungsfähigkeit zu klären, wie bei anderen Delikttypen auch.<br />

Die Aussagen des Psychiaters streifen drei Themen mit Bezug zur Gesetzeslage. Zum einen<br />

den fehlenden Straftatbestand des Konsums von Kinderpornografie:<br />

Zur rechtlichen Situation, dass nur der aktive Download <strong>und</strong> nicht das Konsumieren, auch<br />

wenn bezahlt wurde, strafbar ist, finde ich eine "grosszügige" Regelung, <strong>die</strong> dem ges<strong>und</strong>en<br />

Menschenverstand widerspricht <strong>und</strong> eher der <strong>Strafverfolgung</strong>s-Logik entspricht. Unter dem<br />

psychiatrischen Aspekt sollten <strong>Pädosexuelle</strong> mit dem Angebot auf dem Internet nicht konfrontiert<br />

werden, auch wegen dem Suchtaspekt.<br />

<strong>Der</strong> Suchtaspekt bei Kinderpornografiekonsumenten wird separat behandelt werden (siehe<br />

Exkurs II). Interessant ist beim obigen Zitat das angesprochene Zusammentreffen von verschiedenen<br />

„Logiken“. Eine Gesetzesbestimmung alleine kann einem gesellschaftlich sanktionierten<br />

Handeln nicht entgegentreten. Die meisten Menschen würden es wohl verurteilen,<br />

dass eine Person Kinderpornografie konsumiert, ob sie das Material nun herunterlädt oder<br />

nicht. Es ist moralisch-ethisch verwerflich <strong>und</strong> der Unterschied von Konsum <strong>und</strong> Besitz ist für<br />

nicht-JuristInnen schwer verständlich. Aus psychiatrischer Sicht ist <strong>die</strong> Gesetzeslage nicht<br />

befriedigend, weil Psychiater <strong>die</strong> Suchtdynamik in <strong>die</strong>sem Deliktsbereich kennen <strong>und</strong> wissen,<br />

wie sich das auf eine Deliktskarriere auswirken kann. Wie aber der Interviewpartner selbst<br />

betont, kann <strong>und</strong> muss das Strafrecht nicht für alle möglichen Gefahren zuständig sein:<br />

Natürlich gibt es unter den angenommenen 20 Prozent 57 mit pädosexuellen Fantasien einen<br />

kleinen Prozentsatz von ein oder zwei Prozent, <strong>die</strong> vor nichts zurückschrecken <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

sich nicht von Gesetzen abhalten lassen, aber für <strong>die</strong>se ist das Gesetz auch nicht gemacht.<br />

Aber der Grossteil <strong>die</strong>ser 20 Prozent würde sich vom Gesetz beeindrucken lassen<br />

<strong>und</strong> bei <strong>die</strong>sen sind polizeiliche Aktionen wohl ein Schuss vor den Bug.<br />

Die dritte Aussage bezieht sich auf <strong>die</strong> Schutzaltergrenze, <strong>die</strong> aus der psychiatrischen Optik<br />

diskutierbar, aber im Gr<strong>und</strong>satz unerlässlich ist:<br />

Aus der Optik der Sexualentwicklung beginnt <strong>die</strong> Sexualität zwar bei Geburt, aber <strong>die</strong> Sexualität<br />

unterliegt eine Stufenentwicklung. Es ist absurd, aus der Erwachsenenperspektive<br />

<strong>die</strong> kindliche Sexualentwicklung forcieren zu wollen. In <strong>die</strong>sem Sinne ist <strong>die</strong> rechtliche Forderung<br />

des Schutzalters berechtigt. Es ist aber natürlich auch so, dass Jugendliche unterschiedlichen<br />

Reifeprozessen unterliegen. Und für einige ist <strong>die</strong> Schutzaltergrenze schon<br />

ein wenig hoch gegriffen. Dann gibt es aber noch einen anderen Aspekt; wenn Kinder in<br />

ihrer sexuellen Entwicklung von einem Erwachsenen forciert wurden, kann es sein, dass<br />

das Kind auf eine sexualisierte Form auf Erwachsene reagiert. Das wird dann von <strong>Pädosexuelle</strong>n<br />

so interpretiert, als ob <strong>die</strong>se Kinder von sich aus den sexuellen Dialog suchen<br />

56 Gemeint ist hier, dass sexuelle Handlungen mit Kindern verboten sind, nicht <strong>die</strong> Tatsache, dass jemand sich zu<br />

einer pädophilen oder pädosexuellen Orientierung bekennt. Die Interpellation des Parlamentariers Oskar Freysinger<br />

wollte <strong>die</strong> offene „Werbung“ für Pädophilie auf dem Internet verbieten lassen. Auch bei <strong>die</strong>sem Thema gilt<br />

aber <strong>die</strong> Meinungsfreiheit. Siehe unter:<br />

http://www.parlament.ch/afs/data/d/gesch/2004/d%5Fgesch%5F20043029.htm<br />

57 Dr. Knecht bezieht sich auf <strong>die</strong> bereits in Kapitel 3.1. diskutierte Untersuchung von Briere & Runtz (1998)


44<br />

würden. Dass <strong>die</strong>se Frühsexualisierung bereits eine Reaktion auf eine forcierte Sexualität<br />

ist, wird ignoriert. Diese Kinder können auf eine fast abstossende Art sexuelle Zeichen<br />

senden, das ist aber ein Ausdruck von der Suche nach Selbstbestätigung, <strong>die</strong> sie nur in<br />

der Art von der Erwachsenenwelt erfahren haben. Von <strong>Pädosexuelle</strong>n wird das grob fehl<br />

interpretiert.<br />

Auch <strong>die</strong> psychotherapeutische Sicht betont den Kinder- <strong>und</strong> Jugendschutz:<br />

Ich halte es für wichtig, dass es ein Straftatbestand ist <strong>und</strong> <strong>die</strong> Sache auch evident bleibt.<br />

Da muss <strong>die</strong> Gesellschaft schon regelnd eingreifen. Man kann nicht einfach sagen, wir<br />

setzen unsere Kinder allem aus. Denn <strong>die</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschädigung ist eine Tatsache. Das<br />

ist nicht immer gleich, einige überstehen das ganz gut <strong>und</strong> brauchen wenig Hilfe. Auch<br />

nicht jeder sexuelle Übergriff ist so ein einschneidendes Ereignis. Das ist dann eher ein<br />

Problem der Opferhilfe heute, dass sie aus allem eine Riesensache machen muss. Man<br />

kann da nicht adäquat auf den Menschen eingehen <strong>und</strong> seine eigene Aktivitäten bei den<br />

Handlungen einbeziehen. Aber gr<strong>und</strong>sätzlich müssen Jugendliche schon geschützt sein.<br />

Sie können nicht alles selbst entscheiden. Sie können in Situationen geraten, in denen sie<br />

nicht abschätzen können, was mit ihnen passiert. Danach sind sie in einem Wulst von Irritationen,<br />

<strong>die</strong> ungünstig sind. Nicht immer gleich stark, aber verboten sein muss es.<br />

Diese gr<strong>und</strong>sätzlichen Überlegungen zur Strafbarkeit von sexuellen Handlungen mit Minderjährigen<br />

werden auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungsprozesse ausgeweitet:<br />

Es gibt ja nur noch ganz wenige Bereiche, <strong>die</strong> man nicht legal konsumieren kann. Sei es,<br />

dass das Illegale dann noch an Attraktivität gewinnt oder dass man vergisst, dass es noch<br />

etwas Illegales gibt. Das ist wie wenn <strong>die</strong> ganze Schweiz überall Hanfläden aufmacht <strong>und</strong><br />

offiziell ist Cannabis verboten. Das ist der Jugend meist nicht klar, <strong>und</strong> da kann man nicht<br />

sagen, das Verbotene sei noch der grosse Kitzel. Die begreifen gar nicht, dass das verboten<br />

ist <strong>und</strong> sind entsetzt, wenn da ein Polizist kommt. Die sagen dann, der Polizist komme<br />

da nicht draus. Da haben wir eine Verwirrung geschaffen. Ein ähnliches Phänomen findet<br />

man im sexuellen Bereich. Wenn man alles zulässt, auch mit den Publikationen <strong>und</strong> Sexanzeigen,<br />

<strong>die</strong> Zeitungen sind da voll davon. Das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, ist sicher<br />

nicht mehr so stark wie früher.<br />

Diese letzte Bemerkung bezieht sich eher auf den Pornografie-Artikel. Wie <strong>die</strong> <strong>Bern</strong>er Polizistinnen<br />

schon angedeutet haben, ist <strong>die</strong> strafrechtliche Definition von illegalen Inhalten teils<br />

verwirrlich. Auch bei der Kinderpornografie, wo <strong>die</strong> Grauzone mit Jugendlichen an der<br />

Schutzaltergrenze ein ermittlungstechnisches, richterliches <strong>und</strong> nicht zuletzt ein moralisches<br />

Problem darstellt, drängt sich der Bezug zu gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen auf. Jugendlichkeitswahn,<br />

Käuflichkeit von allem <strong>und</strong> Jedem <strong>und</strong> Sexualisierungen im Alltagsbereich<br />

sind nur Stichworte, <strong>die</strong> auch in <strong>die</strong>ser Thematik an- <strong>und</strong> ausgeführt werden müssen.<br />

Zusammenfassend sind im Kapitel zur Gesetzgebung folgende Themen <strong>und</strong> Problempunkte<br />

angesprochen worden:<br />

• Im Bereich des Pornografieartikels kann für <strong>die</strong> Polizei <strong>und</strong> auch für <strong>die</strong> gesellschaftliche<br />

Wahrnehmung <strong>die</strong> Vermischung von verschiedenen illegalen Materialien<br />

verwirrlich sein <strong>und</strong> ermittlungstechnische Schwierigkeiten mit sich bringen;<br />

• Die Unterscheidung zwischen Konsum <strong>und</strong> Besitz von Kinderpornografie ist juristisch<br />

<strong>und</strong> von der Polizeipraxis aus gesehen korrekt. In Hinsicht auf <strong>die</strong> rasanten technischen<br />

Entwicklungen <strong>und</strong> gewisse Unklarheiten, was <strong>die</strong> technischen Möglichkeiten<br />

anbelangt (Temp Files, elektronische Einfuhr, etc.), wird sich aber noch Klärungsbedarf<br />

abzeichnen;<br />

• Vor allem aus Polizeisicht ist <strong>die</strong> Gesetzeslage im Bereich der sexuellen Handlungen<br />

mit Minderjährigen kein vorherrschendes Problem, <strong>die</strong> Ausschöpfung des Strafmasses<br />

hingegen schon;<br />

• Die Gesetzeslage für <strong>die</strong> polizeilichen Ermittlungsmöglichkeiten im Bereich der Pädosexualität<br />

wird von den RepräsentantInnen der Ermittlungsbehörden als mangelhaft<br />

betrachtet, was aber auch in anderen Delikts- <strong>und</strong> Ermittlungsbereichen der Fall sein<br />

wird;


45<br />

• Die gutachterliche Optik beschäftigt sich mit der ihr eigenen Problematik der Abhebung<br />

zwischen Schuld <strong>und</strong> Krankheit, <strong>die</strong> sich, gerade bei pädosexuellen Delikten,<br />

auch im gesellschaftlichen Diskurs als Knack- <strong>und</strong> Diskussionspunkt herausstellt;<br />

• <strong>Der</strong> Kinder- <strong>und</strong> Jugendschutz wird mit je anderen Schwerpunkten von allen Seiten<br />

thematisiert. Die Schutzaltersgrenze muss auch bezüglich gesellschaftlicher Entwicklungen<br />

diskutiert werden.<br />

Wie vorgewarnt, ist das Kapitel zur Gesetzeslage sehr heterogen, <strong>und</strong> eventuell vermisst <strong>die</strong><br />

geneigte Leserin auch den roten Faden. Das liegt teils in der Natur der Sache, da <strong>die</strong> Gesetzeslage<br />

im Bereich der Pädosexualität verschiedene Straftatbestände beinhaltet <strong>und</strong> <strong>die</strong> Beteiligten<br />

am <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess sehr unterschiedliche Gebiete angesprochen haben.<br />

Zum anderen ist <strong>die</strong> Thematik der Gesetzeslage <strong>und</strong> –gebung von der Interviewerin auch<br />

nicht prioritär <strong>und</strong> uneinheitlich angesprochen worden. Einer der sicher kompetentesten<br />

Funktionsträger zu <strong>die</strong>sem Teil im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess wäre sicher der Richter beziehungsweise<br />

<strong>die</strong> Richterin. Vielleicht hätte <strong>die</strong>se Stimme dem Kapitel mehr Substanz verleihen<br />

können.<br />

Beim nächsten Kapitel zur polizeilichen Ermittlung verfügen wir hingegen wieder über qualifizierte<br />

FunktionsträgerInnen <strong>und</strong> allfällige Verwirrungen müssen von der Verfasserin vollumfänglich<br />

auf <strong>die</strong> eigene Kappe genommen werden.<br />

6.3. <strong>Der</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> in der polizeilichen Ermittlung<br />

Die eigentliche Ermittlungsarbeit in den Polizeikorps ist abhängig von der Gesetzeslage <strong>und</strong><br />

den polizeilichen Ermittlungsmöglichkeiten. Hierbei ist <strong>die</strong> Gesetzesgr<strong>und</strong>lage in allen Kantonen<br />

<strong>die</strong>selbe. Die Polizeikorps sind aber in ihrer Arbeit (vgl. Kapitel 6.1.) mit unterschiedlichen<br />

Deliktskategorien respektive Täterschaften konfrontiert. Zudem sind <strong>die</strong> Polizeien in der<br />

Schweiz teils sehr unterschiedlich organisiert, ausgerüstet <strong>und</strong> setzen auch unterschiedliche<br />

Prioritäten bei der Ermittlung. Sei <strong>die</strong>s infolge einer Konzentration der Ordnungskräfte auf<br />

bestimmte Deliktsbereiche allgemein, sei <strong>die</strong>s innerhalb verschiedener Deliktsbereiche, in<br />

<strong>die</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> involviert sind.<br />

Vor allem von Ermittlungsaktionen im Bereich Kinderpornografie hört man aus praktisch allen<br />

Polizeikorps, dass Aufwand <strong>und</strong> Ertrag in einem Missverhältnis stünden. Sie meinen damit,<br />

dass sie vor allem bei den Hausdurchsuchungen <strong>und</strong> Materialauswertungen zeitlich, aber<br />

auch psychisch viel Energie aufwenden müssen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Urteile relativ milde ausfallen.<br />

Aus juristischer Sicht wird <strong>die</strong>se Klage folgendermassen kommentiert:<br />

Diese Aussage dürfte auch in anderen Bereichen des Strafrechts fallen <strong>und</strong> ist nicht typisch<br />

für <strong>die</strong> Bekämpfung der Kinderpornografie allein. Denken Sie z.B. an <strong>die</strong> Bekämpfung<br />

der Drogenkriminalität, der Wirtschafts- <strong>und</strong> Verkehrsdelikte.<br />

Zum Teil mag es (<strong>die</strong> Tatsache, dass <strong>die</strong> Urteile so milde ausfallen) tatsächlich daran liegen,<br />

dass <strong>die</strong> Dossiers zu wenig gut aufgearbeitet sind – <strong>und</strong> natürlich kann es vorkommen,<br />

dass gute Ermittlungsergebnisse auf fehlendes Spezialwissen der Richter stösst.<br />

Schliesslich führt unser föderales <strong>Strafverfolgung</strong>ssystem dazu, dass das Strafmass regional<br />

sehr verschieden ausfallen kann. Wie gesagt, <strong>die</strong>s ist meines Erachtens kein besonderes<br />

Problem nur bei der Bekämpfung der Kinderpornografie.<br />

Die Polizei sieht das - wie gesagt - ein wenig anders, ob <strong>die</strong> Ermittelnden aus anderen Deliktsbereichen<br />

mit denselben Problemen kämpfen, können wir hier nicht beurteilen oder bestätigen.<br />

Die Stadtzürcher Polizei hat aber in der Ermittlung noch mit anderen, aus ihrer Sicht ungünstigen,<br />

Rahmenbedingungen zu tun. Auf <strong>die</strong> Frage, ob sie nach Festnahmen bei einem Kinderpornografie-Delikt<br />

auch Folgeermittlungen unternehmen würden, um eventuelle weitere<br />

Kontakte, d.h. weitere potentielle Delinquenten zu finden:


46<br />

So genau nicht, nein. Wenn wir einen PC haben, dann wird <strong>die</strong> Festplatte gespiegelt <strong>und</strong><br />

dann gehen wir mit dem Encase 58 rein. Und wenn wir sehen, dass er Tausende von Bildern<br />

hat, dann gehen wir vertieft rein. Wir schauen dann schon, ob er Adressen gespeichert<br />

hat. Da haben wir aber wieder das Problem, dass wir für eine Abklärung der Email-<br />

Adressen wieder eine Verfügung des Untersuchungsrichters brauchen <strong>und</strong> eine Email-<br />

Abklärung beim UVEK kostet 250.- Franken. Da brauchen wir dann schon eine starke Verdachtslage,<br />

da muss dann schon mehr dran sein, dass uns der UR eine Verfügung gibt.<br />

Wir hatten nun eine zeitlang <strong>die</strong> Situation, dass wir Abklärungen wollten <strong>und</strong> es hiess, dass<br />

das nicht mehr geht <strong>und</strong> dass wir wegen dem Finanziellen besser hätten belegen müssen.<br />

Da muss der UR abwägen. Sonst wird er einfach auf den Art. 197(hier: Besitz von illegaler<br />

Pornografie) gehen. Auch für Email-Kontrollen, das wird vom UR nicht bewilligt, da muss<br />

der Verdacht extrem sein, meist reicht das nicht. Ist ja noch nicht wirklich etwas passiert.<br />

Was aus einer Laienperspektive befremdlich anmutet, nämlich dass aus Kostengründen auf<br />

Folgeermittlungen verzichtet werden muss, ist im Polizeialltag gang <strong>und</strong> gäbe. Wenn sich<br />

auch in der Schweiz <strong>die</strong> Erkenntnis durchsetzt, dass Missbraucher unter Kinderpornografie-<br />

Konsumenten keine Seltenheit sind, werden sich <strong>die</strong> Prioritäten eventuell verschieben. Aktuell<br />

kann man jedoch davon ausgehen, dass <strong>die</strong>se Haltung auch für andere Kantone mehr<br />

oder weniger repräsentativ ist.<br />

Die andere ungünstige Rahmenbedingung ist <strong>die</strong> Gesetzesgr<strong>und</strong>lage im Bereich der verdeckten<br />

Ermittlungen. Auf <strong>die</strong> Frage (siehe auch Kapitel 6.1.) nach Ermittlungen im Bereich<br />

von pädosexuellen Ringen oder der Oberschichtspädophilie:<br />

Wir denken, dass da einiges abläuft, das an der Polizei vorbei geht, da haben wir keine<br />

Ahnung davon. Da müssten wir an <strong>und</strong> für sich Leute speziell dafür abbestellen <strong>und</strong> wir<br />

müssten ein aktives Monitoring betreiben. Das müsste aber auch gesetzlich getragen sein.<br />

Die verdeckte Ermittlung ist schon in Ordnung, aber wir können nichts anbieten. Und auch<br />

bei den Chats, wenn wir uns als Minderjährige ausgeben, dann muss der UR beim Präsidenten<br />

der Anklagekammer einen Antrag stellen <strong>und</strong> der wird dann meist personell für einen<br />

Monat oder höchstens zwei bewilligt <strong>und</strong> alle Erkenntnisse müssen sofort dem UR<br />

gemeldet werden. Das ist sehr restriktiv das alles. Aber bei den Gruppen geht das nicht,<br />

weil da muss man was anbieten. Da muss man 50 Bilder anbieten, dass man 5 bekommt<br />

<strong>und</strong> dann heisst es, das sei alte Ware.<br />

Auch <strong>die</strong> Kantonspolizei <strong>Bern</strong> hat ihre Probleme mit der verdeckten Ermittlung:<br />

Wir haben vor ein paar Jahren auch ermittlungstechnisch <strong>die</strong> Idee gehabt, eine Legende<br />

zu erfinden, <strong>die</strong> dann auf dem Netz Kinderpornografie kauft mit einer Kreditkarte. Aber das<br />

geht halt nicht mit der aktuellen Gesetzeslage.<br />

Wenn <strong>die</strong> Polizeikorps in Chats oder in Newsgroups ermitteln wollen, dürfen sie auf keinen<br />

Fall strafbare Handlungen begehen, wie das in gewissen anderen Ländern (beispielsweise in<br />

den USA) möglich ist. Um in geschlossene Gruppierungen hinein zu kommen, muss man,<br />

wie schon ausgeführt, in aller Regel selbst illegales Material anbieten 59 . Das ist in der<br />

Schweiz auch in Zukunft, ausgeschlossen. Von anderen Kantonspolizeien ist bekannt (z.B.<br />

Kanton Waadt), dass sie in geschlossene Gruppierungen hinein kamen, indem sie bei Vernehmungen<br />

von <strong>Pädosexuelle</strong>n deren Passwörter bekommen haben <strong>und</strong> so unter deren<br />

Identität auf dem Internet aktiv werden konnten, ohne sich strafbar zu machen. Das setzt<br />

aber (erfolgreiche) Verhörtechniken oder auch einfach kooperative Verdächtigte voraus, denen<br />

zum Beispiel <strong>die</strong> Stadtzürcher noch nicht begegnet sind:<br />

Wir müssten mehr machen, aber da müssten wir aktiv ein Monitoring betreiben <strong>und</strong> dafür<br />

fehlen uns Zeit <strong>und</strong> Leute. Wenn wir natürlich einen hätten, der uns über sein Passwort<br />

Zugang verschafft, dann wären wir sofort dabei.<br />

Die <strong>Bern</strong>er Polizistinnen betonen <strong>die</strong> mangelnden Ressourcen auch, wobei sie intern für Ermittlungen<br />

von Sittlichkeitsverbrechen aus ihrer Sicht nicht ideal organisiert sind:<br />

58<br />

Spezielle Software, <strong>die</strong> illegale Pornografie erkennt.<br />

59<br />

Aus gr<strong>und</strong>sätzlichen Überlegungen zur Rechtsstaatlichkeit ist das auch begrüssenswert, auch wenn es im konkreten<br />

Bereich helfen würde, Kinder zu schützen.


47<br />

Aber eben, es ist generell auch eine Frage der Ressourcen, wir können mit Müh <strong>und</strong> Not<br />

<strong>die</strong> Fälle bearbeiten, <strong>die</strong> bei uns angezeigt werden. Da mal in einen Fall richtig reingehen,<br />

mit Telefonkontrollen <strong>und</strong> so, da haben wir einfach keine Zeit. Wir haben auch keine spezielle<br />

Abteilung. Von uns aus wäre es dringend nötig, dass wir ein Sittendezernat hätten.<br />

Die Polizei ist bei ihren Ermittlungen, sei es bei den Anzeigen oder auch bei den laufenden<br />

Ermittlungen, immer auch auf <strong>die</strong> Bevölkerung <strong>und</strong> andere Behörden angewiesen. Die<br />

Stadtzürcher <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Bern</strong>er schildern dazu verschiedene Probleme, aber beide erwähnen<br />

kritische Stellen. Die Stadtzürcher berichten, dass ihre Anzeigen, neben den Meldungen von<br />

KOBIK, von Opferhilfestellen, Spitälern oder Sozial<strong>die</strong>nsten stammen. Dabei handle es sich<br />

meist um Verdächtigte aus dem sozialen Nahraum. Bei <strong>die</strong>sen Deliktskonstellationen sind<br />

sie mit verschiedenen Schwierigkeiten konfrontiert, hier mit einem spezifisch kantonalen<br />

Problem mit den Vorm<strong>und</strong>schaftsbehörden. Auf <strong>die</strong> Frage, ob bei innerfamiliären Anzeigen,<br />

wo Aussage gegen Aussage steht, den vermeintlichen Tätern mehr Glauben geschenkt werde:<br />

Nein, also wenn das Kind aussagt, dann geht meist auch was. Aber wir haben das Problem<br />

bei innerfamiliären Fällen, dass <strong>die</strong> Mutter auch irgendwie dabei ist <strong>und</strong> dann wird dem<br />

Kind ein Prozessbeistand gestellt, der <strong>die</strong> Kindesinteressen wahrnimmt. Und in den Fällen<br />

mit dem Prozessbeistand haben wir in vielen Fällen gesehen, dass das Kind nach dem<br />

Kontakt mit dem Prozessbeistand nicht mehr gegen den Täter aussagt, dann wird vom<br />

Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht <strong>und</strong> das Kind sagt nichts mehr. Man sagt,<br />

das sei besser für das Kind, wenn es wieder in <strong>die</strong> Familie zurückgeht, als dass es einen<br />

Prozess durchmachen muss. Dann ist der Fall für uns gestorben. Und das Störende ist,<br />

dass <strong>die</strong>s von einer Person abhängig ist. (…) Sie sagen, dass sie im Interesse des Kindes<br />

handeln. Sie wollen das familiäre Netz nicht zerstören. Es ist schlimmer, einen Missbrauch<br />

zu erleben, als <strong>die</strong> Familie zu zerstören. Sie sagen natürlich, dass auch wenn das Kind für<br />

eine gewisse Zeit herausgenommen werden kann, es dann früher oder später doch wieder<br />

in <strong>die</strong> Familie muss. Sie sagen, <strong>die</strong> Kinder müssen sonst Repressionen erleiden oder der<br />

Vater muss ins Gefängnis <strong>und</strong> <strong>die</strong> Familie ist kaputt. Das ist für uns der Horror, wir wissen,<br />

dass wir das Kind in <strong>die</strong> Hölle zurück schicken müssen. Wir können uns noch so sicher<br />

sein, wenn das Kind nichts sagt, können wir nichts machen.<br />

Wie verbreitet solche Probleme auch in anderen Kantonen sind, wissen wir nicht. Das Beispiel<br />

zeigt aber, dass im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess viele Behörden <strong>und</strong> andere Akteure involviert<br />

sind <strong>und</strong> <strong>die</strong> Vorstellungen vom Kindswohl sehr unterschiedlich sein können, was möglicherweise<br />

hinderlich für <strong>die</strong> Ermittlungsarbeit ist. Ein Ermittler der Stadtzürcher Polizei<br />

bringt <strong>die</strong>s auf den Punkt:<br />

Zudem müsste man bei allen involvierten Stellen eine verantwortliche Stelle bezeichnen<br />

können. Da weiss zum Teil <strong>die</strong> eine Hand nicht, was <strong>die</strong> andere macht. Eine Stelle muss<br />

<strong>die</strong> Übersicht haben <strong>und</strong> jemand muss <strong>die</strong> Verantwortung haben. Wie auch <strong>die</strong> Geschichte<br />

mit dem Prozessbeistand.<br />

Wir hatten einmal einen Jungen von 9 oder 10 Jahren hier, der war schon völlig kaputt.<br />

Nicht mehr ansprechbar. Seit seinem 6. Altersjahr ging das, <strong>die</strong> erste Meldung kam vom<br />

Hort, <strong>die</strong> 2. vom Kindergarten, <strong>die</strong> 3. von der Primarschullehrerin <strong>und</strong> <strong>die</strong> 4. von der Sozialarbeiterin,<br />

aber der nächste Lehrer hat dann erst Anzeige erstattet. <strong>Der</strong> Junge war so<br />

schlimm schon zugerichtet, dass man nicht mehr mit ihm reden konnte. Da hat <strong>die</strong> Vorm<strong>und</strong>schaftsbehörde<br />

wenigstens gesagt, dass der nicht mehr zum Vater dürfe, der ihn so<br />

extrem missbrauchte. Sie sagten zwar, dass der Junge dann in ein Heim müsse, aber der<br />

Vater hat sich aufgelehnt gegen den Entscheid <strong>und</strong> nachher sind sie nach Südamerika abgehauen.<br />

Es ist wichtig <strong>und</strong> richtig, dass Behörden <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bevölkerung in Sachen Kindsmissbrauch<br />

aufmerksam sind <strong>und</strong> sich <strong>die</strong> soziale Umgebung verantwortlich fühlt, aber offenbar ist viel<br />

Aufmerksamkeit auch heikel, wenn sich niemand mehr alleinig verantwortlich fühlt. <strong>Der</strong> Ball<br />

wird eventuell von einer Stelle zur anderen gespielt <strong>und</strong> es wird zu spät etwas unternommen.<br />

Dieser Frage nachzugehen, wäre aber eine eigene Arbeit wert.<br />

Die Kantonspolizei <strong>Bern</strong> hat keine Schwierigkeiten mit Kinderschutzorganisationen oder anderen<br />

Behörden. Die Polizistinnen schildern im Gegenteil kooperative <strong>und</strong> professionelle


48<br />

Partner bei Verfahren. Sie sprechen aber ein Thema an, bei dem nicht von zu viel, sondern<br />

eher von zuwenig echter Aufmerksamkeit ausgegangen wird:<br />

(…) dann macht man Kindertagesstätten, damit <strong>die</strong> Kinder nicht unbeaufsichtigt sind <strong>und</strong><br />

gerade da läuft so einiges. Da hören wir viel. Das ist schon verrückt, da macht man extra<br />

was für <strong>die</strong> Kinder <strong>und</strong> da passiert dann was. Dasselbe gilt für Sportvereine oder ähnliches.<br />

Das ist ganz schwierig. Und es geht ja auch nicht, dass man da nur Frauen anstellt.<br />

Das hat dann wieder andere negativen Auswirkungen. Man kann es nie ganz recht machen.<br />

(…)<br />

Soziale Kontrolle ist ganz wichtig <strong>und</strong> das muss man auch stark einsetzen. Aber zum Beispiel<br />

in Sportvereinen, wo es so schwierig ist, Freiwillige zu finden <strong>und</strong> Pädophile es eben<br />

wirklich auch sehr gut können mit Kindern, da drückt dann <strong>die</strong> Umgebung noch gerne beide<br />

Augen zu. Das sehen wir immer wieder.<br />

Eine ganz besondere Thematik, <strong>die</strong> auch in der Presse immer wieder zur Sprache kommt, ist<br />

der Missbrauch mit dem Missbrauch. Die <strong>Bern</strong>erinnen haben auch Erfahrungen in <strong>die</strong>sem<br />

heiklen Bereich:<br />

Wir haben noch viele Fälle, bei denen der Vater des Missbrauchs angeklagt wird im Rahmen<br />

einer Scheidungssituation. (…) Wir haben schon gehört, dass ein Scheidungsanwalt<br />

ein schlechter Anwalt sei, wenn er nicht den Kindsmissbrauch noch im Köcher habe. Das<br />

ist das eine, aber das andere ist eben auch, dass es durchaus sein kann <strong>und</strong> <strong>die</strong> Geschichte<br />

dann wirklich bei der Scheidungssituation ans Licht kommt. Das ist schon schwierig<br />

auseinander zu halten. Wir arbeiten ja hier in <strong>Bern</strong> eng mit Beratungsstellen zusammen<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> empfehlen zum Teil schon, keine Anzeige wegen Kindsmissbrauch in Scheidungssituationen<br />

zu machen (sondern erst später), eben weil es eben schwierig ist. Das sind<br />

aber wirklich gute Beratungsstellen, <strong>die</strong> sind schon verantwortungsbewusst.<br />

Wie schon erwähnt sind <strong>die</strong> Scheidungsfälle heikel, da muss man genau schauen, aber wir<br />

haben auch <strong>die</strong> Fälle, wo pubertierende Mädchen falsche Anschuldigungen machen. Die<br />

Motive sind unterschiedlich <strong>und</strong> <strong>die</strong> angeblichen Täter können auch unterschiedlich sein,<br />

das kann vom eigenen Vater bis zu Fremden gehen.<br />

Gerade bei solchen Konstellationen ist es wichtig, dass man es mit verantwortungsbewussten<br />

<strong>und</strong> professionellen Behörden <strong>und</strong> Kinderschutzorganisationen zu tun hat.<br />

Falschanschuldigungen in <strong>die</strong>sem Bereich können für <strong>die</strong> Betroffenen höchst problematisch<br />

sein. Missbrauchten Kindern nicht zu glauben, natürlich auch. Beim Thema Begutachtung<br />

(siehe Kapitel 6.5.) werden wir zu <strong>die</strong>ser Thematik noch mehr zu hören bekommen.<br />

Zum Schluss lassen wir den Juristen <strong>und</strong> Leiter KOBIK nochmals zu Wort kommen. Neben<br />

der kantonalen Ermittlung <strong>und</strong> der Koordination auf B<strong>und</strong>esebene (B<strong>und</strong>eskriminalpolizei)<br />

von internationalen Verfahren bei Kinderpornografiedelikten, ist KOBIK eine neue, komplementäre<br />

Einrichtung auf B<strong>und</strong>esebene, <strong>die</strong> bei der Ermittlung von pädosexuellen Delikten<br />

(über das Internet) ergänzende Dienstleistungen erbringt. KOBIK hat im ersten Betriebsjahr<br />

eine erfolgreiche Bilanz präsentieren können. Den teils von den Kantonen oder von Kinderschutzorganisationen<br />

geäusserten Vorwürfe, <strong>die</strong> mit „nur“ acht Personen dotierte Meldestelle<br />

sei zu wenig effizient, beziehungsweise man hätte das Monitoring eher bei den Kantonen<br />

aufstocken sollen, begegnet der Leiter KOBIK folgendermassen:<br />

<strong>Der</strong> Tatbeweis ist erbracht, dass es eben anders auch geht. Das erste Betriebsjahr von<br />

KOBIK ist auch im internationalen Vergleich eine Erfolgsgeschichte. Bei einem gewichteten<br />

Vergleich zeigt sich, dass wir mit 4-mal weniger Ressourcen, 5-mal mehr Verdachtsfälle<br />

im Inland aufzeigen konnten. Vergleiche mit dem Ausland sind oft rein politisch motiviert<br />

(es macht sich gut 50 Leute zu fordern) <strong>und</strong> lassen ausser Acht, dass <strong>die</strong> Schweiz einen<br />

sehr innovativen Weg geht 60 . So beschränken sich unsere Mitarbeiter auf ihre präventiven<br />

Arbeiten – sie müssen keine Ermittlungen führen (wie etwa in Bayern). Wir setzen im hochtechnischen<br />

Umfeld des Internets auch konsequent auf Nutzung technischer Werkzeuge.<br />

Zeitintensive, wiederkehrende Routinearbeiten erledigt weitgehend unser Informationssystem.<br />

Zudem haben wir nicht „nur“ Polizisten angestellt, sondern auch Informatiker, Sicherheitsleute,<br />

Journalisten, Juristen usw. Wir konzentrieren uns weiter auf <strong>die</strong> Schweiz-<br />

60 Vgl. auch Kriminalistik 6 / 2004


49<br />

relevanten Fälle. Schliesslich nutzen wir konsequent interne Synergien innerhalb des B<strong>und</strong>esamtes.<br />

Viel zum Erfolg beigetragen hat auch <strong>die</strong> gute Zusammenarbeit mit den Providern, gerade<br />

im Bereich Chatforen.<br />

Mehr Leute heisst nicht automatisch substantiell mehr Verfahren – ausschlaggebend ist<br />

der Grenznutzen. Heute kann ich sagen, dass mit 1-2 Personen mehr (Verstärkung des<br />

Monitorings) <strong>die</strong> Aufgaben von KOBIK nahezu perfekt gelöst werden könnten.<br />

Die erwähnte Zusammenarbeit mit Providern ist ein wichtiger Faktor bei der Ermittlung im<br />

Bereich der Internet-Delikte. Die Mitarbeit der Provider über eine Provider-Haftung mittels<br />

Strafrecht zu verankern, ist in der Schweiz, wie auch in anderen europäischen Ländern in<br />

Diskussion. Natürlich ist eine freiwillige Zusammenarbeit erfreulich, aber das Recht sollte <strong>die</strong><br />

Möglichkeit bieten, <strong>die</strong> nicht-kooperativen Provider zu ahnden.<br />

Aus den Aussagen von den Ermittelnden im weiteren Sinne entsteht der Eindruck, dass<br />

• <strong>die</strong> Frustration bezüglich dem Verhältnis von Aufwand <strong>und</strong> Ertrag bei den Kinderpornografie-Delikten<br />

nicht unbedingt ein deliktsspezifisches Problem sein muss, <strong>die</strong> Polizeikorps<br />

<strong>die</strong>s aber so sehen;<br />

• man auch in Bezug auf <strong>die</strong> mangelnden Ressourcen <strong>und</strong> <strong>die</strong> fehlenden polizeilichen<br />

Mittel aus anderen Deliktsbereichen mit grosser Wahrscheinlichkeit ähnliches hören<br />

wird. Bei Verbrechen gegen Kinder ist <strong>die</strong>se Tatsache aber in der Bevölkerung <strong>und</strong><br />

auch bei den Polizisten <strong>und</strong> Polizistinnen schwieriger zu ertragen, da das Schicksal<br />

der Opfer besonders unter <strong>die</strong> Haut geht <strong>und</strong> das Fehlen von Ressourcen als Entschuldigung<br />

beinahe zynisch wirkt;<br />

• bei einem so brisanten <strong>und</strong> emotionsbeladenen Thema wie Kindsmissbrauch <strong>die</strong> Zusammenarbeit<br />

mit anderen Stellen nicht immer unproblematisch ist. So kann zu viel<br />

aber auch zu wenig Aufmerksamkeit für den Erfolg eines Ermittlungsverfahrens ausschlaggebend<br />

sein. Auch der Missbrauch mit dem Missbrauch ist für <strong>die</strong> Polizeiarbeit<br />

belastend <strong>und</strong> verlangt ein hohes Mass an Professionalität bei allen Beteiligten;<br />

• der neue Partner KOBIK bei der Ermittlung gut zu funktionieren scheint. Allfällige Kritikpunkte<br />

sind weniger sachlich, denn politisch begründet.<br />

Was meinen <strong>die</strong> Akteure aus Psychiatrie <strong>und</strong> Psychotherapie zur Polizeiarbeit in <strong>die</strong>sem<br />

Deliktsbereich? Folgende Aussagen machten <strong>die</strong> Interviewten eher als kritische Bürger,<br />

denn aus Insider-Kenntnissen heraus. Es ist dennoch interessant zu hören, was sie zur Ermittlungsarbeit<br />

meinen, da sie deren Erfolg oder Misserfolg über ihre Klienten oder Klientinnen<br />

zu spüren bekommen.<br />

Ich denke aber schon, dass <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong> mit Aktionen wie der Operation Genesis<br />

präventive Wirkung zeigt. Vor allem denen, <strong>die</strong> keine ausschliessliche pädosexuelle Neigung<br />

verspüren wird damit gezeigt, dass das Internet kein rechtsfreier Raum darstellt. (…)<br />

Neue Formen der Herstellung, des Tauschens <strong>und</strong> des Anbietens von Kinderpornografie<br />

führen evt. auch dazu, dass einige <strong>Pädosexuelle</strong> am Technischen scheitern. Zudem wird<br />

sich der Ruf der Internetfahnder verbessern <strong>und</strong> man wird merken, dass <strong>die</strong> Methoden der<br />

Internetfahndung nicht mehr allzu sehr hinter den Delinquenten hinterherhinken. Eindämmen<br />

kann man das Phänomen schon, aber beseitigen sicher nicht. Natürlich hinkt <strong>die</strong><br />

<strong>Strafverfolgung</strong> immer einige Schritte hinten nach, aber ihre Jagdwaffen werden immer<br />

besser.<br />

Diese konstruktive <strong>und</strong> optimistische Sicht aus der Psychiatrie wird teils auch von „unserem“<br />

Psychotherapeuten geteilt. Auf <strong>die</strong> Frage, welchen Nutzen Kinderpornografie-Aktionen haben<br />

können, meint der Gesprächspartner:<br />

Ja, Geld für den Staat... Die Untersuchungen waren wohl aber teurer. Nein im ernst, das<br />

ist ein kleiner Wink, dass das verboten ist <strong>und</strong> das wird schon notiert. Für manche ist das<br />

nicht klar <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gesellschaft setzt da ein Zeichen. Vor allem ist oder war auch <strong>die</strong> Unterscheidung<br />

nicht klar, ob Material nun heruntergeladen wird oder nicht. Dass das ein Unter-


50<br />

schied wäre, das verstanden doch viele gar nicht. Nun wissen sie das, aber <strong>die</strong> werden da<br />

auch neue Tricks finden.<br />

Zudem hat der Psychologe durch seine Klientel auch Kenntnisse von Machenschaften von<br />

<strong>Pädosexuelle</strong>n <strong>und</strong> weiss, wie schwer es für <strong>die</strong> Ermittelnden ist, da einzugreifen:<br />

Ich denke schon, dass es sehr schwer ist, da (Oberschichtspädophilie) ran zu kommen.<br />

Die haben halt auch viel bessere Möglichkeiten, können auch ins Ausland gehen um dort<br />

etwas zu erleben. Es sind ja mehr Zufälle, dass da mal etwas auffliegt <strong>und</strong> dann hat man<br />

plötzlich einen ganzen Ring. Meist halten sie eben auch untereinander völlig dicht <strong>und</strong> was<br />

ich so gehört habe, sind sie enorm vorsichtig, weil sie auch <strong>die</strong> Untersuchungsstrategien<br />

kennen. Die Jungen wissen zum Teil auch gar nicht, wo sie genau gewesen sind. Auch <strong>die</strong><br />

Übergaben werden sehr professionell gestaltet. Hochkriminell, aber sehr ge<strong>die</strong>gene Leute.<br />

Sie können das auch so gut beherrschen, weil sie sich eindenken können in das, was verboten<br />

ist. Sie sichern sich sehr gut ab. Es wäre dann sehr schwer zu beweisen, dass ein<br />

Junge einige Nächte bei ihm zu Hause gewesen ist <strong>und</strong> dass wirklich etwas passiert ist<br />

<strong>und</strong> was passiert ist. Und eine Anklage ist für <strong>die</strong> Polizei auch riskant, weil wenn sie es<br />

nachher nicht beweisen können, bekommen sie böse Rüffel.<br />

Bei der Ermittlungsarbeit im Bereich der Pädosexualität hat es <strong>die</strong> Polizei wohl mit ähnlich<br />

schlauen oder dummen Delinquenten zu tun, wie in anderen Bereichen auch. Speziell an<br />

<strong>die</strong>sen Deliktsbereichen ist <strong>die</strong> Tragik des Geschehens <strong>und</strong> <strong>die</strong> Intimität des Milieus, in dem<br />

<strong>die</strong>se Verbrechen oft geschehen. Die damit verb<strong>und</strong>ene Emotionalität <strong>und</strong> auch das Engagement<br />

von anderen Fachstellen, <strong>die</strong> sich dem Kinderschutz widmen, sind sicher in der Regel<br />

für <strong>die</strong> Polizeiarbeit hilfreich, können aber im Einzelfall auch kontraproduktiv sein. Wie<br />

überall im Berufsleben gilt auch hier, dass <strong>die</strong> Gefühle den Blick auf <strong>die</strong> Tatsachen nicht verstellen<br />

dürfen. So wie der sexuelle Missbrauch für Opfer äusserst tragische Folgen haben<br />

kann, sind Falschanschuldigungen über alle Massen stigmatisierend. Neben den Falschangeschuldigten<br />

dürfen aber <strong>die</strong> Täter nicht vergessen werden, <strong>die</strong> nie angeschuldigt werden,<br />

weil sie zu schlau sind oder von der Abhängigkeit <strong>und</strong> dem Vertrauen ihrer Opfer profitieren.<br />

Diese werden immer noch in der Überzahl sein.<br />

Das Internet hat den pädosexuellen Deliktsbereich stark verändert. Den neuen Formen muss<br />

mit neuen Ermittlungsmethoden begegnet werden. Mit der Einführung der anlassunabhängigen<br />

Recherchen wurde sicher ein wichtiger Schritt in <strong>die</strong> richtige Richtung getan. Dass eine<br />

besonders skrupellose Täterschaft auch in der Schweiz aktiv ist 61 , belegt das letzte Zitat. Es<br />

bleibt zu hoffen, dass es den Ermittlungsorganen gelingt, auch <strong>die</strong>se Kreise zur Verantwortung<br />

zu ziehen. Verbesserte Gesetzesgr<strong>und</strong>lagen für <strong>die</strong> polizeiliche Ermittlungsarbeit, mehr<br />

Ressourcen, verbesserte Organisationsstrukturen <strong>und</strong> eine professionelle Zusammenarbeit<br />

der involvierten Behörden würden <strong>die</strong> Chancen dafür erhöhen.<br />

6.4. <strong>Der</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> in der Rechtssprechung<br />

Die durch <strong>die</strong> polizeiliche Ermittlung vorselektionierte Gruppe <strong>Pädosexuelle</strong>r haben wir in<br />

den vorhergehenden Kapiteln beschreiben können. Nach den Aussagen unserer GesprächspartnerInnen<br />

gehen wir davon aus, dass <strong>die</strong> Gruppe der Unvorsichtigen, sozial weniger<br />

Integrierten, intelligenzmässig Unterdurchschnittlichen, <strong>die</strong> ihre Opfer tendenziell ausserhalb<br />

der Familie suchen, bei der Rechtssprechung überrepräsentiert sind. Auch haben wir<br />

bereits Themen angesprochen, <strong>die</strong> bei der Rechtssprechung von den anderen Akteuren als<br />

problematisch geschildert wurden. Wir werden im Folgenden vertiefter auf <strong>die</strong>se Themen<br />

eingehen.<br />

<strong>Der</strong> Jurist hat bereits im vorausgehenden Kapitel geäussert, dass das fehlende Spezialwissen<br />

der RichterInnen <strong>und</strong> <strong>die</strong> „eventuell zu wenig gut aufgearbeiteten Dossiers“ aus Ermittlungskreisen<br />

mögliche Gründe dafür sein könnten, dass RichterInnen „zu milde“ Strafen aussprechen<br />

oder Kinderpornografie-Delikte als Kavaliersdelikte betrachten. Wie sehen das <strong>die</strong><br />

angesprochenen Ermittelnden? Die Stadtzürcher Polizei äussert sich dazu sehr pointiert:<br />

61 Vgl. dazu auch Gallwitz & Paulus (1998), <strong>die</strong> in ihrem Buch eine polizeilichen bekannte, besonders skrupellose,<br />

pädosexuelle Täterschaft beschreiben, <strong>die</strong> auch in der Schweiz aktiv war. Ein Schweizer Delinquent <strong>die</strong>ser Täterschaft<br />

wurde inzwischen verwahrt, der Ring hingegen konnte nicht aufgedeckt werden.


51<br />

Zum Teil ist es wirklich lächerlich, <strong>die</strong> bekommen nicht mal bedingte Freiheitsstrafen. Und<br />

Bussen, das nützt doch nichts. Bei den sexuellen Handlungen mit Kindern, das ist wirklich<br />

frustrierend, wenn man sieht, was <strong>die</strong> bekommen. Häufig bedingte Strafen, auch bei Wiederholungstätern.<br />

Auch das B<strong>und</strong>esgerichtsurteil, das da eine mildere Strafe gab, weil der<br />

Junge angeblich mitmachte <strong>und</strong> Lust empfand. Da kann man doch das Gesetz grad abschaffen<br />

<strong>und</strong> sagen, es sei nur strafbar, wenn <strong>die</strong> Kinder nicht wollen. Wir wissen doch,<br />

wie das geht <strong>und</strong> dass da oft ein Vertrauensverhältnis aufgebaut wird.<br />

Man müsste <strong>die</strong> Justizebene da sensibilisieren, <strong>die</strong> wissen meist gar nicht, worum es geht.<br />

Wir haben Befragungen von Kindern auf Video, aber der Richter will nur das Befragungsprotokoll,<br />

weil das schneller geht <strong>und</strong> da bekommt man keinen Eindruck. Die nehmen sich<br />

<strong>die</strong> Zeit nicht. (…) Wir haben mal beim Sozialamt eine Präsentation gemacht mit ein paar<br />

Bildern drin, nicht mal das schlimmste, aber das ist denen extrem eingefahren. (…)<br />

<strong>Der</strong> letzte da, neunfache sexuelle Handlungen mit einem Minderjährigen, der hat drei Monate<br />

bedingt auf drei Jahre gekriegt. Als wir da nachdoppelten, meinten sie, dass normalerweise<br />

drei Monate bedingt auf 2 Jahre gegeben würde <strong>und</strong> das wäre in dem Sinne<br />

schon sehr streng. (…)<br />

Es gibt aber schon unterschiedliche Bezirksanwälte <strong>und</strong> wenn sie einstellen oder dem<br />

nicht weiter nachgehen, dann hat das meist damit zu tun, dass sie dem nicht so viel Gewicht<br />

geben oder keine Ressourcen haben. Immer kommt, sogar bei 8-Jährigen, dass das<br />

Kind einverstanden gewesen wäre. Warum haben wir denn das StGB? Man kann alles<br />

immer weiter verwässern, bis man ganz aufhören kann. Und auch wenn Urbaniok meint,<br />

dass es nicht immer schädigend für das Kind ist 62 , das ist uns auch klar, aber dennoch haben<br />

wir eine Gesetzgebung <strong>und</strong> <strong>die</strong> muss man durchsetzten. Wenn nun einer über einen<br />

Chat einen 13-Jährigen abschleppt <strong>und</strong> wenn er dann dafür drei Jahre Kiste riskiert, dann<br />

wirkt das schon anders <strong>und</strong> er überlegt sich das schon noch mal. Das würde Wirkung in<br />

der Gesellschaft signalisieren. Und einige davon würden sicher den Schritt nicht wagen.<br />

Wir denken auch, dass <strong>die</strong> Bevölkerung das gar nicht weiss, wie billig <strong>die</strong> davon kommen.<br />

Inwiefern <strong>die</strong>se doch sehr frustrierten Aussagen eines Polizeibeamten eine gesamtschweizerische<br />

Realität beschreiben, kann hier nicht beantwortet werden. Die Urteile der Aktion<br />

Genesis (siehe auch Kap. 6.1.) sind insofern ein Spezialfall, als dass man es kaum mit<br />

Wiederholungstätern zu tun hatte, dass es sich fast ausschliesslich um den Straftatbestand<br />

des Besitzes von illegaler Pornografie handelte <strong>und</strong> dass <strong>die</strong> Kantone nicht nur auf Polizeiseite,<br />

sondern auch auf der richterlichen Ebene bei <strong>die</strong>ser Aktion Neuland betreten haben.<br />

<strong>Der</strong> Straftatbestand des Besitzes trat erst kurz vor der Aktion in Kraft (1.4.02) <strong>und</strong> <strong>die</strong> Erfahrungen<br />

in der Rechtssprechung fehlten dementsprechend. Es war jedoch offensichtlich, dass<br />

sich einige Kantone bei ihrer Rechtssprechung schwer taten <strong>und</strong> sehr interessiert <strong>die</strong> Urteile<br />

anderer Kantone <strong>und</strong> Gutachten des B<strong>und</strong>esamtes für Justiz abwarteten. 63 Die Urteile sind<br />

aus Laiensicht recht tief ausgefallen. Es ist Tatsache, dass <strong>die</strong> Personen, welche kinderpornografisches<br />

Material angesehen haben, über das Delikt anders urteilen, als solche, <strong>die</strong> sich<br />

ihre eigenen Vorstellungen vom Material machen. Die Polizisten haben <strong>die</strong>se Erfahrung mit<br />

dem Sozialamt gemacht, KOBIK hat einigen ParlamentarierInnen „unzensiert“ gezeigt, welche<br />

Arten von Missbrauchsdarstellungen auf dem Netz kursieren. Durchwegs alle waren<br />

schockiert <strong>und</strong> engagieren sich sicher in Zukunft mehr in der Bekämpfung <strong>die</strong>ses Deliktsbereichs,<br />

als wenn sie weiter abstrakte Vorstellungen mit sich getragen hätten 64 .<br />

Wuttke (2003), <strong>die</strong> ebenfalls ExpertInneninterviews zur Thematik Kinderpornografie durchgeführt<br />

hat, zitiert in ihrem Buch einen Vertreter der <strong>Strafverfolgung</strong>sbehörden, der <strong>die</strong>selbe Erfahrung<br />

schildert; „Die Richter des Landesgerichtes X haben mir einmal auf dem Gang,<br />

62<br />

Dr. Frank Urbaniok hat einen Vortrag zum Thema Pädosexualität gehalten <strong>und</strong> dargelegt, dass sich der Schaden<br />

bei den Opfern sehr unterschiedlich zeigen kann.<br />

63<br />

Erfahrungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Schreiberin im Rahmen ihrer Tätigkeit in der AG zur Evaluation der Aktion Genesis sammeln<br />

konnte.<br />

64<br />

Bei der Sensibilisierung von Entscheidungsträgern mit Hilfe von Darstellungen steht man immer vor dem Dilemma,<br />

einerseits keine Kinderpornografie reproduzieren zu wollen, andererseits auch keine zu „harmlosen“ Darstellungen<br />

(posierende Lolitas in der Regel) zu zeigen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Realität beschönigen. Ein möglicher Ausweg ist<br />

das Präsentieren von Textmaterialien oder „nur“ von Tonspuren, <strong>die</strong> immer öfter bei Filmen vorhanden sind. Das<br />

Schreien, Wimmern <strong>und</strong> Weinen der Kinder geht so unter <strong>die</strong> Haut, dass man <strong>die</strong> Bilder gar nicht mehr zeigen<br />

muss, um <strong>die</strong> allfällige „Kavaliersdelikt-Einstellungen“ gründlich zu revi<strong>die</strong>ren.


52<br />

nachdem sie ein Video gesehen haben, gesagt: Wir haben nicht gewusst, was sich hinter einem<br />

solchen Satz eines Mädchen: ‚Er drang mit dem Penis in mich ein’, für ein Martyrium<br />

verbirgt. Jetzt haben wir es gesehen. Jetzt wissen wir es. Seit <strong>die</strong>ser Konfrontation sind <strong>die</strong><br />

Strafen, <strong>die</strong> von <strong>die</strong>ser Kammer ausgeurteilt werden, drastisch angestiegen.“ (S. 120)<br />

Die Stadtzürcher Polizei hat aber nicht im Speziellen <strong>die</strong> Rechtssprechung bei Besitz von<br />

Kinderpornografie angesprochen, sondern auch Delikte, welche sexuelle Handlungen mit<br />

Kindern betreffen.<br />

Das B<strong>und</strong>esamt für Statistik liefert uns einen groben Überblick über <strong>die</strong> Verurteilungen zu Art<br />

187 StGB seit 1992 65 :<br />

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002<br />

Verurteilungen insgesamt 270 261 297 274 292 331 320 357 356 329 324<br />

nach dem Ge-<br />

schlecht<br />

nach Altersgruppen<br />

männlich 266 257 291 270 299 325 315 350 351 311 312<br />

weiblich 4 4 6 4 3 6 5 7 5 18 12<br />

18-24 Jahre<br />

25-44 Jahre<br />

über 45<br />

Jahre<br />

47 42 47 50 41 45 53 54 46 62 58<br />

163 140 161 132 153 168 146 182 160 154 156<br />

60 79 89 92 98 118 121 121 150 113 110<br />

nach der Herkunft Schweizer 174 174 192 193 200 227 215 228 250 210 229<br />

nach der Hauptsanktion<br />

Ausländer 96 87 105 81 92 104 105 129 106 119 95<br />

Freiheitsstrafe 244 241 275 237 263 301 293 329 319 306 296<br />

davon unbedingte Strafe 66 65 64 61 65 70 76 95 76 76 49<br />

davon bedingte Strafe 178 176 211 176 198 231 217 234 243 230 247<br />

Massnahme 24 20 21 32 26 29 27 24 36 21 24<br />

Busse 2 0 1 5 3 1 0 4 1 2 4<br />

nach Art der Freiheitsstrafe<br />

Zuchthaus 28 30 33 30 24 42 43 50 39 40 23<br />

Gefängnis 214 210 241 205 238 259 249 279 280 263 269<br />

Haft 2 1 1 2 1 0 1 0 0 3 4<br />

Ohne <strong>die</strong> Tabelle im Detail zu interpretieren, kann <strong>die</strong> Aussagen gemacht werden, dass <strong>die</strong><br />

Mehrheit der Urteile bedingte Gefängnisstrafen betreffen. Art. 187 StGB „Sexuelle Handlungen<br />

mit Kindern“ beinhaltet: „Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung<br />

vornimmt, es zu einer solchen Handlung verleitet oder es in eine sexuelle Handlung einbezieht,<br />

wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft“. Dieser Straftatbestand<br />

kann Oralsex mit einem 5-Jährigen Kind ebenso umfassen, wie unzüchtiges Berühren<br />

einer 15-Jährigen. Dennoch ist es bemerkenswert, wie stark <strong>die</strong> ausgesprochenen Urteile in<br />

der Regel von der möglichen Höchststrafe abweichen 66 .<br />

Schenkt man dem oben zitierten Polizisten Glauben, so werden aber auch durchaus schwerere<br />

Delikte mit bedingten Freiheitsstrafen bestraft. Ob härtere Strafen generalpräventive<br />

Wirkung hätten oder ob hohe Freiheitsstrafen einige Täter von ihrem Tun abhalten würden,<br />

wissen wir nicht.<br />

Mit Blick auf <strong>die</strong> Rechtslage <strong>und</strong> Rechtssprechung in anderen Deliktsbereichen muss dennoch<br />

von Unverhältnismässigkeit gesprochen werden. Auch im Bereich des Besitzes von<br />

65 Siehe unter http://www.statistik.admin.ch/stat_ch/ber19/dtfr19.htm<br />

66 Eine detaillierte Urteilsanalyse ist beim B<strong>und</strong>esamt für Polizei für <strong>die</strong> nächsten Jahre geplant.


53<br />

Kinderpornografie meint Staatsanwalt Andreas Brunner 67 : „Die Strafandrohung bei Besitz<br />

von Kinderpornografie geht nicht über ein Jahr hinaus. Auch das zeigt, dass das Delikt bei<br />

uns verharmlost wird. Ich sage gar nicht, dass man das Strafmass gewaltig nach oben korrigieren<br />

müsste. Ich gebe aber doch zu bedenken, dass man für Diebstahl mit Freiheitsentzug<br />

von bis zu fünf Jahren bestraft werden kann.“ Um wie viel deutlicher gilt das Argument der<br />

Unverhältnismässigkeit bei Delikten gegen <strong>die</strong> sexuelle Integrität bei Kindern!<br />

<strong>Der</strong> forensische Begutachter geht jedenfalls von unbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen<br />

aus, wenn er meint:<br />

Das heisst, <strong>die</strong>se fünf Jahre, <strong>die</strong> sie in der Regel bekommen, können für <strong>die</strong> sehr lange<br />

<strong>und</strong> harte Jahre sein. In der Regel bekommen <strong>die</strong> auch <strong>die</strong> Zweidrittelregelung, weil sie<br />

sich gut bewähren, weil sie auch kontrolliert werden durch <strong>die</strong> Mitgefangenen. Also <strong>die</strong><br />

Pädophilen im Knast, <strong>die</strong> leiden doppelt <strong>und</strong> haben auch ein doppeltes Interesse, aus dem<br />

Knast wieder raus zu kommen. Oftmals sind sie auch intelligenter als <strong>die</strong> Mitgefangenen.<br />

Zumindest was das Soziale anbelangt. Sie haben natürlich auch gelernt, nicht aufzufallen<br />

<strong>und</strong> Strategien zu entwickeln, dass sie überleben können im Gefängnis. Wegen der sozialen<br />

Ächtung haben sie auch vorher gelernt, sich zu verstecken <strong>und</strong> nicht aufzufallen.<br />

Diese fünf Jahre, <strong>die</strong> Pädokriminelle in der Regel bekommen sollen, gelten offenbar für <strong>die</strong>jenige<br />

Gruppe, welche <strong>die</strong> Begutachtung zu Gesicht bekommt. Verlangt eine Richterin / ein<br />

Richter ein forensisches Gutachten, wird es sich oft auch um schwerwiegendere Fälle handeln.<br />

Unabhängig von den möglichen Präventivwirkungen von hohen Strafen, stellt sich natürlich<br />

auch <strong>die</strong> Frage nach der Wirkung der tatsächlichen Freiheitsstrafe auf einen <strong>Pädosexuelle</strong>n<br />

<strong>und</strong> inwieweit dadurch potentielle Opfer geschützt werden. <strong>Der</strong> Psychotherapeut<br />

äussert sich zur positiven Wirkung jedenfalls äusserst kritisch:<br />

Die fünf Jahre Knast, <strong>die</strong> Pädophile bekommen, nützen natürlich gar nichts, im Gegenteil,<br />

das gilt aber auch für andere Straftaten. Sie sind nachher schlechter resozialisierbar. Unter<br />

Umständen geschwächt, was den Rückfall wahrscheinlicher macht. Deshalb sind angedrohte,<br />

aber lange Strafen angemessener.<br />

<strong>Der</strong> „konstruktive“ Vorschlag, dass man <strong>Pädosexuelle</strong>n, <strong>die</strong> straffällig geworden sind, hohe<br />

Strafen androhen soll <strong>und</strong> <strong>die</strong>s mehr Wirkung zeigen würde, müsste empirisch überprüft<br />

werden. Eventuell liessen sich Länder finden, <strong>die</strong> nach ihrer Gesetzgebung solche Formen<br />

von Strafandrohungen praktizieren. Zudem sieht der therapeutisch arbeitende Psychologe<br />

Mängel bezüglich der ausgesprochenen Massnahmen bei der Rechtsprechung <strong>und</strong> leitet<br />

somit direkt zum nächsten (<strong>und</strong> übernächsten) Kapitel weiter:<br />

Hingegen für <strong>die</strong> Frage nach der Therapierbarkeit <strong>und</strong> nach der Wahl der Therapie, dazu<br />

muss es eine differenzierte psychologische Analyse geben. Zum einen kann man beurteilen,<br />

ob eine Strafe zu Gunsten einer Therapie ausgesetzt werden kann. Das wäre ja häufig<br />

sinnvoll, aber was ich so sehe in der Justiz, wird das sehr willkürlich gehandhabt.<br />

Wir werden im nächsten Kapitel sehen, warum aus seiner Sicht der Einsatz <strong>und</strong> <strong>die</strong> Wahl<br />

von Therapien so willkürlich gehandhabt werden. Vorerst wollen wir aber kurz <strong>die</strong> Erkenntnisse<br />

zur Rechtssprechung zusammenfassen.<br />

• Bei der Rechtssprechung muss unterschieden werden zwischen den Delikten, <strong>die</strong><br />

Kinderpornografie, <strong>und</strong> solchen, <strong>die</strong> sexuelle Handlungen mit Kindern betreffen. Bei<br />

ersteren ist <strong>die</strong> Rechtssprechung noch zu jung, um Aussagen machen zu können.<br />

Die Strafandrohungen stehen aber, im Vergleich zu andere Deliktsbereichen, in einem<br />

Missverhältnis. Kritische Stimmen zu den zu milden Strafen sind aus Polizeikreisen<br />

<strong>und</strong> aus der Presse bereits zu hören. Bei den Delikten gegen <strong>die</strong> sexuelle Integrität<br />

von Minderjährigen kann jedoch auf eine langjährige Rechtssprechung zurückgegriffen<br />

werden;<br />

• Unsere Stimme aus Polizeikreisen kritisiert <strong>die</strong> milden Urteile im Bereich des Kindsmissbrauchs<br />

<strong>und</strong> begründet <strong>die</strong>s mit der mangelnden Sensibilität gewisser Bezirksrichter,<br />

<strong>die</strong> sich auch nicht <strong>die</strong> nötige Zeit nehmen, <strong>die</strong> Polizeidossiers anzuschauen.<br />

67<br />

Aus einem Interview in der Annabelle vom 11. August 2004 unter dem Titel „Besitz von harten Pornobildern<br />

wird verharmlost“.


54<br />

<strong>Der</strong> befragte Jurist meint, dass <strong>die</strong> Frustration in Bezug auf <strong>die</strong> Rechtssprechung<br />

nicht deliktsspezifisch sei, dass man aber eventuell <strong>die</strong> Dossiers besser aufbereiten<br />

müsse, um <strong>die</strong> RichterInnen besser zu sensibilisieren. Zudem sei der Richterstand,<br />

im Gegensatz zu den Ermittlungskreisen, in der Regel nicht spezialisiert auf Delikte.<br />

Dass Richterinnen <strong>und</strong> Richter, <strong>die</strong> mit <strong>die</strong>sen Deliktsbereichen des Öfteren zu tun<br />

haben, sich zumindest einmal mit dem realen Geschehen konkret beschäftigen,<br />

scheint nicht zuviel verlangt;<br />

• Die Urteilsstatistik belegt zumindest, dass das mögliche Strafmass bei sexuellen<br />

Handlungen mit Kindern in der Mehrheit der Fälle nicht ausgeschöpft wird. Dass Kinder<br />

keine Lobby haben, scheint sich im Bereich der Rechtssprechung zu bewahrheiten;<br />

• Auch ob höhere Strafen individual- oder generalpräventive Wirkung zeigen würden,<br />

kann hier nicht beantwortet werden. Kriminologische Untersuchungen würden der individualpräventiven<br />

Wirkung gr<strong>und</strong>sätzlich widersprechen. 68 Zur generalpräventiven<br />

Wirkung höherer Strafen liegen nach Kunz (1994) keine empirischen Anhaltspunkte<br />

vor;<br />

• Die gutachterliche Sicht sieht <strong>die</strong> Rechtssprechung anders. Gutachter sehen in der<br />

Regel 5-Jahres-Strafen <strong>und</strong> betonen, dass <strong>die</strong>se Zeit gerade für <strong>die</strong>sen Delinquententypus<br />

sehr schwer zu ertragen ist, da <strong>die</strong> Mitgefangenen <strong>die</strong>se Täter ihre Verachtung<br />

spüren lassen;<br />

• Dass längere Haftstrafen eher <strong>die</strong> Rachegefühle der Gesellschaft befriedigen, ist <strong>die</strong><br />

Meinung des Vertreters der therapeutischen Sicht. Lange Haftstrafen haben kaum je<br />

einen positiven Einfluss auf jedwelche Delinquentengruppe <strong>und</strong> sie würden pädosexuelle<br />

Täter weiter isolieren <strong>und</strong> schwächen, was sich für potentielle Opfer kontraproduktiv<br />

auswirken kann. Besser seien lange angedrohte Haftstrafen <strong>und</strong> differenzierte<br />

Massnahmeempfehlungen, was aber kaum praktiziert werde.<br />

Wenn man sich von einer härteren Rechtssprechung kaum präventive Wirkung verspricht<br />

<strong>und</strong> ein Gefängnisaufenthalt eines <strong>Pädosexuelle</strong>n nach Einschätzung des (forensischen)<br />

Therapeuten im Sinne eines weiteren Opferschutzes eher kontraproduktive Wirkung zeigt,<br />

muss zumindest im Bereich der Massnahmen respektive der therapeutischen Arbeit ein<br />

Schwerpunkt gesetzt werden.<br />

Warum können aus Sicht des Therapeuten <strong>die</strong> GutachterInnen wenig differenzierte Empfehlungen<br />

zu Massnahmen aussprechen?<br />

6.5. <strong>Der</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> in der forensischen Begutachtung<br />

Aus Gründen der Anbindung kommt in <strong>die</strong>sem Kapitel der „Letzte“ im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess,<br />

der Therapeut, zuerst zu Wort. Auf <strong>die</strong> Frage, warum <strong>die</strong> Richter <strong>und</strong>ifferenzierte<br />

Massnahmeempfehlungen aussprechen:<br />

Weil sie keine differenzierten Vorschläge von den Gutachtern bekommen. Ein Psychiater<br />

kann einfach sagen, ja, eine Therapie ist möglich, er kann aber gar nicht belegen, wie er<br />

auf <strong>die</strong>se Idee kommt. Vielleicht weil der Klient ihm sagt, er wolle eine Therapie machen.<br />

Ob das dann aussichtsreich ist? Da müsste er mit dem Klienten viel mehr arbeiten. Und er<br />

müsste eine psychologische Ausbildung haben, er muss <strong>die</strong> Dynamik genauer kennen lernen,<br />

<strong>die</strong> Motivationsanalyse muss gemacht werden <strong>und</strong> vor allem wissen <strong>die</strong> Psychiater<br />

nichts über <strong>die</strong> Normalbevölkerung. Sie sind sozialisiert auf psychiatrische Patienten. In<br />

der Forensik haben wir aber wenig psychiatrische Patienten, wir haben sehr viele Störungen,<br />

<strong>die</strong> wir aber auch sonst in der Bevölkerung finden. Die haben halt einfach eine Störung,<br />

<strong>die</strong> zufällig zu einem Delikt führte. Manchmal haben sie noch <strong>die</strong> Kombination zu<br />

ganz anderen Störungen, <strong>die</strong> in Abhängigkeiten zueinander stehen. (…)<br />

68 Siehe z.B. K.-L. Kunz (1994):“ <strong>Der</strong> gesetzliche Strafrahmen <strong>und</strong> <strong>die</strong> richterliche Strafhöhenbemessung beeinflusst<br />

im Allgemeinen weder <strong>die</strong> Hemmschwelle für Folgetaten noch das Ausmass der Normakzeptanz.“ (S. 328)


55<br />

Ich kenne „das gutachterliche Problem“. Das eine ist, dass das Wissen zu Perversionen<br />

bei vielen Gutachtern sehr schlecht ist. Sie wissen, dass es Perversionen gibt, sie kennen<br />

den Namen, aber sie können innerhalb der Perversionen nicht differenzieren. Sie sind in<br />

der Entstehungsgeschichte der Perversionen zu wenig ausgebildet. Es ist hilfreich, wenn<br />

man Psychologie stu<strong>die</strong>rt hat <strong>und</strong> auch das Leben der so genannt „Normalen“ kennt, <strong>die</strong><br />

auch ihre Unterschiede haben. Vor allem Psychiater sind meist so sozialisiert, dass sie nur<br />

pathologische Phänomene kennen. Da können sie dann sehr schnell sagen: „das ist ein<br />

Voyeur, das ist ein Exhibitionist, etc.“ wobei <strong>die</strong> sich untereinander wohl ähnlicher sind als<br />

<strong>die</strong>, <strong>die</strong> unter dem Label „Pädophilie“ subsumiert werden.<br />

Aus dem ersten Kapitel haben wir aus der Sicht des Gutachters in der Tat gehört, dass ihn<br />

Motive, Ursachen, Randbedingungen nur im Hinblick auf <strong>die</strong> Zurechnungsfähigkeit interessieren.<br />

Auch wenn „unser“ forensischer Gutachter eine psychologische Ausbildung absolviert<br />

hat, meinte er selbst, dass gewisse Fragen für Psychologen von Interesse, forensisch aber<br />

dennoch irrelevant seien. Ein eher strukturelles Problem ist, dass eine Begutachtung nie <strong>die</strong><br />

Intensität einer therapeutischen Behandlung haben kann. Die Kontakte zum Delinquenten<br />

beschränken sich in der Regel auf ein paar Sitzungen <strong>und</strong> gehen nicht über Jahre, wie <strong>die</strong>s<br />

in der Therapie der Fall ist. <strong>Der</strong> Gutachter beschreibt <strong>die</strong> Schwierigkeiten seiner Arbeit in Bezug<br />

auf Prognoseeinschätzungen wie folgt:<br />

Die Gewohnheitspädophilen, <strong>die</strong> kommen am ehesten noch für Prognosen. Wenn <strong>die</strong> so<br />

für fünf Jahren in den Knast kommen <strong>und</strong> <strong>die</strong> benehmen sich da auch sehr gut - <strong>die</strong> sind ja<br />

im Knast meist sehr gut angepasst, auch von der Knasthierarchie her - da haben <strong>die</strong> Leute<br />

halt dann bedenken, ob man <strong>die</strong> wieder raus lassen kann. (…) Sie haben natürlich auch<br />

gelernt, nicht aufzufallen <strong>und</strong> Strategien zu entwickeln, dass sie überleben können im Gefängnis.<br />

Wegen der sozialen Ächtung haben sie auch vorher gelernt, sich zu verstecken<br />

<strong>und</strong> nicht aufzufallen.<br />

Und in <strong>die</strong>ser Konstellation eine Prognose abzugeben ist ausserordentlich schwierig, wenn<br />

nicht unmöglich. Diese Leute, wenn sie das umgekehrt formulieren, haben auch nie <strong>die</strong><br />

Chance gehabt, sich zu bewähren. Auch bei Hafterleichterung oder so, kann man das<br />

nicht feststellen, das ist zu kontrolliert <strong>und</strong> zu kurz. (…)<br />

Wann haben wir es mit einer Krankheit zu tun, wann mit einer Gewöhnung <strong>und</strong> Einstellung?<br />

Sie versuchen das natürlich zu explorieren, versuchen Verhaltensmuster herauszufinden<br />

bei den Erzählungen damit sie Hinweise <strong>und</strong> Informationen bekommen, ob so etwas<br />

wie ein Kontrollverlust vorhanden ist oder nicht. Vielleicht ist er dann auch schon so geschult,<br />

dass er weiss, was er ihnen erzählen muss, das ist sehr schwierig. Und darum<br />

meine ich auch, von einer Trefferquote von 90 Prozent zu sprechen, ist wirklich fahrlässig.<br />

Die ganzen Kriterien, <strong>die</strong> sie auch berücksichtigen müssen, wie sozialer Nahraum , Ehefrau,<br />

Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> so, bei denen wissen sie ja auch nicht, wie sich <strong>die</strong> Dynamik verändert.<br />

Theoretisch hört sich das natürlich gut an, aber praktisch ist das ausserordentlich schwierig.<br />

<strong>Der</strong> Begutachter bestätigt also indirekt eine gewisse Unmöglichkeit, eine differenzierte Begutachtung<br />

für <strong>die</strong> weitere Entwicklung von <strong>Pädosexuelle</strong>n abzugeben, wenn auch aus anderen<br />

Gründen als der Therapeut.<br />

Gutachterliche Tätigkeit besteht darin, <strong>die</strong> Zurechnungsfähigkeit abzuklären <strong>und</strong> Prognosen<br />

abzugeben. Eine dritte Aufgabe zeigt sich an folgendem Beispiel:<br />

Ja, einmal hatte ich eine Frau. Das war eine Frau, <strong>die</strong> soll Manipulationen an ihrem Sohn<br />

vorgenommen haben <strong>und</strong> der Gutachtenauftrag lautete, <strong>die</strong> Zurechnungsfähigkeit <strong>die</strong>ser<br />

Frau zu beurteilen, sie war in Therapie. Danach hat sich aber alles um <strong>die</strong> Glaubwürdigkeit<br />

des Sohns gedreht. Dann tauchte der Ehemann als Zeuge auf, es handelte sich dann um<br />

einen Zivilprozess, wie das halt so ist <strong>und</strong> dann wurde das alles <strong>und</strong>urchsichtig <strong>und</strong> es<br />

blieb der Verdacht.<br />

Die Feststellung der Glaubwürdigkeit ist <strong>die</strong> dritte, schwierige Aufgabe, <strong>die</strong> sehr oft in Zusammenhang<br />

mit Sexualdelikten bei Kindern, auftaucht. Diese Aufgabe der Gutachter ist<br />

auch in Polizeikreisen am ehesten bekannt. Die <strong>Bern</strong>er Polizei hat vor allem terminbedingte<br />

Probleme bei den GutachterInnen festgestellt. Beim Thema des Missbrauchs mit dem Missbrauch<br />

meinten <strong>die</strong> <strong>Bern</strong>erinnen zu den Gutachtern:


56<br />

Und eben, wie sie wissen, sind <strong>die</strong> Gutachter überlastet <strong>und</strong> dann kann das dauern. Die<br />

Aufschübe werden dann der Polizei angelastet, <strong>die</strong> Leute können das nicht auseinander<br />

halten. Und das Warten ist bei <strong>die</strong>sen Fällen besonders kritisch, weil das auch sehr belastend<br />

ist für <strong>die</strong> Kinder.<br />

<strong>Der</strong> Polizei fällt vor allem auf, dass <strong>die</strong> Betroffenen, <strong>und</strong> vielleicht auch Teile der Bevölkerung,<br />

nicht beurteilen können, warum ein Verfahren so lange hängig ist. Möglicherweise<br />

hat <strong>die</strong> Pressearbeit r<strong>und</strong> um <strong>die</strong> Verwahrungsinitiative <strong>die</strong> Engpässe bei der gutachterlichen<br />

Arbeit so zum Thema gemacht, dass in der Bevölkerung nun besser unterschieden werden<br />

kann zwischen der gutachterlichen Arbeit <strong>und</strong> der Polizeiarbeit. Das ändert aber nichts daran,<br />

dass für <strong>die</strong> Betroffenen, vor allem für <strong>die</strong> Opfer, lange Wartezeiten auf ein Gutachten<br />

dennoch ein grosses Problem sein können. Wie steht es um <strong>die</strong> Qualität solcher Glaubwürdigkeitsgutachten?<br />

<strong>Der</strong> Therapeut meint dazu:<br />

(…) aber man muss schon auch damit rechnen, dass sie Geschichten erf<strong>und</strong>en haben. Ich<br />

habe Mädchen erlebt, <strong>die</strong> Szenen erf<strong>und</strong>en haben. Um sich wichtig zu machen, um abzulenken<br />

aber auch um sich zu rächen, auch z.B. für nicht erwiderte Liebe. So 14/15-jährige<br />

Mädchen können sehr boshaft sein. Auch enorm durchgedacht in der Phantasie, das ist<br />

auch für den Fachmann nicht leicht zu erkennen. (…) Ja, sie können sich da rein steigern,<br />

dann werden sie aber auch teilweise bedroht, zur Redlichkeit ermahnt, in Frage gestellt.<br />

Und das kann bewirken, dass sie erst recht nachdoppeln <strong>und</strong> dann schmücken sie immer<br />

mehr aus. Zum Teil in einer Detailtreue, <strong>die</strong> man eigentlich von einem normalen Gedächtnis<br />

gar nicht erwarten würde. Aber das ist selbst in einer Glaubhaftigkeitsbeurteilung etwas<br />

ganz schwieriges. Wenn es familiäre Angelegenheiten betrifft wird es noch schwieriger.<br />

Auch <strong>die</strong> Polizei kennt <strong>die</strong>se Problematik. Die <strong>Bern</strong>er Polizistinnen erwähnen <strong>die</strong> Problembereiche,<br />

stellen aber <strong>die</strong> Glaubwürdigkeitsgutachten nicht in Frage:<br />

Wie schon erwähnt sind <strong>die</strong> Scheidungsfälle heikel, da muss man genau schauen, aber wir<br />

haben auch <strong>die</strong> Fälle, wo pubertierende Mädchen falsche Anschuldigungen machen. Die<br />

Motive sind unterschiedlich <strong>und</strong> <strong>die</strong> angeblichen Täter können auch unterschiedlich sein,<br />

das kann vom eigenen Vater bis zu Fremden gehen. Bei jüngeren Kindern sind falsche<br />

Anschuldigungen ganz ganz selten. Wenn sie von einem Elternteil instrumentalisiert werden,<br />

merkt man das recht schnell. Sie müssen auch nicht mal instrumentalisiert werden,<br />

das passiert manchmal ganz schleichend <strong>und</strong> unbewusst. Das Kind erzählt etwas, das<br />

man in Richtung sexuellen Übergriff interpretieren kann <strong>und</strong> <strong>die</strong> Situation in der Familie ist<br />

heikel <strong>und</strong> dann wird nachgefragt <strong>und</strong> weiter nachgefragt <strong>und</strong> auf einmal hat man eine<br />

konstruierte Geschichte. Aber normalerweise erzählt ein kleineres Kind keine erf<strong>und</strong>enen<br />

Geschichten. Aber <strong>die</strong> Gutachten werden dann selbstverständlich von Fachmännern <strong>und</strong><br />

Fachfrauen gemacht.<br />

• Die Begutachtung von <strong>Pädosexuelle</strong>n <strong>und</strong> Zeugen in Verfahren, bei denen pädosexuelle<br />

Handlungen Thema sind, können drei Aufgaben umfassen: Die Begutachtung<br />

der Zurechnungsfähigkeit <strong>und</strong> eventuelle Therapieempfehlungen, Prognoseeinschätzungen<br />

<strong>und</strong> Glaubwürdigkeitsgutachten.<br />

• <strong>Der</strong> Begutachter selbst beschreibt Schwierigkeiten bei der Prognose <strong>und</strong> deutet einige<br />

bei der Glaubwürdigkeitseinschätzung an. Wir wissen leider nicht genau, mit welchen<br />

Methoden <strong>die</strong> gutachterliche Arbeit <strong>die</strong> Zurechnungsfähigkeit im Detail prüft <strong>und</strong><br />

welche Informationen dafür benötigt werden. Die therapeutische Sicht jedenfalls kritisiert<br />

<strong>die</strong> gutachterliche Arbeit in Bezug auf <strong>die</strong> mangelnde Abklärung der Hintergründe<br />

<strong>und</strong> das mangelnde Wissen um „normal“-psychologische Prozesse. Diese Mängel<br />

führen dazu, dass Massnahmen empfohlen werden, <strong>die</strong> Gründe zu <strong>die</strong>sen Massnahmen<br />

aber im Dunkeln bleiben würden.<br />

• Die Polizeiseite kennt, wie der Therapeut auch, <strong>die</strong> Schwierigkeiten bei Fällen, in denen<br />

Aussage gegen Aussage steht. Gerade bei vermeintlichen Opfern im Jugendalter<br />

<strong>und</strong> in Scheidungssituationen sind Falschanschuldigungen keine Seltenheit. Die<br />

Glaubwürdigkeit in solchen Verfahren zu prüfen, ist auch aus Sicht des geschulten<br />

Psychologen nicht einfach.


57<br />

• Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt, dass bei der gutachterlichen Arbeit einige strukturelle Probleme<br />

vorhanden sind: zum einen gibt es zu wenige forensische Gutachter in der Schweiz,<br />

was zu Engpässen bei der Bearbeitung führt. Dies wirkt sich auch auf <strong>die</strong> polizeiliche<br />

Arbeit aus. Zum anderen arbeiten <strong>die</strong> Gutachter eine relativ kurze Zeit mit den Delinquenten,<br />

was keine vertiefte Sicht der Motive <strong>und</strong> Rahmenbedingungen ermöglicht.<br />

Das hat zur Folge, dass, so zumindest <strong>die</strong> Ansicht des Therapeuten, Richterinnen<br />

<strong>und</strong> Richter zu wenig differenzierte Massnahmeempfehlungen abgeben. Die fehlende<br />

Wirkung der Besserung durch Strafe würde somit nicht durch effiziente Therapiearbeit<br />

kompensiert;<br />

• Zudem sind Gutachter in der Regel, wie <strong>die</strong> RichterInnen auch, nicht spezialisiert auf<br />

Deliktstypen oder Krankheitsbilder.<br />

Es folgt ein längeres Kapitel zur therapeutischen Behandlung. Es wird sich zeigen, ob zumindest<br />

im Bereich der Behandlungsmöglichkeiten angemessenes Know-how <strong>und</strong> dementsprechende<br />

Umsetzungen vorhanden <strong>und</strong> möglich sind.<br />

6.6. <strong>Der</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> in der therapeutischen Behandlung<br />

Die Stadtzürcher Polizei hat Erfahrungen mit therapierten Tätern sammeln können. Beim<br />

Fall, der bereits in Kapitel 6.1. zur Sprache kam, war <strong>die</strong> Therapie offenbar ein Thema:<br />

Für uns ist das ein ganz Gefährlicher <strong>und</strong> den hat man über Jahre therapiert. Bei der<br />

Hausdurchsuchung hatten wir auch <strong>die</strong> ganzen Unterlagen von seiner früheren Festnahme<br />

gef<strong>und</strong>en. Alle Unterlagen vom Gericht <strong>und</strong> vom Therapeuten <strong>und</strong> darin stand, dass er untherapierbar<br />

wäre.<br />

Man liest zwischen den Zeilen eine gewisse Frustration in Bezug auf <strong>die</strong>sen Fall. Diese<br />

Frustration wird bei einem anderen Delinquenten noch deutlicher ausgedrückt:<br />

Wenn wir hören, dass ein schwerer Fall, der 30 Monate Gefängnis bekam <strong>und</strong> <strong>die</strong> Strafe<br />

zugunsten einer ambulanten Therapie aufgehoben wurde, <strong>und</strong> man nachher sieht, dass es<br />

wirklich nichts gebracht hat <strong>und</strong> dass <strong>die</strong> Person gar nicht therapierbar ist, dann gibt das<br />

schon zu denken. Richtiger wäre, wenn er <strong>die</strong> Strafe absitzen müsste <strong>und</strong> dann zusätzlich<br />

eine Therapie bekäme. Haftbegleitend muss das ablaufen. Zudem haben <strong>die</strong> zum Teil Auflagen,<br />

wie kein Kontakt zu Kindern oder kein Zugang zu Computern, aber das kontrolliert<br />

gar niemand. Auch ob er in eine Therapie geht, wird nicht mal kontrolliert.<br />

Den PolizistInnen ist oft nicht klar, warum in einigen Fällen <strong>die</strong> Strafe zugunsten einer Massnahme<br />

erlassen wird. Sie empfinden sie als ungerecht. Zudem ist möglicherweise den PolizistInnen<br />

nicht klar, warum einer therapiert wird, wenn er doch als untherapierbar gilt. Aber<br />

am meisten gibt ihnen zu denken, dass <strong>die</strong> Auflagen nicht kontrolliert werden. Ob sie aber<br />

gr<strong>und</strong>legend den Nutzen einer therapeutischen Massnahme in Zweifel ziehen, kam in den<br />

Gesprächen nicht zum Ausdruck.<br />

Aus der gutachterlichen Optik wird klar, dass Therapien Erfolg haben können. Wird Pädophilie<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich als Einstellung betrachtet, ein Anders-Handeln-Können in den meisten<br />

Fällen vorausgesetzt, dann muss konsequenterweise davon ausgegangen werden, dass mit<br />

geeigneten Massnahmen eine solche Einstellungsveränderung erreicht werden kann. Auf <strong>die</strong><br />

Frage, wie denn Einstellungen verändert werden können, stossen wir bereits auf <strong>die</strong> erste<br />

Einschränkung:<br />

Das sind dann <strong>die</strong> Geschichten mit den Verhaltensmodifikationen. Vor einer solchen Therapie<br />

muss man aber eine Diagnose stellen <strong>und</strong> da haben wir ein Problem. Das beisst sich<br />

nämlich in den Schwanz. Deswegen müssen wir eine Einschränkung machen <strong>und</strong> sagen,<br />

<strong>die</strong> Diagnose ist forensisch relevant. Und das sind eben nicht alle Diagnosen einfach so.<br />

Die Störung muss nämlich erheblich sein. Ein Neuröschen reicht eben für <strong>die</strong> Exkulpierung<br />

nicht aus. Sie müssen schauen, welche Diagnosen für den Artikel 10/11 relevant ist.<br />

Es scheint, als ob in der Begutachtung <strong>und</strong> Therapie ein wenig mit „Tricks“ gearbeitet wird,<br />

wenn man der „reinen Lehre“ der therapeutischen Arbeit gerecht werden will. Wird ein <strong>Pädosexuelle</strong>r<br />

im forensischen Sinne als zurechnungsfähig beurteilt, kann er im forensischen Sin-


58<br />

ne nicht krank sein. Ist er nicht krank, muss er nicht therapiert werden. Zudem ist es eine<br />

Tatsache, dass gewisse <strong>Pädosexuelle</strong> nicht unter ihrer Orientierung leiden (siehe auch Kapitel<br />

6.7.) <strong>und</strong> dementsprechend kein Konflikterleben zeigen. <strong>Der</strong> forensische Psychologe behilft<br />

sich da mit einer neuen (begrifflichen) Unterscheidung:<br />

Ein Proband muss ein Konflikterleben, einen Leidensdruck <strong>und</strong> Freiwilligkeit vorweisen für<br />

eine Psychotherapie. Darum ist ja auch der Begriff der forensischen Psychotherapie ein<br />

Widerspruch. (..) Man müsste dann eben einfach pädagogische Massnahmen treffen. Das<br />

hat aber mit forensischer Therapie nichts zu tun. (...), <strong>und</strong> das gibt dann auch den ideologischen<br />

Streit, bei dem dann <strong>die</strong> hartgesottenen Therapeuten sagen, man dürfe nicht von<br />

Therapie sprechen, sondern von Pädagogik. Es scheiden sich <strong>die</strong> Geister, inwiefern forensische<br />

Therapie überhaupt den Rang <strong>die</strong>ses Begriffes bekommt. Die einzige pädagogische<br />

Massnahme ist ja, dass ich ihn einsperre <strong>und</strong> ihm gut zurede, dass er das nicht mehr tun<br />

darf. Das sind aber keine therapeutischen Bereiche, aber das ist alles eine Frage des Anspruchs,<br />

das ist sehr schwierig.<br />

Heute kommt ja das alte Thema der 70er Jahre wieder auf mit der Motivationsarbeit. Die<br />

forensische Therapie blieb da hängen, dass man so Gruppen macht <strong>und</strong> so versucht, ein<br />

Konflikterleben zu induzieren, damit man eben den therapeutischen Hebel setzen kann.<br />

Zur Psychotherapieforschung bei Delinquenten hat der Gutachter eine sehr kritische Haltung.<br />

Auf <strong>die</strong> Frage zur Rückfallhäufigkeit in Zusammenhang mit Therapiearbeit, äussert er<br />

sich folgendermassen:<br />

Das ist eben das grosse Problem, weil sie ja <strong>die</strong> falsch Positiven 69 nicht haben <strong>und</strong> das gerade<br />

<strong>die</strong> Interessanten sind. Ich kenn da nur <strong>die</strong>se kanadische oder amerikanische Stu<strong>die</strong><br />

mit <strong>die</strong>sem natürlichen Experiment <strong>und</strong> da kursierte ja, dass 30 bis 40 Prozent <strong>die</strong>ser<br />

Hochgefährlichen nicht rückfällig wurde 70 . Es gibt aber auch relativ neue Stu<strong>die</strong>n aus anderen<br />

Deliktsbereichen. Und <strong>die</strong> zeigen ganz unterschiedliche Resultate. Die einen sagen,<br />

unterm Strich bringt Psychotherapie gar nichts <strong>und</strong> <strong>die</strong> Prävalenz sei von der Therapie völlig<br />

unabhängig. Andere beschreiben Effekte. Das ist eben ganz schwierig, weil sie <strong>die</strong><br />

Gruppe der falsch Positiven nicht haben.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich ist der forensische Gutachter aber der Meinung, dass man pädosexuellen Einstellungen<br />

mit verhaltenstherapeutischen Massnahmen durchaus begegnen kann:<br />

Ja, bei den Einstellungen auf jeden Fall. Bei Fehlgewöhnung auch, bei Hirnorganizität<br />

auch, aber sehr sehr begrenzt. Bei den Süchtigen auch.<br />

Wir können hier <strong>die</strong> Forschungsresultate <strong>und</strong> <strong>die</strong> damit verb<strong>und</strong>enen Schwierigkeiten nicht<br />

weiter ausführen, stattdessen lassen wir <strong>die</strong> therapeutisch Arbeitenden selbst zu Wort<br />

kommen:<br />

<strong>Der</strong> (forensische) Psychiater behandelt seit einigen Jahren <strong>Pädosexuelle</strong>:<br />

Die Behandlung von Pädophilen ist nicht auf Heilung ausgerichtet. Es ist ein Sonderfall von<br />

Behandlung, da Pädophile ihre Neigung aus mangelnder gesellschaftlicher Akzeptanz<br />

nicht ausleben dürfen. Es geht ihnen also mit oder nach einer Therapie nicht besser. Man<br />

kann schon sagen, dass ein straffreies Leben eine gewisse Erleichterung bringen kann,<br />

aber schlussendlich beruht <strong>die</strong> Therapie auf einer Kontrolle der pädosexuellen Bedürfnisse.<br />

Die Therapie ist auf Rückfallverhinderung ausgerichtet, ob chemische oder verhaltenstherapeutische<br />

Behandlungen, alles was einer Verhinderung eines Rückfalls <strong>die</strong>nt, ist gut.<br />

Mit anderen Worten bestätigt unser Gesprächspartner <strong>die</strong> Haltung des Begutachters; <strong>die</strong><br />

Behandlung von <strong>Pädosexuelle</strong>n ist ein Sonderfall in der therapeutischen Arbeit. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

geht es um <strong>die</strong> Erhaltung <strong>und</strong> Beibehaltung von Kontrolle.<br />

Ich basiere meine Therapien mehrheitlich auf einer chemisch-medikamentösen Behandlung,<br />

<strong>die</strong> auf ein selbstständiges Leben ohne Rückfall ausgerichtet ist. Ich habe mit meinen<br />

69<br />

<strong>Der</strong> Anteil an Inhaftierten, <strong>die</strong> nicht wieder rückfällig würden, wenn sie es unter Beweis stellen könnten, <strong>die</strong> also<br />

fälschlicherweise als rückfallgefährdet Beurteilten.<br />

70<br />

Gemeint ist damit wahrscheinlich <strong>die</strong> Begebenheit in einem amerikanischen Gefängnis für Hochgefährliche.<br />

Aus formaljuristischen Gründen musste ein Teil der als hochgefährlich begutachteten Straftäter entlassen werden<br />

<strong>und</strong> ein beachtlicher Prozentsatz unter ihnen stellte sich in der unerwarteten Freiheit als nicht gefährlich heraus.<br />

Ich kenne den Fall aber nur vom Hören-Sagen.


59<br />

Behandlungsmethoden gute Erfahrungen gemacht. Ein wirklicher Rückfall ist bis anhin<br />

noch nicht passiert. Es kam vor, dass Patienten wieder in der Nähe von Spielplätzen,<br />

Schwimmbäder etc. aufgetaucht sind. Sie sind verwarnt worden, aber einen richtigen<br />

Rückfall habe ich noch nicht erleben müssen. Ich habe aber keinen Einblick in <strong>die</strong> längerfristige<br />

Entwicklung, meist sind <strong>die</strong> Patienten nur bis Abschluss der Probezeit unter Beobachtung.<br />

Die chemisch-medikamentöse Behandlung führt letztlich dazu, dass <strong>die</strong> Patienten keine sexuelle<br />

Lust mehr verspüren. Die Nebenwirkungen sind nicht zu unterschätzen. Es kann angenommen<br />

werden, dass <strong>die</strong>se Art von Behandlung nur bei schweren Fällen <strong>und</strong> / oder Wiederholungstäter<br />

angewendet wird. Die Frage, ob <strong>die</strong>se Behandlung auch bei Kinderpornografie-Konsumenten<br />

zur Anwendung kommen könnte, wird dementsprechend verneint:<br />

Ich stehe dem skeptisch gegenüber. Eine medikamentöse Massnahme halte ich für übertrieben<br />

<strong>und</strong> ich kann mir nicht vorstellen, welche sonstige Massnahme greifen könnte. Ein<br />

Appell an das Risiko, erwischt zu werden mit allen Konsequenzen oder eine Stärkung des<br />

moralischen Bewusstseins kann man sich noch am ehesten vorstellen.<br />

In <strong>die</strong>sem Sinn ist eine allfällige Behandlungsmöglichkeit bei Kinderpornografie-<br />

Konsumenten für mich noch ein ungelöstes Problem. Den reinen Betrachter, soll man den<br />

schon mit chemischen Keulen behandeln? Also wenn er das will, weil er sich selber kontrollieren<br />

will <strong>und</strong> dem Trieb nicht widerstehen kann, dann schon, aber das ist ja nicht <strong>die</strong><br />

Regel. <strong>Pädosexuelle</strong> haben ja normalerweise kein echtes Unrechtsbewusstsein <strong>und</strong> dann<br />

ist <strong>die</strong> Frage, ob beim reinen Betrachter eine so massive Behandlung mit starken Nebenwirkungen<br />

angemessen ist <strong>und</strong> das als verhältnismässig angeschaut würde.<br />

Behandlungen, <strong>die</strong> auf Opferempathie oder auf der Früherkennung von risikoträchtigen Situationen<br />

beruhen, setzen schon ein gewisses Schuldbewusstsein voraus. Und das ist bei<br />

<strong>Pädosexuelle</strong>n meist eher nicht vorhanden. Von verordneten ambulanten Psychotherapien<br />

für Kinderpornografie halte ich eher wenig. Vielleicht kann das Risiko stärker betont werden<br />

<strong>und</strong> eine Verdeutlichung, was gesellschaftlich auf dem Spiel steht.<br />

Diese „Behandlung“ würde dann wieder auf <strong>die</strong> pädagogischen Massnahmen herauslaufen.<br />

Wie in Kapitel 6.1. ausgeführt, hat es unser Gesprächspartner aus der Psychiatrie mit einer<br />

speziellen Population unter den <strong>Pädosexuelle</strong>n zu tun. Es sind in der Regel solche, <strong>die</strong> vom<br />

Gericht zu einer Massnahme verurteilt worden sind <strong>und</strong> - wie wir annehmen - wohl schwerere<br />

Verbrechen begangen haben.<br />

<strong>Der</strong> Psychotherapeut behandelt (siehe Kapitel 6.1.) auch nicht straffällig gewordene <strong>Pädosexuelle</strong>.<br />

Ein Psychologe arbeitet gr<strong>und</strong>sätzlich nicht medikamentös, ausser er ist auch noch<br />

Arzt. Wie sehen <strong>die</strong> psychologischen Behandlungsmöglichkeiten bei „Freiwilligen“ aus? <strong>Der</strong><br />

bereits auf Seite 39 kurz beschriebene Akademiker ist von sich aus in Therapie. Warum hat<br />

er sich in Therapie begeben? Auf meine Frage, ob er leide:<br />

Ja, er leidet sehr, aber er leidet eigentlich daran, dass er sich verliebt <strong>und</strong> es nie wirklich<br />

erwidert wird. Und wenn er zu aufdringlich wird, dann finden es <strong>die</strong> Leute komisch <strong>und</strong><br />

dann brechen sie den Kontakt ab. Er beginnt z.B. ständig zu telefonieren, will immer abmachen,<br />

will ständig mit den Kindern zusammen sein. Alle mögen ihn eigentlich, aber einmal<br />

in der Woche oder im Monat würde reichen, so wie man halt mit anderen netten Menschen<br />

auch umgeht. Er ist aber zutiefst einsam, er kann sich nicht auf Erwachsenenbeziehungen<br />

einlassen. Auch Fre<strong>und</strong>schaften gibt es bei ihm eigentlich nur zu Leuten, <strong>die</strong> Kinder<br />

haben. Die finden es an sich toll, dass sie einmal mit einem erwachsenen, gescheiten<br />

Menschen reden können, der auch ihre Kinder akzeptiert. Mit dem kann man am Sonntag<br />

etwas unternehmen <strong>und</strong> er kommt mit.<br />

Er hat nicht <strong>die</strong> Einsicht, dass seine Liebe zu einem Kind oder gar eine sexuelle Beziehung<br />

für das Kind schädlich sein könnte. Aber:<br />

Das hat er bei mir gelernt. Aber er behilft sich mit der Behauptung, dass er nie etwas Sexuelles<br />

machen würde. Er liebt <strong>die</strong>se Kinder <strong>und</strong> er bevorzugt sie. Das sind dann irritierende<br />

Handlungen <strong>und</strong> häufig hat er erlebt, dass <strong>die</strong> Kinder dann frech werden. Es gibt dann<br />

so Machtspiele von den Kindern <strong>und</strong> er leidet dann fürchterlich <strong>und</strong> fragt sich, warum <strong>die</strong><br />

Kinder so böse sind zu ihm. Die Kinder merken es irgendwie, dass er nach Beziehung


60<br />

lechzt <strong>und</strong> wenn dann ein Kind sagt, bleib doch bei uns <strong>und</strong> Du gehörst doch zu uns, dann<br />

ist er überglücklich.<br />

Sein Leiden besteht in immerwährender unerwiderter Liebe, in seiner Isolation in der Erwachsenenwelt<br />

<strong>und</strong> wohl auch in der gesellschaftlichen Ächtung seiner Orientierung.<br />

Dass <strong>die</strong> Orientierung geändert werden könnte, glaubt unser Interviewpartner nicht:<br />

Das ist etwas, das auch therapeutisch sehr schwer zu verändern ist. Häufig kann man<br />

schauen, dass sie sich über Wasser halten, man kann schauen, dass sie nicht verunglücken.<br />

Ein Element ist, dass <strong>die</strong>se Menschen unglaublich einsam sind. Weil das Modell von<br />

ihnen mit Kindern kann einfach nicht funktionieren. Für Kinder ist das nicht <strong>die</strong> normale<br />

Welt <strong>und</strong> auch wenn sie Kinder teilweise begleiten können, so auf dem Spielplatz, dann<br />

gehen <strong>die</strong> Kinder nachher wieder zu ihren Müttern <strong>und</strong> für <strong>die</strong> Kinder ist klar, dass eben<br />

das ihre Mütter sind. Diese Kinder kann man nicht haben. Man kann dann schon schauen,<br />

dass man z.B. in Brasilien ein Strassenkind finden kann, aber <strong>die</strong> sind so bindungsunfähig,<br />

dass sie auch nicht das geben können, was <strong>die</strong>se Männer wollen. Sie kommen so eigentlich<br />

nie auf ihre Rechnung. Wenn <strong>die</strong>se Leute betreut sind, so können sie zumindest mal<br />

darüber reden, sie können ihrem Elend Ausdruck geben <strong>und</strong> sie können gestützt werden.<br />

Sie müssen aber bestätigt werden, dass ihr Modell nicht zum Erfolg führen kann <strong>und</strong> man<br />

muss sie dabei trösten. Man muss ihnen aber auch klar machen, dass sie keine Beziehung<br />

mit Kindern erzwingen oder erschleichen können. Sie sind ja sehr findig <strong>und</strong> sie lassen<br />

sich zum Teil unglaubliche Dinge einfallen.<br />

Sich kontrollieren lernen, eine gewisse Empathie für <strong>die</strong> potentiellen kleinen PartnerInnen<br />

entwickeln, sich trösten lassen, lernen, sich über Wasser zu halten <strong>und</strong> nicht straffällig werden;<br />

<strong>die</strong>se eher beelendende Wirkung durch <strong>die</strong> Therapiearbeit stellt auch aus Sicht des<br />

Therapeuten ein Widerspruch zu den sonstigen Therapiemöglichkeiten dar:<br />

Bei ihm ist <strong>die</strong> grosse Gefahr in der Therapie, dass er den Mut bekommt, aktiv zu werden.<br />

Weil Therapien wollen ja eigentlich, dass <strong>die</strong> Menschen aktiv werden, dass sie ihre Wünsche<br />

besser durchsetzen können. Nun ist es aber bei seinen Wünschen besser, wenn er<br />

sie nicht durchsetzt.<br />

Diese mögliche Kontraproduktivität bei Therapien mit <strong>Pädosexuelle</strong>n haben wir bei den<br />

Gruppierungen auf dem Internet bereits angesprochen (siehe Kapitel 2.3.1.), es besteht aber<br />

auch bei Selbsthilfegruppen, <strong>die</strong> von Pädophilenorganisationen angeboten werden:<br />

Auch <strong>die</strong> Tendenz, dass sich Pädophile outen, dass sie sich zusammenschliessen, Selbsthilfegruppen<br />

gründen. Da reden sie sich schon ein, dass sie gut sind zu den Kindern, dass<br />

sie es gut meinen <strong>und</strong> sie bestätigen sich gegenseitig. Das ist etwas Gefährliches.<br />

Wir werden im folgenden Kapitel noch auf <strong>die</strong>se Problematik zu sprechen kommen.<br />

Abschliessend werden <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>sätze von Therapiearbeit bei <strong>Pädosexuelle</strong>n nochmals auf<br />

den Punkt gebracht:<br />

Es gibt einfach einige Prinzipien, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Therapien erfüllen müssen. Es darf nicht rein analytisch<br />

ausgerichtet sein, das heisst man darf <strong>die</strong> Aktivitäten in der Therapie nicht dem<br />

Klienten überlassen. Es muss auch erzieherische <strong>und</strong> moralische Aspekte beinhalten, <strong>die</strong><br />

der Therapeut übernehmen muss. Das lässt sich in den meisten Therapieformen durchführen.<br />

Es dürfen auch keine Programme abgespult werden. Das ist zwar im Moment modern,<br />

aber es ist zuwenig individuell. Und es fokussiert den eigentlichen sexuellen Übergriff zu<br />

stark. Das Delikt muss schon einbezogen <strong>und</strong> auch stark thematisiert werden, wenn sich<br />

<strong>die</strong> Therapie aber nur auf das Delikt beschränkt, dann wird ein Bereich im Leben des Pädophilen,<br />

der an sich schon völlig isoliert ist <strong>und</strong> abgespalten, weiterhin isoliert behandelt.<br />

Jede therapeutische Intension zielt aber darauf ab, dass man das Bestehende weiterentwickelt,<br />

dass bessere Möglichkeiten entdeckt werden, dass der Fetischist auch einmal zum<br />

Lebewesen kommt. Bei Pädophilen wäre es <strong>die</strong> Hoffung, dass sie sich in eine ältere Generation<br />

hineinentwickeln können. Das ist aber erfahrungsgemäss selten der Fall. Aber es<br />

kommt schon vor. Die Regressiven sind sogar relativ leicht therapierbar. Wenn sie <strong>die</strong><br />

Umgebung geordnet haben, sind sie eigentlich aus der Gefahrenzone draussen. Bei den<br />

so genannten Kernpädophilen, <strong>die</strong> nichts anderes im Kopf haben, für <strong>die</strong> ist der therapeutische<br />

Erfolg eine Verarmung. Sie sind eingeschränkt im Leben, sie müssen verzichten.<br />

Wenn sie gescheit <strong>und</strong> empfindsam sind, können sie eventuell nachvollziehen, dass es für


61<br />

das Kind ungünstig ist. Ein Lehrer mit <strong>die</strong>sen Fähigkeiten kann zum Beispiel sagen, dass<br />

er freiwillig aufs Schule geben verzichtet, weil er dauernd in Versuchung gerät. Dann wird<br />

er halt Nachtwächter in einer Fabrik <strong>und</strong> kontrolliert Maschinen. Er muss bereit sein, das<br />

Milieu zu wechseln <strong>und</strong> das ist manchmal erreichbar.<br />

In <strong>die</strong>sem letzten, dichten Zitat kommt auch zum Ausdruck, dass man <strong>die</strong> verschiedenen Motive<br />

der <strong>Pädosexuelle</strong>n bei der Behandlung berücksichtigen muss.<br />

Zusammenfassend schliesst das letzte Kapitel zu den therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten<br />

mit folgenden Punkten:<br />

• In Polizeikreisen kommt man mit den Therapeuten kaum in Kontakt, das Wissen um<br />

<strong>die</strong> Behandlungsmöglichkeiten wird in der Regel klein sein, aber <strong>die</strong> Skepsis ist<br />

gross, wenn <strong>die</strong> Ermittelnden mit therapierten oder nicht-therapierbaren Wiederholungstätern<br />

in Kontakt kommt.<br />

• Zudem wird offenbar <strong>die</strong> Beobachtung gemacht, dass <strong>die</strong> verordneten Massnahmen<br />

nicht kontrolliert werden, was <strong>die</strong> bereits bestehende Skepsis wohl eher noch vergrössert.<br />

• Die forensische Begutachtung ist in unserem Fall gegenüber Therapiemöglichkeiten<br />

im forensischen Bereich gr<strong>und</strong>sätzlich kritisch eingestellt. Da bei Gefängnispopulationen<br />

gewisse Gr<strong>und</strong>bedingungen für Therapiearbeit nicht gegeben sind <strong>und</strong> im Speziellen<br />

bei <strong>Pädosexuelle</strong>n der Leidensdruck oft nicht gegeben ist, sollte man aus<br />

Sicht des Gutachters eher von pädagogischen, denn von therapeutischen Massnahmen<br />

sprechen. Zum Erfolg von Therapien im Strafvollzug kann sich der Gutachter<br />

aus forschungstheoretischen <strong>und</strong> methodischen Mängeln bei der Messung von Erfolgen,<br />

nicht äussern.<br />

• Diejenige Population, <strong>die</strong> zum (forensischen) Psychiater in Behandlung kommt, wird<br />

sich durch Wiederholungstaten <strong>und</strong>/oder schwere Verbrechen „auszeichnen“. Dadurch<br />

rechtfertigt sich aus psychiatrischer Sicht auch eine chemisch-medikamentöse<br />

Behandlung, <strong>die</strong> der Psychiater für weniger gravierende Delikte, wie den Konsum von<br />

Kinderpornografie, nicht einsetzten würde. Diese Art von Behandlung ist auf Triebreduktion<br />

ausgerichtet <strong>und</strong> scheint bei gewissen <strong>Pädosexuelle</strong>n, zumindest was <strong>die</strong><br />

Dauer der Behandlung betrifft, auch wirksam zu sein. Deutlich sieht der Psychiater<br />

aber auch <strong>die</strong> Grenzen der Behandlung, da sie nicht auf Heilung ausgerichtet ist,<br />

sondern auf Kontrolle der gesellschaftlich <strong>und</strong> strafrechtlich nicht akzeptierten sexuellen<br />

Orientierung.<br />

• Gleichermassen argumentiert der Psychotherapeut, wenn er <strong>die</strong> Chancen einer Behandlung<br />

in der Kontrolle, einer gewissen Einsichtsfähigkeit <strong>und</strong> in einer Umorientierung<br />

in Bezug auf potentielle Sexual- oder Liebespartner im Bereich des Möglichen<br />

sieht. In der psychotherapeutischen Behandlung werden auch nicht straffällig gewordene<br />

Pädophile <strong>und</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> behandelt, aber auch deren Leidensdruck kommt<br />

eher infolge unerwiderter <strong>und</strong> unmöglich lebbarer Liebe zustande, denn aus der Einsicht,<br />

dass <strong>die</strong> Orientierung krank oder schädlich für <strong>die</strong> PartnerInnen sein könnte.<br />

Auch hierbei ist das Ziel der Behandlung nicht Heilung, sondern Beherrschung mit<br />

dem gewünschten Effekt eines straffreien Lebens, das aber weiterhin von Einsamkeit<br />

innerhalb der Erwachsenenwelt geprägt ist.<br />

• Wenn <strong>Pädosexuelle</strong>, freiwillig oder auf richterliche Anordnung, eine Therapie machen,<br />

ist es essentiell, dass sie von professionellen <strong>und</strong> spezialisierten TherapeutInnen<br />

behandelt werden. Ungeeignete Therapieformen bergen <strong>die</strong> Gefahr, dass<br />

sich <strong>Pädosexuelle</strong> durch das Reden über ihre Orientierung Mut verschaffen <strong>und</strong> aktiv(er)<br />

werden.<br />

Bevor wir <strong>Pädosexuelle</strong>n selbst zu verschiedenen, bereits thematisierten Aspekten das Wort<br />

erteilen, schieben wir einen Exkurs zum Suchtaspekt ein. <strong>Der</strong> Suchtaspekt, der vor allem im<br />

Konsum von Kinderpornografie ein Thema ist, wurde von den GesprächspartnerInnen<br />

mehrmals angesprochen. Da es sich um einen Aspekt handelt, der unabhängig vom Straf-


62<br />

verfolgungsprozess zur Sprache kam, der mir aber dennoch wichtig erscheint, will ich ihn<br />

abschliessend noch anführen.<br />

Exkurs II: <strong>Der</strong> Suchtaspekt<br />

Es ist hier nicht der Ort, <strong>die</strong> Suchtthematik theoretisch auszuführen. Vorausgehend soll nur<br />

erwähnt sein, dass <strong>die</strong> Symptome für eine Entwicklung zur Sucht, wie sie von Hans Giese<br />

(1962) bereits in den 60-er Jahren beschrieben wurden 71 , weiterhin ihre Gültigkeit zu haben<br />

scheinen. Zudem werden <strong>die</strong>se Leitsymptome auch auf perverse Entwicklungen im Sexualbereich<br />

(z.B. Sigusch, 2002), <strong>und</strong> neuerdings auch Suchtverhalten von Internet-<br />

Konsumenten (Cyber-Sex-Süchtige) angewandt <strong>und</strong> diskutiert. <strong>Der</strong> Psychologe Franz Eidenbenz,<br />

der sich auf <strong>die</strong> Auswirkungen von Internetpornografie spezialisiert hat 72 , geht davon<br />

aus, dass zwei bis drei Prozent der Internetnutzer süchtig sind <strong>und</strong> weitere drei Prozent<br />

gefährdet. 73 „Sucht <strong>und</strong> Internet„ ist ein neues Thema, <strong>die</strong> Psychologen <strong>und</strong> Psychiater bereits<br />

beschäftigen. Es ist eine Frage der Zeit, bis der „süchtige Zerfall“ auch bei der Begutachtung<br />

<strong>und</strong> der Rechtssprechung als eigenes Kapitel auftauchen wird.<br />

Wie wir am Schluss von Kapitel vier gelesen haben, ist Sucht für <strong>Pädosexuelle</strong>, <strong>die</strong> auf Kinderpornografie<br />

zurückgreifen, ein Thema <strong>und</strong> Problem. Aus der polizeilichen Ermittlung wissen<br />

wir, dass bei Hausdurchsuchungen bei gewissen <strong>Pädosexuelle</strong>n unglaubliche Mengen<br />

an kinderpornografischen Darstellungen beschlagnahmt werden. Wir wollen im Folgenden<br />

unsere Gesprächspartner zum Thema Sucht, Kinderpornografie <strong>und</strong> Internet zitieren. <strong>Der</strong><br />

Jurist führt uns aus, weshalb der Konsum im Schweizerischen Strafgesetzbuch nicht pönalisiert<br />

ist:<br />

Die Frage ist ja auch, was man überhaupt bestrafen will; einen krankhaften Trieb oder <strong>die</strong><br />

Etablierung <strong>und</strong> aktive Förderung eines kriminellen Marktes?<br />

Auf <strong>die</strong> Rückfrage, ob denn der Konsum nicht auch den Markt unterstütze:<br />

Auf den ersten Blick mag <strong>die</strong>s zutreffen. Ich bin aber überzeugt, dass der Konsum bei<br />

normal veranlagten Menschen eine einmalige Sache bleibt. Deshalb ergibt sich aus <strong>die</strong>sem<br />

Konsumverhalten keine wirkliche Ankurbelung des Marktes. Wird der Konsum weitergeführt,<br />

so ist <strong>die</strong>s in aller Regel auch mit Speicherung <strong>und</strong> Besitz verb<strong>und</strong>en. Und damit<br />

ist <strong>die</strong> Grenze zur Strafbarkeit überschritten. Eine Analogie kann evtl. zum Verbot der Einfuhr<br />

von Kinderpornografie gezogen werden. Meines Wissens bezweckt <strong>die</strong>ses Verbot <strong>die</strong><br />

Masse an illegalen Materialien im Inland nicht zu vergrössern. Solange das Konsumieren<br />

nicht als elektronische Einfuhr bewertet wird, ist es auch schlüssig, den blossen Konsum<br />

nicht unter Strafe zu stellen.<br />

Das Gesetzt geht also davon aus, dass <strong>die</strong> „wirklichen“ Konsumenten von Kinderpornografie,<br />

nicht <strong>die</strong>jenigen sind, <strong>die</strong> nur wenige Male „reinschauen“ oder zufällig beim Surfen auf Kinderpornografie<br />

stossen, sondern solche, <strong>die</strong> aktiv abspeichern <strong>und</strong> sich somit strafbar machen.<br />

Wie von der Polizeiseite bereits erwähnt, gibt es durchaus „nur“-Konsumenten, bei denen<br />

sich viele Dateien vorwiegend auf den Temporary Files befinden, <strong>die</strong> aber durch Unvorsichtigkeit<br />

auch Dateien abspeichert <strong>und</strong> sich somit strafbar gemacht haben:<br />

Wir hatten Fälle, <strong>die</strong> hatten 20'000 Dateien in den Temp-Files, aber es genügt ein Bild aktiv<br />

abgespeichert <strong>und</strong> dann hat’s ihn.<br />

Sie erwähnen aber, dass <strong>die</strong>s eher <strong>die</strong> Ausnahme ist. In den Daten der Genesis-Aktion fanden<br />

sich dennoch nicht Wenige, <strong>die</strong> konsumiert, aber nicht abgespeichert hatten. Es wird<br />

sich aber in der Regel dabei nicht um grosse Sammler handeln. Wir können also davon aus-<br />

71 Grob zusammengefasst handelt es sich um folgende Leitsymptome: Verfall der Sinnlichkeit, zunehmende Frequenz<br />

mit abnehmender Satisfaktion, Promiskuität <strong>und</strong> Anonymität, Ausbau von Phantasien, Praktik <strong>und</strong> Raffinement,<br />

süchtiges Erleben <strong>und</strong> Periodizität des Verlangens (Wiederholungszwang).<br />

72 Er behandelt auch Verurteilte aus der Aktion Genesis.<br />

73 Interview mit Franz Eidenbenz in der Sonntags-Zeitung vom 18. Mai 2004 unter dem Titel „Eine neue Dimension<br />

erreicht“. Siehe auch http://www.suchtmagazin.ch/text1-04.htm. Es handelt sich dabei aber nicht nur um Sexsüchtige,<br />

sondern auch Spiel- oder Chat-Süchtige.


63<br />

gehen, dass <strong>die</strong> Gesetzeslage <strong>die</strong> „echten“ Kinderpornografie-Konsumenten erfasst, auch<br />

wenn wir annehmen müssen, dass <strong>die</strong> Schlaueren unter ihnen mit der neuen Gesetzeslage<br />

umzugehen lernen 74 .<br />

Die forensische Begutachtung brachte im Gespräch einen Begriff ein, der durchaus mit<br />

süchtigen Kinderpornografie-Konsumenten in Zusammenhang gebracht werden kann.<br />

Die Juristen haben da einen ganz schlimmen Begriff: den Hang. Wenn sie bei einem Prozess<br />

<strong>die</strong>sen Begriff verpasst bekommen, dann kommt <strong>die</strong> Verwahrung ins Spiel. Wenn der<br />

Hang ins Spiel kommt, ist es ein Gewohnheitsverbrecher. Die Gewohnheit ist weit weg<br />

vom Krankheitsbegriff.<br />

<strong>Der</strong> Hang wird als eine starke Gewohnheit definiert, bei der man davon ausgeht, dass <strong>die</strong><br />

Betroffenen <strong>die</strong> Kontrolle über ihr Tun verloren haben. Auf den Hinweis, dass es Kinderpornografie-Konsumenten<br />

gibt, <strong>die</strong> von sich aus behaupten, sie hätten den Konsum nicht unter<br />

Kontrolle, meint der forensische Gutachter:<br />

Ja, das würde ich auch glauben. Aber man muss auch aufpassen, ob Verdächtigte das<br />

nicht wissen <strong>und</strong> meinen, sie bekommen deswegen Rabatt, aber prognostisch schlägt sich<br />

das ausserordentlich ungünstig nieder.<br />

Aber ich würde doch sagen, dass es auch in <strong>die</strong>sem Bereich den süchtigen Zerfall gibt <strong>und</strong><br />

es Leute gibt, <strong>die</strong> das nicht sein lassen können.<br />

Aber beim süchtigen Zerfall, da wird es eben schwierig. Zerfall nennt man das, weil man<br />

dabei von einem Zerfall der Persönlichkeit ausgeht. Die Sucht ist ja durch den Kontrollverlust<br />

definiert <strong>und</strong> wenn ein Kontrollverlust vorhanden ist, dann können sie nicht mehr von<br />

der Fähigkeit des „anders handeln Könnens“ reden. Eine solche Person müssen sie dann<br />

tatsächlich in <strong>die</strong> Nähe der Artikel 10/11 rücken. Und dann können wir auch von einer<br />

Krankheit sprechen. Es ist aber ausserordentlich schwierig, <strong>die</strong> Linie zu ziehen. Wann haben<br />

wir es mit einer Krankheit zu tun, wann mit einer Gewöhnung <strong>und</strong> Einstellung?<br />

In der Regel mutet man es dem Täter zu, dass er anders handeln kann <strong>und</strong> bei den anderen<br />

schaut man, ob es ein süchtiger Zerfall ist. Das ist dann wieder ein schwieriger Begriff.<br />

Dann kommen <strong>die</strong>se Geschichten mit dem Kontrollverlust <strong>und</strong> wir annehmen müssen,<br />

dass sie eben nicht anders konnten. Und bei der Sexualität findet man eben auch Suchtstrukturen.<br />

Entschieden ist er auch der Meinung, dass der Kontrollverlust <strong>und</strong> der süchtige Zerfall durch<br />

das Internet begünstigt werden können:<br />

Ja, sicher, wegen der Verfügbarkeit. Das Problem ist ja, dass man bei süchtigen Persönlichkeiten<br />

das Modell hat, dass etwas weggenommen wird <strong>und</strong> das ersetzt werden muss,<br />

das Substitutionsmodell.<br />

Meines Wissens wurde noch niemand in der Schweiz wegen süchtigem Konsum (resp. Besitz)<br />

von Kinderpornografie als vermindert zurechnungsfähig oder unzurechnungsfähig begutachtet.<br />

Innerhalb der Aktion Genesis wurde aber Einigen eine ambulante Psychotherapie<br />

verordnet oder empfohlen, wenn es sich um starke Sammler handelte. Wie angesprochen<br />

habe auch Einige von sich aus behauptet, dass sie durch das Sammeln von illegalen Materialien<br />

süchtig geworden seien. Sie hätten immer wieder neue Dateien gesucht, Serien vervollständigen<br />

wollen <strong>und</strong> dafür beträchtliche Energie an den Tag gelegt. Unter Diesen ist<br />

auch auffallend, dass sie viel Zeit investieren, um <strong>die</strong> Dateien zu beschriften, ein System<br />

herzustellen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Ordnung zu pflegen. In <strong>die</strong>sem Sinn verhalten sich <strong>die</strong> Konsumenten<br />

wie Sammler von anderen, seltenen Dingen, <strong>die</strong> man haben <strong>und</strong> vervollständigen will. Die<br />

psychiatrische Sicht sieht <strong>die</strong>s auch so, würde <strong>die</strong>se süchtige Sammeltätigkeit aber nicht<br />

als Krankheit bezeichnen:<br />

<strong>Der</strong> Kollektionismus im pathologischen Sinne ist wohl etwas anderes als <strong>Pädosexuelle</strong>, <strong>die</strong><br />

ihre Bilder sammeln, um sie zu tauschen, um sie immer wieder anzusehen. Beim pathologischen<br />

Sammler steht ja das Sammeln an sich im Vordergr<strong>und</strong>). <strong>Der</strong> Mensch ist schon<br />

74 Nach Auskunft von IT-SpezialistInnen ist es bereits jetzt mit entsprechender Software möglich, den Cache-<br />

Speicherplatz zu vergrössern, <strong>die</strong> Speicherdauer zu verlängern <strong>und</strong> den Zugriff so zu organisieren, als ob es sich<br />

um einen normalen Speicherplatz handeln würde.


64<br />

Jäger <strong>und</strong> Sammler, aber das Sammeln als Paraphilie kann ich mir kaum vorstellen. Das<br />

ist kein Trieb an sich, man kann sich das höchstens als etwas Sek<strong>und</strong>äres vorstellen. Das<br />

Bild hat in <strong>die</strong>sen Kreisen von "Kennern" einen hohen Stellenwert <strong>und</strong> ist auch ein kostbares<br />

Tauschgut. Und wenn etwas selten oder verboten ist <strong>und</strong> auch teuer bezahlt wurde,<br />

steigt auch der Sammlerwert. Das ist dann eher wie beim Briefmarkensammler.<br />

Eine mögliche verstärkende, suchterzeugende Wirkung des Internets auf <strong>Pädosexuelle</strong> wird<br />

angesprochen. Dieser Zusammenhang findet sich aber bei verschiedensten Formen von<br />

Pornografie oder in anderen Bereichen des menschlichen Lebens. Die natürlichen Schranken<br />

im üblichen Zusammenleben fallen weg <strong>und</strong> lassen Raum für eine künstliche Welt, <strong>die</strong><br />

unberechenbarer wird:<br />

Also derjenige, der <strong>die</strong> entsprechende Prädispostion mitbringt, <strong>und</strong> er sieht, dass er nicht<br />

gerade eine Verhaftung riskiert <strong>und</strong> es geht eine Zeit lang gut, der kann durch ein gesteigertes<br />

Angebot eine gesteigerte Nachfrage entwickeln. Was ich hingegen nicht glaube, ist,<br />

dass ein Angebot eine Triebrichtung verändern kann. Das wäre ja, wie wenn ein normal<br />

veranlagter Mann nach einem Schwimmbadbesuch plötzlich als Pädophiler herausläuft.<br />

Aber auf der veranlagten Triebrichtung kann sich <strong>die</strong> Nachfrage steigern lassen. Je bizarrer<br />

<strong>die</strong> Abweichung ja ist, umso schwieriger ist es auch, <strong>die</strong>se zu befriedigen. Umso<br />

schwieriger, aufwändiger, teurer, auch gefährlicher wird es. Dort wo es zusätzlich kriminalisiert<br />

ist, können <strong>die</strong> Anbieter natürlich auch <strong>die</strong> Preise hoch ansetzen. Das ist wie beim<br />

Heroin. Von dem her lässt sich das auch ausbeuten, aber man kann da nicht einfach Normalbürger<br />

reinziehen.<br />

Ähnlich ist es bei den Suizid-Internetseiten. Bei den Homepages zur Anleitung zum Suizid<br />

sind auch hier nur <strong>die</strong> gefährdet, <strong>die</strong> eine gewisse Suizidalität schon spüren <strong>und</strong> <strong>die</strong>ses<br />

Phänomen dadurch begünstigt wird.<br />

Im Vergleich zum Beispiel zur Nikotinsucht ist ja Sexualität ein primärer Trieb. Und bei<br />

welcher Ausrichtung auch immer, meist merkt man in der Pubertät bereits, welche sexuellen<br />

Neigungen vorhanden sind. Auch <strong>Pädosexuelle</strong> merken sehr früh, dass sie anders<br />

sind. Ein 40-Jähriger, der überraschend merkt, dass er Kinder anziehend findet, ist unglaubwürdig.<br />

Jeder Mann merkt <strong>und</strong> weiss sehr früh, auf welche Art von Reizen er reagiert.<br />

Natürlich gibt es den gesellschaftlichen Druck, dass er nicht dazu stehen kann, aber merken<br />

würde er es trotzdem. (…)<br />

Sexualität ist steigerungsanfällig. Wer sexuell aktiv ist, ist empfänglich für mehr. Die<br />

menschlichen Beziehungen sind eine natürliche Art, den sexuellen Austausch einzubetten,<br />

<strong>und</strong> dadurch auch zu mässigen. Wenn <strong>die</strong>se Mässigungen fehlen <strong>und</strong> sexuelle Gefühle mit<br />

hoher Frequenz frustrationslos konsumiert werden können, dann steigt auch <strong>die</strong> Kadenz.<br />

Dann ist suchtartige Entwicklung gut möglich.<br />

Beim Thema Sucht muss unterschieden werden, dass es qualitative Abweichungen gibt im<br />

Sexualverhalten, eben <strong>die</strong> Paraphilien, <strong>die</strong> nichts mit der Menge zu tun haben müssen.<br />

Dann gibt es suchtartiges Sexualverhalten, dass aber nicht mit einer Paraphilie einhergehen<br />

muss. Es ist ein wenig so, dass <strong>die</strong> Neigungen, <strong>die</strong> eben nicht normal sind, schwieriger<br />

zu befriedigen sind <strong>und</strong> deshalb vermehrt zu einer süchtigen Entwicklung führen. Gerade<br />

weil im Internet quasi eine Art Selbstbe<strong>die</strong>nung angeboten wird, kann man das Tempo<br />

selber vorgeben <strong>und</strong> <strong>die</strong> natürlichen Einschränkungen, <strong>die</strong> durch Partnerinnen oder<br />

Partner vorgegeben werden, fallen weg. Es besteht keine gegenseitige Sexualerziehung<br />

mehr, keine Angleichung der quantitativen <strong>und</strong> qualitativen Bedürfnisse. In <strong>die</strong>sem Sinne<br />

sind <strong>die</strong> Internetnutzer prädisponiert für eine süchtig-perverse Entwicklung. Zum einen<br />

mengenmässig, aber auch in immer extremeren Formen.<br />

Wie wir bereits gehört haben, wird dementsprechend aus psychiatrischer Sicht empfohlen,<br />

<strong>Pädosexuelle</strong>, <strong>die</strong> zu Kinderpornografie-Konsum neigen, vom Internet fernzuhalten, ob sie<br />

nun „nur“ konsumieren oder aktiv Materialen herunterladen. Solche Vorgaben werden, wie<br />

einzelne Erfahrungen der Polizei zeigen, nicht kontrolliert.<br />

Auch aus der Sicht des Psychotherapeuten wird der Suchtaspekt im Zusammenhang mit<br />

fehlenden menschlichen Beziehungen angesprochen:<br />

(…) es liegt in der Natur von gewissen Perversionen, dass sie nie zu einer Befriedigung<br />

kommen. Das hat etwas Trostloses. Einer, der zu Dominas ging, hat mir einmal gesagt, er<br />

müsse immer wieder dahin gehen, aber immer, wenn er raus kommt, ist er am Boden zer-


65<br />

stört <strong>und</strong> beschämt. Aber kaum ist er wieder zu Hause, baut sich <strong>die</strong> Phantasie wieder auf.<br />

Dann sucht er wieder eine andere <strong>und</strong> denkt, mit der wäre es besser.<br />

Und natürlich ruft alles, was mit Sexualität zu tun hat, nach Wiederholung. Auch im ganz<br />

normalen Bereich ist man ja nicht nach einmal zufrieden. Wenn das aber mit sadistischen<br />

Elementen gekoppelt ist, ist das doch eine gefährliche Sache. Sexualität ist immer auch<br />

ein wenig aggressiv, das kann man nicht wegdenken, aber wenn das Sadistische darin<br />

gross wird, dann ist <strong>die</strong> Befriedigung nie da. Man will immer mehr, immer anders. Das ist<br />

so ein Publikum, das so in Partyszenen verkehrt, meist auch Kokain nimmt, um zu steigern.<br />

Die sind da wahnsinnig kreativ <strong>und</strong> sie geben sich auch Tipps für Neues. Das sind<br />

nicht ganz ungefährliche Phantasien. Beziehungsmässig ist da nichts da, es ist emotional<br />

nicht ausgefüllt.<br />

Wie aus Sicht des Therapeuten bereits erwähnt, bergen das Internet, wie auch unprofessionelle<br />

Therapien oder Selbsthilfegruppen, <strong>die</strong> Gefahr, dass sich Gefährdete im Kreis von<br />

Gleichgesinnten oder durch unqualifizierte Bestärkung in ihrer Wahrnehmung stärken <strong>und</strong><br />

aktiver werden. Im Internet finden sich Gleichgesinnte <strong>und</strong> eben auch relativ frei verfügbares<br />

Material. Die meisten Gesprächspartner teilen <strong>die</strong> Meinung, dass das Internet im Bereich der<br />

Pädosexualität neue Möglichkeiten erschliesst, <strong>die</strong> dem Opferschutzes entgegenlaufen. <strong>Der</strong><br />

(forensische) Psychiater hat sich auch in anderen Zusammenhängen mit dem relativ neuen<br />

Phänomen der elektronischen Me<strong>die</strong>n <strong>und</strong> deren Gefahren für gewisse Gruppen der Gesellschaft<br />

beschäftigt:<br />

Dass Perversionen im Ansatz zumindest im Internet ausgelebt werden, erstaunt mich<br />

nicht. Stu<strong>die</strong>n haben gezeigt, dass doch 20 Prozent der männlichen Bevölkerung zumindest<br />

am Rande eine pädosexuelle Neigung aufweisen. Das erklärt auch den hohen Anteil<br />

von Konsumenten von illegaler Pornografie auf dem Internet. Das heisst aber nicht, dass<br />

alle davon zum realen Missbraucher werden würden. Das Internet bietet ihnen <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />

ihre eigentlichen Interessen zumindest plastisch einmal vor Augen zu haben <strong>und</strong><br />

so den Kick dennoch mal spüren zu können. Wie viele davon dann auch zu Tat schreiten<br />

würden, ist schwierig zu sagen. Man weiss, dass bei den Intelligenteren auch <strong>die</strong> Moral<br />

besser entwickelt ist <strong>und</strong> man kann hoffentlich ein wenig darauf setzen.<br />

Auf der anderen Seite scheint das Angebot an Sexseiten, auch illegale, enorm zu wachsen,<br />

<strong>und</strong> das birgt natürlich auch ein gewisses Risiko. Von Oktober 2003 bis Juni 2003 soll<br />

das Angebot an Sexseiten mit fetischistischen Angeboten auf dem Netz um 100% gewachsen<br />

sein. Die Sexseiten sind relational zum Gesamtwachstum auch überproportional<br />

gestiegen. Das sind Millionen von Adressen. Da muss eine Nachfrage vorhanden sein. Die<br />

Nachfrageseite ist ja auch bereit, viel Geld zu bezahlen dafür. Das zeugt doch auch von<br />

einer sexuellen Frustration in der Gesellschaft. Gewiefte Geschäftsleute kommen dem halt<br />

nach <strong>und</strong> stellen Angebote ins Netz. Um zu testen, welche Formen von Normabweichungen<br />

in der Nachfrage am grössten sind, stellt man halt mal breit ins Netz. <strong>Der</strong> Fetischismusmarkt<br />

zum Beispiel ist massiv am wachsen.<br />

Nicht alle pädosexuell Veranlagten sind anfällig für Kinderpornografie. Es gibt Exponenten,<br />

<strong>die</strong> sich klar von <strong>die</strong>ser Form der Darstellung von sexuellen Aktivitäten mit Kindern distanzieren<br />

(siehe auch Kapitel 6.7.). In <strong>die</strong>sem Sinne sind <strong>Pädosexuelle</strong> nicht anders als andere<br />

Menschen, <strong>die</strong> unterschiedliche Vorlieben haben <strong>und</strong> ganz unterschiedlich auf Internet<br />

<strong>und</strong>/oder Pornografie reagieren. <strong>Pädosexuelle</strong> (vor allem <strong>die</strong> ausschliesslich auf Kinder fixierten)<br />

können aber, gesellschaftlich <strong>und</strong> strafrechtlich akzeptiert, ihre Phantasien kaum<br />

ausleben. Ihr Verlangen nach Liebe oder sexuellen Kontakten zu Kindern auszuleben, ist in<br />

ihrem Alltag gefährlich <strong>und</strong> schwierig. Zudem haben einige Schwierigkeiten, in der Erwachsenenwelt<br />

Anerkennung zu erlangen, Beziehungen allgemein zu leben <strong>und</strong> überhaupt Anschluss<br />

zu finden. Diese mangelnde erotische, soziale <strong>und</strong> auch sexuelle Einbindung macht<br />

sie empfänglicher für Ersatzhandlungen. Die mangelnde Befriedigung können sie sich auf<br />

dem Internet einfacher auf Mausklick erlangen. Nicht nur rein sexuelle Bedürfnisse werden<br />

pseudo-befriedigt, sondern auch erotische (Nacktbilder, FKK-Bilder, etc.). Auch <strong>die</strong> Sehnsucht<br />

nach Partnerschaft (Chats, Newsgroups <strong>und</strong> <strong>die</strong> Suche nach dem „Traumkind“) wird<br />

über Internet zu befriedigen versucht. Skrupellose Geschäftsleute machen sich in <strong>die</strong>sem<br />

<strong>und</strong> in anderen illegalen oder ausgefallenen Bereichen <strong>die</strong> Mängel <strong>die</strong>ser Menschen zu Nutze<br />

<strong>und</strong> machen ein Geschäft damit. Nicht nur <strong>die</strong> Gesetzgebung, auch <strong>die</strong> Ermittlungskreise


66<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> therapierenden <strong>und</strong> begutachtenden Behörden werden sich wohl in naher Zukunft<br />

(noch) stärker mit <strong>die</strong>sen neuen Formen des Austausches <strong>und</strong> deren Folgen beschäftigen<br />

müssen.<br />

Bevor wir uns an ein Fazit wagen <strong>und</strong> daraus mögliche Empfehlungen ableiten, lassen wir<br />

pädophil orientierte Menschen, wie sie sich in der Regel nennen, zu den bereits behandelten<br />

Themen zu Wort kommen.<br />

6.7. <strong>Der</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> in seiner Selbstdarstellung<br />

Um einen Einblick in <strong>die</strong> Sichtweise der hier im Zentrum stehenden Menschen zu erhalten,<br />

be<strong>die</strong>nen wir uns aus den zahlreichen Texten von Pädophilenvereinigungen auf dem Internet.<br />

Wir werden uns auf <strong>die</strong> deutschsprachigen Vereine beschränken <strong>und</strong> dabei <strong>die</strong> Schweizer<br />

Pädophilenvereinigung, <strong>die</strong> unter dem Domainnamen itp-arcados 75 auf dem Netz vertreten<br />

ist, bevorzugen. Natürlich sind es wiederum nur einzelne Personen, <strong>die</strong> auf dem Internet<br />

ihre Meinung k<strong>und</strong>tun <strong>und</strong> dementsprechend ist <strong>die</strong> Meinung <strong>die</strong>ser Personen nicht repräsentativ.<br />

Wie bei den anderen InterviewpartnerInnen, haben <strong>die</strong> angeführten Textstellen<br />

dementsprechend exemplarische Funktion.<br />

Zu Beginn will ich mittels kurzer, unterschiedlichster Textausschnitte einen kleinen Einblick<br />

über verschiedene Typen von pädosexuell oder pädophil veranlagten Menschen geben, wie<br />

sie auch von unseren Gesprächspartnern <strong>und</strong> in der Literatur beschrieben worden sind.<br />

6.7.1. Von Pädophilen <strong>und</strong> Pädokriminellen<br />

<strong>Der</strong> Autor von Alice im W<strong>und</strong>erland, Charles Lutwidge Dodgson alias Lewis Caroll, gilt bei<br />

vielen Pädophilen 76 als eine Art Vorbild. Er besass eine enorme Sammlung von Kinderbildern.<br />

In seinem Leben existierte eine „reale“ Alice, sie war eine der drei Schwestern, <strong>die</strong> er<br />

privat lange Zeit als Mathematiklehrer unterrichtete. Unter dem Titel „Briefe an kleine Mädchen“<br />

77 wurden seine Briefe an Alice <strong>und</strong> andere kleine Mädchen, veröffentlicht. Folgende<br />

Textstellen verdeutlichen, wie Charles Lutwidge Dodgson seine „kleinen Fre<strong>und</strong>innen“ „verehrte“.<br />

Meine liebe Agnes<br />

Endlich ist es mir gelungen, Dich zu vergessen. Es ist sehr anstrengend gewesen, aber ich<br />

habe 6 „Vergessensnachhilfest<strong>und</strong>en“ genommen, <strong>die</strong> St<strong>und</strong>e zu einer halben Krone.<br />

Nach drei St<strong>und</strong>en habe ich meinen eigenen Namen vergessen, <strong>und</strong> ich habe vergessen,<br />

<strong>die</strong> nächste St<strong>und</strong>e zu besuchen. Da meinte der Professor, ich käme sehr gut voran, aber<br />

„ich hoffe“ fügte er hinzu, „dass Sie nicht vergessen werden, <strong>die</strong> St<strong>und</strong>en zu bezahlen.<br />

(….) Ich will Dir seine Adresse geben, da Du vielleicht gern St<strong>und</strong>en bei ihm nehmen<br />

möchtest, um mich zu vergessen. Er lebt in der Mitte von Hyde Park, <strong>und</strong> sein Name ist<br />

Ferg Essen. Es ist eine solche Erleichterung, alles vergessen zu haben über Agnes <strong>und</strong><br />

Evey <strong>und</strong>… <strong>und</strong>…, <strong>und</strong> ich fühle mich so glücklich, wie der Tag kurz ist.<br />

Ach! Kind, Kind! Warum bist Du nie in Oxford gewesen, um Dich photografieren zu lassen?<br />

Dein Dich liebender Fre<strong>und</strong> Lewis Caroll<br />

Die pädophile Orientierung von Charles Lutwidge Dodgson wurde <strong>und</strong> wird in der Presse<br />

kaum thematisiert. Im Tagesanzeiger-Magazin 78 wird, meiner Ansicht nach richtigerweise,<br />

explizit erwähnt, „dass Carroll zumindest eine starke pädophile Ader hatte.“ Betrachtet man<br />

seine Kinderbilder, wird der Eindruck, dass er <strong>die</strong> Kinder in „Frauenmanier“ posieren lässt,<br />

offensichtlich. Auch wenn wir nicht wissen, ob er seine Liebe zu den Mädchen auch auf der<br />

Handlungsebene auslebte, scheint mir Charles Lutwidge Dodgson doch ein eindrückliches<br />

Beispiel eines Pädophilen zu sein, der sich zwar in unglaublichem Masse mit kleinen Mäd-<br />

75 www.itp-arcados.net. ITP steht für Infos zum Thema Pädophilie.<br />

76 Wir gebrauchen im Folgenden den Begriff des Pädophilen als Oberbegriff (wie sie selbst es auch tun), da wir<br />

zum Vornherein keinen Gr<strong>und</strong> haben zu glauben, dass <strong>die</strong> Personen, welche sich zu den Themen äussern, auch<br />

sexuell mit Kindern aktiv sind, wenn <strong>die</strong>s nicht explizit bestätigt wird.<br />

77 Caroll, Lewis (1994)<br />

78 TA-Magazin vom 2. März 1996


67<br />

chen auseinandersetzte, dem auch <strong>die</strong> Erotik unzweifelhaft wichtig war, bei dem jedoch der<br />

Aspekt des sexuellen Interesses für Kinder kaum zum Ausdruck kommt 79 . Er erinnert an den<br />

von unserem forensischen Psychologen beschriebenen Mathematiker, der an der unerwiderten<br />

Liebe leidet <strong>und</strong> der sich nach Aussagen seines Therapeuten kaum je einem Kind sexuelI<br />

nähern würde.<br />

Ich möchte <strong>die</strong>se Form der Orientierung weder verharmlosen noch verurteilen, in Abhebung<br />

zu folgenden Beispielen merkt der geneigte Leser / <strong>die</strong> geneigte Leserin aber sofort, wo <strong>die</strong><br />

Unterschiede zu eindeutiger auf Sexualität fixierten Pädophilen resp. <strong>Pädosexuelle</strong>n zu finden<br />

sind.<br />

„Waldbär“ ist der Nickname eines Pädophilen / <strong>Pädosexuelle</strong>n, dem man oft in offenen<br />

Chats begegnet, <strong>die</strong> eindeutig für pädosexuell respektive pädophil Orientierte geschaffen<br />

wurden. „Waldbär“ hat auch eine eigene Website 80 , auf der er viele Themen r<strong>und</strong> um Pädophilie<br />

aus eigener Sicht <strong>und</strong> Erfahrung behandelt. Unter dem Titel: „Sexualität“ finden wir folgenden<br />

Eintrag:<br />

Schade, dass ich es auf <strong>die</strong>sem Server nicht mitloggen kann - ich hätte zu gerne gewusst,<br />

der wievielte Deiner Klicks auf <strong>die</strong>ser Seite es gewesen ist. Die meisten "normalen" Menschen<br />

(damit meine ich Heteros) glauben doch, ein Mädchenliebhaber lebte nur zu seiner<br />

eigenen Triebbefriedigung. Tatsache ist aber, dass Sex für mich eher einen geringeren<br />

Stellenwert einnimmt als für <strong>die</strong> meisten Normalos. Zuerst einmal sollten wir den Begriff<br />

"Sex" klären. Sex ist nicht zwangsläufig Penetration. Sex findet im Kopf statt. Mechanik<br />

(also körperliche Erleichterung) <strong>und</strong> Psyche lassen sich voneinander entkoppeln. Im Klartext:<br />

man muss nicht zwangsläufig irgendwelche Körperteile in andere Menschen stecken,<br />

um sexuell befriedigt zu sein. Man kann sich auch schöne Dinge vorstellen <strong>und</strong> selbst<br />

Hand anlegen. Ich komme nicht auf <strong>die</strong> Idee, ein junges Mädchen mit meinen Organen zu<br />

erschrecken. Das ist meine Sache nicht, weil es nicht ihre Sache ist. Außer, wenn sie es<br />

so will. Wirklich will. Ist aber noch nicht vorgekommen.<br />

Es wird immer gefragt, woher ich weiß, dass sie es wirklich will, <strong>und</strong> dass sie es nicht nur<br />

vorgibt. Dass sie es vielleicht jetzt will, aber später rückblickend nicht mehr. Abstrakt.<br />

Weißt Du, was Deine Partnerin will? Wirst Du auf den Menschen, den Du liebst, nicht maximale<br />

Rücksicht nehmen? Wirst Du ihm nicht williger Diener sein in all seinem Begehr?<br />

So bin ich es auch. Wer glaubt, es gebe keinerlei gemeinsame Schnittmengen auf sexuellem<br />

Gebiet zwischen erwachsenen Männern <strong>und</strong> jungen Mädchen, der irrt. Ich z. B. genieße<br />

es, beherrscht zu werden. Einem Mädchen zu <strong>die</strong>nen. Ihre Füße zu küssen, ihren Befehlen<br />

zu gehorchen. Und es gibt Mädchen, <strong>die</strong> es genießen, verehrt zu werden. Angebetet<br />

zu sein, Befehle erteilen zu können, einen größeren, körperlich Überlegenen ganz in ihrer<br />

Gewalt zu haben. Ist das nicht sexuell? Doch. Und so passt auf jeden Topf ein Deckel.<br />

Aber: Sex ist nur ein Teil einer Beziehung. Die Liebe steht immer im Vordergr<strong>und</strong>.<br />

„Waldbär“ ist für mich ein typisches Beispiel eines Kernpädophilen, der seine Liebe zu Kindern<br />

in allen erdenklichen Formen betont, der aber bezüglich der Sexualität zwischen Kindern<br />

<strong>und</strong> Erwachsenen dezi<strong>die</strong>rt <strong>die</strong> Meinung vertritt, es gäbe einvernehmliche Formen.<br />

Häufig liest man bei Kernpädophilen, dass sie bewusst auf Penetration verzichten <strong>und</strong> <strong>die</strong>se<br />

Form der Sexualität auch nicht suchen. „Waldbär“ scheint - dem Zitat zu Folge - aber der<br />

Meinung zu sein, dass er als „grosser Masochist“ eine „kleine Domina“ finden kann, <strong>die</strong> selber<br />

Freude an <strong>die</strong>sen Formen der „Sexualität“ hat. Mir zumindest gelingt es bei aller Offenheit<br />

<strong>und</strong> Toleranz nicht, mir eine solche Szene mit Mädchen vorzustellen, <strong>die</strong> mit Freude <strong>und</strong><br />

im erotischen Bewusstsein ein solches „Spiel“ mitspielen.<br />

Auf dem Internet findet man aber Schilderungen von eindeutig <strong>Pädosexuelle</strong>n, bei denen <strong>die</strong><br />

Sexualität <strong>die</strong> Hauptrolle spielt. Folgende Dialogausschnitte wurden dem Buch von Gisela<br />

Wuttke (1998, S.126 u.f)) entnommen, sie stammen aus einem Internet:<br />

„Das was zustande kommt, ist kein Problem. Was suchst Du denn genau?“<br />

79 Die Sprache des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, zudem aus der Feder eines begnadeten Literaten, mag natürlich fälschlicherweise<br />

den Eindruck erwecken, dass auch <strong>die</strong> dahinter liegenden Gefühle <strong>und</strong> Phantasien für <strong>die</strong> Kinder differenzierter<br />

<strong>und</strong> sanfter seien.<br />

80 Siehe: http://free.hostdepartment.com/w/waldbaer/index.html


68<br />

„Na, eine nette Elf- bis Dreizehnjährige. Kannst Du da was kriegen?“<br />

„Wo bist Du denn her. Die Fahrt <strong>und</strong> alles musst du natürlich bezahlen.“<br />

„Das ist klar. Ich wohne im Raum XXX, wo kannst du sie denn hinbringen? Woher kommt<br />

sie denn?“<br />

„Von meinem Fre<strong>und</strong>en aus Polen.“<br />

(….)<br />

„Wieviel? Und wie lange kann ich sie dafür behalten?“<br />

„500 Mark plus Spesen- für einen Tag.“<br />

(….)<br />

„Was für eine willst Du, schlankere oder reifere?“<br />

„Schlanke.“<br />

„Ausser Misshandlungen <strong>und</strong> SM kannst du alles mit ihr machen. Aber <strong>die</strong> Fahrt ist bei den<br />

500 Mark noch nicht mir drin. Und <strong>die</strong> Spesen auch nicht.“<br />

„Okay, wann bist du mit dem Mädchen wo?“<br />

(…)<br />

„Also, alles klar, du wirst mit dem Spielzeug zufrieden sein.“<br />

Man findet im Internet in geschlossenen Bereichen solche Dialoge relativ rasch, wenn man<br />

sich Zutritt verschaffen kann. Auch Schilderungen von sexuellen Handlungen mit Kindern<br />

sind, wie <strong>die</strong> Darstellungen <strong>und</strong> Filme, teils unglaublich brutal. Für Menschen, <strong>die</strong> Kinder in<br />

der Art missbrauchen, dabei filmen, sie misshandeln, mit ihnen handeln, sie verkaufen <strong>und</strong><br />

manchmal auch töten ist der Begriff „Pädophilie“ in der Tat nur noch zynisch.<br />

Ich wollte mit obigen Textausschnitten den bereits in den vorausgegangenen Kapiteln beschriebenen<br />

verschiedenen Typen von <strong>Pädosexuelle</strong>n ein Gesicht geben <strong>und</strong> mit ihren Worten<br />

zeigen, dass das Bewusstsein der eigenen Orientierung, <strong>die</strong> Phantasien <strong>und</strong> <strong>die</strong> daraus<br />

resultierenden Handlungen ähnlich unterschiedlich sind wie bei anderen Menschen auch.<br />

Ausser im Fall des eindeutig enthaltsamen Pädophilen, der sein Interesse an Kindern teilweise<br />

kompensieren <strong>und</strong> reflektieren kann, bewegen sich <strong>Pädosexuelle</strong> jedoch immer mehr<br />

oder weniger am Rande oder mitten in der Illegalität.<br />

6.7.2. Pädophile zu ausgewählten Themen des <strong>Strafverfolgung</strong>sprozesses<br />

Auf der Homepage der Pädophilenvereinigung der Schweiz werden neben den Themen<br />

„Wissenschaft, Me<strong>die</strong>n <strong>und</strong> Bücher“ auch <strong>die</strong> Bereiche „Aus dem Leben, Beratung <strong>und</strong> Justiz“<br />

behandelt. Letztere sind hier von grösserem Interesse. Einige ausgewählte Statements<br />

sollen erhellen, wie sich „echte Pädophile“ ihre Partnerschaften vorstellen, aber auch, wie sie<br />

<strong>die</strong> aktuelle Gesetzeslage (in der Schweiz), Rechtssprechung <strong>und</strong> polizeilichen Ermittlung<br />

sehen <strong>und</strong> welche Erfahrungen sie damit gemacht haben. An vielen Stellen wird von (durchwegs<br />

anonymen) Autoren <strong>die</strong> Überzeugung dargelegt, dass einvernehmliche Sexualität<br />

zwischen Erwachsenen <strong>und</strong> Minderjährigen 81 existiert <strong>und</strong> dass für viele Minderjährige<br />

solche Erfahrungen eine Bereicherung seien.<br />

Ein Kriterium zur Beurteilung sexueller Handlungen von Erwachsenen mit Kindern anerkennt<br />

sicher jeder echte Pädophile: „Wenn <strong>die</strong> Handlungen dem Kind schaden, dann sind<br />

sie zu unterlassen, zu verbieten.“<br />

Es liegt in den Händen des Pädophilen, in seinen Beziehungen zu Kindern durch Rücksicht,<br />

Zartgefühl, Respekt, Geduld <strong>und</strong> meist auch Verzicht Schaden zu vermeiden. Doch<br />

Pädophile sind nicht vollkommen, <strong>und</strong> wie in jeder Beziehung besteht <strong>die</strong> Gefahr, dass<br />

81 Da sich ITP Arcados auf <strong>die</strong> homosexuelle Pädophilie spezialisiert hat, beziehen sich <strong>die</strong> meisten Erfahrungsberichte<br />

<strong>und</strong> Einstellungen auf <strong>die</strong> Partnerschaft zwischen jugendlichen Männern <strong>und</strong> erwachsenen Männern. Es<br />

scheint, dass homosexuelle Pädophile ältere Partner (zwischen 8 <strong>und</strong> 16) suchen als heterosexuelle Pädophile.<br />

Systematisch Untersuchungen dazu fehlen jedoch meines Wissens.


69<br />

man <strong>die</strong> eigenen Interessen <strong>und</strong> <strong>die</strong> des Mitmenschen nicht immer unter einen Hut bringt,<br />

dass der Egoist tief drin - sei es beim Kind oder beim Erwachsenen - für einmal <strong>die</strong> Überhand<br />

gewinnt <strong>und</strong> man dem Partner weh tut. Doch wenn das Verhältnis von Liebe <strong>und</strong> Zuneigung<br />

geprägt ist, kann man einander vergeben <strong>und</strong> findet wieder zueinander. Es sind<br />

wertvolle Erfahrungen auf dem Lebensweg, <strong>und</strong> sie machen einen reifer.<br />

Es gibt Untersuchungen, <strong>die</strong> zeigen, dass pädophilie Beziehungen keineswegs so generell<br />

<strong>und</strong> allgemein <strong>und</strong> immer <strong>und</strong> überall, wie es <strong>die</strong> Missbrauchsindustrie verkündet, zum<br />

Schaden des Kindes sich wenden müssen.(…)<br />

Was hingegen der Pädophile nicht mehr steuern <strong>und</strong> beeinflussen kann, ist - beim Einschreiten<br />

der Polizei - <strong>die</strong> schädigende Wirkung der Überreaktionen von seiten der Eltern<br />

<strong>und</strong> der Gesellschaft, der Schadensmaximierung durch <strong>die</strong> selbsternannten Kinderschützer,<br />

der Verletzungen der Intimssphäre durch den Zwang zur Aussage <strong>und</strong> durch <strong>die</strong> selten<br />

wertfreie Art der Vernehmungen durch Polizei <strong>und</strong> Untersuchungsrichter.<br />

Da stellt sich <strong>die</strong> Frage ähnlich wie beim Drogenkonsum: Soll man auf den Konsum verbotener<br />

Drogen verzichten, nur weil <strong>die</strong> Gesellschaft bisher alles tat, um den Schaden zu<br />

maximieren? - oder soll <strong>die</strong> Gesellschaft versuchen, den Schaden zu minimieren?<br />

Es ist bezeichnend für viele Pädophile, dass sie auf eine auch für das Kind vielleicht sogar<br />

positive pädosexuelle Beziehung verzichten, nur um ihm eine Traumatisierung im Falle der<br />

Aufdeckung zu ersparen.<br />

<strong>Der</strong> Textausschnitt zeigt, wie ein Pädophiler einen möglichen Schaden bei einem Kind nicht<br />

in der ungleichen Partnerschaft sieht, (auch wenn es denn mal weh getan hat, weil der erwachsene<br />

Partner doch nicht immer zartfühlend, respektvoll <strong>und</strong> geduldig war), sondern in<br />

der Sek<strong>und</strong>ärtraumatisierung durch <strong>Strafverfolgung</strong>sbehörden <strong>und</strong> Kinderschutzorganisationen.<br />

Weitere Autoren fügen dann Stu<strong>die</strong>n <strong>und</strong> Untersuchungen an, <strong>die</strong> belegen, dass Kinder<br />

keine asexuellen Wesen sind, dass sexuelle Erfahrungen von Kindern mit Erwachsenen<br />

auch positiv erlebt wurden <strong>und</strong> dass <strong>die</strong> Tabuisierung der kindlichen Sexualität dem Kind<br />

weit mehr schadet, als das „Lernen von reiferen Lehrern im Bereich der Sexualität“. Dass der<br />

„bezeichnende“ Verzicht von Pädophilien auf Sexualkontakte mit Minderjährigen auch darin<br />

begründet ist, dass sie das Kind vor der Traumatisierung im Falle eines Aufdeckens schützen<br />

wollen, r<strong>und</strong>et <strong>die</strong> Argumentation ab, <strong>die</strong> zeigen soll, dass für <strong>die</strong>sen Autor Kinderschützer<br />

<strong>und</strong> Pädophile in Bezug auf den Kinderschutz <strong>die</strong> Rollen getauscht haben.<br />

Wie wird das Thema der Kinderpornografie behandelt? Pornografische Darstellungen mit<br />

Kindern werden in unseren Gesetzestexten zwar in der Tat breiter definiert als Pornografie<br />

allgemein 82 , enthalten aber sicher sexualisierte Bezüge <strong>und</strong> können somit nicht mehr als ohne<br />

<strong>die</strong>sen Bezug behandelt werden. Im Folgenden wird <strong>die</strong> Gesetzesänderung aus dem Jahr<br />

2002, <strong>die</strong> den Besitz von Kinderpornografie strafbar machte, mittels drei Argumenten kritisiert:<br />

Wer Kinderpornographie konsumiert, macht damit einen Mangel wett: nämlich fehlende<br />

sexuelle Beziehungen zu Kindern. Das beweist auch <strong>die</strong> gerichtliche Beurteilung nach den<br />

Porno-Razzien in Frankreich: Nur bei 6 von insgesamt 686 Kinderpornographie-<br />

Konsumenten stiessen <strong>die</strong> Ermittler auch auf aktive sexuelle Beziehungen zu Kindern.<br />

Pornographie hat eine Ventilfunktion! Wer Ventile entfernt, provoziert Schlimmeres!<br />

<strong>Der</strong> B<strong>und</strong>esrat will (oder kann!) den blossen Konsum ja gar nicht pönalisieren. Durch blosses<br />

Anschauen macht sich auch nach neuem Gesetz keiner strafbar - <strong>und</strong> was <strong>die</strong> Herstellung<br />

betrifft: <strong>die</strong> ist schon lange verboten. Also was soll seine obige Argumentation?<br />

Wer nach neuem Gesetz keine Kinderpornographie mehr besitzen darf, als Vorlage zum<br />

Träumen aber welche braucht, wird sich im Internet umsehen oder sonstwo, wo er doch<br />

noch solches Material zu sehen bekommt. Während heutzutage für Kinderpornographie im<br />

Internet noch kaum etwas bezahlt wird, wird ein Verbot - man kennt das von den Drogen -<br />

das Material kostbar machen, was sich Profiteure nicht entgehen lassen werden. Nun reizen<br />

bekanntlich höhere Profitaussichten erst recht zum Einstieg ins Geschäft.<br />

82 So werden, wie bereits erwähnt, das Posieren von Kindern in sexualisierter Manier oder das Fokussieren auf<br />

Geschlechtsteile bei Kindern bei pornografischen Darstellungen mit Kindern als pornografisch definiert.


70<br />

Zum ersten Argument der Ventilfunktion von Pornografie haben wir schon im Kapitel vier einiges<br />

zu hören bekommen. Wissenschaftliche Untersuchungen zum Verhältnis von Pornografie<br />

<strong>und</strong> gelebter Sexualität sind in der Tat widersprüchlich <strong>und</strong> verlangen eine differenzierte<br />

Betrachtung nach Risikogruppen. Das hier angefügte Beispiel der französischen Polizeiaktion<br />

hingegen ist wenig überzeugend. Falls <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong>sbehörden unter den Kinderpornografie-Konsumenten<br />

keine aktiven Missbraucher gef<strong>und</strong>en haben, heisst <strong>die</strong>s noch<br />

lange nicht, dass es sie nicht gibt, wie wir auch aus den Aussagen der Polizei selbst zu ihren<br />

Möglichkeiten zu Folgeermittlungen erfahren haben. Zudem müssen <strong>die</strong> Aktionen selbst immer<br />

genau angeschaut werden. So werden sich auch bei Aktionen wie Genesis (professionelle<br />

Anbieter mit Bezahlung über Kreditkartenfirmen) bedeutend weniger aktive Missbraucher<br />

finden, als bei Aktionen zu geschlossenen Gruppierungen auf dem Internet. Die verschiedenen<br />

Angebote sprechen auch ganz unterschiedliche Gruppierungen an.<br />

Das zweite Argument muss nicht widerlegt werden, da offenbar der Unterschied zwischen<br />

Konsum <strong>und</strong> Besitz nicht verstanden worden ist. Das dritte Argument jedoch ist spitzfindig.<br />

Da wird für ein gesetzlich toleriertes Anbieten von Kinderpornografie plä<strong>die</strong>rt, um damit einen<br />

Schwarzmarkt zu verhindern. Für <strong>die</strong> Anbieter <strong>und</strong> Hersteller mag <strong>die</strong>ses Argument eine gewisse<br />

Gültigkeit haben, wobei angemerkt werden muss, dass professionelle Anbieter selten<br />

selbst ein sexuelles Interesse an Kindern haben. <strong>Pädosexuelle</strong> fügen <strong>die</strong>ses Argument aber<br />

wohl nur an, weil sie befürchten, mehr bezahlen zu müssen.<br />

Bezeichnend bei <strong>die</strong>ser Argumentationslinie ist, dass das pornografisch ausgebeutete Kind<br />

in keiner Weise mit dem Zartgefühl <strong>und</strong> den Respekt behandelt wird, wie <strong>die</strong> potentiellen<br />

„kleinen Fre<strong>und</strong>e“ der Pädophilen, es wird nicht einmal erwähnt. Es finden sich aber auf der<br />

Homepage durchaus auch Aussagen von Pädophilen, <strong>die</strong> Kinderpornografie gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

ablehnen. Diejenigen aber, welche <strong>die</strong> Widersprüche von Kinderliebe <strong>und</strong> Kinderpornografie<br />

erkennen, behaupten, dass der Gesetzgeber <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong>sbehörden Kinderpornografie<br />

absurd extensiv auslegen:<br />

Als 1992 das Gesetz betr. Kinderpornographie vom Volk angenommen wurde, wusste man<br />

eigentlich noch, wofür man seine Stimme abgegeben hatte: Sexuelle Handlungen von, vor<br />

oder mit Kindern sollten nicht mehr aufgenommen werden dürfen; entsprechende alte Aufnahmen<br />

durften nicht mehr herumgereicht, angepriesen oder verkauft werden.<br />

So weit, so gut! Inzwischen sind <strong>die</strong> Untersuchungsbehörden - <strong>und</strong> vermehrt auch <strong>die</strong> Gerichte<br />

- dazu übergegangen, alles als Kinderpornographie zu bezeichnen, was in ihren Augen<br />

<strong>die</strong> Phantasie eines Pädophilen erregen könnte: Aufnahmen von Kindern, <strong>die</strong> ihre<br />

Beine nicht militärisch stramm geschlossen halten - oder nur noch mit einer Unterhose bekleidet<br />

herumtollen - oder, o Graus, ganz natürlich, aber nackt unter der Dusche stehen<br />

oder sich an der Sonne räkeln.<br />

Auch wenn <strong>die</strong> Aufnahmen weit <strong>und</strong> breit keine sexuellen Handlungen zeigen, weder von,<br />

vor noch mit Kindern, bieten sie willkommenen Anlass zu polizeilichen Interventionen,<br />

Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmung <strong>und</strong> Vernichtung. Die sexuellen Handlungen<br />

müssen schon lange nicht mehr real sein, um zu einer Verurteilung zu führen: es genügt<br />

<strong>die</strong> Vermutung, dass sie sich eventuell im Kopf des Pädophilen abspielten.<br />

Aufgr<strong>und</strong> <strong>die</strong>ser Überlegung darf der normale, d.h. nicht pädophile Bürger Hans Meier einen<br />

Knaben nackt fotografieren <strong>und</strong> sich am Foto erfreuen. Tut dasselbe aber der pädophile<br />

Hans Müller, löst <strong>die</strong> Aufnahme ein Strafverfahren aus <strong>und</strong> endet mit einer Verurteilung.<br />

Die Missbrauchshysterie hat den Buchstaben des Gesetzes entwertet, zur Manipuliermasse<br />

degra<strong>die</strong>rt.<br />

Dazu kann nur angemerkt werden, dass ich kein einziges Urteil gef<strong>und</strong>en habe 83 , bei dem<br />

Personen wegen Darstellungen, wie sie oben beschrieben sind, vor den Richter / vor <strong>die</strong><br />

Richterin gebracht wurden. Die Beurteilung von strafrechtlich relevantem bzw. nicht relevantem<br />

Material obliegt den kantonalen <strong>Strafverfolgung</strong>sbehörden <strong>und</strong> fällt teils unterschiedlich<br />

aus. Dass harmloses Material von nackten Kindern ein Ermittlungsverfahren ausgelöst hätte,<br />

83<br />

Da alle Urteile betreffend Artikel 197 StGB dem B<strong>und</strong>esamt für Polizei geschickt werden müssen, ist der Einblick<br />

recht umfassend.


71<br />

scheint mir äusserst unwahrscheinlich. Pädophile sehen sich als von den <strong>Strafverfolgung</strong>sbehörden<br />

<strong>und</strong> der Gesellschaft verfolgte Minderheit (sicher nicht zu Unrecht) <strong>und</strong> betonen<br />

<strong>die</strong>s auch im Zusammenhang mit der polizeilichen Ermittlung. Folgende Person schildert<br />

seine Erfahrungen mit der Polizei, nachdem er wegen sexuellen Handlungen mit Knaben<br />

verhaftet worden ist:<br />

Als ich <strong>die</strong> Tür öffnete, begehrten vier Herren in Zivil Einlass <strong>und</strong> der vorgezeigte Hausdurchsuchungsbefehl<br />

ermächtigte sie, in meinem persönlichen Kram zu wühlen <strong>und</strong> mitzunehmen,<br />

was ihnen beliebte. Mit ihrer Erlaubnis rasierte ich mich <strong>und</strong> duschte ausgiebig -<br />

man liess mich dabei sogar allein - <strong>und</strong> fand hier meine Fassung wieder.<br />

Als es dann doch zur Befragung kam, musste er sich voyeuristische Fragen gefallen lassen,<br />

wie z.B. ob er im Zusammensein mit mir einen Samenerguss gehabt hätte, was für <strong>die</strong><br />

Verurteilung eines Pädophilen aus juristischer Sicht ein absolut bedeutungsloses Detail ist.<br />

W<strong>und</strong>ert es da einen, wenn bekannterweise viele Kinder aus Polizeibefragungen Schaden<br />

davontragen?<br />

Aus taktischen Gründen, <strong>die</strong> mit konkreten Beziehungen zusammenhingen, war ich zuerst<br />

<strong>und</strong> einige Tage lang kooperativ. Ich wollte <strong>die</strong> Polizei "beschäftigen" <strong>und</strong> ablenken. Dies<br />

ist mir gelungen, indem ich mich in einigen (eher harmlosen) Fällen selbst belastet habe.<br />

Ab einem gewissen Zeitpunkt habe ich dann aber konsequent jede weitere Zusammenarbeit<br />

abgelehnt <strong>und</strong> alle Aussagen verweigert. Dies hat sicherlich zur Verlängerung der U-<br />

Haft geführt. Allerdings spielte das keine grosse Rolle mehr (<strong>die</strong> Sache war ja nun bei der<br />

Arbeitsstelle ohnehin bekannt). <strong>Der</strong> Gr<strong>und</strong> für meine Verweigerung war in erster Linie der<br />

Umstand, dass ich meine Beziehungen zu M. <strong>und</strong> V. schützen wollte <strong>und</strong> auch, dass ich<br />

aus den ersten Befragungsprotokollen von Knaben ersehen konnte, welch "dreckige" Methoden<br />

<strong>die</strong> Polizei verwendet hatte. Da wurde gedroht <strong>und</strong> nach strafrechtlich kaum relevanten<br />

Details gefragt, <strong>die</strong> klar darauf hindeuteten, dass sich der betreffende Beamte auf<br />

voyeuristische Weise aufgeilt.<br />

Wiederum wird der Schutz der Kinder als Gr<strong>und</strong> für <strong>die</strong> Verweigerung der Zusammenarbeit<br />

mit der Polizei angegeben. Dass von <strong>die</strong>sem Verdächtigten <strong>die</strong> Polizei nicht gerade als<br />

Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Helfer gesehen wird, ist nahe liegend, dass aber in Sachen „Kinderschutz“ wiederum<br />

eine verkehrte Welt dargestellt wird, sagt einiges über <strong>die</strong> Einsicht in <strong>die</strong> Folgen des<br />

Verhaltens des Verdächtigten. Interessanterweise werden auf der Homepage Arcados (<strong>und</strong><br />

auf allen ähnlichen Seiten aus anderen Ländern) Tipps <strong>und</strong> Tricks im Umgang mit den <strong>Strafverfolgung</strong>sbehörden<br />

angeboten <strong>und</strong> ausgetauscht. Entweder sind doch nicht alle Pädophile<br />

so unschuldig im Bereich der sexuellen Handlungen mit Kindern oder aber sie werden alle zu<br />

Unrecht angeklagt, verhört <strong>und</strong> eingesperrt, wie <strong>die</strong>s folgender Textausschnitt glauben machen<br />

will:<br />

Immer mehr werden Leute in Strafverfahren wegen sexuellen Kindsmissbrauchs verwickelt,<br />

<strong>die</strong> keine strafbaren Handlungen begangen haben noch welche im Sinne hatten. Es<br />

genügen Vermutungen auf eine pädophile Veranlagung, sei es, weil man früher Abonnent<br />

von "Jung <strong>und</strong> frei" war oder weil man erwiesenermassen Kontakt zu einem nun verhafteten<br />

Pädophilen pflegte oder weil einem <strong>die</strong> Nachbarin Besuche von Jugendlichen vergönnt<br />

usw. usf. Zu <strong>die</strong>sem Zweck - <strong>und</strong> nicht als Anleitung zu Straftaten - <strong>die</strong> folgenden Hinweise.<br />

Adressen, <strong>die</strong> man bei euch vorfindet, können euren Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Bekannten grosses<br />

Ungemach bringen. Adressen befinden sich an mehr Orten, als man vielleicht annimmt: im<br />

Internetbrowser, bei den E-Mails, im Adressbuch eines PC-Textprogramms, als Telefonnummern<br />

gespeichert in eurem Telefonapparat oder Handy usw.<br />

Telefonkontrollen werden immer beliebter <strong>und</strong> den Ermittlern immer leichter zugestanden<br />

- obwohl Justizbehörden erklären, man mache nur bei schweren Delikten (also bei Straftaten<br />

gegen Leib <strong>und</strong> Leben, Sprengstoffanschlägen <strong>und</strong> bei mafiösen Vereinigungen)<br />

Gebrauch davon.<br />

Material: Auch harmlose Fotos von Kindern, entsprechende Bildbände, Bücher <strong>und</strong> Videos,<br />

selbst wenn sie nur Aufnahmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens beinhalten, werden<br />

bei einer Hausdurchsuchung mitgenommen. Das gibt Arbeit <strong>und</strong> verlängert <strong>die</strong> U-Haft<br />

im gewünschten Masse: Zu jedem Foto kommen ein paar Fragen, da wird katalogisiert, registriert,<br />

zugeordnet... Videos müssen gesichtet werden. - Zudem zeigt <strong>die</strong> grosse Menge


72<br />

von Kartons <strong>und</strong> Bananenschachteln, <strong>die</strong> von Polizisten zu ihren Fahrzeugen geschleppt<br />

werden, der ganzen Wohnumgebung anschaulich, wie schlimm eure vermuteten Verbrechen<br />

sein müssen.<br />

Verlangt ein detailliertes Verzeichnis aller beschlagnahmten Gegenstände.<br />

Vergleicht man <strong>die</strong>se Aussagen mit den Aussagen der Polizeibehörden, könnte der Kontrast<br />

nicht grösser sein. Nach Aussagen der <strong>Strafverfolgung</strong>sbehörden sind Folgeermittlungen<br />

eher <strong>die</strong> Ausnahme. Damit Telefon- <strong>und</strong> Emailkontrollen mit einer richterlichen Erlaubnis<br />

durchgeführt werden können, reichen keine schwachen Vermutungen <strong>und</strong> strafrechtlich nicht<br />

relevantes Material reicht für eine Verfahrenseröffnung nicht. Offensichtlich stehen sich da<br />

zwei klare Feindbilder gegenüber.<br />

Auch zum Thema Begutachtung wurden wir fündig:<br />

Ein Pädophiler muss seine Wünsche hintanstellen, <strong>und</strong> er schafft es meist auch, da er das<br />

Kind ja aufrichtig gern hat. Das Kind muss sich bei ihm wohl fühlen, sonst kommt es nicht<br />

wieder. Das psychiatrische Gutachten äussert sich über mich in <strong>die</strong>ser Beziehung folgendermassen:<br />

"Konflikte von sexuellen <strong>und</strong> aggressiven Triebimpulsen mit der Realität oder den Forderungen<br />

der Moral oder von Idealvorstellungen bewältigt er hauptsächlich durch Verdrängung<br />

oder Intellektualisierung... Es besteht ein grosses Bedürfnis nach Zuneigung <strong>und</strong><br />

Zuwendung umfassender Art, das jedoch stark unter Kontrolle gehalten werden muss.<br />

Dementsprechend sind Gefühlsregungen nur zugelassen, wenn sie intellektuellen <strong>und</strong> ästhetischen<br />

Ansprüchen genügen können. Durch <strong>die</strong>se hohe Anspruchshaltung besteht<br />

auch eine gute Gewähr, dass Triebe nicht einfach plötzlich <strong>und</strong> ungehemmt durchbrechen.<br />

Andererseits brauchen all <strong>die</strong>se Mechanismen, <strong>die</strong> der Kontrolle <strong>und</strong> Abwehr <strong>die</strong>nen, viel<br />

psychische Energie, so dass der Proband in seinen Lebensmöglichkeiten stark eingeschränkt<br />

ist."<br />

Sie sehen, keine egoistische Selbstverwirklichung auf Kosten des jungen Menschen, wo<br />

es doch immer so schön heisst, sie - <strong>die</strong> Pädophilen - suchten nur ihre eigene sexuelle Befriedigung,<br />

ihren persönlichen Lustgewinn auf Kosten des Kindes. Dem ist selten so. Knaben,<br />

<strong>die</strong> in keinem Abhängigkeitsverhältnis zum Pädophilen stehen, würden es sich auch<br />

nicht gefallen lassen. Sie können zwar anhänglich sein <strong>und</strong> schmeicheln wie eine Katze,<br />

aber sie kommen <strong>und</strong> gehen, wann sie wollen, sie lassen sich ihre Freiheit nicht nehmen,<br />

sie diktieren den Tarif in einer zwanglosen pädophilen Beziehung.<br />

Dieser begutachtete Pädophile ist offenbar mit der Einschätzung des Gutachters einverstanden<br />

<strong>und</strong> interpretiert <strong>die</strong> Beurteilung seiner Kontrollfähigkeiten dahingehend, dass er<br />

seine Impulse gut unter Kontrolle hat. Er kontrolliert seine Handlungen aber nicht aus Einsicht<br />

heraus, dass er dem Kind ansonsten Schaden zufügen würde, sondern weil das Kind<br />

nicht mehr zu ihm kommt, wenn es zu sehr bedrängt wird. Das Kind gibt in <strong>die</strong>sem Fall den<br />

„Tarif durch“, bestimmt, welche Art von Beziehung es eingehen will <strong>und</strong> welche nicht. Dass<br />

Pädophile seltener Gewalt anwenden, als man im Allgemeinen meint, kann nicht bestritten<br />

werden. Wenn man sich aber <strong>die</strong> subtilen psychologischen Druckmittel vor Augen führt, von<br />

denen Opfer berichteten, erscheint das obige Zitat in einem anderen Licht. Zur Begutachtung<br />

habe ich ansonsten keine kritischen Stimmen finden können, bin aber sicher, dass nicht alle<br />

begutachteten Pädophilen so positiv rechtfertigend ihre Begutachtungstexte auf das Internet<br />

stellen würden. Möglicherweise gibt man auch kaum öffentlich zu, forensisch begutachtet<br />

worden zu sein. Was unser forensischer Begutachter in den vorhergehenden Kapiteln zu<br />

Pädophilen im Strafvollzug meinte, finden wir wiederum aus Sicht eines <strong>Pädosexuelle</strong>n, der<br />

den Strafvollzug erlebt hat:<br />

Im Gefängnis ist man wer, wenn man viel Geld gescheffelt hat. Als Pädophiler, der kein<br />

Geld gemacht hat, sondern "nur geliebt" hat, rangiert man in der alleruntersten Schublade.<br />

Wenn man in der Presse nicht mit Foto <strong>und</strong>/oder Name bekanntgemacht wurde, ist es aber<br />

auch nicht unbedingt nötig, <strong>die</strong> Art der Delikte den Mit-Häftlingen zu sagen. Mir schien es<br />

geschickt zu sein, auf Fragen im Sinne einer Notlüge zu antworten: Ich gab an, mit harten<br />

Pornos gehandelt zu haben. Dies entspricht zwar nicht der Wahrheit, ist aber nahe genug<br />

an der Wahrheit, dass ich <strong>die</strong>s glaubwürdig vertreten konnte. Man hat <strong>die</strong>s zur Kenntnis<br />

genommen <strong>und</strong> kaum je weiter mit mir darüber gesprochen. Ich habe ausnahmslos nie-


73<br />

mandem meinen wirklichen Haftgr<strong>und</strong> erzählt. In einer so engen Gemeinschaft muss man<br />

wohl auch bei einem sog. besten Fre<strong>und</strong> (dem ich lieber <strong>die</strong> Wahrheit erzählt hätte) damit<br />

rechnen, dass er’s irgendwann mal doch weiter erzählt....<br />

Hätte ich gar keine Auskunft gegeben, wären <strong>die</strong> wildesten Spekulationen losgegangen.<br />

Recht bald hätte man mich dann wohl in <strong>die</strong> Kategorie der "Kindli-Ficker" gesteckt. Das<br />

Wort macht übrigens den Wissensstand der Leute im Knast (<strong>und</strong> der Leute im Volk) über<br />

Pädophilie deutlich: erstens man "fickt" (ficken = einzig mögliche Form des Geschlechtsverkehrs;<br />

<strong>die</strong>s ist das etwas einfach wirkende Klischee der Heterosexuellen) <strong>und</strong> zweitens<br />

"Kindli" (also kleine Kinder oder Babys, sicher keine Jugendlichen !).<br />

Dass, wie allgemein angenommen wird, <strong>Pädosexuelle</strong> im Gefängnisalltag zuunterst in der<br />

sozialen Hierarchie stehen, konnte in <strong>die</strong>sem Fall umgangen werden. Dies weil <strong>die</strong> Identität<br />

<strong>die</strong>ses <strong>Pädosexuelle</strong>n in den Me<strong>die</strong>n nicht publik wurde. Ein Gefängnisaufenthalt hat sicher<br />

weder eine heilende, noch stärkende Wirkung auf <strong>Pädosexuelle</strong>, werden sie von Mitgefangenen<br />

erniedrigt <strong>und</strong> gequält, ist <strong>die</strong>s höchstens Balsam für <strong>die</strong> rachsüchtige Volkseele, nicht<br />

aber für missbrauchte Kinder oder für weitere potentielle Opfer. In <strong>die</strong>sem Sinn rechtfertigt<br />

sich eine Veröffentlichung der Identitäten von <strong>Pädosexuelle</strong>n (wie es beispielsweise in den<br />

USA gar gesetzlich gefordert ist) in keinster Weise. Dass Arbeitgeber an Schulen oder sonstigen<br />

Einrichtungen, <strong>die</strong> sich um Kinder kümmern, ein Recht haben, über einschlägige Vorstrafen<br />

informiert zu sein, ist eine andere Angelegenheit.<br />

Zum Abschluss noch ein Zitat zur Therapie von Pädophilen:<br />

Pädophilie hat zwingenderweise nichts krankhaftes an sich. Damit haben Pädophile<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich auch nicht eine Therapie nötig. Wie ich weiter oben erwähnt habe, hat mir<br />

aber eine langjährige Therapie geholfen, meine sexuelle Ausrichtung voll zu akzeptieren<br />

<strong>und</strong> Beziehungsängste abzubauen. In schwierigen Lebenssituationen kann eine gute Therapie<br />

gerade auch pädophilen Menschen viel bringen.<br />

Wenn auch einigermassen klar ist, dass kein Therapeut Pädophilie, Homosexualität, Heterosexualität<br />

oder andere sexuelle Vorlieben wegtherapieren kann, so ist doch unbestritten,<br />

dass in einer gut laufenden Therapie Lebensschwierigkeiten erfolgreich angegangen werden<br />

können. Ein Ziel einer solchen Therapie könnte es beispielsweise für einen pädophilen<br />

Menschen sein, Lebensformen auszubilden, <strong>die</strong> ermöglichen, sich so zu verhalten, dass<br />

man nicht straffällig wird <strong>und</strong> dennoch ein befriedigendes Leben führt. Vor Gericht werden<br />

solche Bemühungen oft als solche erkannt <strong>und</strong> wirken sich manchmal auch strafmildernd<br />

aus. Wenn Gerichte allerdings ihrerseits Therapien "verordnen" halte ich <strong>die</strong>s für eher<br />

fragwürdig.<br />

<strong>Der</strong> erste Teil des Textausschnittes macht deutlich, dass sich zumindest <strong>die</strong>se selbst deklarierten<br />

Pädophilen nicht als krank verstehen. Sie sehen sich in einer Reihe mit anderen Formen<br />

sexueller Orientierung, <strong>die</strong> man einfach „hat“ <strong>und</strong> <strong>die</strong> man nicht „wegtherapieren“ kann.<br />

Sie würden ihre Orientierung wohl nicht als Einstellung betrachten, sondern als gegeben.<br />

Man muss <strong>die</strong>se Haltung aber klar von den oben beschriebenen Ersatz-Objekt-Tätern unterscheiden,<br />

<strong>die</strong> ihre Handlungen klar als situativ bedingt bezeichnen, wie <strong>die</strong>s bei Deegener<br />

(1995) eindrücklich nachgelesen werden kann. Im Zitat kommt ein Punkt zum Ausdruck, der<br />

im Kapitel 6.6. zu den Therapiemöglichkeiten vom Psychologen bereits deutlich angesprochen<br />

wurde. Therapien können auch den konträren (aus meiner Sicht zumindest) Effekt haben,<br />

dass sich Pädophile in ihrer Orientierung bestärkt fühlen. Ob sich <strong>die</strong> oben zitierte Aussage,<br />

dass er Beziehungsängste abbauen lernte oder <strong>die</strong> Therapie ihm half, ein straffreies<br />

Leben zu führen auf eine Orientierung Richtung Partnerschaft mit Erwachsenen bezieht,<br />

kann zumindest angezweifelt werden.<br />

Wer sich für <strong>die</strong> Selbstdarstellung einiger Pädophiler interessiert, findet auf dem Internet sehr<br />

aufschlussreiche Aussagen. Hier sollen <strong>die</strong> wenigen Textpassagen genügen, um den Kontrast<br />

zu den Meinungen <strong>und</strong> Haltungen der Repräsentanten der <strong>Strafverfolgung</strong>sbehörden zu<br />

verdeutlichen.<br />

Die Ansicht von (Kern-) Pädophilen, dass ihre Orientierung natürlich ist, nicht verwerflich <strong>und</strong><br />

ihre „Partnerschaften“ mit Kindern den Kindern nicht schaden, sondern im Gegenteil für ihre<br />

Entwicklung wichtig <strong>und</strong> nötig sind, wird durchs Band vertreten. Wie weit Erwachsene bei ih-


74<br />

ren Handlungen mit Kindern gehen dürfen, ist hingegen unterschiedlich beschrieben. Distanzieren<br />

sich einige klar von Pornografie oder eindeutigen sexuellen Handlungen mit Kindern,<br />

sind andere der Überzeugung, dass Erwachsene Kinder regelrecht in <strong>die</strong> Welt der Sexualität<br />

einweihen müssen. Mit den <strong>Strafverfolgung</strong>sbehörden, den Me<strong>die</strong>n <strong>und</strong> der öffentlichen Meinung<br />

tun sich wohl <strong>die</strong> meisten schwer, da ihre Orientierung gesellschaftlich geächtet ist, das<br />

Strafgesetzbuch klare Grenzen vorgibt, <strong>die</strong> bei einigen zumindest ihre Phantasien direkt<br />

betreffen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>n nur zu gerne Themen mit Kindern <strong>und</strong> Sexualität aufgreifen <strong>und</strong><br />

„Kinderschänder“ auf <strong>die</strong> Titelseite bringen.<br />

Auch wenn in <strong>die</strong>sem letzten Kapitel deutlich geworden ist, wie wenig Berührungspunkte<br />

zwischen <strong>Pädosexuelle</strong>n <strong>und</strong> nicht-<strong>Pädosexuelle</strong>n vorhanden sind, lohnt es sich dennoch,<br />

<strong>die</strong> Thematik differenziert zu betrachten <strong>und</strong> auch <strong>die</strong> Not <strong>und</strong> <strong>die</strong> Einsamkeit von auf Kinder<br />

fixierten Menschen wahrzunehmen <strong>und</strong> zu bedauern, solange <strong>die</strong>se <strong>die</strong> strafrechtlichen <strong>und</strong><br />

moralisch-ethischen Grenzen unserer jetzigen Gesellschaft akzeptieren. Denn auch wenn<br />

wir in <strong>die</strong>ser Arbeit <strong>die</strong> Optik der Opfer bewusst ausgeklammert haben, dürfen wir das Leid<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Not der Kinder nicht vergessen, <strong>die</strong> missbraucht worden sind. Wurde ihre elende Erfahrung<br />

zudem noch gefilmt oder fotografiert, wird sie tausendfach <strong>und</strong> auf nicht absehbare<br />

Zeit im Internet reproduziert.


7. Erkenntnisse<br />

75<br />

Die Zusammenfassungen am Ende aller Kapitel im empirischen Teil werden (persönlich gefärbt)<br />

nochmals verdichtet <strong>und</strong> mit den theoretischen Überlegungen zu Beginn verknüpft.<br />

Zudem soll versucht werden, daraus Empfehlungen für <strong>die</strong>jenigen Personen zu formulieren,<br />

<strong>die</strong> in ihrer Arbeit mit (delinquenten) <strong>Pädosexuelle</strong>n zu tun haben.<br />

7.1. Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen zu Kindern (sexuell) hingezogen<br />

fühlen<br />

In der Literatur werden verschiede Typen von <strong>Pädosexuelle</strong>n beschrieben <strong>und</strong> auch unsere<br />

Gesprächspartner haben mit vielen verschiedenen Menschen zu tun, denen einzig gemein<br />

ist, dass sie sich im Umgang mit Kindern nicht an <strong>die</strong> strafrechtlich <strong>und</strong> gesellschaftlich gesetzten<br />

Grenzen halten. Die wichtigsten, respektive offensichtlichsten Unterschiede zeigen<br />

sich in der Intensität der Fixierung auf Kinder <strong>und</strong> in den Phantasien, <strong>die</strong> Kinder bei <strong>die</strong>sen<br />

Menschen auslösen. Selbsternannte Pädophile, <strong>die</strong> behaupten, dass nicht Sexualität im<br />

Vordergr<strong>und</strong> stehe, sondern <strong>die</strong> „echte“ Partnerschaft <strong>und</strong> Liebe zwischen Erwachsenen <strong>und</strong><br />

Kindern, kommen eventuell nie mit dem Strafrecht in Berührung, einfach weil sie keine verbotenen<br />

Handlungen begehen. Sie stossen aber bereits an gesellschaftlich gesetzte Grenzen,<br />

wenn sie offen zu ihren Neigungen stehen. Pädophilie ist eines der wenigen (Tabu-)<br />

Themen, das vom grössten Teil der Bevölkerung in keiner Weise toleriert wird. Diese nicht<br />

vorhandene Toleranz kommt in der Politik, am Stammtisch <strong>und</strong> auch in der medialen Berichterstattung<br />

zum Ausdruck. Sie führt aber auch dazu, dass über das Thema kaum differenziert<br />

diskutiert, berichtet <strong>und</strong> geforscht wird.<br />

Leben <strong>Pädosexuelle</strong> ihre Phantasien aus, greift der Staat über <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong>sbehörden<br />

ein. Das Strafrecht unterscheidet aber nicht, aus welchen Motiven eine Person ein Kind zu<br />

sexuellen Handlungen zwingt. Auch <strong>die</strong> so genannten Ersatz-Objekt-Täter haben - zumindest<br />

in einem situativ bedingten, regressiven Zustand - ein sexuelles Interesse am Kind,<br />

auch der sadistisch Veranlagte oder der perverse „Wüstling“ sucht das Kind als Opfer, wenn<br />

auch aus anderen Lebenslagen <strong>und</strong> aus anderen Gründen als der <strong>Pädosexuelle</strong>, dessen gesamte<br />

sexuelle Phantasie dem Kind gehört. Das Strafgesetzbuch unterscheidet nach der Art<br />

der Übergriffe, sieht aber für alle denselben Strafrahmen vor. Für <strong>die</strong> Begutachtung, <strong>die</strong> Therapie<br />

<strong>und</strong> nicht zuletzt für das Opfer, sind aber <strong>die</strong> Motive der Täter sehr wohl von Bedeutung.<br />

Nicht als Rechtfertigung für Übergriffe, aber für einen angemessenen Umgang mit den<br />

Tätern <strong>und</strong> demzufolge für einen besseren Opferschutz lohnt sich eine sorgfältige Abklärung,<br />

eine f<strong>und</strong>ierte Forschung <strong>und</strong> eine sorgfältige Berichterstattung bei sexuellen Delikten von<br />

Erwachsenen an Kindern.<br />

7.2. Die polizeiliche Ermittlung steckt noch in den Kinderschuhen<br />

Gute oder schlechte Polizeiarbeit ist nicht in erster Linie von guten oder schlechten PolizistInnen<br />

abhängig. Auch <strong>die</strong> beste <strong>und</strong> engagierteste Polizistin arbeitet in einem Korps, das<br />

unter bestimmten Rahmenbedingungen arbeiten kann respektive muss. Im besseren Fall<br />

verfügt eine kantonale Polizei über eine eigene Kinderschutzgruppe, <strong>die</strong> sich vollumfänglich<br />

Delikten gegen Kinder widmen kann. Dies ist längst nicht in allen Kantonen gegeben. Eine<br />

gute Kinderschutzgruppe verfügt über genügend Personal, damit sie sich auch um Delikte<br />

kümmern kann, <strong>die</strong> sich im Hintergr<strong>und</strong> des gesellschaftlich Offensichtlichen abspielen. Es<br />

gibt keine plausiblen Gründe, anzunehmen, dass sich nicht auch in <strong>die</strong>sem Land besonders<br />

skrupellose Menschen finden, um gemeinsam Verbrechen gegen Kinder zu begehen. Es ist<br />

kaum zu verstehen, dass der Zufall es bestimmen sollte, ob solche Machenschaften entdeckt<br />

werden 84 . Wenn genügend Personal vorhanden wäre, könnte man sich auch proaktiv um<br />

<strong>die</strong>se Deliktsfelder kümmern <strong>und</strong> damit auch eine gewisse präventive Wirkung erzielen.<br />

84 Auch ist kaum verständlich, dass in ausländischer Literatur solche Machenschaften, <strong>die</strong> in der Schweiz durchgeführt<br />

wurden, beschrieben werden (siehe Gallwitz <strong>und</strong> Paulus, 1998).


76<br />

Hinter einer solchen idealen Ermittlungsgruppe steht nicht zuletzt der politische <strong>und</strong> justizielle<br />

Wille, <strong>die</strong> Polizeiarbeit zu unterstützen. Er würde sich in der Prioritätensetzung zeigen,<br />

aber auch in mutigen Entscheidungen, ein weiterreichendes Verfahren zu erlauben, auch<br />

wenn das Risiko besteht, dass sich der Erfolg nicht sofort einstellt.<br />

Dass Kinder keine Lobby haben, ist nicht nur ein Motto von Kinderschutzorganisationen,<br />

sondern es zeigt sich auch in der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Selbstverständlich haben<br />

der Bürger <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bürgerin ein Recht darauf, dass <strong>die</strong> störende Strassenkriminalität bekämpft<br />

wird. Das darf aber nicht heissen, dass Delikte, <strong>die</strong> im Alltag nicht direkt wahrnehmbar<br />

sind, ignoriert oder als zweitrangig behandelt werden dürfen. Intensive <strong>und</strong> erfolgreiche<br />

Polizeiarbeit kostet Geld, nicht geahndete Delikte gegen Kinder kosten <strong>die</strong> Gesellschaft aber<br />

bedeutend mehr. Die Opfer werden erwachsen <strong>und</strong> sind bedeutend anfälliger für (ges<strong>und</strong>heitliche<br />

<strong>und</strong> auch kriminelle) Entwicklungen, <strong>die</strong> den Staat schlussendlich auch Einiges kosten.<br />

Eine Kostenrechnung mag in <strong>die</strong>sem Zusammenhang zynisch wirken, bewegt aber wohl<br />

viel stärker politische Meinungs(um)bildung als emotionale Berichterstattung, <strong>die</strong> doch meist<br />

nur kurzfristig, wenn überhaupt, gesellschaftliche Räder in Bewegung setzt 85 .<br />

7.3. Besser auf <strong>die</strong> Begutachtung achten!<br />

Dass es mit der Begutachtung in der Schweiz nicht zum Besten steht, weiss <strong>die</strong> interessierte<br />

Bevölkerung nicht erst sei der „Verwahrungsinitiative“, durch <strong>die</strong> <strong>die</strong> Thematik einer breiten<br />

Bevölkerung zugänglich gemacht wurde. Thematisiert wurde aber in der Regel vor allem der<br />

Mangel an forensischen BegutachterInnen in der Schweiz 86 . Die Vertreterinnen der Kantonspolizei<br />

<strong>Bern</strong> haben <strong>die</strong>s auch im Gespräch erwähnt. Auf Gutachten muss <strong>die</strong> Justiz, vor allem<br />

bei komplexeren Fällen, teils sehr lange warten. Dass es in der Schweiz zu wenige ausgebildete<br />

GutachterInnen hat, liegt sicher zum Teil an der Aufgabe selbst. Wenigen ist es<br />

gegeben, sich im Alltag ständig mit einer schwierigen Population auseinanderzusetzen.<br />

Wichtiger ist aber wohl <strong>die</strong> Bürde, <strong>die</strong> Gutachter mit der Verantwortung der Gutachten zu<br />

tragen haben, <strong>die</strong> von den RichterInnen meist übernommen werden. Wenn man Zurechnungsfähigkeit<br />

oder Glaubwürdigkeit einer Person beurteilt oder gar mittel- bis längerfristige<br />

Prognosen abgibt, kann man sich nicht auf eine exakte Wissenschaft stützen, dafür ist der<br />

Mensch ein zu komplexes System in Entwicklung. Gutachten können für <strong>die</strong> Begutachteten,<br />

aber auch für potentielle Opfer, entscheidende Weichen im Leben stellen. „Fehlurteile“ können<br />

aber auch für den Begutachter / <strong>die</strong> Begutachterin das Ende einer erfolgreichen Karriere<br />

bedeuten. Auch wenn ein Urteil von der freien richterlichen Beweisführung abhängt, sind<br />

RichterInnen hochgradig von Sachverständigen abhängig. Und gerade dem forensischen<br />

Begutachter wird im Nachhinein besonders auf <strong>die</strong> Finger geschaut. Mit <strong>die</strong>ser wichtigen,<br />

aber auch sehr schweren Aufgabe muss <strong>die</strong>ser Berufsstand leben. In der aktuellen Situation<br />

können sich BegutachterInnen nicht auf gewisse Deliktsbereiche spezialisieren. GutachterInnen<br />

sind weiterhin GeneralistInnen, spezialisiert auf <strong>die</strong> forensische Begutachtung, aber<br />

nicht auf einen bestimmten Deliktstypus. Die hochkomplexe <strong>und</strong> äusserst wichtige Aufgabe<br />

der forensischen Begutachterin würde <strong>die</strong>s aber bedingen, wenn sie ihrer Aufgabe gerecht<br />

werden will.<br />

7.4. Spricht <strong>die</strong> Rechtssprechung Recht?<br />

Eine ähnliche Problematik findet sich bei den Richterinnen <strong>und</strong> Richtern, wenn auch nicht<br />

aus denselben Gründen. Kantonale RichterInnen sind in der Regel für eine geografisch begrenzte<br />

Region zuständig. Auch wenn wir in den Gesprächen mit VertreterInnen der Polizei<br />

gehört haben, dass Delikte in einer ländlich geprägten Umgebung von Delikten aus dem urbanen<br />

Umfeld unterschieden werden können, sind <strong>die</strong> Unterschiede dennoch klein. Gerade<br />

in einem dicht besiedelten Land wie der Schweiz wird wohl jede Richterin <strong>und</strong> jeder Richter<br />

85<br />

Ich kann es nicht belegen, bin aber überzeugt, dass das Thema der häuslichen Gewalt viel Aufschwung erfahren<br />

hat, als <strong>die</strong> volkwirtschaftlichen Folgekosten <strong>die</strong>ses Deliktsbereichs ausgerechnet <strong>und</strong> medial diskutiert worden<br />

sind.<br />

86<br />

Man spricht gar von einem „forensischen Vakuum“ in der Schweiz. Vgl. dazu bspw. NZZ am Sonntag vom<br />

11.01.04: Die Stille Macht der Gutachter.


77<br />

längerfristig mit ähnlichen Deliktsfeldern zu tun haben, umso mehr in der hoch mobilen heutigen<br />

Welt. Die fehlende Spezialisierung des Richterstandes hat eher mit den föderalistischen<br />

Strukturen der Schweiz zu tun, denn mit mangelndem Personal, obwohl der Pressberichterstattung<br />

zu Folge auch beim Richterstand langsam aber sicher <strong>die</strong> Ressourcen fehlen.<br />

Muss sich ein Richter / eine Richterin mit allen möglichen Delikten, <strong>die</strong> zudem noch von individuell<br />

sehr unterschiedlichen Delinquenten ausgeführt werden, beschäftigen, fehlt gezwungenermassen<br />

der Blick für übergeordnete Zusammenhänge <strong>und</strong> <strong>die</strong> Möglichkeit, bei einem<br />

Deliktstypus in <strong>die</strong> Tiefe gehen zu können. Wie jedes Berufsfeld ist auch der Richterstand mit<br />

politischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Rahmenbedingungen konfrontiert. Wie wir in den Gesprächen<br />

gehört haben, stehen (Untersuchungs-) RichterInnen unter einem Zeit- <strong>und</strong> auch Kostendruck.<br />

Geld für komplexere <strong>und</strong> mit wenig Erfolgschancen behaftete Ermittlungen fehlt,<br />

Zeit für eine längerfristige Auseinandersetzung mit Delinquenten wohl teilweise auch. Gerade<br />

bei pädosexuellen Delikten ist es aber wichtig, <strong>die</strong> Geschichte hinter dem Delikt zu durchleuchten,<br />

gerade weil <strong>die</strong>se Geschichten teils sehr komplex sind <strong>und</strong> nicht zuletzt weil <strong>die</strong><br />

bekannten <strong>und</strong> potentiellen Geschädigten ein Recht darauf haben. Wenn sich der Richterstand<br />

nicht auf substantielle Hilfe gerade von den forensischen BegutachterInnen stützen<br />

kann, wirkt sich <strong>die</strong> mangelnde Spezialisierung noch stärker aus. Nicht zuletzt sind RichterInnen<br />

auch Menschen <strong>und</strong> der Umgang mit <strong>die</strong>sem Deliktsfeld ist für Niemanden einfach.<br />

Bis zu einem gewissen Grad ist es demzufolge verständlich, wenn sich RichterInnen vor einer<br />

intensiven Beschäftigung mit den Tätern, den Opfern <strong>und</strong> den Tatsachen scheuen. PolizistInnen<br />

haben <strong>die</strong>se Möglichkeit nicht.<br />

7.5. Und dennoch ein Plädoyer für <strong>die</strong> Therapie<br />

Gemäss Laienmeinung nützt <strong>die</strong> (forensischen) Therapie speziell bei <strong>Pädosexuelle</strong>n wenig<br />

bis gar nichts. „Die sind <strong>und</strong> bleiben krank“ oder „für solche soll nicht noch Geld für eine Behandlung<br />

ausgegeben werden“ sind häufige Äusserungen in Leserbriefen oder auf populistischen<br />

Websites. Hinter solchen Äusserungen steht <strong>die</strong> Annahme, dass sich <strong>Pädosexuelle</strong><br />

nicht ändern können <strong>und</strong> <strong>die</strong> Meinung, dass sie eine speziell harte Strafe ver<strong>die</strong>nen. Wie wir<br />

aber gehört haben, ist pädosexuell nicht gleich pädosexuell <strong>und</strong> dementsprechend unterschiedlich<br />

müssen <strong>die</strong> Behandlungen ausfallen. Ist für einen, ausschliesslich auf Kinder fixierten,<br />

pädosexuellen Wiederholungstäter eine chemische Behandlung angesagt, nützt es<br />

bei einem Ersatz-Objekt-Täter eventuell schon, wenn er seine Lebenssituation in den Griff<br />

bekommt. Auch wenn beide ein ähnliches Delikt begangen haben <strong>und</strong> richtigerweise zu einer<br />

ähnliche Strafe verurteilt werden, werden sie sich - kommen sie denn wieder frei - unter Umständen<br />

völlig verschieden verhalten. Diesem Umstand kann <strong>die</strong> Rechtssprechung nur bedingt<br />

Rechung tragen. Sicherungsverwahrte sind auch unter <strong>Pädosexuelle</strong>n <strong>die</strong> Ausnahme,<br />

wie wir aus der Urteilsstatistik gesehen haben. Alle anderen sind nach mehr oder weniger<br />

kurzer Zeit wieder auf freiem Fuss. Nur <strong>die</strong> therapeutische Behandlung kann dann im Sinne<br />

des Opferschutzes auf <strong>die</strong> weiteren Handlungen einwirken 87 . Therapeutische Behandlung<br />

von Kernpädosexuellen birgt, wie wir gehört haben, auch ein gewisses Risiko. Sie kann dazu<br />

führen, dass <strong>die</strong> Täter aktiver, selbstbewusster <strong>und</strong> hemmungsloser werden. Wir kennen <strong>die</strong><br />

Gr<strong>und</strong>bedingungen einer erfolgsversprechenden Therapie, wie sie uns von psychiatrischer<br />

<strong>und</strong> psychologischer Seite vorgestellt wurde. Unsere Gesprächspartner sind aber beide sehr<br />

erfahren mit Pädophilen oder <strong>Pädosexuelle</strong>n. Das gilt bei weitem nicht für alle Behandelnden.<br />

Auch Therapeuten <strong>und</strong> Psychiater beschränken in der Regel ihr Tätigkeitsfeld auf bestimmte<br />

geografischen Regionen <strong>und</strong> so viele <strong>Pädosexuelle</strong> - geschweige denn nicht delinquente<br />

Pädophile - befinden sich nicht in Therapie, als dass sich viele Therapeuten <strong>und</strong><br />

Psychiater den nötigen Erfahrungsschatz erarbeiten könnten.<br />

Dennoch ist es unabdingbar, <strong>die</strong> therapeutische (psychologische oder psychiatrische) Behandlung<br />

als zentralen Partner im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess zu betrachten. TherapeutInnen<br />

87 Auch wenn sich <strong>die</strong> mediale Berichterstattung in der Schweiz immer weniger scheut, pädosexuelle Täter für <strong>die</strong><br />

Bevölkerung leicht(er) identifizierbar zu machen, haben wir noch nicht <strong>die</strong> Verhältnisse, <strong>die</strong> wir in anderen Ländern<br />

(z.B. Grossbritannien oder <strong>die</strong> USA) kennen. Das heisst, Pädokriminelle haben in der Regel das Recht auf<br />

eine gewisse Anonymität <strong>und</strong> sind so weniger der sozialen Kontrolle, aber auch den primitiven Rachegelüsten von<br />

Teilen der Bevölkerung ausgeliefert.


78<br />

verfügen über <strong>die</strong> besten Möglichkeiten, den spezifischen Lebensgeschichten der Täter <strong>und</strong><br />

den Motiven, <strong>die</strong> der Tat zu Gr<strong>und</strong>e liegen, auf <strong>die</strong> Spur zu kommen. Natürlich wäre es wünschenswert,<br />

wenn <strong>die</strong> forensischen BegutachterInnen bereits über <strong>die</strong> nötige (Spezial-) Ausbildung<br />

<strong>und</strong> vor allem auch Zeit für eine f<strong>und</strong>ierte Aufbereitung des Tatgeschehens <strong>und</strong> dessen<br />

individuelle Hintergründe verfügten. Wie bereits oben erwähnt, sind wir aber noch weit<br />

davon entfernt.


8. Empfehlungen<br />

79<br />

Wir wagen im Folgenden einige konkrete Empfehlungen. Dabei soll keine Rücksicht auf <strong>die</strong><br />

realistische Machbarkeit bezüglich aktueller gesellschaftlicher Rahmenbedingungen genommen<br />

werden. Es handelt sich also teils eher um Wünsche, denn um reale Empfehlungen.<br />

8.1. Offen reden <strong>und</strong> frei forschen<br />

In der Presseberichterstattung, aber vor allem auch in der Forschungsgemeinschaft, muss<br />

der <strong>Pädosexuelle</strong> als Delinquententypus differenzierter behandelt werden können. Es sind<br />

oft einzelne, engagierte AutorInnen, <strong>die</strong> sich dem Thema Kindsmissbrauch widmen, oft nicht<br />

im Rahmen der universitären Forschung, sondern im Kontext der Arbeit von Kinderschutzorganisationen.<br />

An <strong>die</strong> Thematisierung der Täter selbst haben sich meines Wissens bis anhin<br />

Wenige gewagt. Zwar wird <strong>die</strong> Thematik der Pädosexualität teilweise als Kapitel innerhalb<br />

der Sexualdelinquenz, in der Regel aber nicht als eigener Untersuchungsgegenstand behandelt.<br />

Auch wenn <strong>Pädosexuelle</strong> keine homogene Delinquentengruppe darstellen (wie es in<br />

aller Regel auch bei anderen Deliktstypen nicht der Fall ist), ist das kein Argument gegen eine<br />

differenzierte Betrachtung, im Gegenteil. Die differenzierte Betrachtung von <strong>Pädosexuelle</strong>n<br />

birgt für <strong>die</strong> Autoren immer auch ein gewisses Risiko, von der Bevölkerung falsch verstanden<br />

respektive in <strong>die</strong> „falsche Ecke“ gedrängt zu werden. Rüdiger Lautmann beispielsweise<br />

wird von (militanten) Kinderschutzorganisationen als zu tolerant betrachtet <strong>und</strong> man<br />

schreibt ihm, zu Recht oder zu Unrecht, eine verdächtige Sympathie für Pädophile zu. Autoren,<br />

<strong>die</strong> <strong>Pädosexuelle</strong> klar im Kontext von schwerstkriminellen Handlungen beschreiben, haben<br />

es einfacher, sie bilden aber dennoch nur einen Teil der Wahrheit ab. Gerade für <strong>die</strong> Beteiligten<br />

am <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess wäre es sinnvoll <strong>und</strong> nötig, eine sachliche Betrachtung<br />

<strong>und</strong> umfassende Übersicht zu <strong>Pädosexuelle</strong>n zur Verfügung zu haben. Dies könnte helfen,<br />

<strong>die</strong> verschiedenen Prädispositionen <strong>und</strong> situationalen Bedingungen, <strong>die</strong> zu einer Tat führen<br />

können, zu unterscheiden <strong>und</strong> <strong>die</strong>s bei ihren Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen.<br />

Zudem herrscht ein Mangel an Forschung <strong>und</strong> Literatur zum Thema Kinderpornografie. Das<br />

Thema hat mit der breiten Nutzung des Internets <strong>und</strong> den grossen Polizeiaktionen massiv an<br />

Brisanz gewonnen, wurde aber erst rudimentär von der Forschung aufgegriffen. Fragen bezüglich<br />

der Gesetzgebung <strong>und</strong> Tätermotive tauchen auf <strong>und</strong> es besteht dringender Handlungsbedarf.<br />

8.2. Bestehendes Know-how in der Ermittlungsarbeit teilen<br />

Ermittelnde sind mindestens so stolz oder beschämt über erfolgreiche oder weniger erfolgreiche<br />

Arbeit, wie andere Berufsleute auch. Sie werden aber von der Bevölkerung mit Argusaugen<br />

beobachtet <strong>und</strong> gerade erfolgreiche Aktionen gegen <strong>Pädosexuelle</strong> lassen sich in der<br />

Bevölkerung „gut verkaufen“. Bei weniger erfolgreichen Aktionen werden sie mit strengen<br />

Massstäben gemessen <strong>und</strong> oft hat <strong>die</strong> interessierte Bevölkerung wenig bis keine Vorstellung<br />

von den Schwierigkeiten <strong>und</strong> Hürden bei der Ermittlungsarbeit 88 .<br />

Mit den föderalistischen Strukturen der kantonalen Polizeien in der Schweiz werden wir noch<br />

einige Jahre leben müssen oder dürfen. Man kann <strong>die</strong>se Situation aber auch als Chance<br />

wahrnehmen, indem man <strong>die</strong> einzelnen Korps in einer (theoretischen) Konkurrenz betrachtet.<br />

Kriterien für erfolgreiche Ermittlungsarbeit sollen <strong>und</strong> müssen mit anderen Polizkorps geteilt<br />

werden. In gewissen Deliktsbereichen existieren Plattformen, <strong>die</strong> zwecks Austauschs<br />

von Erfahrungen <strong>und</strong> Best Practices zwischen den inländischen <strong>und</strong> ausländischen Polizeien<br />

etabliert wurden (z.B. bei Drogendelikten). Im Bereich der Delikte gegen Kinder wurde in der<br />

Schweiz im Jahre 1982, nach der Serie von verschw<strong>und</strong>enen Kindern in der Schweiz, <strong>die</strong><br />

Soko Rebecca 89 ins Leben gerufen. Innerhalb <strong>die</strong>ser Gruppe von Ermittelnden, <strong>die</strong> sich regelmässig<br />

trifft, wird nicht nur das Thema der verschw<strong>und</strong>enen Kinder besprochen, sondern<br />

88 Wie man <strong>die</strong>s bei der Berichterstattung zur Aktion Genesis gut verfolgen konnte.<br />

89 http://www.police.be.ch/site/index/aktuell/aktuell_vermisste/vermisst_soko.htm


80<br />

es werden breiter Delikte gegen Kinder behandelt. Auch das relativ neu in der Schweiz etablierte<br />

Datenbanksystem ViCLAS nimmt alle Delikte gegen Kinder (auch bereits das verdächtige<br />

Ansprechen von Kindern) in <strong>die</strong> Datenbank auf <strong>und</strong> ermöglicht so ein rasches Erkennen<br />

von Serien. Diese Plattformen sind jedoch eher auf <strong>die</strong> Lösung von konkreten Fällen angelegt<br />

als auf den Austausch von Know How. Gerade im Bereich des doch neuen Deliktfeldes<br />

der Kinderpornografie (über Internet) <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen, kantonsübergreifenden<br />

Polizeiaktionen, besteht Austauschbedarf. Das Wissen um neue Modi Operandi, neue Technologien<br />

zu deren Bekämpfung, erfolgreiche Verhörmethoden oder Tipps <strong>und</strong> Tricks im Zusammenhang<br />

mit Hausdurchsuchungen bei Kinderpornografiedelikten sind in der Schweiz<br />

vorhanden, werden aber nur zum Teil unter den Polizeikorps ausgetauscht. Gerade Ermittelnde,<br />

<strong>die</strong> gegen Delinquenten vorgehen, <strong>die</strong> mit dem Internet als Tatmittel operieren, sind<br />

sich auch gewohnt, <strong>die</strong> neuen elektronischen Me<strong>die</strong>n zu nutzen. Diese Me<strong>die</strong>n können demzufolge<br />

auch als Plattform genutzt werden. Warum nicht Newsgroups einrichten, ein spezielles<br />

Intranet aufbauen oder Newsletters anbieten, <strong>die</strong> auf Neuigkeiten aufmerksam machen.<br />

Dies wird zwar zum Teil schon praktiziert, aber nicht schweizweit eingesetzt. Bezüglich spezifischer<br />

Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung existieren zwar Angebote für Ermittelnde im Bereich der<br />

Pädokriminalität <strong>und</strong> der IT-Ermittlung, aber auch dabei bestehen noch erhebliche Lücken.<br />

Im benachbarten Deutschland bietet das BKA 14-tätige Kurse im Bereich der (Ermittlung gegen)<br />

Kinderpornografie an <strong>und</strong> <strong>die</strong>se werden auch von Schweizer Polizeien genutzt. Einem<br />

„Import“ stünde gr<strong>und</strong>sätzlich aber nichts im Wege.<br />

8.3. EntscheidungsträgerInnen sensibilisieren<br />

Wie bereits erwähnt, hat KOBIK interessierten ParlamentarierInnen unzensurierte kinderpornographische<br />

Szenen aus dem Internet vorgeführt. Die Stadtpolizei Zürich hat dasselbe bei<br />

Sozial<strong>die</strong>nsten gezeigt. Solche einmaligen Aktionen lassen das Publikum hautnah erleben,<br />

worum es bei Delikten im Bereich der Kinderpornografie geht <strong>und</strong> sollen das Engagement<br />

bei der Bekämpfung <strong>die</strong>ser Delikte stärken. Wie wir von den Stadtzürcher Ermittelnden aber<br />

auch gehört haben, sind RichterInnen nicht immer bereit, sich mit konkreter Kinderpornografie<br />

auseinander zu setzen. Trotz knapper zeitlicher Ressourcen, ist es meiner Ansicht nach<br />

nicht zu viel verlangt, wenn gerade RichterInnen sich zumindest einmal mit den konkreten<br />

Inhalten vertraut machen. Das sind sie den ermittelnden Behörden, aber auch den Opfern<br />

<strong>die</strong>ser Delikte schuldig. Zudem hilft <strong>die</strong> Betrachtung der konkreten Darstellungen bei der Beurteilung<br />

eines Falles. Um einschätzen zu können, mit welcher Art von Konsument es ein<br />

Richter / eine Richterin zu tun hat, muss er oder sie wissen, welche Inhalte in welchem Umfang<br />

heruntergeladen oder verbreitet wurden. Die Ermittelnden geben sich in der Regel Mühe,<br />

ihre Polizeiberichte so aufzubereiten, dass von einer richterlichen Instanz beurteilt werden<br />

kann, worum es geht. Es wäre interessant zu wissen, ob <strong>und</strong> inwiefern <strong>die</strong> Rechtssprechung<br />

abhängig von der Qualität der Polizeirapporte ist.<br />

Aber nicht nur RichterInnen, sondern auch politische Kreise <strong>und</strong> Sozial<strong>die</strong>nste müssten sich<br />

eingehender mit dem Phänomen der Kinderpornografie auseinandersetzen, um reale Entscheidungsgr<strong>und</strong>lagen<br />

zur Verfügung zu haben. KOBIK oder andere geeignete (B<strong>und</strong>es-<br />

)Stellen könnten sich zur Aufgabe machen, Weiterbildungs- oder Sensibilisierungs-<br />

Plattformen für verschiedene interessierte Kreise zu schaffen.<br />

8.4. Begutachtung <strong>und</strong> Therapie stärken <strong>und</strong> spezialisieren<br />

Die Begutachtung nimmt eine entscheidende Rolle im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess ein. Auch<br />

wenn ein Mangel an qualifizierten forensischen GutachterInnen besteht, können sich GutachterInnen,<br />

wie auch <strong>die</strong> oben angesprochenen Kreise, über Kinderpornografie informieren.<br />

In einer Weiterbildung an meiner Arbeitsstelle meinte ein forensischer Gutachter, er habe<br />

sich einmal einige kinderpornografische Darstellungen anschauen müssen, <strong>und</strong> es sei ihm<br />

nicht gut gegangen dabei. Es machte nicht den Anschein, als wenn es in der Branche üblich<br />

wäre, sich mit den Materialien auseinander zu setzen. Nach der Aktion Genesis haben einige<br />

kantonale RichterInnen den Verurteilten <strong>die</strong> Weisung erteilt, sich in psychiatrische oder psychologische<br />

Behandlung zu begeben. Es wäre hilfreich für eine erfolgreiche Begutachtung,


81<br />

wenn <strong>die</strong> Spezialisten eine Ahnung hätten, womit sie es bei ihrer Klientel zu tun haben. Ich<br />

fand es beim Lesen von Urteilen eher befremdlich, wenn <strong>die</strong> Begutachtung eines Klienten,<br />

der Tausende von kinderpornografischen Filmen <strong>und</strong> Dateien gesammelt hatte, zum Schluss<br />

kam, es seien keine pädophilen Tendenzen feststellbar. Wenn sich <strong>die</strong> therapeutisch Arbeitenden<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Begutachter als Sachverständige eine Wissensgr<strong>und</strong>lage erarbeitet hätten,<br />

<strong>die</strong> der Rechtssprechung als Entscheidungsbasis <strong>die</strong>nen könnte, würden gewisse RichterInnen<br />

wahrscheinlich nicht mehr, wie bis anhin, selbstverständlich vor Me<strong>die</strong>n behaupten können,<br />

<strong>die</strong> allermeisten Kinderpornografiekonsumenten handelten aus Neugier <strong>und</strong> nicht getrieben<br />

durch pädosexuelle Phantasien. Die Schuster bleiben nicht bei ihren Leisten, wenn<br />

der Bäcker nebenan seine Brötchen schlecht bäckt <strong>und</strong> er Hunger hat.<br />

8.5. Seriöse Therapieangebote für (potentielle) Täter<br />

Die Pädophilenvereinigung Arcados schreibt auf ihrer Homepage: „ Es haben sich seit Bestehen<br />

der Beratung für Pädophilie über 2000 Betroffene gemeldet. Vielen von ihnen konnte<br />

durch eine Beratung geholfen werden oder sie wurden an professionelle Therapeuten vermittelt.<br />

Es gibt in der Schweiz, in Deutschland oder in Österreich kein anderes Beratungsangebot<br />

welches von Pädophilen freiwillig in Anspruch genommen wird.“<br />

Natürlich gibt es Pädophile, <strong>die</strong> sich an Therapeuten wenden, ohne über Arcados vermittelt<br />

worden zu sein. Aber Arcados hat insofern Recht, als dass es in der Schweiz keine übergreifende<br />

Organisation gibt, welche für Pädophile eine Übersicht der spezialisierten TherapeutInnen<br />

bereitstellt. Wie wir wissen, ist eine seriöse <strong>und</strong> spezialisierte Therapie für <strong>Pädosexuelle</strong><br />

sehr wichtig, damit nicht kontraproduktive Effekte im Sinne des Opferschutzes entstehen.<br />

Eine unsachgemässe Therapie kann dazu führen, dass pädosexuell Orientierte in ihren<br />

Phantasien bestärkt werden, Hemmschwellen abbauen <strong>und</strong> somit aktiver werden können.<br />

Möglicherweise tun wir ITP Arcados unrecht, wenn wir an der Seriosität ihrer Beratungen<br />

zweifeln, es mutet aber seltsam an, dass von den drei offiziellen BeraterInnen nur einer über<br />

eine entsprechende Ausbildung verfügt <strong>und</strong> gerade <strong>die</strong>ser im begründeten Ruf steht, zu tolerant<br />

gegenüber pädophiler Orientierung zu sein. Warum werden auf der Homepage keine<br />

anerkannten TherapeutInnen aufgelistet, an <strong>die</strong> notsuchende Pädophile vermittelt werden<br />

können? In der Schweiz existieren spezialisierte <strong>und</strong> seriöse Beratungs- <strong>und</strong> Therapieangebote<br />

für <strong>die</strong>se Klientel. Wie in anderen Ländern (bspw. Deutschland oder England), könnten<br />

sich auch in der Schweiz <strong>die</strong>se Spezialisten vernetzen <strong>und</strong> ihr Angebot anhand von Broschüren<br />

oder über das Internet verbreiten. Auch für RichterInnen wäre es hilfreich, wenn sie<br />

wüssten, an welche SpezialistInnen sie ihre Verurteilten im Bereich der Pädokriminalität weisen<br />

müssten.<br />

8.6. Akteure an einen Tisch bringen<br />

Ein Ziel <strong>die</strong>ser Arbeit war es, aufzuzeigen, wie unterschiedlich oder auch wie ähnlich <strong>die</strong><br />

Blickwinkel, <strong>die</strong> Meinungen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Einstellungen der Beteiligten am <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess<br />

zu <strong>Pädosexuelle</strong>n sind. Die verschiedenen Akteure im <strong>Strafverfolgung</strong>sprozess haben,<br />

wenn überhaupt, nur punktuell Kontakt zueinander <strong>und</strong> wissen auch nur punktuell von den<br />

verschiedenen Aufgabengebieten <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen Schwierigkeiten. Fachtagungen<br />

oder andere Formen von Angeboten zu Themen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Akteure verbinden, könnten<br />

helfen, <strong>die</strong> Funktionsträger zusammenzubringen. Beim Thema „häusliche Gewalt“ ist es zum<br />

Teil gelungen, Entscheidungs- <strong>und</strong> Funktionsträger an einen Tisch zu bringen, damit sie sich<br />

gegenseitig ihre Sicht der Dinge näher bringen <strong>und</strong> so im Kampf gegen ein Deliktsfeld vereinter<br />

auftreten 90 . Das Pilotprojekt galt als Erfolg <strong>und</strong> kann als Vorbild auch für andere Deliktsfelder<br />

gesehen werden. Ein solcher r<strong>und</strong>er Tisch kann in einem Kanton funktionieren, als<br />

90 Am r<strong>und</strong>en Tisch zum Thema „häusliche Gewalt“ nahmen VertreterInnen der Kantonspolizei, dem Kriminalkommissariat,<br />

der Staatsanwaltschaft, dem Strafgericht, dem Zivilgericht <strong>und</strong> dem Gleichstellungsbüro teil. Von<br />

privater Seite nahmen <strong>die</strong> Opferhilfestelle, <strong>die</strong> Frauenhausberatungsstelle, <strong>die</strong> Migrantinnenberatung <strong>und</strong> eine<br />

spezialisierte Rechtsanwältin an den Gesprächen teil. Neben Erfahrungsaustausch ging es vor allem darum, Vernetzungen<br />

zwischen den existierenden Stellen zu erreichen, sowie <strong>die</strong> bestehenden Möglichkeiten des Opferschutzes<br />

koordiniert zur Anwendung kommen zu lassen.


82<br />

gesamtschweizerische Plattform eignet sich <strong>die</strong>se Form nicht. Spezielle Tagungen oder<br />

sonstige Weiterbildungsangebote für Interessierte aus verschiedensten Organisationen, <strong>die</strong><br />

sich mit dem Thema der Pädosexualität beschäftigen, wären hingegen möglich. <strong>Der</strong> Kinderschutz<br />

Schweiz hat zusammen mit der NGO ECPAT im Juni 2002 in Balsthal eine Fachtagung<br />

zum Thema „Kinderpornografie im Internet“ durchgeführt 91 . Diese erfolgreiche Initiative<br />

sollte unbedingt wiederholt, wenn nicht institutionalisiert werden.<br />

8.7. Übersicht erlangen <strong>und</strong> Kräfte konzentrieren<br />

Auch wenn <strong>die</strong> Schweiz ein kleines Land ist <strong>und</strong> es nicht schwer fallen sollte, in einem Deliktsbereich<br />

<strong>die</strong> Übersicht zu erlangen, ist <strong>die</strong>s noch nicht gelungen. Bezüglich Aussagen zur<br />

Anzahl von pädokriminellen Delikten in der Schweiz sind keine verbindlichen Aussagen möglich.<br />

Die Anzeigestatistik in der jetzigen Form erlaubt es nicht, <strong>die</strong> Anzahl Anzeigen wegen<br />

Delikten gegen Kinder heraus zu filtern. Zum einen, da <strong>die</strong> Erhebungsmethoden in den einzelnen<br />

Kantonen keine Zusammenfassungen erlauben <strong>und</strong> zum anderen, da <strong>die</strong> Delikte gegen<br />

<strong>die</strong> sexuelle Integrität nicht flächendeckend aufgeschlüsselt gemeldet werden. Bei den<br />

Urteilsstatistiken sieht <strong>die</strong> Lage zwar besser aus, es gäbe aber immer noch einige Verbesserungen<br />

anzubringen. So ist es zum Beispiel (noch) nicht möglich, Wiederholungstaten zu erkennen<br />

oder etwas über das Alter der Opfer oder <strong>die</strong> Beziehungen zwischen Opfer <strong>und</strong> Täter<br />

zu erfahren. Systematische Untersuchungen zum Dunkelfeld werden von staatlichen Stellen<br />

nicht finanziert <strong>und</strong> regelmässig durchgeführt, wie <strong>die</strong>s in anderen Ländern der Fall ist.<br />

Da pädokriminelle Delikte in aller Regel in den Zuständigkeitsbereich der Kantone gehören,<br />

hat der B<strong>und</strong> <strong>die</strong> Übersicht über <strong>die</strong> kriminelle Szene nicht oder nur in Ansätzen. Die Kommunikation<br />

zwischen den Kantonen hat sich in den letzten Jahren zwar sicher verbessert,<br />

aber ein regelmässiger Austausch gehört nicht zur Tagesordnung. Was im Bereich der Drogendelikte<br />

funktioniert, indem regelmässige Treffen von RepräsentantInnen der Drogenfahndung<br />

durchgeführt werden, zentral statistische Erhebungen von B<strong>und</strong>esstellen bei den Kantonen<br />

stattfinden <strong>und</strong> sich Personen überkantonal darum kümmern, welche Trends, neue<br />

Modi Operandi oder Szenenverschiebungen sich gesamtschweizerisch abzeichnen, könnte<br />

sich auch bei pädokriminellen Delikten durchsetzen. Eine zentrale B<strong>und</strong>esstelle im Bereich<br />

Pädokriminalität könnte zusätzlich für <strong>die</strong> Kantone regelmässige Lagedarstellungen erstellen<br />

<strong>und</strong> Schulungen durchführen.<br />

Eine Problematik, <strong>die</strong> bis anhin noch kaum angesprochen wurde, sind <strong>die</strong> Opfer von Kinderpornografie<br />

in der Schweiz. Die Opferidentifizierung wurde bis anhin nur punktuell von einigen<br />

Kantonen angegangen, wenn (vor allem aus dem Ausland) Meldungen eintrafen, dass<br />

das Opfer auf einer Darstellung aus der Schweiz stammen könnte. Im Gegensatz zu<br />

Deutschland, existiert in der Schweiz keine zentral geführte Datenbank mit kinderpornografischen<br />

Darstellungen, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Ermittelnden wichtige Hinweise geben kann, ob das Opfer<br />

aus der Schweiz stammen könnte, ob es eventuell bereits in anderen Serien auftauchte <strong>und</strong><br />

ob es möglicherweise schon identifiziert werden konnte von anderen Ermittlungsbehörden.<br />

Vielleicht ist eine Zeitungsmeldung 92 , in der ein US-Ermittler <strong>die</strong> Identifizierung von Schweizer<br />

Opfern auf kinderpornografischem Material mitteilt, Anlass genug für (politische) Behörden,<br />

<strong>die</strong>se Lücke endlich anzugehen.<br />

Es ist, wie immer <strong>und</strong> überall, eine Frage des (politischen) Willens, <strong>die</strong>se Forderungen in <strong>die</strong><br />

Tat umzusetzen. Kinder haben vielleicht keine Lobby, aber viele kleine Lobbies, <strong>die</strong> sich<br />

überparteilich konzentrieren sollten, um tat- <strong>und</strong> schlagkräftig(er) zu werden.<br />

91<br />

Siehe zum Bsp.: http://www.kinderschutz.ch/data/bibliothek/resolution_balsthal.pdf<br />

92<br />

Vgl. Sonntagszeitung vom 26.09.04. Ob sich <strong>die</strong> Berichterstattung auf reale Begebenheiten bezieht, sei hier<br />

dahingestellt.


83<br />

Literatur<br />

• Becker, Sophinette (1997): Pädophilie zwischen Dämonisierung <strong>und</strong> Verharmlosung. In: Werkblatt,<br />

Zeitschrift für Psychoanalyse <strong>und</strong> Gesellschaftskritik, Nr. 38, 1. S. 5-21.<br />

• Breuer, Franz (Hrsg) (1996): Qualitative Psychologie. Gr<strong>und</strong>lagen, Methoden <strong>und</strong> Anwendungen<br />

eines Forschungsstils. Opladen, Westdeutscher Verlag<br />

• Briere, John & Runtz, Marsha (1998): University males‘ sexual interests in children: predicting potential<br />

indices of „pedophilia“ in a nonforensic sample. In: Child Abuse & Neglect, 13, S. 65 – 75.<br />

• B<strong>und</strong>schuh, C. (2001): Pädosexualität. Entstehungsbedingungen <strong>und</strong> Erscheinungsformen. Leske<br />

<strong>und</strong> Budrich. Opladen.<br />

• Caroll, Lewis (1994): Briefe an kleine Mädchen. Hrsg. Klaus Reichert. Frankfurt a. Main.<br />

• Corbin, A. (Hrsg) (1992): Die sexuelle Gewalt in der Geschichte. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin<br />

• Deegener, G. (1995): Sexueller Missbrauch: <strong>die</strong> Täter. Weinheim: Beltz, Psychologie Verlags Union.<br />

• Gallwitz, A. & Paulus, M. (1998): Grünkram. Die Kinder-Sex-Mafia in Deutschland. Verlag Dt. polizeiliteratur,<br />

Hilden.<br />

• Giese, H. (1962): Psychopathologie der Sexualität. Stuttgart, Enke.<br />

• Glaser, Barney G & Strauss, Anselm L. (1967): The Discovery of Gro<strong>und</strong>ed Theory. Strategies for<br />

Qualitative Research. Aldine, Chicaco.<br />

• Grandt, G. & Jamin, P.H. (2002): Sexualstraftäter. Eine Herausforderung für unsere Gesellschaft.<br />

Patmos Verlag GmbH & Co. KG.<br />

• Groeble, J et al (2001): Twilight Zones in Cyberspace: Crimes, Risk, Surveillance ans User-Driven<br />

Dynamics. Hrsg: Stabsabteilung der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn.<br />

• Haas, Henriette (2001): Agressions et victimisations: Une enquête sur les délinquants violents et<br />

sexuels non détectés. Wissenschaftliche Reihe, Band 15, Sauerländer.<br />

• Halpérin, Daniel S., Bouvier, Paul & Wicky Hélène R. (1997): A contre-coeur, à contre-corps. Regard<br />

pluriels sur les abus sexuels d'enfants. Editions Médecine et Hygiène.<br />

• Heiliger, Anita & Engelfried Constance (1995): Sexuelle Gewalt. Männliche Sozialisation <strong>und</strong> potentielle<br />

Täterschaft. Campus Verlag, Frankfurt/Main.<br />

• Helfer, Mary E., Kempe Ruth S. & Krugmann Richard D. (2002): Das misshandelte Kind. Suhrkamp,<br />

Frankfurt am Main.<br />

• Kloiber, Andreas (2002): Sexueller Missbrauch an Jungen. Asanger Verlag, Heidelberg <strong>und</strong> Kröning.<br />

• Krafft-Ebing, Richard von (1997): Psychopathia sexualis. Matthes & Seitz Verlag GmbH, München.<br />

• Kronig, Philipp & Bollmann, Eva (2004): Die Schweizerische Koordinationsstelle zur Bekämpfung<br />

der Internetkriminalität (KOBIK). In: Kriminalistik 6 / 2004<br />

• Knecht, Thomas (2001): Pädophilie. Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Therapieansätze. In: Kriminalistik, 11 / 01,<br />

S. 745 – 749.<br />

• Knecht, Thomas (2001a): Die Pädophilie <strong>und</strong> ihre Behandlung. In: Praxis 2001; 90: S. 1906 –<br />

1912.<br />

• Kutchinsky, Berl & Snare, Annika (Hrsg) (1991): Law, Pornography and Crime – The Danish Experience.<br />

Scandinavian Stu<strong>die</strong>s in Criminology, Vol 16, Norway: Pax Forlag.<br />

• Kunz, Karl-Ludwig (1994): Kriminologie. Paul Haupt Verlag, <strong>Bern</strong>. 2. Auflage.<br />

• Lautmann, Rüdiger (1994): Die Lust am Kind. Portrait des Pädophilen. Ingrid Klein Verlag Hamburg,<br />

Ernst Kabel Verlag München.<br />

• Paulus, Jochen (2004): Pädophilie, abartig oder krank? In: Bild der Wissenschaft, 4/2004<br />

• Quayle, Ethel et al (2003): Sex offender, Internet child abuse images an emotional avoidance: The<br />

importance of values. COPINE Project, Departement of Applied Psychology, University Collage<br />

Cork, Ireland.


84<br />

• Sigusch, Volkmar (2002): Leitsymptome süchtig-perverser Entwicklungen. In: Deutsches Ärzteblatt,<br />

jg. 99 / Heft 50 / Dezember 2002.<br />

• Schorsch, Eberhard & Pfäfflin, Friedemann (1986): Die sexuelle Deviation <strong>und</strong> sexuell motivierte<br />

Straftaten. In: Venzlaf, Ulrich (Hrsg): Psychiatrische Begutachtung. Stuttgart 1986.<br />

• Tayler, Max (2002): The nature of child pornography on the internet. Publizierter Vortrag auf dem<br />

Internet unter: http://www.ipce.info/library_3/files/nat_dims_kp.htm<br />

• Terre des Hommes (1999): Kinder im Datennetz schützen. B<strong>und</strong>esministerium für Familie, Senioren,<br />

Frauen <strong>und</strong> Jugend. Pustet, Regensburg<br />

• Warzecha, Birgit (1999): Traumatisierung im Kindesalter: Kindsmisshandlung, Sexuelle Gewalt,<br />

Pädophilie. Lit Verlag, Hamburg.<br />

• Weissenberger, Philippe (1998): Strafwürdiger Besitz von Kinderpornografie? Zu den geplanten<br />

Gesetzesrevisionen im Bereich harter Pornografie. In: Aktuelle juristische Praxis 3 / 98<br />

• Wuttke, Gisela (2002): Pornografie an Kindern. Die Folgen <strong>und</strong> Wirkungen von Kinderpornografie.<br />

Leske <strong>und</strong> Budrich.<br />

• Wuttke, Gisela (1998): Kinderprostitution, Kinderpornografie , Tourismus. Eine Bestandesaufnahme.<br />

Lamuv Verlag, Göttingen.<br />

• Urbaniok, F. (2003): Was sind das für Menschen - was können wir tun. Nachdenken über Straftäter.<br />

Zytglogge Verlag. <strong>Bern</strong>.<br />

• United States General Accounting Office (2003): Users of Peer-to-Peer Networks can readily access<br />

child pornography. unter: http://www.gao.gov/new.items/d031115t.pdf<br />

Internet-Seiten:<br />

• http://www.bka.de<br />

• http://www.copine.ie<br />

• http://www.gao.gov<br />

• http://www.ipce.info<br />

• http://www.ipt-forensics.com/<br />

• http://www.itp-arcados.net/<br />

• http://www.marche-blanche.ch<br />

• http://www.ncis.co.uk<br />

• http://www.paedo-portal.de<br />

• http://www.parlament.ch<br />

• http://www.police.be.ch<br />

• http://www.statistik.admin.ch<br />

• http://www.suchtmagazin.ch<br />

• http://www.unicef-suisse.ch<br />

• www.who.int/whosis


85<br />

Anhang I; „Leitfaden“ <strong>und</strong> ExpertInneninterviews<br />

Das Interview soll offen geführt werden. <strong>Der</strong> „Leitfaden“ <strong>die</strong>nt lediglich einer Orientierungshilfe <strong>und</strong> einer<br />

Gedächtnisstütze, damit wichtige Aspekte nicht verloren gehen. Weder <strong>die</strong> Reihenfolge noch <strong>die</strong><br />

Themen sind verbindlich. Je nach Fachwissen der ExpertInnen können Themen weggelassen, neue<br />

hinzugezogen oder punktuell vertieft werden.<br />

Historisch-geografischer Aspekt<br />

Ist Wissen aus anderen Zeitepochen, Kulturkreisen (auch Tierwelt) vorhanden zum sexuellen Umgang<br />

Erwachsener mit Kindern? Toleranz, Verbreitung, Regeln oder Tabus?<br />

Typologie von <strong>Pädosexuelle</strong>n<br />

Können Typen von <strong>Pädosexuelle</strong>n unterschieden werden? Wenn ja, hinsichtlich welcher Kriterien?<br />

Persönlichkeitsmerkmale <strong>Pädosexuelle</strong>r<br />

Sind Ihnen Persönlichkeitsmerkmale von <strong>Pädosexuelle</strong>n in Ihrer Arbeit aufgefallen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se von<br />

nicht-<strong>Pädosexuelle</strong>n unterscheidet (unabhängig von der sexuellen Neigung zu Kindern)? Merkmale<br />

der Persönlichkeit im engeren Sinne, aber auch beispielsweise zu Intelligenz oder sonstigen Interessen<br />

im Leben?<br />

Entstehungsbedingungen der Pädosexualität<br />

Wo sehen Sie <strong>die</strong> Ursachen von Pädosexualität? Biologisch, kulturell, Mischformen? Falls Sie unterschiedliche<br />

Typen von <strong>Pädosexuelle</strong>n annehmen, unterscheiden sich <strong>die</strong>se auch in Ihren Entstehungsbedingungen?<br />

Ausmass <strong>und</strong> Verbreitung der Pädosexualität<br />

Wie schätzen Sie <strong>die</strong> Verbreitung von Menschen mit pädosexuellen Neigungen in der aktuellen Gesellschaft<br />

ein? Hell-Dunkelfeld-Verhältnis? Hat sie das Ausmass von <strong>Pädosexuelle</strong>n räumlich <strong>und</strong><br />

zeitlich verändert <strong>und</strong> wenn ja, weshalb?<br />

Pädosexualität <strong>und</strong> Kinderpornografie<br />

Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen <strong>Pädosexuelle</strong>n <strong>und</strong> Kinderpornografie-Konsumenten? Handelt<br />

es sich ausschliesslich um <strong>die</strong>selbe Population? Wenn nicht, wo sehen Sie <strong>die</strong> Abweichungen?<br />

Sind auch nicht-<strong>Pädosexuelle</strong> Konsumenten? Lehnen teils <strong>Pädosexuelle</strong> Kinderpornografie ab? Wie<br />

beurteilen Sie den Einfluss von Kinderpornografie? Ersatzhandlungen, Anleitungen, Förderung? Wie<br />

hoch schätzen Sie <strong>die</strong> Gefahr ein, dass „nur“-Konsumenten zu aktiven Missbrauchern werden? Handelt<br />

es sich um ein neues Phänomen oder einfach um ein neues Medium?<br />

Wie beurteilen Sie den Suchtaspekt von Kinderpornografie-Konsumenten? Kennen Sie Sammler von<br />

Kinderpornografie? Wenn ja, wie erklären Sie sich <strong>die</strong> „Sammelwut“? Haben Sie eine Idee, wie sich<br />

der Markt entwickelt?<br />

Rechtliche Situation <strong>und</strong> <strong>Strafverfolgung</strong><br />

Im Speziellen interessiert hier <strong>die</strong> rechtliche Situation <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong> von Konsumenten (Besitz,<br />

Verbreitung, Herstellung) von Kinderpornografie (Art. 197 StGB). Beurteilen Sie <strong>die</strong> rechtliche Situation<br />

als angemessen? Wenn nein, weshalb nicht? Wo sehen Sie <strong>die</strong> Stärken <strong>und</strong> Schwächen der<br />

<strong>Strafverfolgung</strong>?<br />

Behandlung von <strong>Pädosexuelle</strong>n <strong>und</strong> Kinderpornografie-Konsumenten<br />

Wie beurteilen Sie <strong>die</strong> Behandlung von <strong>Pädosexuelle</strong>n <strong>und</strong>/oder Kinderpornografie? Welche Behandlungsmethoden<br />

schätzen Sie als erfolgreich ein <strong>und</strong> welches Ziel verfolgen <strong>die</strong> Behandlungen? Empfehlen<br />

Sie spezielle Behandlungen für „nur“-Kinderpornografie-Konsumenten? Wenn ja, welche <strong>und</strong><br />

wo können <strong>die</strong> Behandlungsschwerpunkte ansetzen?<br />

Wichtige, noch nicht angesprochene Aspekte der Pädosexualität?


1. Interview mit Dr. med. Thomas Knecht<br />

86<br />

Funktion:<br />

Herr Dr. Knecht ist leitender Arzt des Bereichs Sucht <strong>und</strong> Forensik <strong>und</strong> therapeutischer Leiter der psychiatrischen<br />

Dienste Thurgau (Münsterlingen) <strong>und</strong> ausgewiesener Experte unter anderem in der Behandlung<br />

von <strong>Pädosexuelle</strong>n.<br />

Das Interview wurde am 24.11.2003 in Münsterlingen am Arbeitsplatz von Herr Dr. Knecht durchgeführt<br />

<strong>und</strong> dauerte zirka drei St<strong>und</strong>en 93 .<br />

CB: Können Sie verschiedene Typen von <strong>Pädosexuelle</strong>n unterscheiden, haben Sie in Ihrer Arbeit<br />

mit unterschiedlichen Formen von <strong>Pädosexuelle</strong>n zu tun?<br />

Wir unterscheiden zwischen ausschliesslichem (auch fixiertem) <strong>und</strong> nicht-ausschliesslichem (auch heterogenen)<br />

<strong>Pädosexuelle</strong>n. Die Ausschliesslichkeit bezieht sich auf das sexuelle Interesse am Kind.<br />

<strong>Der</strong> nicht-ausschliessliche Typus hat bessere Prognosen, ein deliktfreies Leben zu führen.<br />

Die ausschliesslichen <strong>Pädosexuelle</strong>n leben risikoreicher, da sie nicht ausweichen können. Die <strong>Pädosexuelle</strong>n,<br />

<strong>die</strong> nur eine Teilveranlagung haben, würden wohl nicht "auf freier Wildbahn" nach Kindern<br />

jagen. Diese haben genügend Rückhalt, um sich einzuschränken. Aber gerade das Internet ist für <strong>die</strong>se<br />

eine Möglichkeit, im Schutz der eigenen vier Wände sich an Dinge zu trauen, <strong>die</strong> man in der Realität<br />

nicht ausleben würde. Das Internet bietet für solche, <strong>die</strong> es bin anhin geschafft haben, der Szene<br />

fern zu bleiben, auch eine grosse Verlockung.<br />

CB: Können Sie uns etwas zu Pädosexualität in der kulturellen Entwicklung oder im Tierreich<br />

erzählen, Sie haben ja darüber auch in Ihren Artikeln 94 geschrieben?<br />

Als rein kulturelles Phänomen kann Pädosexualität nicht bezeichnet werden, am Beispiel der Bonobos<br />

sieht man, dass Sex mit "Kindern" auch in der Natur vorkommt. Es handelt sich schon um ein Erbstück<br />

aus unserer Stammesgeschichte. Aber durch <strong>die</strong> totale Kommerzialisierung aller Sphären des<br />

menschlichen Lebens <strong>und</strong> durch <strong>die</strong> allgemeine Lockerung von Tabus hat es ganz andere Formen<br />

angenommen. Wobei das Tabu bei der Pädophilie doch recht erhalten geblieben ist im Vergleich zu<br />

anderen Lockerungen im Bereich der Sexualität. Bei <strong>die</strong>sen Leuten (Pädophilie, <strong>die</strong> sich öffentlich outen<br />

<strong>und</strong> sich in Organisationen zusammenfinden) hat <strong>die</strong>s ein Gefühl der Ungleichbehandlung wach<br />

gerufen, <strong>und</strong> so ist eine regelrecht kämpferische Bewegung entstanden für eine Legalisierung der Pädophilie.<br />

Dazu kommt, dass der heutige Markt gnadenlos jedes Bedürfnis erfasst <strong>und</strong> eine Erotisierung auch<br />

der Kinderwelt stattfindet.<br />

CB: Zeichnen sich <strong>die</strong> <strong>Pädosexuelle</strong>n, <strong>die</strong> Sie kennen gelernt haben, durch auffallende Persönlichkeitsmerkmale<br />

aus?<br />

Die narzisstische Komponente ist bei den Pädophilien ausgeprägt. Es tut ihrem Ego gut, wenn <strong>die</strong><br />

Kinder sie bew<strong>und</strong>ern, zu ihnen aufschauen, von ihnen abhängig sind. Pädophile verfügen oft über<br />

spezielle Fähigkeiten, <strong>die</strong> den Kindern Eindruck machen, wie z.B. Zaubern.<br />

Das Kind gibt ihnen das Gefühl von Grösse, nebst dem Sexuellen, das schon das Kerngeschäft bei<br />

der Beziehung ausmacht.<br />

Pädophile sind meist nicht Gewinnertypen, sie befinden sich in der Gesellschaft nicht auf der Sonnenseite<br />

<strong>und</strong> verfügen in der Regel auch über eine tiefere Intelligenz als eine Vergleichsgruppe. Gerade<br />

<strong>die</strong> pädosexuell veranlagten Männer, <strong>die</strong> von Erwachsenen weniger Anerkennung bekommen, können<br />

über <strong>die</strong> Anerkennung von Kindern ihr Selbstbewusstsein stärken, können Macht erleben <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

narzisstischen Seiten befriedigen.<br />

Es ist möglich, dass es sich um eine spezielle Untergruppe von Pädophilen handelt, <strong>die</strong> der <strong>Strafverfolgung</strong><br />

nicht entgehen konnten (klinisches Population). Dass also <strong>die</strong> <strong>Pädosexuelle</strong>n, <strong>die</strong> nicht auf<br />

der Verliererseite stehen, über eine durchschnittliche Intelligenz <strong>und</strong> soziale Kompetenz verfügen, es<br />

einfacher oder leichter haben, nicht strafrechtlich auffällig werden.<br />

93 Aufgr<strong>und</strong> technischer Probleme bei der Aufnahme, musste sich das Transkript stark auf <strong>die</strong> schriftlichen Notizen<br />

stützen. Demzufolge ist bei <strong>die</strong>sem Interview der Wortlaut weitgehend verloren gegangen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Themen<br />

wurden beim Aufschreiben bereits zusammengefasst. Das Interview wirkt, im Vergleich zu den anderen, aus <strong>die</strong>sen<br />

Gründen geordneter.


87<br />

CB: Haben Sie Vorstellungen davon, wie es in der Entwicklung eines Menschen zu einer pädosexuellen<br />

Veranlagung kommt?<br />

Ich beschreibe Pädophilie als eine Entwicklungsstörung mit einem sexuellen Schwerpunkt. Eine gewisse<br />

Veranlagung scheint zu bestehen, <strong>die</strong> dann auch Weichen stellt. Die Entwicklungsstörung zeigt<br />

sich aber offenbar auch in anderen Bereichen wie eben in einer tieferen Intelligenz, <strong>die</strong> sie nicht für<br />

Ehrenplätze in der Gesellschaft prädestiniert. Von dem her ist ein Zusatzbedarf an Selbstbestätigung<br />

gegeben. <strong>Der</strong> anspruchslosere Umgang mit Kindern wird gesucht, Spezialbegabungen, <strong>die</strong> besonders<br />

bei Kindern Eindruck machen, sind häufig. Wie eben z.B. Zaubern, das für Kinder besonders attraktiv<br />

ist. Die besonderen, für Kinder attraktiven Fähigkeiten müssen nicht unbedingt beruflich ausgelebt<br />

werden, sie können sich auch in der Freizeit zeigen, wie z.B. bei der Jungwacht oder der Pfadi.<br />

Es gibt keine absolute Symmetrie zwischen Mann <strong>und</strong> Frau. Es existieren gewisse Hirnstammkerne,<br />

<strong>die</strong> beim Mann männlich geprägt sein müssen, damit heterosexuelles Erleben statt findet aber bei der<br />

Frau ist es nicht das genaue Gegenteil. Das männliche Hormon Testosteron verstärkt auch bei der<br />

Frau <strong>die</strong> Triebintensität, wenn auch in tieferer Konzentration. Das ist nicht alles spiegelsymmetrisch.<br />

Interessanterweise gibt es aber einen Kern, der heisst Nucleus präopticus, der ist beim Mann das<br />

Steuerungszentrum für <strong>die</strong> Ejakulation <strong>und</strong> bei der Frau das Zentrum für das Brutpflegeverhalten. Ich<br />

kann mir vorstellen, dass wenn beim Mann <strong>die</strong>ser Kern nur teilweise männlich geprägt ist, es zu amalgamiertem<br />

Sexualverhalten bei Kopulation <strong>und</strong> Pflegeverhalten käme <strong>und</strong> das gäbe dann eine Art pädophiles<br />

Sexualverhalten. Bei Ratten konnte man zeigen, dass das Sexualverhalten zu dem Gegengeschlecht<br />

produziert werden kann, wenn man beim Fötus im Mutterleib das Gegenhormon zuführt.<br />

Wenn also ein Weibchen mit einem weiblichen Embryo eine Überdosis Testosteron bekommt, dann<br />

wird <strong>die</strong> weibliche Ratte männliches Kopulationsverhalten zeigen auf andere Rattenweibchen, aber<br />

phänomenlogisch ist es ein Weibchen <strong>und</strong> es hat ein weniger ausgeprägtes Brutpflegeverhalten. Es<br />

ist nicht sicher, ob bei Verabreichung von Östrogen <strong>die</strong> männliche Ratte dann das umgekehrte Verhalten<br />

an den Tag legt. Es gibt also zumindest bei Ratten gewissen Bef<strong>und</strong>e, <strong>die</strong> zeigen, dass <strong>die</strong>ser<br />

Kern bei Männchen <strong>und</strong> Weibchen andere Funktionen haben <strong>und</strong> dass <strong>die</strong> Prägung <strong>die</strong>ses Kerns für<br />

gewisse Aspekte des Verhaltens verantwortlich ist. Man weiss auch, dass sich gewisse Fehlprägungen<br />

auch hirnstrukturell unterscheiden. Es gibt des Weiteren Bef<strong>und</strong>e, dass Homopädophilie wahrscheinlicher<br />

ist, je mehr ältere Brüder man hat. Man vermutet, dass von mütterlicher Seite Antikörper<br />

gegen das männliche Hormon Testosteron gebildet werden könnten, so dass der jüngere Bruder zuwenig<br />

hormonelle Prägung bekommt. Das sind aber noch alles Anfangsbef<strong>und</strong>e aus dem experimentellen<br />

Bereich. Aber daraus können gewisse Hypothesen gebildet werden. Zum Beispiel hilft es zu erklären,<br />

dass Homosexualität <strong>und</strong> Pädophilie Ausdruck einer Hirnentwicklungsstörung sind, welche bereits<br />

im Mutterleib ihren Anfang nehmen <strong>und</strong> nebst genetischen Risikofaktoren auf hormoneller Fehlprägung<br />

beruhen könnten.<br />

Zudem gibt es Stu<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> zeigen, dass in Bezug auf hetero-inzestuöse Verhaltensweisen offenbar<br />

auch Prägung eine grosse Rolle spielt. So sind Väter, <strong>die</strong> sich früh um <strong>die</strong> Pflege von ihren Kindern<br />

gekümmert haben, weit weniger oft bei Inzestdelikten involiert, als Väter, <strong>die</strong> erst später dazu kommen<br />

oder Stiefväter. Auch bei Geschwistern, <strong>die</strong> früh eine nahe Beziehung pflegten, kommt der geschwisterliche<br />

Inzest weit weniger oft vor. Die Beziehungen sind anderswertig besetzt <strong>und</strong> das Risiko, dass<br />

<strong>die</strong> Männer dann bei ihren Kindern sexuelle Reize wahrnehmen, ist bedeutend kleiner. Nach Freud<br />

sind ja alle Menschen von Natur aus inzestuös <strong>und</strong> nur wenn sich der Ödipuskomplex gut entwickelt,<br />

kann das allenfalls aufhören, aber eine biologische Schranke gibt es nach Freud nicht.<br />

CB: Was denken Sie zur Beziehung von <strong>Pädosexuelle</strong>n <strong>und</strong> Kinderpornografie?<br />

Ich schliesse mich der Meinung aus Fachartikeln an, dass <strong>die</strong> Mehrheit der K<strong>und</strong>en von kinderpornografischen<br />

Seiten Menschen sind mit pädosexuellen Interessen. Zudem teile ich <strong>die</strong> Meinungen aus<br />

Fachkreisen, dass über 90% des kinderpornografischen Materials über das Internet gesucht <strong>und</strong> getauscht<br />

wird. Das Interesse, überhaupt solche Seiten anzuschauen, muss gegeben sein. Das Risiko,<br />

bei einem Delikt erwischt zu werden, bei Entdeckung einer starken gesellschaftlichen Ächtung ausgesetzt<br />

zu sein <strong>und</strong> noch dafür zu zahlen, muss mit einem speziellen Interesse begründet sein. Ein gewisser<br />

Antrieb als Gegenwert muss gegeben sein. Das heisst nicht, dass jeder Konsument ein ausschliesslicher<br />

Pädophiler ist, dem fixierten Typus angehört. Es kann sich auch um Interessierte sein,<br />

<strong>die</strong> dem nicht-ausschliesslichen Typus angehören, für <strong>die</strong> das Kind aber ein möglicher Reiz darstellt<br />

neben anderen Formen des sexuellen Interesses.<br />

CB: Wir sehen zum Teil Material, das im Internet angeboten wird, das mit Kindersex weniger zu<br />

tun hat als mit sadistischen Darstellungen teilweise mit Säuglingen. Hat das mit Pädosexualität<br />

noch etwas zu tun oder denken Sie, dass es sich um eine andere K<strong>und</strong>schaft für <strong>die</strong>se Darstel-


88<br />

lungen handelt? Wir sehen auch oft Konsumenten, <strong>die</strong> neben Kinderpornografischem Material<br />

auch zoophile Darstellungen sammeln.<br />

Es ist so, dass verschiedenen Perversionen resp. Paraphilien, des Öfteren kombiniert auftreten können.<br />

So ist der sadistisch veranlagte <strong>Pädosexuelle</strong> durchaus denkbar <strong>und</strong> kommt auch vor. Die Paraphilien<br />

sind relativ frei kombinierbar. Da Pädosexualität eine Form von Entwicklungsstörung darstellt,<br />

ist es wahrscheinlich, dass nicht nur ein Teil der Persönlichkeit davon betroffen ist. In der Praxis<br />

sieht man auch gehäufte Normabweichungen.<br />

Die Kombination von teils gewalttätigem Kinderpornografie-Material <strong>und</strong> Zoophilie ist in dem Sinne<br />

nicht erstaunlich, als dass man weiss, dass gerade sadistisch veranlagte Gewalt- <strong>und</strong> Sexualstraftäter<br />

in der Kindheit <strong>und</strong> Jugend oft Tiere quälten <strong>und</strong> töteten.<br />

CB: Wie sehen Sie das Verhältnis von Perversionen <strong>und</strong> Internet?<br />

Dass Perversionen im Ansatz zumindest im Internet ausgelebt werden, erstaunt mich nicht. Stu<strong>die</strong>n<br />

haben gezeigt, dass doch 20 Prozent der männlichen Bevölkerung zumindest am Rande eine pädosexuelle<br />

Neigung aufweisen. Das erklärt auch den hohen Anteil von Konsumenten von illegaler Pornografie<br />

auf dem Internet. Das heisst aber nicht, dass alle davon zum realen Missbraucher werden<br />

würden. Das Internet bietet ihnen <strong>die</strong> Möglichkeit, ihre eigentlichen Interessen zumindest plastisch<br />

einmal vor Augen zu haben <strong>und</strong> so den Kick dennoch mal spüren zu können. Wie viele davon dann<br />

auch zu Tat schreiten würden, ist schwierig zu sagen. Man weiss, dass bei den Intelligenteren auch<br />

<strong>die</strong> Moral besser entwickelt ist <strong>und</strong> man kann hoffentlich ein wenig darauf setzen.<br />

Auf der anderen Seite scheint das Angebot an Sexseiten, auch illegale, enorm zu wachsen, <strong>und</strong> das<br />

birgt natürlich auch ein gewisses Risiko. Von Oktober 2003 bis Juni 2003 soll das Angebot an Sexseiten<br />

mit fetischistischen Angeboten auf dem Netz um 100% gewachsen sein. Die Sexseiten sind relational<br />

zum Gesamtwachstum auch überproportional gestiegen. Das sind Millionen von Adressen. Da<br />

muss eine Nachfrage vorhanden sein. Die Nachfrageseite ist ja auch bereit, viel Geld zu bezahlen dafür.<br />

Das zeugt doch auch von einer sexuellen Frustration in der Gesellschaft. Gewiefte Geschäftsleute<br />

kommen dem halt nach <strong>und</strong> stellen Angebote ins Netz. Um zu testen, welche Formen von Normabweichungen<br />

in der Nachfrage am grössten sind, stellt man halt mal breit ins Netz. <strong>Der</strong> Fetischismusmarkt<br />

zum Beispiel ist massiv am wachsen.<br />

CB: Wie ist es denn mit dem Suchtaspekt, kann das Angebot auch süchtig machen?<br />

Also derjenige, der <strong>die</strong> entsprechende Prädispostion mitbringt, <strong>und</strong> er sieht, dass er nicht gerade eine<br />

Verhaftung riskiert <strong>und</strong> es geht eine Zeit lang gut, der kann durch ein gesteigertes Angebot eine gesteigerte<br />

Nachfrage entwickeln. Was ich hingegen nicht glaube, ist dass ein Angebot eine Triebrichtung<br />

verändern kann. Das wäre ja, wie wenn ein normal veranlagter Mann nach einem Schwimmbadbesuch<br />

plötzlich als Pädophiler herausläuft. Aber auf der veranlagten Triebrichtung kann sich <strong>die</strong><br />

Nachfrage steigern lassen. Je bizarrer <strong>die</strong> Abweichung ja ist, umso schwieriger ist es auch, <strong>die</strong>se zu<br />

befriedigen. Umso schwieriger, aufwändiger, teurer, auch gefährlicher wird es. Dort wo es zusätzlich<br />

kriminalisiert ist, können <strong>die</strong> Anbieter natürlich auch <strong>die</strong> Preise hoch ansetzen. Das ist wie beim Heroin.<br />

Von dem her lässt sich das auch ausbeuten, aber man kann da nicht einfach Normalbürger reinziehen.<br />

Ähnlich ist es bei den Suizid-Internetseiten. Bei den Homepages zur Anleitung zum Suizid sind auch<br />

hier nur <strong>die</strong> gefährdet, <strong>die</strong> eine gewisse Suizidalität schon spüren <strong>und</strong> <strong>die</strong>ses Phänomen dadurch begünstigt<br />

wird.<br />

Im Vergleich zum Beispiel zur Nikotinsucht ist ja Sexualität ein primärer Trieb. Und bei welcher Ausrichtung<br />

auch immer, meist merkt man in der Pubertät bereits, welche sexuellen Neigungen vorhanden<br />

sind. Auch <strong>Pädosexuelle</strong> merken sehr früh, dass sie anders sind. Ein 40-Jähriger, der überraschend<br />

merkt, dass er Kinder anziehend findet, ist unglaubwürdig. Jeder Mann merkt <strong>und</strong> weiss sehr<br />

früh, auf welche Art von Reizen er reagiert. Natürlich gibt es den gesellschaftlichen Druck, dass er<br />

nicht dazu stehen kann, aber merken würde er es trotzdem. Auch bei den so genannten polymorph<br />

Perversen, <strong>die</strong> auf verschiedene Reize sexuell reagieren, ist das früh merkbar. In Nordamerika wird<br />

eine Methode (Penisplethysmographie; Messung der Schwellung des Penis) angewandt, um herauszufinden,<br />

auf welche Reize der Patient reagiert.<br />

Sexualität ist steigerungsanfällig. Wer sexuell aktiv ist, ist empfänglich für mehr. Die menschlichen<br />

Beziehungen sind eine natürliche Art, den sexuellen Austausch einzubetten, <strong>und</strong> dadurch auch zu<br />

mässigen. Wenn <strong>die</strong>se Mässigungen fehlen <strong>und</strong> sexuelle Gefühle mit hoher Frequenz frustrationslos<br />

konsumiert werden können, dann steigt auch <strong>die</strong> Kadenz. Dann ist suchtartige Entwicklung gut möglich.


89<br />

Beim Thema Sucht muss unterschieden werden, dass es qualitative Abweichungen gibt im Sexualverhalten,<br />

eben <strong>die</strong> Paraphilien, <strong>die</strong> nichts mit der Menge zu tun haben müssen. Dann gibt es suchtartiges<br />

Sexualverhalten, dass aber nicht mit einer Paraphilie einhergehen muss. Es ist ein wenig so,<br />

dass <strong>die</strong> Neigungen, <strong>die</strong> eben nicht normal sind, schwieriger zu befriedigen sind <strong>und</strong> deshalb vermehrt<br />

zu einer süchtigen Entwicklung führen. Gerade weil im Internet quasi eine Art Selbstbe<strong>die</strong>nung<br />

angeboten wird, kann man das Tempo selber vorgeben <strong>und</strong> <strong>die</strong> natürlichen Einschränkungen, <strong>die</strong><br />

durch Partnerinnen oder Partner vorgegeben werden, fallen weg. Es besteht keine gegenseitige Sexualerziehung<br />

mehr, keine Angleichung der quantitativen <strong>und</strong> qualitativen Bedürfnisse. In <strong>die</strong>sem Sinne<br />

sind <strong>die</strong> Internetnutzer prädisponiert für eine süchtig-perverse Entwicklung. Zum einen mengenmässig,<br />

aber auch in immer extremeren Formen.<br />

CB: Kann man Päsosexuelle behandeln <strong>und</strong> wenn ja, wie?<br />

Die Behandlung von Pädophilen ist nicht auf Heilung ausgerichtet. Es ist ein Sonderfall von Behandlung,<br />

da Pädophile ihre Neigung aus mangelnder gesellschaftlicher Akzeptanz nicht ausleben dürfen.<br />

Es geht ihnen also mit oder nach einer Therapie nicht besser. Man kann schon sagen, dass ein straffreies<br />

Leben eine gewisse Erleichterung bringen kann, aber schlussendlich beruht <strong>die</strong> Therapie auf<br />

einer Kontrolle der pädosexuellen Bedürfnisse. Die Therapie ist auf Rückfallverhinderung ausgerichtet,<br />

ob chemische oder verhaltenstherapeutische Behandlungen, alles was einer Verhinderung eines<br />

Rückfalls <strong>die</strong>nt, ist gut.<br />

Ich basiere meine Therapien mehrheitlich auf einer chemisch-medikamentösen Behandlung, <strong>die</strong> auf<br />

ein selbstständiges Leben ohne Rückfall ausgerichtet ist.<br />

Ich habe mit meinen Behandlungsmethoden gute Erfahrungen gemacht. Ein wirklicher Rückfall ist bis<br />

anhin noch nicht passiert. Es kam vor, dass Patienten wieder in der Nähe von Spielplätzen,<br />

Schwimmbäder etc. aufgetaucht sind. Sie sind verwarnt worden, aber einen richtigen Rückfall habe<br />

ich noch nicht erleben müssen. Ich habe aber keinen Einblick in <strong>die</strong> längerfristige Entwicklung, meist<br />

sind <strong>die</strong> Patienten nur bis Abschluss der Probezeit unter Beobachtung.<br />

Die Patienten, <strong>die</strong> durch eine Massnahme zu mir in Behandlung kamen, sind natürlich eine Art Negativselektion<br />

bezüglich ihrer Persönlichkeitsstruktur. Es ist durchaus möglich, dass <strong>die</strong> intelligenteren,<br />

sozial kompetenteren <strong>Pädosexuelle</strong>n auf Schleichwegen zu ihren illegalen Präferenzen gelangen.<br />

Auch über <strong>die</strong> finanziellen Mittel, über <strong>die</strong> solche evt. vermehrt verfügen, können sie sich zum Beispiel<br />

Reisen ins Sextourismusländer leisten, das <strong>die</strong> minder Intelligenten vielleicht eben nicht vermögen.<br />

CB: Was halten Sie vom Vorschlag von Laien oder auch Kinderschutzgruppen, den wir<br />

manchmal zu hören bekommen, dass man <strong>Pädosexuelle</strong> so lange (auch in der Fahndung) mit<br />

Kinderpornografie konfrontieren solle, bis sie sich anekeln würden?<br />

Ich halte das für völlig falsch. Denn <strong>die</strong> pädosexuelle Neigung ist ein unerschütterlicher Trieb, der<br />

nicht der Katharsis unterworfen ist. Im Gegenteil, <strong>die</strong> Reizschwelle würde langfristig sinken.<br />

CB: Was halten Sie von psychotherapeutischen oder psychiatrischen Massnahmen für Konsumenten<br />

von Kinderpornografie?<br />

Ich stehe dem skeptisch gegenüber. Eine medikamentöse Massnahme halte ich für übertrieben <strong>und</strong><br />

ich kann mir nicht vorstellen, welche sonstige Massnahme greifen könnten. Ein Appell an das Risiko,<br />

erwischt zu werden mit allen Konsequenzen oder eine Stärkung des moralischen Bewusstseins kann<br />

man sich noch am ehesten vorstellen.<br />

In <strong>die</strong>sem Sinn ist eine allfällige Behandlungsmöglichkeit bei Kinderpornografie-Konsumenten für mich<br />

noch ein ungelöstes Problem. Den reinen Betrachter, soll man den schon mit chemischen Keulen behandeln?<br />

Also wenn er das will, weil er sich selber kontrollieren will <strong>und</strong> dem Trieb nicht widerstehen<br />

kann, dann schon, aber das ist ja nicht <strong>die</strong> Regel. <strong>Pädosexuelle</strong> haben ja normalerweise kein echtes<br />

Unrechtsbewusstsein <strong>und</strong> dann ist <strong>die</strong> Frage, ob beim reinen Betrachter eine so massive Behandlung<br />

mit starken Nebenwirkungen angemessen ist <strong>und</strong> das als verhältnismässig angeschaut würde.<br />

Behandlungen, <strong>die</strong> auf Opferempathie oder auf dem Früherkennung von risikoträchtigen Situationen<br />

beruhen, setzen schon ein gewisses Schuldbewusstsein voraus. Und das ist bei <strong>Pädosexuelle</strong>n meist<br />

eher nicht vorhanden. Von verordneten ambulanten Psychotherapien für Kinderpornografie halte ich<br />

eher wenig. Vielleicht kann das Risiko stärker betont werden <strong>und</strong> eine Verdeutlichung, was gesellschaftlich<br />

auf dem Spiel steht.


90<br />

CB: Was halten Sie von der aktuellen rechtliche Situation <strong>und</strong> der <strong>Strafverfolgung</strong> von <strong>Pädosexuelle</strong>n?<br />

Zur rechtlichen Situation, dass nur der aktive Download <strong>und</strong> nicht das Konsumieren, auch wenn bezahlt<br />

wurde, strafbar ist, finde ich eine "grosszügige" Regelung, <strong>die</strong> dem ges<strong>und</strong>en Menschenverstand<br />

widerspricht <strong>und</strong> eher der <strong>Strafverfolgung</strong>s-Logik entspricht. Unter dem psychiatrischen Aspekt sollten<br />

<strong>Pädosexuelle</strong> mit dem Angebot auf dem Internet nicht konfrontiert werden, auch wegen dem Suchtaspekt.<br />

Ich denke aber schon, dass <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong> mit Aktionen wie der Operation Genesis schon präventive<br />

Wirkung zeigt. Vor allem denen, <strong>die</strong> keine ausschliessliche pädosexuelle Neigung verspüren<br />

wird damit gezeigt, dass das Internet kein rechtsfreier Raum darstellt.<br />

Natürlich gibt es unter den angenommenen 20 Prozent mit pädosexuellen Fantasien einen kleinen<br />

Prozentsatz von ein oder zwei Prozent, <strong>die</strong> vor nichts zurückschrecken <strong>und</strong> <strong>die</strong> sich nicht von Gesetzen<br />

abhalten lassen, aber für <strong>die</strong>se ist das Gesetz auch nicht gemacht. Aber der Grossteil <strong>die</strong>ser<br />

20 Prozent würde sich vom Gesetz beeindrucken lassen <strong>und</strong> bei <strong>die</strong>sen sind polizeiliche Aktionen<br />

wohl ein Schuss vor den Bug.<br />

Neue Formen der Herstellung, des Tauschens <strong>und</strong> des Anbietens von Kinderpornografie führen evt.<br />

auch dazu, dass einige <strong>Pädosexuelle</strong> am Technischen scheitern. Zudem wird sich der Ruf der Internetfahnder<br />

verbessern <strong>und</strong> man wird merken, dass <strong>die</strong> Methoden der Internetfahndung nicht mehr allzu<br />

sehr hinter den Delinquenten hinterherhinken. Eindämmen kann man das Phänomen schon, aber<br />

beseitigen sicher nicht. Natürlich hinkt <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong> immer einige Schritte hinten nach, aber ihre<br />

Jagdwaffen werden immer besser.<br />

CB: Was halten Sie von der Schutzaltergrenze von 16 Jahren?<br />

Aus der Optik der Sexualentwicklung beginnt <strong>die</strong> Sexualität zwar bei Geburt, aber <strong>die</strong> Sexualität unterliegt<br />

eine Stufenentwicklung. Es ist absurd, aus der Erwachsenenperspektive <strong>die</strong> kindliche Sexualentwicklung<br />

forcieren zu wollen. In <strong>die</strong>sem Sinne ist <strong>die</strong> rechtliche Forderung des Schutzalters berechtigt.<br />

Es ist aber natürlich auch so, dass Jugendliche unterschiedlichen Reifeprozessen unterliegen.<br />

Und für einige ist <strong>die</strong> Schutzaltergrenze schon ein wenig hoch gegriffen. Dann gibt es aber noch<br />

einen anderen Aspekt; wenn Kinder in ihrer sexuellen Entwicklung von einem Erwachsenen forciert<br />

wurden, kann es sein, dass das Kind auf eine sexualisierte Form auf Erwachsene reagiert. Das wird<br />

dann von <strong>Pädosexuelle</strong>n so interpretiert, als ob <strong>die</strong>se Kinder von sich aus den sexuellen Dialog suchen<br />

würden. Dass <strong>die</strong>se Frühsexualisierung bereits eine Reaktion auf eine forcierte Sexualität ist,<br />

wird ignoriert. Diese Kinder können auf eine fast abstossende Art sexuelle Zeichen senden, das ist<br />

aber ein Ausdruck von der Suche nach Selbstbestätigung, <strong>die</strong> sie nur in der Art von der Erwachsenenwelt<br />

erfahren haben. Von <strong>Pädosexuelle</strong>n wird das grob fehl interpretiert.<br />

CB Ich habe schon gehört, dass es bei Kinderpornografie-Konsumenten um eine Art Voyeurismus<br />

handelt. Was meinen Sie dazu?<br />

Die Optik des Voyeurismus finde ich nicht angemessen. Denn Voyeurismus zeichnet sich durch zwei<br />

Aspekte aus: Den Kitzel erwischt zu werden <strong>und</strong> <strong>die</strong> Präferenz des voyeuristischen Aktes gegenüber<br />

dem realen Akt. Beim Konsumenten von Kinderpornografie ist das Schauen aus Distanz mehr eine<br />

Ersatzhandlung. Ausser er würde <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong>sbehörden quasi im Nacken spüren, was kaum<br />

der Fall ist. Zudem wird der klassische <strong>Pädosexuelle</strong> lieber ein Kind missbrauchen, als Bilder auf dem<br />

Internet zu betrachten. Im Einzelfall kann <strong>die</strong> Kombination zwischen Voyeurismus <strong>und</strong> Pädosexualität<br />

natürlich schon vorkommen, aber ich glaube nicht, dass <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Regel ist.<br />

CB: Wir stellen fest, dass es unter den Kinderpornografie-Konsumenten viele Sammler der<br />

Darstellungen gibt, <strong>die</strong> eine beträchtliche Energie in das Sammeln <strong>und</strong> Ordnen der Darstellungen<br />

investieren. Wie erklären Sie sich <strong>die</strong>ses Phänomen?<br />

<strong>Der</strong> Kollektionismus im pathologischen Sinne ist wohl etwas anderes als <strong>Pädosexuelle</strong>, <strong>die</strong> ihre Bilder<br />

sammeln, um sie zu tauschen, um sie immer wieder anzusehen. Beim pathologischen Sammler steht<br />

ja das Sammeln an sich im Vordergr<strong>und</strong> (Bsp. desjenigen, der <strong>die</strong> Wohnung mit Bauschutt gefüllt hatte,<br />

gesammelt <strong>und</strong> sortiert). <strong>Der</strong> Mensch ist schon Jäger <strong>und</strong> Sammler, aber das Sammeln als Paraphilie<br />

kann ich mir kaum vorstellen. Das ist kein Trieb an sich, man kann sich das höchstens als etwas<br />

Sek<strong>und</strong>äres vorstellen. Das Bild hat in <strong>die</strong>sen Kreisen von "Kennern" einen hohen Stellenwert<br />

<strong>und</strong> ist auch ein kostbares Tauschgut. Und wenn etwas selten oder verboten ist <strong>und</strong> auch teuer bezahlt<br />

wurde, steigt auch der Sammlerwert. Das ist dann eher wie beim Briefmarkensammler.


91<br />

CB: <strong>Der</strong> Begriff Kinderpornografie wird teilweise in der Öffentlichkeit kritisiert. Teilen Sie <strong>die</strong>se<br />

Kritik?<br />

Aus meiner Sicht bestimmen drei Kriterien <strong>die</strong> Kinderpornografie: Die Abbildungen müssen sexuelle<br />

Schlüsselreize bieten oder es müssen sexuelle Handlungen dargestellt werden <strong>und</strong> <strong>die</strong> Produkte<br />

müssen in der Absicht erzeugt worden sein, beim Betrachter eine sexuelle Erregung hervorzurufen.<br />

Also <strong>die</strong> Blickrichtung, <strong>die</strong> dargestellte Handlung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Absicht.<br />

Den Begriff der Kinderpornografie finde ich sehr angemessen. Denn der Begriff "Porne" bedeutet aus<br />

dem Griechischen "<strong>die</strong> Hure". <strong>Der</strong> kommerzielle Aspekt <strong>die</strong>ses Phänomens wird somit betont. Ich würde<br />

auch Bilder, <strong>die</strong> im strafrechtlichen Sinne nicht unter Pornografie laufen, wie so genannte FKK-<br />

Bilder oder sonstige Nacktdarstellungen von Kindern, als pornografisch bezeichnen, sobald <strong>die</strong> Absicht<br />

da ist, Geld zu machen <strong>und</strong> <strong>die</strong> abnorme Sexualität anzusprechen. Zum Beispiel ist bei einem<br />

Buch zur Kinderchirurgie <strong>die</strong>se Absicht eben nicht gegeben <strong>und</strong> der kommerzielle Aspekt durch Ausbeutung<br />

perverser Instinkte auch nicht. So kann man das abheben.<br />

Man kann den Konsum von Kinderpornografie ist „low-risk-behaviour“ des pädosexuellen Missbrauchs<br />

verstehen.<br />

CB: Herr Dr. Knecht, ich danke ich herzlich für das sehr informative Gespräch!


2. Interview mit Dr. rer. nat., Dipl.- Psych. Dietrich Pülschen<br />

92<br />

Funktion:<br />

Herr Pülschen ist Psychologe I am Forensisch-Psychiatrischen Dienst (FPD) der <strong>Universität</strong> <strong>Bern</strong>.<br />

Das Interview fand am 14.01.2003 im Büro von Herrn Pülschen statt <strong>und</strong> dauerte zirka drei St<strong>und</strong>en.<br />

Vorbemerkung von Herrn Pülschen:<br />

Ich bin der Meinung, dass der Leitfaden des Interviews ideologisch durchsetzt ist. Vor allem <strong>die</strong> Ausgangslage,<br />

dass es überhaupt Typen von <strong>Pädosexuelle</strong>n gebe, ist ideologisch bestimmt.<br />

Bei Typologien ist es immer das Problem, dass man so viele Typen, wie Menschen hat, weil jeder<br />

Mensch ein anderer Typ ist. Das ist ein System, eine Typologie kann nie ein System sein.<br />

CB: kann man nicht von Typen sprechen, wenn sich bei Gruppen von Tokens Gemeinsamkeiten<br />

finden lassen?<br />

Das ist eben das Problem; spricht man von Tokens, oder Elementen, liegt dem Elementarismus zu<br />

Gr<strong>und</strong>e. Aus einer Typologie wird nie ein System. Aussagen, <strong>die</strong> man über Typologien machen kann,<br />

sind nach oben offen, man kann da so viel auffüllen, wie man will, es ist nie voll. Funktionstypen gibt<br />

es nicht, das wären dann Funktionsprinzipien. Ein Typus ist immer statisch. Das ist aber eine ideologische<br />

Diskussion. Typologien sind wie Glossare oder Diagnosen verschiedenster Provenienz, es<br />

sind Dinge, <strong>die</strong> einem erlauben, dass man sich unterhalten kann. Eine Form von Esperanto. Mehr<br />

nicht. Aber eben, entweder man denkt in Typologien oder man denkt nicht in Typologien. Das muss<br />

man hier nicht überstrapazieren. Ein solcher Leitfaden ist dann einfach nicht theoriefrei, wie er mir angekündigt<br />

wurde.<br />

CB: Einigen wir uns darauf, dass man <strong>die</strong> Fragen im alltagssprachigen Sinn auffassen. Im Sinne<br />

von: sind Ihnen in ihrer praktischen Erfahrung mit <strong>Pädosexuelle</strong>n Unterschiede aufgefallen?<br />

Natürlich, es gibt da Unterschiede nach Geschlecht oder Alter.<br />

CB: Frauen haben Sie schon erlebt?<br />

Ja, einmal hatte ich eine Frau. Das war eine Frau, <strong>die</strong> soll Manipulationen an ihrem Sohn vorgenommen<br />

haben <strong>und</strong> der Gutachtenauftrag lautete, <strong>die</strong> Zurechnungsfähigkeit <strong>die</strong>ser Frau zu beurteilen, sie<br />

war in Therapie. Danach hat sich aber alles um <strong>die</strong> Glaubwürdigkeit des Sohns gedreht. Dann tauchte<br />

der Ehemann als Zeuge auf, es handelte sich dann um einen Zivilprozess, wie das halt so ist <strong>und</strong><br />

dann wurde das alles <strong>und</strong>urchsichtig <strong>und</strong> es blieb der Verdacht.<br />

Bei den Frauen ist es so, dass <strong>die</strong> eine völlig andere Sexualität haben als Männer, dass das nicht so<br />

nach aussen gekehrt wird. Darum ist es wesentlich schwieriger als bei Männern, das überhaupt herauszufinden<br />

vom Verhalten her. Eigentlich trivial. Wenn man dann bei dem schwierigen Thema der<br />

Dunkelziffern ist, - denn wie soll man das denn operationalisieren- glaube ich, dass das wesentlich<br />

schwieriger herauszufinden ist als bei den Männern.<br />

CB: Gehen wir zum Unterscheidungsmerkmal Alter.<br />

Ich kann unterscheiden zwischen Gewohnheitspädophilen <strong>und</strong> Alterspädophilen. Die ersteren sind<br />

primärpersönlich pädophil <strong>und</strong> <strong>die</strong> anderen sind <strong>die</strong>, <strong>die</strong> aus organischen Verfallserscheinungen im Alter<br />

pädophile Handlungen begehen. Die Situationsvarianz wird bei den Alterspädophilen grösser sein,<br />

sie planen, strukturieren weniger. Gewohnheitspädophile wenden eine grössere psychische Energie,<br />

Vorbereitungshandlungen <strong>und</strong> Planungen auf. In der Forensik in Bezug auf <strong>die</strong> Zurechnungsfähigkeit<br />

ist nur <strong>die</strong> Unterscheidung zwischen <strong>die</strong>sen zwei Erscheinungsformen sinnvoll. , das heisst, ob <strong>die</strong><br />

Frage nach Art. 10/11 StGB relevant ist oder nicht. Das ist so ähnlich wie bei den Fragestellung zu<br />

anderen Delikten.<br />

Bei der Neuropsychologie zum Beispiel kann man ewiglange Untersuchungen machen zu Stellen im<br />

Hirn, <strong>die</strong> relevant sind, aber für den Forensiker ist nur relevant, ob sich das im Verhalten niederschlägt<br />

in der Einsichts- <strong>und</strong> Steuerungsfähigkeit. Dasselbe gilt für das Funktionsprinzip der Pädophilie.<br />

CB: Und bei den Alterspädophilen schlägt sich der organische Zerfall nieder? Ist das relevant<br />

für <strong>die</strong> Einsichtsfähigkeit?<br />

Die können schon eine Einsicht haben, sie können zum Teil einen übergeordneten Standpunkt einnehmen.<br />

Hier stellt sich <strong>die</strong> Frage nach der Steuerungsfähigkeit. Es kann aber beide Fähigkeiten tangieren,<br />

da muss man halt schauen. Das ist ein graduelles Phänomen. Wenn der Abbau soweit fortge-


93<br />

schritten ist, dass <strong>die</strong> Einsicht nicht mehr gegeben ist, dann wissen <strong>die</strong> nicht mehr, was sie tun. Das<br />

ist keine Seltenheit. Das ist ein häufiges Phänomen. Wir hier in <strong>Bern</strong> haben so geschätzt doppelt so<br />

viele Alterspädophile wie Gewohnheitspädophile. Das ist natürlich aber auch eine Selektion, weil nur<br />

<strong>die</strong> von den Gerichten geschickten Personen zu uns kommen. Bei den Alterspädophilen hat man halt<br />

auch eher den Eindruck, dass da was nicht stimmen könnte. Die Gewohnheitspädophilen, <strong>die</strong> kommen<br />

am ehesten noch für Prognosen. Wenn <strong>die</strong> so für fünf Jahre in den Knast kommen <strong>und</strong> <strong>die</strong> benehmen<br />

sich da auch sehr gut - <strong>die</strong> sind ja im Knast meist sehr gut angepasst, auch von der Knasthierarchie<br />

her - da haben <strong>die</strong> Leute halt dann Bedenken, ob man <strong>die</strong> wieder raus lassen kann.<br />

CB: kann ich zu den Alterspädophilen nochmals nachfragen? Also wenn sich da so ein organischer<br />

Zerfall bemerkbar macht, wie stellt man sich das vor? Sind da <strong>die</strong> sexuellen Interessen<br />

allgemein freigesetzt oder ändert das <strong>die</strong> Neigung, <strong>die</strong> Orientierung?<br />

Man kann natürlich schon glauben, dass das pädosexuelle Interesse allgemein <strong>und</strong> zum vornherein<br />

da ist <strong>und</strong> wir einfach über Hirnzentren verfügen, <strong>die</strong> das im Normalfall bremsen. Das kann man glauben<br />

oder nicht.<br />

CB: Wenn man dann aber <strong>die</strong> Verhaltensebene anschaut, zeigen <strong>die</strong> dann nur pädosexuelles<br />

Verhalten oder auch andere, ungewöhnliche Formen der Sexualität?<br />

Von der Theorie her ist da <strong>die</strong> Primärpersönlichkeit ausschlaggebend. Wenn man davon ausgeht,<br />

müsste man annehmen, dass <strong>die</strong> pädosexuelle Orientierung schon da war. Auf der anderen Seite ist<br />

da eine ausgeprägte Situationsvarianz <strong>und</strong> Kinder sind halt eine einfache Möglichkeit.<br />

CB: Wie erklären Sie sich, dass es keine alterspädophilen Frauen gibt?<br />

Das kann ich nicht erklären. Das ist wie Prävalenzahlen auch in anderen Deliktsbereichen, da sind <strong>die</strong><br />

Männer auch dominant. Bei Frauen liegt der Anteil immer so bei 12 bis 15 Prozent. Und in den Psychiatrien<br />

sind bis zu 60 bis 70 Prozent der Frauen depressiv. Also man kann das statistisch ja nur beschreiben,<br />

nicht erklären. Das wäre ja anmassend, das erklären zu wollen, das weiss man einfach<br />

nicht. Das ist nicht kausal, das hat wohl mit Biologie zu tun, mit psycho-bio-sozialen Faktoren, das<br />

sagt man ja, wenn man überhaupt nicht weiss, warum das so ist. Das heisst halt alles <strong>und</strong> nichts.<br />

Bei den Gewohnheitspädophilen ist wichtig, dass man weiss, dass es eine Einstellung ist. Nach Art.<br />

10/11 StGB, wenn man also <strong>die</strong> Zurechnungsfähigkeit im Fokus hat, stellt sich <strong>die</strong> Frage; kann er oder<br />

will er. Nehmen wir das klassische Beispiel, wenn sich der Stiefvater an der Stieftochter vergeht oder<br />

an Nachbarskinder, dann muss man sich fragen, ob er anders hätte handeln können. Dem Alterspädophilen<br />

spricht man ja da <strong>die</strong> Wahl ab. Bei dem Gewohnheitspädophilen wird das aber sehr schwierig,<br />

weil das ja einstellungsgetragen ist.<br />

Einstellung meine ich ganz im psychologischen Sinn. Also zu mir hat mal ein Pädophiler gesagt, warum<br />

er denn mit seiner 14-jährigen Tochter kein sexuelles Verhältnis haben soll. Sie wolle es ja auch.<br />

Das ist ja dann auch meist <strong>die</strong> Begründung, wenn man sie danach fragt. Warum es denn solche Gesetze<br />

überhaupt gäbe.<br />

CB: Warum wird dann Pädophilie als Krankheit beschrieben?<br />

Das ist ein rein kulturelles Problem. Denn eigentlich gehört das da gar nicht rein. Die Einstellung zu<br />

Pädophilie ist ja sehr kulturabhängig.<br />

CB: Wie erklären sie sich denn, dass es in so wenigen Kulturen Erwähnung findet?<br />

Wie lange ist es denn her, seit Pädophilie unter Strafe steht?<br />

CB: Keine Ahnung.<br />

Ich denke, das ist erst seit 100 bis 150 Jahren so. Vorher konnte man ja mit den Kindern machen, was<br />

man wollte. Das hatte <strong>und</strong> hat an anderen Orten der Welt einfach eine andere kulturelle Bewandtnis.<br />

CB: Ich würde da aber doch gerne nach dem Alter der Kinder unterscheiden. Also beim so genannten<br />

Lolita-Phänomen kann ich mir ja noch vorstellen, dass da der kulturelle Einfluss gross<br />

ist, aber bei den Kleineren?<br />

Das ist schon ein Unterschied, aber <strong>die</strong> Reaktion der Gesellschaft als Hintergr<strong>und</strong> bestimmt schon <strong>die</strong><br />

Einstellung. Und <strong>die</strong> Antwort der Gesellschaft auf Kindersex kam doch recht spät mit einem Gesetz.


94<br />

CB: Aber wenn ich ihre Aussagen nun richtig verstanden habe, dann sind sie also der Meinung,<br />

dass Sex mit Kindern eine natürliche Verhaltensweise in allen Kulturen ist <strong>und</strong> nur <strong>die</strong><br />

kulturellen Bestimmungen können da Restriktionen anwenden.<br />

Nein, das will ich natürlich nicht so sehen. Auf gar keinen Fall will ich das so sehen. Ich denke nur,<br />

dem Umkehrschluss, dass das nämlich eine Störung, wenn nicht gar eine Krankheit sei, dem würde<br />

ich nicht zustimmen. Das ist ja genau das Problem. In der Forensik hat man es ja ständig mit Schuld<br />

zu tun. Es stellt sich ja immer <strong>die</strong> Fähigkeitsfrage. Und in dem Moment, wo sie es mit einer Diagnose<br />

zu tun haben, kommt ja sofort der Krankheitsstatus ins Spiel <strong>und</strong> das heisst natürlich auch, dass man<br />

sich da alles erlauben kann. Das ist das Problem. Nach den gesellschaftlichen Normen sind sie dann<br />

exkulpiert. Das hindert auch das Problembewusstsein. Wenn sie den Gewohnheitspädophilen zum<br />

Kranken erklären, dann können sie ihn auch nicht verurteilen.<br />

CB: Und das wird so gehandhabt? Also in der Schweiz wird von den forensischen Psychologen<br />

<strong>und</strong> Psychiatern keine Diagnose gestellt?<br />

Diagnosen gibt es ja jede Menge, wir müssen da unterscheiden zwischen den forensisch relevanten<br />

Diagnosen. Pädophilie kann ich ja unter dem ICD-10 finden mit den ganzen Untergruppen. Den Status,<br />

den man mit einer Diagnose bekommt, ist von der Schuldfrage noch weit entfernt.<br />

In der Praxis wird das sehr doppelbödig diskutiert. Auf der einen Seite heisst es, <strong>die</strong> sind krank, <strong>die</strong><br />

müssen in den Knast <strong>und</strong> zwar für immer <strong>und</strong> Schlüssel wegschmeissen <strong>und</strong> so <strong>und</strong> auf der anderen<br />

Seite ist das eben ein Widerspruch. Denn wenn einer krank ist, gehört er nicht in den Knast.<br />

CB: Also Sie sind der Meinung, dass wenn Pädophilie eine Einstellungsfrage ist, dann kann<br />

man <strong>die</strong> Einstellung ändern?<br />

Ja, richtig, das ist entscheidend, ich kann eine Einstellung auch modifizieren. Das klingt ja auch bei<br />

der Gewohnheit an. Die Juristen haben da einen ganz schlimmen Begriff: den Hang. Wenn sie bei einem<br />

Prozess <strong>die</strong>sen Begriff verpasst bekommen, dann kommt <strong>die</strong> Verwahrung ins Spiel. Wenn der<br />

Hang ins Spiel kommt, ist es ein Gewohnheitsverbrecher.<br />

Die Gewohnheit ist weit weg vom Krankheitsbegriff.<br />

CB: Und wie ändert man <strong>die</strong> Einstellung?<br />

Das sind dann <strong>die</strong> Geschichten mit den Verhaltensmodifikationen. Vor einer solchen Therapie muss<br />

man aber eine Diagnose stellen <strong>und</strong> da haben wir ein Problem. Das beisst sich nämlich in den<br />

Schwanz. Deswegen müssen wir eine Einschränkung machen <strong>und</strong> sagen, <strong>die</strong> Diagnose ist forensisch<br />

relevant. Und das sind eben nicht alle Diagnosen einfach so. Die Störung muss nämlich erheblich<br />

sein. Ein Neuröschen reicht eben für <strong>die</strong> Exkulpierung nicht aus. Sie müssen schauen, welche Diagnosen<br />

für den Artikel 10/11 relevant ist.<br />

So würde man dann eben unterscheiden, dass <strong>die</strong> Gewohnheitspädophilie eine Einstellungsgeschichte<br />

ist <strong>und</strong> <strong>die</strong> Alterspädophilen eben wirklich nicht anders können.<br />

CB: Haben sie da Erfahrungen zu erfolgreichen Verhaltensänderungen?<br />

Das funktioniert unter den therapeutischen Voraussetzungen, das heisst sie müssen ein Konflikterleben<br />

haben seitens des Patienten. Und sie müssen noch ein Paar Voraussetzungen erfüllt haben, z.B.<br />

vertrauensbildende Massnahmen zwischen Patienten <strong>und</strong> Therapeut. Aber das Konflikterleben muss<br />

da sein, um überhaupt den therapeutischen Hebel setzen zu können.<br />

CB: Aber man sagt ja, dass <strong>die</strong> Einsicht in <strong>die</strong> Problematik bei den Pädophilen sehr selten ausgeprägt<br />

ist. Das Unrechtsbewusstsein ist ja kaum ausgebildet.<br />

Genau, <strong>und</strong> das gibt dann auch den ideologischen Streit, bei dem dann <strong>die</strong> hartgesottenen Therapeuten<br />

sagen, man dürfe nicht von Therapie sprechen, sondern von Pädagogik. Es scheiden sich <strong>die</strong><br />

Geister, inwiefern forensische Therapie überhaupt den Rang <strong>die</strong>ses Begriffes bekommt. Die einzige<br />

pädagogische Massnahme ist ja, dass ich ihn einsperre <strong>und</strong> ihm gut zurede, dass er das nicht mehr<br />

tun darf. Das sind aber keine therapeutischen Bereiche, aber das ist alles eine Frage des Anspruchs,<br />

das ist sehr schwierig.<br />

Heute kommt ja das alte Thema der 70er Jahre wieder auf mit der Motivationsarbeit. Die forensische<br />

Therapie blieb da hängen, dass man so Gruppen macht <strong>und</strong> so versucht, ein Konflikterleben zu induzieren,<br />

damit man eben den therapeutischen Hebel setzen kann.


95<br />

CB: Aber haben Sie das schone erlebt, dass da ein Pädophiler einsichtig geworden ist <strong>und</strong><br />

sich verändert hat <strong>und</strong> <strong>die</strong> pädosexuellen Phantasien waren weg?<br />

Ich habe erlebt, dass tatsächlich ein Leidensdruck entstanden ist, aber was dafür verantwortlich war,<br />

ist schwierig zu sagen.<br />

Aber man muss auch jedem Täter zugestehen, dass seine Einstellungen geändert werden können.<br />

Aber letzten Endes liegt <strong>die</strong> Entscheidung bei ihm.<br />

CB: Gibt es da Untersuchungen zur Rückfallhäufigkeit von <strong>Pädosexuelle</strong>n?<br />

Das ist eben das grosse Problem, weil sie ja <strong>die</strong> falsch Positiven nicht haben <strong>und</strong> das gerade <strong>die</strong> Interessanten<br />

sind. Ich kenn da nur <strong>die</strong>se kanadische oder amerikanische Stu<strong>die</strong> mit <strong>die</strong>sem natürlichen<br />

Experiment <strong>und</strong> da kursierte ja, dass 30 bis 40 Prozent <strong>die</strong>ser Hochgefährlichen nicht rückfällig wurde.<br />

Es gibt aber auch relativ neue Stu<strong>die</strong>n aus anderen Deliktsbereichen. Und <strong>die</strong> zeigen ganz unterschiedliche<br />

Resultate. Die einen sagen, unterm Strich bringt Psychotherapie gar nichts <strong>und</strong> <strong>die</strong> Prävalenz<br />

sei von der Therapie völlig unabhängig. Andere beschreiben Effekte. Das ist eben ganz schwierig,<br />

weil sie <strong>die</strong> Gruppe der falsch Positiven nicht haben.<br />

CB: Hat man denn zumindest Angaben zur Rückfallquote der falsch Negativen?<br />

Ich kenne Zahlen zu anderen Deliktsfeldern, aber nicht zu Sexualdelikten.<br />

Die falsch Negativen sind natürlich auch interessant, gerade wegen der repressiven Zeit im Moment in<br />

der Begutachtung. In den 80-er Jahren war ja eher der Helferaspekt im Vordergr<strong>und</strong>. Da kam ein Sendungsbewusstsein<br />

rein. Das andere Problem ist, dass man <strong>die</strong> reine Gruppe der Sexualdelinquenz<br />

kaum hat, <strong>die</strong> sind fast alle polyvalent.<br />

CB: Bei den Pädophilen sagt man doch aber, dass sie recht exklusiv vorgehen?<br />

Ja, aber <strong>die</strong> reinen Sexualdelinquenten sind doch sehr selten. Statistisch kann man mit denen kaum<br />

was anfangen. <strong>Der</strong> reine monovalente Sexualstraftäter macht nur so gegen ein Prozent aus. Und<br />

auch aus meiner Erfahrung haben <strong>die</strong> Leute immer auch noch was anderes gemacht. Noch Diebstahl<br />

oder Betrug <strong>und</strong> andere solche Geschichten. So muss man sich fragen, ob solche Untersuchungen<br />

überhaupt sinnvoll sind. Und wir haben nur <strong>die</strong> Statistik als einzige sinnvolle Methode. Deswegen finde<br />

ich das auch mit <strong>die</strong>ser Typologie so schwierig. Weil man bei <strong>die</strong>sen Typen meist gar nicht weiss,<br />

was <strong>die</strong> noch alles gemacht haben. Die sind vielleicht wegen eines Deliktes mal aufgefallen, aber<br />

mehr weiss man da nicht.<br />

CB: Zurück zu den Einstellungen. Da kommt mit zweierlei in den Sinn. Ich habe mir <strong>die</strong> Pädophilenseiten<br />

mal angeschaut <strong>und</strong> da fällt doch auf, dass sie von sich selbst behaupten, dass<br />

Pädophilie eine Neigung sei wie z.B. Homosexualität <strong>und</strong> dass sie ihre Neigung eben auch<br />

meist früh bemerken. Zudem würden sie wohl widersprechen, wenn man von der Möglichkeit<br />

der Einstellungsänderung spricht.<br />

Das andere ist <strong>die</strong> Frage, warum denn gewisse Leute <strong>die</strong>se Einstellung haben <strong>und</strong> andere<br />

nicht, also <strong>die</strong> Frage nach der Entstehungsgeschichte auch bei den Einstellungen.<br />

Das ist natürlich eine berechtigte Frage bei allen Einstellungsformen. Also ich gehe ja immer noch von<br />

dem alten Ansatz der freien Willensbildung aus über den wir lange diskutieren könnten. Das ist doch<br />

<strong>die</strong> alte Arie, wie ich meine Willensbildung auspräge <strong>und</strong> was will ich <strong>und</strong> so. Also eine ganz stinknormale<br />

Willensbildung. Aber im Prinzip läuft das doch bei allen Einstellungen so ab.<br />

CB: Aber introspektiv empfinde ich es als einen anderen Prozess, ob wir nun von meinen Einstellungen<br />

oder von meinen sexuellen Orientierungen sprechen. Ich habe nicht <strong>die</strong> Idee, dass<br />

ich mich für eine heterosexuelle Orientierung entschieden hätte.<br />

Ja, das ist natürlich ein Riesenunterschied weil es auch andere Konsequenzen mit sich bringt.<br />

CB: Ich meine das aber eher so von der Änderbarkeit her. Ich denke schon, dass da Unterschiede<br />

in der freien Willensbildung vorhanden sind. Also sie würden <strong>die</strong> Homosexualität auch<br />

als Einstellung bezeichnen?<br />

Ja, das würde ich auch tun. Aber das ist natürlich eine harte Diskussion. Ich meine auch, dass <strong>die</strong> Jurisprudenz<br />

das auch so sieht. Und folgerichtig wurde das aus dem Strafgesetzbuch rausgenommen,<br />

solange es eben nicht auf Kosten anderer geht. Bei der Pädophilie ist das eben ausserordentlich<br />

problematisch <strong>und</strong> deshalb ist es auch verboten. Richtig ist, dass Pädophilie (im StGB) auftaucht, weil<br />

es eben keine Krankheit ist <strong>und</strong> man deswegen nicht exkulpiert wird.


96<br />

Man kann ja sonst machen was man will, wenn beide einverstanden sind <strong>und</strong> beim Kind geht man<br />

eben nicht davon aus. Darum sehe ich das eben als Einstellung, auch wenn mich meine Kollegen dafür<br />

schlachten würden. Wenn <strong>die</strong> das bio-genetisch betrachten wollen, dann muss Pädophilie eben<br />

auch einen Krankheitsstatus haben.<br />

CB: Aber doch nicht alles, was bio-genetisch begründet werden kann, ist eine Krankheit.<br />

Wenn es nicht erwünscht ist schon. Das ist gerade das Problem; wenn wir irgendein Verhalten haben,<br />

das nicht erwünscht ist, wird es pathologisiert. Sie kommen ja dann in den Bereich rein des „nicht<br />

Normgerechten“. Sie können doch nicht behaupten, dass alles, was nicht der Gauss’schen Glocke<br />

entspricht, krank sei. Das ist ja in einem freien Land nicht möglich. Da gilt doch der Gr<strong>und</strong>satz der freien<br />

Einstellung <strong>und</strong> einige kosten halt was.<br />

CB: Wie ist denn <strong>die</strong> Erfahrung im klinischen Kontext?<br />

Keine Polyvalenten, ich kannte keinen polyvalenten Sexualstraftäter, darum ist das auch mit den Typologien<br />

so schwierig. Ich hatte einen, der mir stark in Erinnerung geblieben ist, der auch noch wegen<br />

Betrugs angeklagt war, der deutlich auch <strong>die</strong> Einstellungsseite unterstrichen hat. <strong>Der</strong> sicherlich auch<br />

missbraucht worden ist in seiner Kindheit, zumindest was er angibt, der ist intelligenter gewesen als<br />

<strong>die</strong> anderen sonst <strong>und</strong> der hat eben angegeben, seine Tochter sei ein selbständiges, autonomes Wesen<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> hätte das eben auch gewollt, <strong>die</strong> hat auch im Gerichtssaal gesagt, dass sie mit ihrem Vater,<br />

nachdem er dann wieder aus dem Knast sein werde, eine Nummer schieben wolle. Das war natürlich<br />

eine tragische Geschichte, denn jeder Hornochse hat gesehen, dass <strong>die</strong> Tochter in ihrem Entwicklungsgrad<br />

nicht so weit war, dass sie das hätte entscheiden können. Die ständigen Ausreden, <strong>die</strong><br />

man in der Begutachtung zu hören bekommt, dass <strong>die</strong> Kinder das eben auch gewollt hätten, dass er<br />

verführt worden wäre <strong>und</strong> so weiter. Das unterstreicht für mich natürlich den Eindruck, dass das eine<br />

Einstellungsfrage ist.<br />

CB: Aus meiner rein theoretischen Erfahrung mit Aussagen, habe ich bei innerfamiliären Tätern<br />

auch <strong>die</strong>sen Eindruck bekommen, dass da in bestimmten problematischen Lebensphasen<br />

Väter ihre Töchter missbrauchen <strong>und</strong> so argumentieren, aber bei den Pädophilen hatte ich<br />

nicht den Eindruck, dass etwas situationsbedingt ablaufen würde <strong>und</strong> dass sich das ändern<br />

könnte.<br />

Denken sie doch nur an <strong>die</strong> Vielzahl von Männern, <strong>die</strong> Kontaktanzeigen durchgehen <strong>und</strong> nach Frauen<br />

mit Töchtern suchen. Ich verstehe den Widerspruch gar nicht.<br />

CB: Ich habe so prototypisch unterschiedliche Täterschaften im Kopf zwischen innerfamiliären<br />

Tätern <strong>und</strong> Pädophilen im engeren Sinn. Bei den ersten scheint der sexuelle Missbrauch eher<br />

eine Ersatzhandlung zu sein.<br />

Ja, <strong>die</strong> psychische Energie ist sicherlich eine ganz andere <strong>und</strong> <strong>die</strong> Ich-Schwäche spielt sicher auch<br />

eine Rolle, aber ich sehe keinen gr<strong>und</strong>sätzlichen Unterschied. Aber <strong>die</strong> Ansprechbarkeit auf Kinder<br />

muss ja bei allen einmal da sein. Es ist dann aber nur eine Frage der psychischen Energie, wie viel<br />

ich investiere, wie viel Hemmungen man abbauen muss, um das Ziel zu erreichen. Es spielen sicher<br />

auch noch andere Persönlichkeitsstrukturen mit rein wie Verführbarkeit oder Ichstärke, aber das finden<br />

sie auch bei allen anderen Deliktsbereich, auch bei Laden<strong>die</strong>ben, das ist immer dasselbe Muster.<br />

Das ändert nichts daran, dass wir es mit einer einstellungsgetragenen Geschichte zu tun haben.<br />

Strafverschärfend hinzu kommt der Hang <strong>und</strong> da bekommen sie Probleme, allerspätestens dann.<br />

CB: Ab wann redet man denn von einem Hang?<br />

Wenn sich <strong>die</strong> Einstellung so niederschlägt, dass <strong>die</strong> Gewohnheit sehr stark wird.<br />

CB: Und von den verschiedenen Opferkategorien halten sie auch nichts?<br />

Nein, da gibt es ja Systeme <strong>und</strong> ich glaube schon, dass es da Unterschiede gibt. Nur ist das forensisch<br />

nicht relevant. Warum es da verschiedene Präferenzen gibt, weiss man ja auch nicht <strong>und</strong> forensisch<br />

ist nur relevant, ob <strong>die</strong> Person anders hätten handeln können. In der Regel mutet man es dem<br />

Täter zu, dass er anders handeln kann <strong>und</strong> bei den anderen schaut man, ob es ein süchtiger Zerfall<br />

ist. Das ist dann wieder ein schwieriger Begriff. Dann kommen <strong>die</strong>se Geschichten mit dem Kontrollverlust<br />

<strong>und</strong> wir annehmen müssen, dass sie eben nicht anders konnten. Und bei der Sexualität findet<br />

man eben auch Suchtstrukturen. Die psychische Energie, <strong>die</strong> es Pädophilen kostet, sich im Gefängnis<br />

anzupassen ist grösser als für andere, weil sie ja auch in der Gefangenenhierarchie so tief hängen.<br />

Die haben da sehr viele Schwierigkeiten, <strong>die</strong> sind ganz unten <strong>und</strong> man lässt sie das auch spüren. Das<br />

heisst, <strong>die</strong>se fünf Jahre, <strong>die</strong> sie in der Regel bekommen, können für <strong>die</strong> sehr lange <strong>und</strong> harte Jahre


97<br />

sein. In der Regel bekommen <strong>die</strong> auch <strong>die</strong> Zweidrittelregelung, weil sie sich gut bewähren, weil sie<br />

auch kontrolliert werden durch <strong>die</strong> Mitgefangenen. Also <strong>die</strong> Pädophilen im Knast, <strong>die</strong> leiden doppelt<br />

<strong>und</strong> haben auch ein doppeltes Interesse, aus dem Knast wieder raus zu kommen. Oftmals sind sie<br />

auch intelligenter als <strong>die</strong> Mitgefangenen. Zumindest was das Soziale anbelangt. Sie haben natürlich<br />

auch gelernt, nicht aufzufallen <strong>und</strong> Strategien zu entwickeln, dass sie überleben können im Gefängnis.<br />

Wegen der sozialen Ächtung haben sie auch vorher gelernt, sich zu verstecken <strong>und</strong> nicht aufzufallen.<br />

Und in <strong>die</strong>ser Konstellation eine Prognose abzugeben ist ausserordentlich schwierig, wenn nicht unmöglich.<br />

Diese Leute, wenn sie das umgekehrt formulieren, haben auch nie <strong>die</strong> Chance gehabt, sich<br />

zu bewähren. Auch bei Hafterleichterung oder so, kann man das nicht feststellen, das ist zu kontrolliert<br />

<strong>und</strong> zu kurz.<br />

Aber beim süchtigen Zerfall, da wird es eben schwierig. Zerfall nennt man das, weil man dabei von einem<br />

Zerfall der Persönlichkeit ausgeht. Die Sucht ist ja durch den Kontrollverlust definiert <strong>und</strong> wenn<br />

ein Kontrollverlust vorhanden ist, dann können sie nicht mehr von der Fähigkeit des „anders handeln<br />

Könnens“ reden. Eine solche Person müssen sie dann tatsächlich in <strong>die</strong> Nähe der Artikel 10/11 rücken.<br />

Und dann können wir auch von einer Krankheit sprechen. Es ist aber ausserordentlich schwierig,<br />

<strong>die</strong> Linie zu ziehen. Wann haben wir es mit einer Krankheit zu tun, wann mit einer Gewöhnung<br />

<strong>und</strong> Einstellung? Sie versuchen das natürlich zu explorieren, versuchen Verhaltensmuster herauszufinden<br />

bei den Erzählungen damit sie Hinweise <strong>und</strong> Informationen bekommen, ob so etwas wie ein<br />

Kontrollverlust vorhanden ist oder nicht. Vielleicht ist er dann auch schon so geschult, dass er weiss,<br />

was er ihnen erzählen muss, das ist sehr schwierig. Und darum meine ich auch, von einer Trefferquote<br />

von 90 Prozent zu sprechen, ist wirklich fahrlässig. Die ganzen Kriterien, <strong>die</strong> sie auch berücksichtigen<br />

müssen, wie sozialer Nahraum , Ehefrau, Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> so, bei denen wissen sie ja auch nicht,<br />

wie sich <strong>die</strong> Dynamik verändert. Theoretisch hört sich das natürlich gut an, aber praktisch ist das ausserordentlich<br />

schwierig.<br />

CB: Wenn Sie nun aus polizeilicher Sicht <strong>die</strong> Informationen hätten zu Sammeltätigkeit?<br />

Ja, man könnte dem nachgehen, <strong>die</strong> Frage ist aber auch dabei: hat er <strong>die</strong> Kontrolle darüber oder kann<br />

er es auch sein lassen?<br />

CB: Von den Anzeigeprotokollen haben wir teilweise <strong>die</strong> Aussagen, dass Verdächtigte selbst<br />

von sich sagen, sie hätten <strong>die</strong> Kontrolle nicht mehr.<br />

Ja, das würde ich auch glauben. Aber man muss auch aufpassen, ob Verdächtigte das nicht wissen<br />

<strong>und</strong> meinen, sie bekommen deswegen Rabatt, aber prognostisch schlägt sich das ausserordentlich<br />

ungünstig nieder.<br />

CB: Also in <strong>die</strong>sem Deliktsbereich spielt das wahrscheinlich keine Rolle, da sind <strong>die</strong> Strafmasse<br />

so gering, da bekommt auch keiner eine Massnahme.<br />

Aber ich würde doch sagen, dass es auch in <strong>die</strong>sem Bereich den süchtigen Zerfall gibt <strong>und</strong> es Leute<br />

gibt, <strong>die</strong> das nicht sein lassen können.<br />

CB: Würde Sie sagen, dass das Internet einen solchen Zerfall begünstigen könnte?<br />

Ja, sicher, wegen der Verfügbarkeit. Das Problem ist ja, dass man bei süchtigen Persönlichkeiten das<br />

Modell hat, dass etwas weggenommen wird <strong>und</strong> das ersetzt werden muss, das Substitutionsmodell.<br />

CB: Gibt es einen Zusammenhang zwischen süchtigen Persönlichkeiten <strong>und</strong> anderen Störungen?<br />

Ich frage mich, ob sich <strong>die</strong> Sammler unter den Konsumenten auch durch etwas anderes<br />

auszeichnen, abheben von den Nicht-Sammlern. Z.B narzisstische Störungen?<br />

Ja, sicher gibt es <strong>die</strong>se Konstellation, aber ob das symptomatisch ist? Das mag ja psychologisch eine<br />

interessante Frage sein, aber forensisch ist das nicht relevant.<br />

CB: Ja gut, aber für <strong>die</strong> Prognose wären solche Zusammenhänge schon interessant zu wissen,<br />

oder?<br />

Ja sicher, aber das ist ja alles auch schon bekannt über Stu<strong>die</strong>n zu Suchtkriterien. Das sind ja dann<br />

auch bei <strong>die</strong>sen Bereichen <strong>die</strong>selben Kriterien.


98<br />

CB: Hat man von der Einstellungsgenese her ein Ahnung, weshalb es mehr homosexuelle <strong>Pädosexuelle</strong><br />

gibt <strong>und</strong> warum <strong>die</strong> homosexuellen <strong>Pädosexuelle</strong>n eine andere Alterskategorie der<br />

Kinder bevorzugen, wie man das doch des Öfteren hört?<br />

Das wäre mir neu, keine Ahnung, welche Bestimmungsstücke bei der Pathogenese da eine Rolle<br />

spielen.<br />

CB: Was sagen Sie denn zur Erkenntnis, dass <strong>Pädosexuelle</strong> häufiger selbst Missbrauchsopfer<br />

waren als <strong>die</strong> anderen? Spielt das eine Rolle bei der Einstellungsgenese?<br />

Ich höre das immer bei den Begutachtungen, das können auch Schutzbehauptungen sein.<br />

CB: Das kommt aber auch aus Dunkelfeldforschungen raus (Verweise auf Rekrutenbefragung).<br />

Ja, mag sein. Es gibt schon viele Einstellungsforschungen. Aber das Problem ist beim Verhältnis Einstellung<br />

/ Verhalten <strong>und</strong> umgekehrt. Das muss sich überhaupt nicht decken, was <strong>die</strong> <strong>die</strong> Forschung<br />

auch zeigt. Die Einstellung kann auch sozial erwünscht sein. Ich kann mir schon vorstellen, dass beides<br />

beides determinieren kann, aber es ist sehr schwierig, denn sie können das beschreiben oder sie<br />

können das erklären. Sie können den Zusammenhang zwischen Missbrauchserfahrung <strong>und</strong> Pädosexualität<br />

sehen, aber es erklärt nichts. Es ist natürlich auch immer schwierig mit den Definitionen von<br />

Missbrauch. In der forensischen Begutachtung brauchen halt auch viele <strong>die</strong> Missbrauchsgeschichte,<br />

weil sie meinen, dann besser da zu stehen. Aber auch wenn es tatsächlich so ist, stellt sich <strong>die</strong> Frage,<br />

was hat er dem entgegen zu setzen. Auf der anderen Seite ist da auch der Druck, der auf ihn zukommt.<br />

Die entscheidende Frage ist, ob sich eine Einstellung entwickelt hat oder ob es eine Sucht<br />

geworden ist.<br />

CB: Würden Sie nicht daran glauben, dass man auch biologische Determinanten für Pädosexualität<br />

findet?<br />

Ich bin ja Psychologe. Selbst wenn wir so Faktoren finden, müsste man wissen, was ist Ursache <strong>und</strong><br />

was ist Wirkung. Die Leute kommen mit so ganz tollen Bildern aus den neurologischen Verfahren, es<br />

mag ja sein, dass sich da Unterschiede zeigen bei bestimmten Personen, aber man weiss ja nicht,<br />

was ist <strong>die</strong> Ursache <strong>und</strong> was ist <strong>die</strong> Wirkung. Die Biografie hat auch einen Einfluss auf <strong>die</strong> Hirnstruktur.<br />

Zudem ist hier wieder <strong>die</strong> Frage, was sich da niederschlägt <strong>und</strong> wie was kompensiert werden<br />

kann. Das ist <strong>die</strong> alte Leib-Seele-Frage. Für <strong>die</strong> forensische Frage, ist das wiederum irrelevant.<br />

CB: Noch zur Frage der Verbreitung <strong>und</strong> des Ausmasses. Da würden Sie nun auch sagen, dass<br />

das kulturabhängig sei.<br />

Ich glaube nicht, dass sich <strong>die</strong> Prävalenzen über <strong>die</strong> Zeiten hinweg geändert haben. Ich glaube, dass<br />

sich vor allem das Anzeigeverhalten verändert hat.<br />

CB: Es gibt eine Stu<strong>die</strong>, <strong>die</strong> zeigen will, dass bei 20 Prozent der männlichen Bevölkerung zumindest<br />

teilweise pädosexuelle Phantasien vorhanden sind. Was meinen Sie dazu?<br />

Das kann ich mir nicht vorstellen.<br />

CB: Zum Abschluss noch zu den Behandlungsmöglichkeiten. Also Sie meinen, dass ein verhaltenstherapeutischer<br />

Ansatz nützen kann.<br />

Ja, bei den Einstellungen auf jeden Fall. Bei Fehlgewöhnung auch, bei Hirnorganizität auch, aber sehr<br />

sehr begrenzt. Bei den Süchtigen auch.<br />

CB: Was sagen Sie denn dazu, dass das Material, das bei Polizeiaktionen beschlagnahmt wird,<br />

offenbar immer brutalere Szenen mit immer jüngeren Opfern zeigt? Das Sadistische ist da im<br />

Vordergr<strong>und</strong>. Wenn Sie so einen Konsumenten bei sich hätten, was würden Sie denn dazu sagen?<br />

Ich weiss ja gar nicht, ob <strong>und</strong> was für einen Leidensdruck er hat. <strong>Der</strong> muss aber einen Leidensdruck<br />

haben, damit man ihn überhaupt behandeln kann. Ohne Handelsdruck würde ich mich weigern. Man<br />

müsste dann eben einfach pädagogische Massnahmen treffen. Das hat aber mit forensischer Therapie<br />

nichts zu tun. Ein Proband muss ein Konflikterleben, einen Leidensdruck <strong>und</strong> Freiwilligkeit vorweisen<br />

für eine Psychotherapie. Darum ist ja auch der Begriff der forensischen Psychotherapie ein Widerspruch.<br />

CB: Herr Pülschen, ich danke Ihnen bestens für das sehr interessante Gespräch!


3. Interview mit Dr. Phil., Psychologe FSP Hans-Werner Reinfried<br />

99<br />

Funktion:<br />

Selbstständiger Begutachter, Psychotherapeut <strong>und</strong> Buchautor.<br />

Das Interview fand am 11.02.2004 in einem Restaurant in <strong>Bern</strong> statt <strong>und</strong> dauerte zirka drei St<strong>und</strong>en.<br />

CB: Das letzte Interview führte ich mit einem forensischen Psychologen, der <strong>die</strong> Betrachtung<br />

der Pädosexualität vor allem aus der forensischen, gutachterlichen Relevanz heraus betrachtete.<br />

Mich interessiert Ihre Meinung als Tätertherapeut. Wie sehen Sie das Verhältnis?<br />

Ich kenne „das gutachterliche Problem“. Das eine ist, dass das Wissen zu Perversionen bei vielen<br />

Gutachtern sehr schlecht ist. Sie wissen, dass es Perversionen gibt, sie kennen den Namen, aber sie<br />

können innerhalb der Perversionen nicht differenzieren. Sie sind in der Entstehungsgeschichte der<br />

Perversionen zu wenig ausgebildet. Es ist hilfreich, wenn man Psychologie stu<strong>die</strong>rt hat <strong>und</strong> auch das<br />

Leben der so genannt „Normalen“ kennt, <strong>die</strong> auch ihre Unterschiede haben. Vor allem Psychiater sind<br />

meist so sozialisiert, dass sie nur pathologische Phänomene kennen. Da können sie dann sehr<br />

schnell sagen: „das ist ein Voyeur, das ist ein Exhibitionist, etc.“ wobei <strong>die</strong> sich untereinander wohl<br />

ähnlicher sind als <strong>die</strong>, <strong>die</strong> unter dem Label „Pädophilie“ subsumiert werden.<br />

Diese haben ja als Gemeinsamkeit sexuelle Kontakte mit Kindern gehabt, aber das kann sehr verschiedene<br />

Hintergründe haben. Und <strong>die</strong>ser Hintergr<strong>und</strong> wäre eigentlich rechtlich von grosser Bedeutung.<br />

Es hat nicht für <strong>die</strong> Straftat an sich eine grosse Bedeutung, obwohl auch <strong>die</strong> geprägt davon ist,<br />

denn nicht alle machen dasselbe mit den Kindern, es sind dann einfach qualifizierte sexuelle Kontakte,<br />

aber sie haben in ihrem Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> natürlich auch in ihren Zukunftsaussichten grosse Unterschiede<br />

untereinander weil auch ihre Entstehungsgeschichten sehr unterschiedlich sind. Das ist etwas,<br />

das das Gesetz heute praktisch nicht berücksichtigt <strong>und</strong> das auch in den Gutachten häufig nicht<br />

einmal gestreift wird.<br />

CB: Nach welchen Kriterien würden Sie denn unterscheiden?<br />

Zum Beispiel, ob der sexuelle Kontakt in einer Beziehung stattfindet <strong>und</strong> welche Bedeutung der Kontakt<br />

in <strong>die</strong>ser Beziehung hat. Es kann einer sein Kind missbrauchen, weil er seine Frau bestrafen will.<br />

Es handelt sich um andere Funktionen, wenn sich einer an der Tochter vergeht <strong>und</strong> eigentlich seine<br />

Frau damit meint. Da sind eher <strong>die</strong> Machtmotive als <strong>die</strong> sexuellen Motive im Vordergr<strong>und</strong>. Das kann<br />

natürlich auch sehr gravierend sein für das Opfer, aber das sind Täter, <strong>die</strong> kaum ausserhalb der Familie<br />

etwas machen würden. Die schädigen <strong>die</strong> eigene Familie, aus Wut z.B. weil sie sich nicht durchsetzen<br />

können. Ich habe aktuell gerade einen Jungen, den ich begutachte, der ist jahrelang von seinem<br />

Vater sexuell missbraucht worden. Er musste im Ehebett schlafen weil Vater <strong>und</strong> Mutter sich<br />

derart zerstritten haben, dass <strong>die</strong> Mutter panische Angst vor dem Ehemann hatte <strong>und</strong> sie ihn auch sexuell<br />

abgewehrt hat. In <strong>die</strong>sem Kontext musste der Sohn bis er 13 Jahre alt war zwischen Mutter <strong>und</strong><br />

Vater schlafen. Und dann hat der Vater begonnen, sich ihm sexuell zu nähern <strong>und</strong> hat gehofft, dass<br />

der Sohn das erwidert. Zum Teil war das aus sexueller Not aber es war auch eine Provokation gegenüber<br />

der Mutter, <strong>die</strong> das auch mitbekommen hat. Die Aussage war so quasi „ wenn Du mit mir<br />

nichts machst, dann halte ich mich an den Sohn“. Die Töchter haben sich jede Nacht eingeschlossen<br />

<strong>und</strong> haben geschaut, dass sie nicht „dran kommen“.<br />

CB: Und <strong>die</strong> Mutter hat <strong>die</strong> Töchter nicht ins Bett genommen?<br />

<strong>Der</strong> Sohn war der jüngste, das hat man rechtfertigen können.<br />

CB: Und Sie würden sagen, dass <strong>die</strong>ser Täter in einer anderen Familienkonstellation resp.<br />

wenn <strong>die</strong>ser Konflikt nicht gewesen wäre, nicht interessiert ist an sexuellen Kontakten mit Kindern.<br />

Ja. Das war ein kurdischer Hirt, der seit Jahren arbeitslos ist, Alkoholiker <strong>und</strong> ein absoluter Patriarch,<br />

der Herrscher. Und <strong>die</strong> Beherrschung der Kinder äussert sich auch in den Übergriffen an den Kindern.<br />

<strong>Der</strong> Missbrauch gehört zum Unterwerfen der Kinder <strong>und</strong> möglicherweise auch der Tiere, <strong>die</strong> sie haben.<br />

Das ist in <strong>die</strong>sen Kulturen viel selbstverständlicher als bei uns. Nun, in der Schweiz ist das ein<br />

strafbares Delikt.<br />

Dann gibt es <strong>die</strong> so genannt klassischen Pädophilien, <strong>die</strong> in ihrer Kindheit stecken geblieben sind. Ihre<br />

Erotik hat sich an Kinder oder an gleichaltrige Jugendliche geb<strong>und</strong>en. Und sie haben in ihrer Persönlichkeit<br />

nur eine Teilentwicklung durchgemacht.<br />

Ich therapiere im Moment einen Akademiker, ein hochintelligenter Mann, im Beruf anerkannt, gut so-


100<br />

zialisiert. Er war als Kind aber schon schwierig, er lebte in einer Familie, in der alle nur für sich lebten.<br />

Sein Vater war ein Kriegstraumatisierter, der zwar ein erfolgreicher Geschäftsmann geworden ist, der<br />

sich aber auf keine Beziehungen mehr einlassen konnte <strong>und</strong> Mutter war leicht depressiv. Er lebte<br />

dann einsam als Nachzügler mit viel älteren Brüdern, geduldet, still, ohne Kontakte zu Gleichaltrigen,<br />

obwohl er sich <strong>die</strong>se Kontakte gewünscht hätte. Er träumte als Heranwachsender von Sexualität mit<br />

Buben <strong>und</strong> Mädchen so zwischen 12 <strong>und</strong> 14. Davon träumt er immer noch <strong>und</strong> nun ist er 40. Auf <strong>die</strong>ser<br />

Stufe ist <strong>die</strong> Erotik wie tiefgefroren worden.<br />

CB: Und <strong>die</strong> Erotik zeigt sich dann auch in <strong>die</strong>ser kindlichen Form, so wie man es manchmal<br />

von Pädophilen hört, dass sie nicht an Penetration interessiert sind, sondern eher an streicheln,<br />

höchstens Petting?<br />

Er ginge nicht mal so weit. Er wirbt eigentlich nur um Kinder. Er lebt in zig Familien mit, ist dann Gast<br />

des Hauses, spielt mit den Kindern, geht mit ihnen schwimmen, macht Sport mit ihnen, macht aber<br />

keine Übergriffe, auch wenn er das gerne würde. Aber er sieht sich so klein, dass er eigentlich gar<br />

nicht aktiv werden kann. Er hofft, dass das Kind auf ihn einen Übergriff macht. Aber natürlich kommt<br />

kein Kind auf <strong>die</strong>se Idee.<br />

Bei ihm ist <strong>die</strong> grosse Gefahr in der Therapie, dass er den Mut bekommt, aktiv zu werden. Weil Therapien<br />

wollen ja eigentlich, dass <strong>die</strong> Menschen aktiv werden, dass sie ihre Wünsche besser durchsetzen<br />

können. Nun ist es aber bei seinen Wünschen besser, wenn er sie nicht durchsetzt.<br />

CB: Und wie arbeiten Sie nun mit <strong>die</strong>sem Menschen in der Therapie? Leidet er?<br />

Ja, er leidet sehr, aber er leidet eigentlich daran, dass er sich verliebt <strong>und</strong> es nie wirklich erwidert wird.<br />

Und wenn er zu aufdringlich wird, dann finden es <strong>die</strong> Leute komisch <strong>und</strong> dann brechen sie den Kontakt<br />

ab. Er beginnt z.B. ständig zu telefonieren, will immer abmachen, will ständig mit den Kindern zusammen<br />

sein. Alle mögen ihn eigentlich, aber einmal in der Woche oder im Monat würde reichen, so<br />

wie man halt mit anderen netten Menschen auch umgeht. Er ist aber zutiefst einsam, er kann sich<br />

nicht auf Erwachsenenbeziehungen einlassen. Auch Fre<strong>und</strong>schaften gibt es bei ihm eigentlich nur zu<br />

Leuten, <strong>die</strong> Kinder haben. Die finden es an sich toll, dass sie einmal mit einem erwachsenen, gescheiten<br />

Menschen reden können, der auch ihre Kinder akzeptiert. Mit dem kann man am Sonntag etwas<br />

unternehmen <strong>und</strong> er kommt mit.<br />

CB: Hat er <strong>die</strong> Einsicht, dass es schädlich für das Kind wäre, wenn er sich sexuell nähern würde?<br />

Das hat er bei mir gelernt. Aber er behilft sich mit der Behauptung, dass er nie etwas Sexuelles machen<br />

würde. Er liebt <strong>die</strong>se Kinder <strong>und</strong> er bevorzugt sie. Das sind dann irritierende Handlungen <strong>und</strong><br />

häufig hat er erlebt, dass <strong>die</strong> Kinder dann frech werden. Es gibt dann so Machtspiele von den Kindern<br />

<strong>und</strong> er leidet dann fürchterlich <strong>und</strong> fragt sich, warum <strong>die</strong> Kinder so böse sind zu ihm. Die Kinder merken<br />

es irgendwie, dass er nach Beziehung lechzt <strong>und</strong> wenn dann ein Kind sagt, bleib doch bei uns<br />

<strong>und</strong> Du gehörst doch zu uns, dann ist er überglücklich.<br />

CB: Aus Erfahrungsberichten von Pädophilen selbst hört man ja <strong>die</strong> einen, <strong>die</strong> gewissermassen<br />

einsehen, dass <strong>die</strong> sexuelle Beziehung für das Kind nicht gut wäre, <strong>die</strong> sich eine gewisse<br />

Empathie erhalten haben, aber auch <strong>die</strong>, welche behaupten, dass es dem Kind gut tun würde<br />

<strong>und</strong> nur <strong>die</strong> kulturellen Schranken Sex zwischen Kindern <strong>und</strong> Erwachsenen verbieten.<br />

Ja, es gibt da alle Schattierung. Sicher gibt es auch Menschen, <strong>die</strong> haben so einen „pädophilien<br />

Touch“ <strong>und</strong> <strong>die</strong> Leute sagen dann, der könne es gut mit Kindern oder Jugendlichen. Sie leben es zum<br />

Teil nie ganz aus. Ich erinnere mich an einen Fall, den ich in der Supervision begleitet habe. Ein Mittelschullehrer,<br />

Turnlehrer, der völlig verknallt war in seine Buben <strong>und</strong> <strong>die</strong> haben das nie bemerkt. Er<br />

war ein guter Turnlehrer <strong>und</strong> er hat sich selbst auch auferlegt, nie in <strong>die</strong> Duschen zu gehen, er musste<br />

sich beherrschen. Aber was er sich geleistet hat, war ein Opernbesuch mit vier hübschen Jünglingen,<br />

<strong>die</strong> er zum Opernbesuch eingeladen hat. Er hat dann Logenplätze gemietet unter dem Motto „ich zeige<br />

euch Kultur“. Das war auch schön für <strong>die</strong>se Buben <strong>und</strong> er hat das sehr genossen. So stellte er es<br />

sich vor, wenn er Söhne hätte. Er war sich aber auch bewusst, dass er ein älterer Mann ist <strong>und</strong> er hat<br />

gemerkt, dass er anders ist als Kinder.<br />

<strong>Der</strong> Patient, von dem ich vorher erzählte, der fühlte sich auch als Kind. <strong>Der</strong> war in der Beziehung wie<br />

ein kleiner Junge. <strong>Der</strong> hat seine Träume aus der Kindheit zu anderen Kindern nicht weiterentwickelt.<br />

Spielen ist für ihn das Grösste, obwohl er <strong>die</strong> ganze Woche wissenschaftlich tätig ist. Aber spielen <strong>und</strong><br />

Sport mit Kindern ist für ihn das Grösste. Gewinnen ist dabei völlig unwichtig.


101<br />

Ein Anderer will gerne gut ankommen bei den Kindern, sucht Gesellschaft <strong>und</strong> wieder ein anderer<br />

sucht viel direkter ein sexuelles Erlebnis, der ist viel stärker auf den sexuellen als auf den Beziehungs-<br />

Aspekt ausgerichtet.<br />

CB: Kann ich noch kurz auf Ihren Patienten zurückkommen. Ist dort auch der narzisstische<br />

Aspekt des Bew<strong>und</strong>ertwerdens drin, auch wenn man sich auf das kindliche Niveau begibt?<br />

Ja natürlich, das ist doch schön, das geniessen wir doch alle, wenn wir bew<strong>und</strong>ert werden. Wir bekommen<br />

es halt eher auch von Erwachsenen <strong>und</strong> er kann mit Erwachsenenbeziehungen nichts anfangen,<br />

auch wenn sie nett mit ihm sind. Aber das ist ihm sehr fremd, er ist wie imprägniert. Wenn<br />

Jemand nett ist zu ihm als auch wenn Jemand ihn lobt, da hüpft sein Herz nicht. Natürlich ist es aber<br />

auch mit Erotik verb<strong>und</strong>en. Die Ausrichtung auf Kinder ist da sehr stark.<br />

Das ist etwas, das auch therapeutisch sehr schwer zu verändern ist. Häufig kann man schauen, dass<br />

sie sich über Wasser halten, man kann schauen, dass sie nicht verunglücken. Ein Element ist, dass<br />

<strong>die</strong>se Menschen unglaublich einsam sind. Weil das Modell von ihnen mit Kindern kann einfach nicht<br />

funktionieren. Für Kinder ist das nicht <strong>die</strong> normale Welt <strong>und</strong> auch wenn sie Kinder teilweise begleiten<br />

können, so auf dem Spielplatz, dann gehen <strong>die</strong> Kinder nachher wieder zu ihren Müttern <strong>und</strong> für <strong>die</strong><br />

Kinder ist klar, dass eben das ihre Mütter sind. Diese Kinder kann man nicht haben. Man kann dann<br />

schon schauen, dass man z.B. in Brasilien ein Strassenkind finden kann, aber <strong>die</strong> sind so bindungsunfähig,<br />

dass sie auch nicht das geben können, was <strong>die</strong>se Männer wollen. Sie kommen so eigentlich<br />

nie auf ihre Rechnung. Wenn <strong>die</strong>se Leute betreut sind, so können sie zumindest mal darüber reden,<br />

sie können ihrem Elend Ausdruck geben <strong>und</strong> sie können gestützt werden. Sie müssen aber bestätigt<br />

werden, dass ihr Modell nicht zum Erfolg führen kann <strong>und</strong> man muss sie dabei trösten. Man muss ihnen<br />

aber auch klar machen, dass sie keine Beziehung mit Kindern erzwingen oder erschleichen können.<br />

Sie sind ja sehr findig <strong>und</strong> sie lassen sich zum Teil unglaubliche Dinge einfallen. Sie haben immer<br />

<strong>die</strong> Hoffnung, dass sich etwas zufällig ergibt. Zum Beispiel in einem Lager hoffen sie, dass es einem<br />

Kind schlecht wird <strong>und</strong> es zu einem ins Zimmer kommt <strong>und</strong> ins Bett schlüpft. Das passiert dann<br />

ewig nicht aber <strong>die</strong> Hoffnung ist da. Oder man macht eine Bergtour <strong>und</strong> das geliebt Kind stürzt <strong>und</strong><br />

man muss es nach Hause tragen. Dann darf er es richtig anpacken.<br />

Aber Kinder interessieren sich halt lange nicht so für Erwachsene, wie <strong>die</strong>se Erwachsen es glauben.<br />

Sie lenken dann <strong>die</strong> Aufmerksamkeit des Kindes <strong>und</strong> versuchen es neugierig zu machen <strong>und</strong> das machen<br />

sie oft sehr geschickt. Wenn sie das in Mathematik machen würden, wären sie hervorragende<br />

Lehrer. Sie gestalten Situationen <strong>und</strong> wenn man das bei Untersuchungen auseinander nimmt, ist es<br />

schwierig zu sagen, wer da eigentlich initiativ war. In ihrer Darstellung bekommt man das Gefühl, <strong>die</strong><br />

Kinder hätten sie überfallen. Sie hätten quasi nur den kindlichen Wünschen nachgegeben. Aber <strong>die</strong><br />

kindlichen Wünsche müssen normaler weise geweckt werden, das kann man aber natürlich. Kinder<br />

sind neugierig <strong>und</strong> sie wollen alles Mögliche wissen, aber sie kommen nicht auf <strong>die</strong> Idee, den Intimbereich<br />

von fremden Personen zu erforschen.<br />

CB: Bei Gleichaltrigen schon, oder?<br />

Bei Gleichaltrigen kann es das geben, ja, aber bei älteren Herren finde sie das nicht so spannend. Es<br />

kann sein, wenn ein Kind ganz verwahrlost ist <strong>und</strong> es schon Erfahrungen gemacht hat, dass man damit<br />

Erwachsene für sich gewinnen kann <strong>und</strong> dass da irgend etwas Spannendes abläuft oder auch<br />

Geld zu ver<strong>die</strong>nen ist oder sie <strong>die</strong> Erwachsenen beherrschen können. Aber das findet man eigentlich<br />

nur in sehr zerrütteten, verwahrlosten Verhältnissen.<br />

CB: Die verwahrlosten Kinder sind ja häufig auch Opfer.<br />

Da kommt man halt schneller ans Ziel. Ich denke da an einen anderen Pädophilien, der eine fünfjährige<br />

Liebesgeschichte mit Jugendlichen hatte, mit zwei Brüdern. Aber <strong>die</strong> wussten das gar nicht, er hatte<br />

sich einfach immer um sie bemüht. Sie waren sehr nette Jugendliche <strong>und</strong> erst als er ihnen seine<br />

Liebe gestanden hatte, erschraken sie <strong>und</strong> wollten das ja nicht <strong>und</strong> sie haben sich von ihm distanziert.<br />

Da ist er zusammen gebrochen <strong>und</strong> hat sehr gelitten. Die zwei Brüder hatten dann Schuldgefühle <strong>und</strong><br />

dachten, sie könnten ihn ja nicht ganz sitzen lassen. Hie <strong>und</strong> da sind sie dann mit ihm Kaffee trinken<br />

gegangen weil sie dachten, er sei ja so viele Jahre nett mit ihnen gewesen <strong>und</strong> sie wollten auch nett<br />

zu ihm sein. Das waren sehr beziehungsfähige Brüder, <strong>die</strong> waren aber natürlich dann auch an Mädchen<br />

interessiert. Den Beziehungsaspekt bei <strong>die</strong>sem Mann haben sie aufgenommen <strong>und</strong> den Rest<br />

abgelehnt. Die haben dann auch über das Phänomen geredet <strong>und</strong> haben sich dafür interessiert, zwei<br />

ganz intelligente Jugendliche. Sie versuchten das halt auf ihre Art zu verarbeiten. Sie waren auch<br />

nicht in Gefahr aus ihrer eigenen starken Persönlichkeit heraus. Da war keine Versuchung da für sie.


102<br />

CB: Wenn <strong>die</strong>ser Pädophile nun versucht, sich in <strong>die</strong> Kinder hinein zu versetzen, wie sieht er<br />

sich dann in seiner Position? Glaubt er denn, dass ein Liebesinteresse von Kindern an ihm<br />

vorhanden sein kann?<br />

Ja, das versucht er sich zu Recht zu legen. Das ist auch ein wenig ein therapeutischer Erfolg, dass er<br />

merkt, dass er immer wieder scheitert. Er muss immer wieder Neue suchen, weil er immer wieder an<br />

einen Punkt kommt, bei dem <strong>die</strong> Kinder das Interesse verlieren, weil er zu fest wirbt. Das ist ja für <strong>die</strong><br />

Kinder seltsam, sie wollen ja den Erwachsenen folgen <strong>und</strong> normal ist ja, dass sich Erwachsene auch<br />

immer wieder abwenden <strong>und</strong> sich um Erwachsenen-Sachen kümmern. Bei ihm war das eben nicht<br />

so, er hat sich nie abgewendet, er hat immer alles mitgemacht. Und <strong>die</strong> Kinder merken, dass es komisch<br />

ist. Wenn er in der Therapie <strong>die</strong>se Abläufe auch immer wieder analysiert hat, merkte er, dass<br />

es chancenlos ist. Das heisst aber nicht, dass er den Traum aufgegeben hat, vielleicht meint er, dass<br />

es dann doch mal klappt.<br />

CB: Behilft er sich mit Pornografie?<br />

Nein, das ist ihm alles viel zu grob. Das wäre ihm auch zu sexuell. Er ist ganz scheu <strong>und</strong> prüde. Das<br />

heisst aber nicht, dass er nicht doch sexuelle Träume hat mit den Kindern.<br />

CB: Hatten Sie schon Klienten, <strong>die</strong> sich Kinderpornografie angeschaut haben?<br />

Ja, das ist aber auch eine ganz gemischte Klientel. Es gibt darunter Leute, <strong>die</strong> ganz klar Sexualität mit<br />

Kindern suchen, <strong>die</strong> darauf fixiert sind, eine perverse Ausrichtung, sie sind in ihrer sexuellen Entwicklung<br />

stehen geblieben. Sei <strong>die</strong>s in einem voyeuristischen oder exhibitionistischen Sinne, aber auch<br />

einfach ein sexuelles Interesse.<br />

CB: Warum meinen Sie „stehen geblieben“? Wie muss man das verstehen?<br />

Es ist häufig so, dass sie sich zu dem Zeitpunkt, als ihre eigenen sexuellen Interessen wach geworden<br />

sind, an Gleichaltrige oder Jüngere geb<strong>und</strong>en haben <strong>und</strong> sie konnten sich nicht weiterentwickeln.<br />

CB: Aber in ihrer Sexualität haben sie sich ja doch irgendwie weiter entwickelt. Also im Unterschied<br />

zu dem Klienten, von dem Sie vorher sprachen, der das „richtig“ Sexuelle ja scheute,<br />

sind ja solche, <strong>die</strong> wirkliche sexuelle Beziehungen zu Kindern wollen, anders.<br />

Da gibt es eben alle Schattierungen, <strong>die</strong> Sorte, <strong>die</strong> wirklich sexuelle Erlebnisse suchen zu Kindern.<br />

Die gehen auch zu Kinderprostituierten, das ist dann eher <strong>die</strong> gefährliche Sorte. Aber ihr Traum ist ja<br />

auch immer, doch ein „anständiges“ Kind zu bekommen. Sie haben für Stricher-Kinder auch immer<br />

eine gewisse Verachtung. Es sind ja auch meist Leute, <strong>die</strong> in ihren anderen Lebensverhältnissen<br />

durchaus wohl geordnet funktionieren. Und sie merken durchaus, dass <strong>die</strong> Kinder, <strong>die</strong> sie bekommen<br />

können, auch seltsame Kinder sind, meist verwahrloste.<br />

Und dann gibt es das Phänomen – <strong>und</strong> da denke ich, das ist ein neueres Phänomen – mit Leuten, <strong>die</strong><br />

eine sehr <strong>und</strong>ifferenzierte Sexualität leben. Die haben eigentlich keine grosse Affinität zu Kindern,<br />

sondern führen ein eher gelangweiltes Leben <strong>und</strong> <strong>die</strong> nun einen neuen Kitzel suchen. Die versuchen<br />

nun alles Mögliche aus, sei es mit Drogen, mit Drogen <strong>und</strong> Sexualität, Die versuchen nun alles Mögliche<br />

aus, sei es mit Drogen, mit Drogen <strong>und</strong> Sexualität, Sexualität mit Prostitution, Sexualität im S/M-<br />

Bereich oder dann auch Sexualität mit Kindern. Das ist dann auch etwas Besonders. So: „wie ist das,<br />

ein 12-jähriges Mädchen zu entjungfern“, wie ist das, wenn es leidet, wenn etwas Sadistisches rein<br />

kommt. Das muss auch gar nicht so extrem sein, das kann so im Zusammenhang mit Lebenskrisen<br />

aufkommen.<br />

Ich habe gerade einen Fall eines 45-jährigen Mannes. <strong>Der</strong> war 20 Jahre verheiratet <strong>und</strong> es war nie<br />

etwas Besonderes. Aber <strong>die</strong> Sexualität mit seiner Frau hat immer mehr abgenommen, er war steril,<br />

sie hatten keine Kinder <strong>und</strong> seine Frau war darüber sehr unglücklich. Mit der Zeit haben sie keinen<br />

Sinn mehr in ihrer Ehe <strong>und</strong> in ihrer Sexualität mehr gesehen. In dem Moment, als er sie verlassen hat,<br />

hat er angefangen, zu Prostituierten zu gehen. Und dann hat er gemerkt, dass ihm <strong>die</strong> schwarzen<br />

Prostituierten besser gefallen. Er wohnte alleine <strong>und</strong> hat plötzlich begonnen, auch Kinder anzuschauen,<br />

sich vor Kindern zu zeigen. Es zeigte sich eine Einsamkeit, auch eine starke Regression. Dann<br />

kamen so kindische Elemente, er onanierte vor Kindern, hat aber auch Kinder in <strong>die</strong> Wohnung geholt<br />

<strong>und</strong> wollte sich anfassen lassen. Er lockte <strong>die</strong> Kinder an <strong>und</strong> ein Mädchen musste man dann auch ins<br />

Heim einliefern, <strong>die</strong> hat das auch bei anderen gemacht, hatte schon einen richtigen K<strong>und</strong>enkreis. Es<br />

sind halt auch solche Kinder, <strong>die</strong> verwahrlost <strong>und</strong> vernachlässigt sind, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Männer auch erfolgreich<br />

anlocken. Er ist dann auch nackt ans Fenster gestanden, immer aber wie wenn es aus Versehen wäre.<br />

Die Kinder haben dann draussen schon auf das „Programm“ gewartet.<br />

Seine Übergriffe waren nicht wahnsinnig gravierend, es waren typische Handlungen in einem regressiven<br />

Zustand. Das hat noch nicht mit Alterspädophilie zu tun. So mit Alten, <strong>die</strong> nicht mehr können


103<br />

<strong>und</strong> auf einmal den Wunsch haben, so kleine Elfen zur Verfügung zu haben. Wenn er dann noch enthemmt<br />

ist, kommt dann zum Wunsch, ein Kind auf dem Schoss zu haben, auch der Wunsch dazu,<br />

dass das kleine Wesen ihm in <strong>die</strong> Hosen fasst. Aber <strong>die</strong> Übergänge sind sehr fliessend.<br />

CB: Sind ihnen bei den pädosexuellen Delinquenten auch Gemeinsamkeiten aufgefallen?<br />

Übergriffe zeigen sich schon häufig bei Familien, <strong>die</strong> nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.<br />

Problemfälle. Es ist schon auch ein Unterschichtsphänomen.<br />

Die Kinder aus den Unterschichten sind auch nicht so Kontrollen ausgesetzt. Die Kontrolle kommt ja<br />

aus dem Bürgertum. Alle <strong>die</strong> Anzeigen zu den sexuellen Übergriffen, <strong>die</strong> kommen ja auch von Leuten,<br />

<strong>die</strong> noch Vorstellungen haben von einer anständigen Welt. Die sich auch wehren. In einfachen oder<br />

verwahrlosten Gesellschaftsschichten ist das eben nicht immer der Fall. Die haben teilweise das Gefühl,<br />

dass sie das hinnehmen müssen, sie schimpfen auch mit den Kindern oder sie werden zu heimlichen<br />

Komplizen weil sie denken, das müsse so sein weil sie solche Sachen evt. selbst auch erlebt<br />

haben.<br />

CB: Sie kennen ja auch Biografien von anderen Delinquenten, gibt es da Unterschiede?<br />

Die Perversionen sind schon anders als <strong>die</strong> anderen kriminellen Sachen. Die Beeinträchtigungen, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong>se Menschen erfahren haben, waren gekoppelt mit Sexualität. Sie waren auch in dem Bereich betroffen.<br />

Andere Kriminelle haben in der Regel eine normale Sexualität.<br />

CB: Und wie sehen solche Koppelungen aus?<br />

Dass sie sehr stark verb<strong>und</strong>en sind, das kann ganz unterschiedlich sein. Es ist auch sehr unterschiedlich,<br />

was Pädophilie an Kinder eigentlich schön finden, das kann das Gesicht, der Hintern, der Bauch<br />

sein. Meistens sind es ganz spezielle Körperteile. Das hat schon Ähnlichkeiten mit Fetischismus. Fetischisten<br />

sind ja einfach noch weiter vom Menschen entfernt. Die wollen nur noch einen Ersatz für einen<br />

Menschen. Ich habe da grad zwei kleine Buben, <strong>die</strong> haben Unterwäsche gestohlen von einem<br />

Mädchen, das vier Jahre älter ist als <strong>die</strong> Buben. Eine Schönheit, in <strong>die</strong> beide Jungs völlig verknallt<br />

sind, <strong>die</strong> aber von dem Mädchen nicht mal begrüsst werden. Sie sind dann in der Waschküche <strong>die</strong><br />

Spitzenunterwäsche <strong>die</strong>ses Mädchens stehlen gegangen <strong>und</strong> haben damit onaniert. Und das ist nun<br />

gerade so eine heikler Moment. Beide werden ganz streng gehalten zu Hause, sie leben in einem<br />

lieblosen Elternhaus, kein Vater <strong>und</strong> eine sehr rigide, aber überforderte Mutter, <strong>die</strong> Kinder sind sehr<br />

alleine gelassen, nicht recht aufgeklärt <strong>und</strong> dann ist eben der eine der Brüder auf <strong>die</strong> Idee mit der Unterwäsche<br />

gekommen. Das hat sich dann weiterentwickelt. Zuerst haben sie daran gerochen, damit<br />

onaniert, sich <strong>die</strong> Wäsche selbst angezogen, es war schon so, wie wenn sie mit dem Mädchen selbst<br />

zusammen gewesen wären. Das könnte man als Beginn eines Fetischismus sehen. Bei <strong>die</strong>sen zwei<br />

Brüdern wären <strong>die</strong> Bedingungen dafür günstig, sie sind ängstlich <strong>und</strong> vorsichtig in Beziehungen, sie<br />

haben Mühe mit kameradschaftlichen Beziehungen zu anderen Jungen. Sie können nun an <strong>die</strong>ser<br />

Unterwäsche-Geschichte einen riesigen Gefallen finden, <strong>und</strong> wenn sie weiter jahrelang mit <strong>die</strong>sen<br />

Höschen leben, wird das zu einer festen Gewohnheit. Das hätte ja, ausser dem Stehlen, keine Implikationen<br />

mit dem Gesetz.<br />

CB: Das ist auch bei gewissen <strong>Pädosexuelle</strong>n bekannt, dass sie auf der Suche nach Kinderunterwäsche<br />

sind.<br />

Ja, das ist es eben, <strong>die</strong> Wäsche wächst mit ihnen nicht mit, <strong>die</strong> bleiben bei der Kinder-Unterwäsche.<br />

Dann muss es evt. noch ein spezielles Höschen sein, eine gewisse Marke oder so. Die sind dann sogar<br />

an einem Modell hängen geblieben. Bei den Vorlieben für Kinder ist das ähnlich, da gibt es teilweise<br />

ganz enge Vorstellungen, dass sie etwa nur blonde, blauäugige Kinder wollen. Dann gibt es<br />

aber schon auch <strong>die</strong> Undifferenzierten, alles was „quietscht“ ist gut, es muss einfach ein Kind sein.<br />

CB: Das erinnert mich auch an <strong>die</strong> Interviews mit Pädophilien in einem Buch, da haben viele<br />

auch so Prototypen von Kindern beschrieben, <strong>die</strong> sie suchen <strong>und</strong> wollen. Da haben ich, wie<br />

auch an anderen Orten, auch gelesen, dass es unterschiedliche Präferenzen im Altersbereich<br />

gibt in Abhängigkeit, ob man homo- oder heterosexuelle Interessen bei Kindern hat. Ich kann<br />

mir das nicht erklären.<br />

Ich weiss auch nicht, ob das wirklich stimmt. Es gibt schon Pädophile, <strong>die</strong> kleine Kinder suchen, spezielle<br />

Altersklassen suchen.


104<br />

CB: Führen Sie das auf das Erlebnis zurück mit den Kindern in einem bestimmten Alter, bei<br />

dem sie dann hängen geblieben sind?<br />

Es kann sein, dass sie an kleinkindlichen Interessen hängen geblieben sind, also weit vor der Pubertät,<br />

selber als 8-jährige spannende Sachen erlebt haben oder Hoffnungen gehabt haben oder in der<br />

Pubertät mit kleinen Kindern Erlebnisse gehabt haben. Ich könnte mir das so vorstellen. Das hat aber<br />

mit der geschlechtlichen Orientierung an sich nichts zu tun. Das andere hat eher mit der gr<strong>und</strong>legenden<br />

Orientierung zu tun.<br />

CB: Man sagt auch, dass es mehr homosexuelle <strong>Pädosexuelle</strong> gebe als heterosexuelle.<br />

Das ist eventuell von der Statistik her möglich, ich kann mir das aber nicht erklären. Ich hätte eher den<br />

Verdacht, dass es sich um das Phänomen handelt, dass es eben viele Homosexuelle gibt, <strong>die</strong> auf Jugendliche<br />

stehen. Mit jugendlichen Männern ist es wohl auch schwieriger als mit jugendlichen Frauen.<br />

Wahrscheinlich passiert dort mehr im Graubereich.<br />

CB: Warum ist es denn schwieriger mit jungen Männern?<br />

Jugendliche Männer, selbst wenn sie selber homosexuelle Gefühle haben, tun sich weniger gern mit<br />

Männern zusammen. Hingegen dass sich Mädchen in einen jüngeren Mann verlieben, das ist eher<br />

noch möglich. Darum ist es einfacher <strong>und</strong> es wird eher nicht straffällig, es fliegt weniger schnell auf.<br />

Das wäre eine Möglichkeit, aber ich weiss es nicht.<br />

CB: Da kommt mit gerade der Fall in Uster in den Sinn.<br />

Ja, aber da weiss ich auch nicht, was da ablief, ich kenne <strong>die</strong> Akte nicht. Ich habe aber schon bei einigen<br />

ähnlichen Fällen gesehen, wie sie abgelaufen sind <strong>und</strong> bin deshalb sehr misstrauisch. Ich bin<br />

darum auch bei <strong>die</strong>sem Fall nicht sicher, ob es richtig beurteilt worden ist. Es ist natürlich heute ein<br />

sehr heikles Gebiet <strong>und</strong> wenn ein Kind erzählt, Jemand habe <strong>die</strong>s <strong>und</strong> das mit ihm gemacht, dann ist<br />

das eine ganz schwierige Situation. Das Gegenteil ist sehr schwer zu beweisen. Bei <strong>die</strong>sem Fall steht<br />

nicht zur Debatte, dass etwas passiert ist, <strong>die</strong> Frage ist, wie viel ist passiert. Dann kommen dann <strong>die</strong><br />

Fragen der Glaubhaftigkeit der Jugendlichen.<br />

CB: Ich höre natürlich auch <strong>die</strong> Stimmen von Opferschutzorganisationen, <strong>die</strong> meinen, dass den<br />

Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen immer noch viel zu wenig Glauben geschenkt werde.<br />

Ja, teilweise sicher, aber man muss schon auch damit rechnen, dass sie Geschichten erf<strong>und</strong>en haben.<br />

Ich habe Mädchen erlebt, <strong>die</strong> Szenen erf<strong>und</strong>en haben. Um sich wichtig zu machen, um abzulenken<br />

aber auch um sich zu rächen, auch z.B. für nicht erwiderte Liebe. So 14/15-jährige Mädchen können<br />

sehr boshaft sein. Auch enorm durchgedacht in der Phantasie, das ist auch für den Fachmann<br />

nicht leicht zu erkennen.<br />

CB: Vielleicht auch, weil sie es mit der Zeit selber glauben?<br />

Ja, sie können sich da rein steigern, dann werden sie aber auch teilweise bedroht, zur Redlichkeit ermahnt,<br />

in Frage gestellt. Und das kann bewirken, dass sie erst recht nachdoppeln <strong>und</strong> dann schmücken<br />

sie immer mehr aus. Zum Teil in einer Detailtreue, <strong>die</strong> man eigentlich von einem normalen Gedächtnis<br />

gar nicht erwarten würde. Aber das ist selbst in einer Glaubhaftigkeitsbeurteilung etwas ganz<br />

schwieriges. Wenn es familiäre Angelegenheiten betrifft wird es noch schwieriger. Z.B. in dem Ustener-Fall<br />

war das Mädchen ja Kindermädchen, <strong>und</strong> in Scheidungsfällen ist <strong>die</strong> Vermischung noch viel<br />

stärker.<br />

Ich sehe da zum Teil unmögliche Sachen, zum Beispiel wie da Eltern ihre Kinder im Bett haben. Alle<br />

nackt, für alle natürlich, für alle selbstverständlich <strong>und</strong> <strong>die</strong> Kinder kommen nicht mehr aus <strong>die</strong>sen Betten<br />

raus. Das ist nicht eine Gefahr für sexuelle Übergriffe, aber es ist für <strong>die</strong> Entwicklung der Kinder<br />

nicht günstig. Die Kinder werden geb<strong>und</strong>en, auch eine gewisse symbiotische Bindung teilweise. Ich<br />

habe gerade eine Mutter, <strong>die</strong> mir ihren Sohn, einen Drittklässler, angemeldet hat, weil er jeden Morgen<br />

im fünf Uhr bei ihnen im Bett auftaucht <strong>und</strong> <strong>die</strong> Mutter hat das Gefühl, dass das nun nicht mehr<br />

nötig sei. Ich rede daraufhin mit dem Jungen <strong>und</strong> er findet es gar kein Problem, ist sogar stolz drauf<br />

<strong>und</strong> hat mir 14 Tage später berichtet, dass er nicht mehr zur Mutter gegangen ist. Es war nicht<br />

schwierig für ihn, er brauchte wie ein Signal. Aber was passiert? In der dritten Woche geht <strong>die</strong> Mutter<br />

zu ihm ins Bett. Das waren ihre Bedürfnisse, sie hat Angst ihn zu verlieren, <strong>die</strong> ganze Ehe steht auf<br />

dem Spiel.


105<br />

CB: Wenn wir grad beim Thema sind. Was meinen Sie zu pädosexuellen Frauen?<br />

Ja, das gibt es sicher auch. Ich denke aber schon, dass es weniger sind <strong>und</strong> <strong>die</strong> Formen sind wohl<br />

weniger invasiv. Sie können innig schmusen mit Kindern <strong>und</strong> das wird halt akzeptiert. Aber sie können<br />

Kinder so auch an sich binden <strong>und</strong> zum Teil auch irritieren. Man sagt dann eher, dass sie <strong>die</strong> Kinder<br />

emotional abhängig machen, aber es können auch ungünstige Stimulationen stattfinden. Das ist eben<br />

das Schwierige, weil einige Eltern <strong>die</strong> Kinder zuwenig berühren <strong>und</strong> andere zu viel. Man muss Kinder<br />

eben auch lassen, dass sie sich zu eigenen Personen entwickeln können. Aber was will das Gesetz<br />

dabei erfassen? Frauen werden da wahrscheinlich nur sehr wenig erfasst, eigentlich nur wenn sie<br />

Übergriffe auf fremde Kinder machen würden.<br />

CB: Haben Sie schon von einer Frau gehört, <strong>die</strong> von sich aus sagt, sie habe erotische oder sexuelle<br />

Interesse an Kindern?<br />

Nein, so nicht. Vielleicht eher in verklausulierter Form, im Sinne von: „ich habe <strong>die</strong> Kinder so gern, ich<br />

brauche den Mann gar nicht.“ Die Kinder sind dann bei ihr im Bett <strong>und</strong> da wird schon „herumgespielt“.<br />

Er liegt z.B. auf der nackten Brust, er ist aber ein Fünftklässler. In meinem letzten Buch beschreibe ich<br />

einen, der ist noch in der 2. Realschule jeden Morgen zur Mutter ins Bett. Ein völliger Schläger, aber<br />

jeden Morgen im Bett der Mutter <strong>und</strong> dabei hatte es auch teils erotische Aspekte. Sie kicherte, sie habe<br />

halt lieber <strong>die</strong> Wärme des Sohnes als <strong>die</strong> des Mannes. Ich kann nicht sagen, das sei eine pädophile<br />

Mutter, das ist eine unglückliche Frau, <strong>die</strong> mit ihrem Mann nichts anzufangen weiss.<br />

Alle Eltern sind natürlich auch an ihre Kinder geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> das hat ja sein Gutes.<br />

Aber eben, in einer Scheidungssituation können an sich harmlose Situationen, wie das Baden des Vaters<br />

mit den Kindern, anders konstruiert werden, es kann aufgebauscht werden. Das sind dann rechtlich<br />

enorme Probleme. Da kommt man in familiäre Bereiche, wo man nicht mehr alles entschlüsseln<br />

kann. Im Umgang von Erwachsenen mit Kindern hat man das ganze Spektrum <strong>und</strong> an einem Ende<br />

des Spektrums kommt das Strafrecht ins Spiel, aber manchmal ist das schwierig abzugrenzen bei <strong>die</strong>sen<br />

Übergangsfällen. Wenn Kinder vergewaltigt werden, ist das juristisch klar. Das ist „einfacher“ als<br />

Sachen, <strong>die</strong> im Zusammenleben passieren.<br />

CB: Sie meinen auch für <strong>die</strong> Prognose?<br />

Ja.<br />

CB: Sie haben zu Beginn schon erwähnt, dass Sie sich wünschen, dass man <strong>die</strong> sexuellen<br />

Handlungen mit Kindern differenzierter betrachtet auch für das Strafmass <strong>und</strong> für <strong>die</strong> Prognose.<br />

Für das Strafmass nicht, da sind <strong>die</strong> psychologischen Kriterien fragwürdig. Das ist eine unselige Verknüpfung,<br />

<strong>die</strong> dazu führt, dass man unzählige Elemente aufführt. Das funktioniert ja heute auch so.<br />

Aber ich denke, dass sich das Strafmass an der Tat orientieren muss. Hingegen für <strong>die</strong> Frage nach<br />

der Therapierbarkeit <strong>und</strong> nach der Wahl der Therapie, dazu muss es eine differenzierte psychologische<br />

Analyse geben. Zum einen kann man beurteilen, ob eine Strafe zu Gunsten einer Therapie ausgesetzt<br />

werden kann. Das wäre ja häufig sinnvoll, aber was ich so sehe in der Justiz, wird das sehr<br />

willkürlich gehandhabt.<br />

CB: Weil das Wissen nicht vorhanden ist?<br />

Weil sie keine differenzierten Vorschläge von den Gutachtern bekommen. Ein Psychiater kann einfach<br />

sagen, ja, eine Therapie ist möglich, er kann aber gar nicht belegen, wie er auf <strong>die</strong>se Idee kommt.<br />

Vielleicht weil der Klient ihm sagt, er wolle eine Therapie machen. Ob das dann aussichtsreich ist? Da<br />

müsste er mit dem Klienten viel mehr arbeiten. Und er müsste eine psychologische Ausbildung haben,<br />

er muss <strong>die</strong> Dynamik genauer kennen lernen, <strong>die</strong> Motivationsanalyse muss gemacht werden <strong>und</strong> vor<br />

allem wissen <strong>die</strong> Psychiater nichts über <strong>die</strong> Normalbevölkerung. Sie sind sozialisiert auf psychiatrische<br />

Patienten. In der Forensik haben wir aber wenig psychiatrische Patienten, wir haben sehr viele<br />

Störungen, <strong>die</strong> wir aber auch sonst in der Bevölkerung finden. Die haben halt einfach eine Störung,<br />

<strong>die</strong> zufällig zu einem Delikt führte. Manchmal haben sie noch <strong>die</strong> Kombination zu ganz anderen Störungen,<br />

<strong>die</strong> in Abhängigkeiten zueinander stehen.<br />

CB: Wir haben bei der Aktion Genesis <strong>die</strong> Feststellung gemacht, dass kaum einer „nur“ Kinderpornografie<br />

sammelt. Sie haben es schon angetönt, meinen Sie, dass sind nun Personen,<br />

<strong>die</strong> eigentlich nicht pädosexuell veranlagt sind, sondern einfach einen neuen Kitzel suchen?<br />

Ich kenne eigentlich wenige Leute, <strong>die</strong> nur Pornografie konsumieren. Die sind ja eigentlich mit sehr<br />

wenig zufrieden, das ist ja wie eine fetischistische Angelegenheit.


106<br />

CB: Wir wissen natürlich im Einzelfall (noch) nicht, was sie sonst noch machen.<br />

Gut, wenn sie sich so „Appetit“ holen <strong>und</strong> dann z.B. zu Prostituierten gehen als denkbare Kombination<br />

oder es wird solche geben, <strong>die</strong> sich einfach befriedigen dabei. Aber ich habe schon den Verdacht,<br />

dass das langfristig nicht anhält, weil das Ziel des Schauens ist doch immer auch das konkrete Erlebnis.<br />

CB: Sie denken also, dass der Konsum das Risiko für einen realen Übergriff vergrössert?<br />

Ja, das denke ich schon. Das sind schon Phänomene, <strong>die</strong> ich bei vielen Tätern gesehen habe. Dass<br />

sie über lange Zeit eine stille Vorzeit hatten. So Bilder schaffen schon eine Art Realität. Wenn man Bilder<br />

sieht von kleinen nackten Kindern sieht <strong>und</strong> dann aber immer weiterentwickelte Formen, Kinder<br />

mit Erwachsenen, Kinder mit Kinder, Kinder in speziellen Stellungen oder so. Da bekommt man Vorbilder,<br />

<strong>die</strong> auflockernd wirken. Das ist eine ähnliche Gefährdung wie Therapien, wo sie durch das Reden<br />

auch mutiger werden. Und dann kann es schon passieren, dass Jemand macht, was sie eigentlich<br />

gern machen würden. Ich kann nicht glauben, dass Jemand als Lebensziel hat, sich mit Fotos zu<br />

befriedigen, sondern er ist so gehemmt, dass er sich allenfalls mit Fotos begnügt. Aber wenn er das<br />

oft macht, dann ist <strong>die</strong> Chance gross, dass er es einmal erleben will, weil Bilder eine starke Wirkung<br />

auf uns haben. Wenn sich dann eine Chance ergibt, dass er auch versucht, das umzusetzen. Zudem<br />

haben <strong>die</strong> Bilder einen gewissen Erlaubnischarakter. Er darf, es ist nicht so schlimm. Auch <strong>die</strong> Tendenz,<br />

dass sich Pädophile outen, dass sie sich zusammenschliessen, Selbsthilfegruppen gründen. Da<br />

reden sie sich schon ein, dass sie gut sind zu den Kindern, dass sie es gut meinen <strong>und</strong> sie bestätigen<br />

sich gegenseitig. Das ist etwas Gefährliches. Ich glaube aber nicht, dass irgendjemand durch <strong>die</strong> Bilder<br />

gefährdet ist. Dass Sie zum Beispiel auf den Geschmack kommen würden. Ich musste das mal<br />

schauen <strong>und</strong> ich fand das sehr widerwärtig. Da geht es mir auch nicht gut dabei. Aber wenn Jemand<br />

eine solche Tendenz hat <strong>und</strong> solche Wünsche hat, dann kann der Konsum zu mehr Aktivität führen.<br />

CB: Bei den Newsgroups oder Chats ist es ja noch dramatischer, weil sie sich durch <strong>die</strong> Dialoge<br />

bestätigen.<br />

Ich kenne das nur vom Hörensagen, aber da scheint Einiges zu laufen. Das ist aber wohl eher eine intellektuellere<br />

Schicht von Pädophilen. Es gibt sicher auch eine Oberschicht an Pädophilen, <strong>die</strong> sich<br />

sehr gut decken <strong>und</strong> schützen <strong>und</strong> <strong>die</strong> auch ihre Handlungen sehr gut vorbereiten <strong>und</strong> selten auffliegen.<br />

Was ich so mitbekomme, sind Jugendliche, <strong>die</strong> von zu Hause abhauen <strong>und</strong> auf <strong>die</strong> Kurve gehen.<br />

Dann sind sie so einen Monat verschw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> man weiss nicht, wo sie gelebt haben. Mit der Zeit<br />

erfährt man, dass sie von einem zum anderen gereicht wurden. Das sind Leute, <strong>die</strong> untereinander<br />

Kontakt haben, der erste gabelt ihn auf <strong>und</strong> „probiert ihn aus“, hat ihn ein paar Tage <strong>und</strong> geht dann in<br />

eine Bar <strong>und</strong> übergibt ihn einem Bekannten. Das ging dann immer gut, alle gaben ihm Geld, gutes<br />

Essen, er wurde „ernst“ genommen, er wurde halbwegs respektiert, musste aber alles mitmachen. So<br />

hat er einen Monat in Saus <strong>und</strong> Braus gelebt <strong>und</strong> wir konnten ihn nicht fassen, weil er durch diverse<br />

Villen gereicht wurde <strong>und</strong> wir haben ihn dann auf der Strasse wieder gef<strong>und</strong>en. Er sagt aber nichts<br />

aus, weil er weiss, dass er alle <strong>die</strong>se Leute wieder kontaktieren kann, wenn er das nächste mal auf<br />

<strong>die</strong> Kurve geht. Zudem hat er Angst, als sowieso unglaubwürdiger Kleinkrimineller. Auch in seinem<br />

Gefühl das starke Moment, nicht mit <strong>die</strong>sem Staat zu kooperieren, der mich nur einsperrt oder ins<br />

Heim steckt. So will er <strong>die</strong> Leute nicht ausliefern, weil sie ja auch „gut“ zu ihm waren <strong>und</strong> so kommt es<br />

nicht zu einer Anzeige.<br />

CB: Meinen Sie, dass wenn <strong>die</strong> Polizei sich da in ihren Bemühungen ein wenig konzentrieren<br />

würde, dass man dann an <strong>die</strong>se Oberschichtspädophilen ran kommen würde?<br />

Ich denke schon, dass es sehr schwer ist, da ran zu kommen. Die haben halt auch viel bessere Möglichkeiten,<br />

können auch ins Ausland gehen um dort etwas zu erleben. Es sind ja mehr Zufälle, dass da<br />

mal etwas auffliegt <strong>und</strong> dann hat man plötzlich einen ganzen Ring. Meist halten sie eben auch untereinander<br />

völlig dicht <strong>und</strong> was ich so gehört habe, sind sie enorm vorsichtig, weil sie auch <strong>die</strong> Untersuchungsstrategien<br />

kennen. Die Jungen wissen zum Teil auch gar nicht, wo sie genau gewesen sind.<br />

Auch <strong>die</strong> Übergaben werden sehr professionell gestaltet. Hochkriminell, aber sehr ge<strong>die</strong>gene Leute.<br />

Sie können das auch so gut beherrschen, weil sie sich eindenken können in das, was verboten ist.<br />

Sie sichern sich sehr gut ab. Es wäre dann sehr schwer zu beweisen, dass ein Junge einige Nächte<br />

bei ihm zu Hause gewesen ist <strong>und</strong> dass wirklich etwas passiert ist <strong>und</strong> was passiert ist. Und eine Anklage<br />

ist für <strong>die</strong> Polizei auch riskant, weil wenn sie es nachher nicht beweisen können, bekommen sie<br />

böse Rüffel. Das polizeiliche ist nicht mein Fach, ich weiss da zu wenig, aber von den Jugendlichen<br />

weiss ich, dass sie nur zum Bahnhof gehen müssen <strong>und</strong> dann werden sie abgeschleppt. Und beim<br />

Bahnhof hat <strong>die</strong> Polizei begonnen, viel rigoroser zu kontrollieren <strong>und</strong> das hat zu einer Verschiebung<br />

geführt. Da läuft nun nicht mehr so viel.


107<br />

CB: Das waren vor allem jugendliche Stricher? Auch Drogen?<br />

Nicht mal schlimm, das sind eher Schüler, <strong>die</strong> aus dem Timeout rausgeworfen wurden, auf der Strasse<br />

stehen, sich <strong>die</strong> Zeit vertreiben, von zu Hause auf Kurve wollen. In Zürich hat es so eine ganze Jugendszene<br />

an der Zähringerstrasse. Da hat es eine Bar, wo viele jugendliche Stricher verkehren. Die<br />

ist eigentlich ab 18, aber <strong>die</strong> Szene dehnt sich weit auf <strong>die</strong> Strasse aus <strong>und</strong> wenn ein Jugendlicher da<br />

stehen bleibt, wird er angesprochen. Selbst wenn er hässlich ist, aber offenbar gibt es für jeden Geschmack<br />

etwas. Aber das sind dann schon eher Jugendliche, ab 13, 14 nach oben. Gesetzlich schon<br />

geschützt, aber auch selber sehr aktiv. Die wissen dann auch schnell mal, was man mitmachen muss,<br />

was man können muss. Die wollen auch manchmal aus denen noch Geld rausdrücken. Nicht dass sie<br />

keine Ahnung hätten, worauf sie sich einlassen. Das ist nicht wie ein Überfall auf Kinder. Die wissen,<br />

dass sie da zu Geld kommen, zum Teil suchen sie auch sexuelle Erlebnisse, was sie nicht ganz<br />

zugeben können. Das Geld kann da auch als Tarnung <strong>die</strong>nen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Erlebnisse sind auch nicht immer<br />

schlecht. Sie finden manchmal auch sehr nette, <strong>die</strong> gar nicht viel wollen, sie nur nackt sehen oder<br />

im selben Bett schlafen. Dann fühlen sie sich recht respektiert <strong>und</strong> bekommen noch Geschenke <strong>und</strong><br />

dann haben sie das Gefühl, sie hätten den grossen Deal gemacht. Das sind aber auch meist Jugendliche,<br />

<strong>die</strong> zu kurz gekommen sind, sie suchen auch Beziehungen, Väter, das sie dann in einem ungünstigen<br />

Umfeld so halbwegs finden. Also glücklich ist es schon nicht.<br />

CB: Was meinen Sie denn zu missbrauchten Kleinkindern in der Kinderpornografie? Würden<br />

Sie das unter dem Aspekt der Pädosexualität oder des Sadismus anschauen?<br />

Das ist schon widerwärtig. Ich hatte auch noch nie einen Klienten, der was mit Babys wollte. Es ist natürlich<br />

<strong>die</strong> kleinste Form von Lebewesen, <strong>die</strong> wehrloseste. Das ist schon sehr ausgefallen. Ich kann<br />

mir das als pädophile Variante schon vorstellen, ich denke aber, dass eine gewisse Verrohung damit<br />

zusammen hängen muss. Da werden noch zusätzliche Schranken überschritten. Da noch ein Lebewesen<br />

zu quälen, da muss noch eine andere Pathologie dazu kommen. Da müssen Hassgefühle gegen<br />

Babys da sein. Das müsste man in den Lebensgeschichten erforschen, was da abreagiert wird.<br />

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das häufig ist.<br />

CB: Sie haben ja anfangs das neuere Phänomen des neuen Kitzel-Suchens erwähnt. Das wäre<br />

auch eine Variante dafür?<br />

Ja, das ist auch eine Variante, so quasi Perversionen kultivieren. Alles einmal erlebt haben. Es muss<br />

ja auch eine rechte Anzahl von so Folterstudios geben. Zu Beginn hatte ich da nicht so bedenken,<br />

weil ich dachte, <strong>die</strong> können sich ja schon schlagen, wenn sie sich einig sind. Aber das Wesen <strong>die</strong>ser<br />

Sachen ist ja, dass es nie zu einer wirklichen Befriedigung kommt. Man bleibt in einer Abhängigkeit zu<br />

<strong>die</strong>sen Geschehnissen. Man will es wiederholen, perfektionieren. <strong>Der</strong> Wunsch <strong>die</strong>ser Menschen ist<br />

schon recht gross, mit noch ausgefalleneren Ideen Erfüllung zu finden.<br />

CB: Ist das Sucht?<br />

Ja, vielleicht, aber es liegt in der Natur von gewissen Perversionen, dass sie nie zu einer Befriedigung<br />

kommen. Das hat etwas Trostloses. Einer, der zu Dominas ging, hat mir einmal gesagt, er müsse immer<br />

wieder dahin gehen, aber immer, wenn er raus kommt, ist er am Boden zerstört <strong>und</strong> beschämt.<br />

Aber kaum ist er wieder zu Hause, baut sich <strong>die</strong> Phantasie wieder auf. Dann sucht er wieder eine andere<br />

<strong>und</strong> denkt, mit der wäre es besser.<br />

Und natürlich ruft alles, was mit Sexualität zu tun hat, nach Wiederholung. Auch im ganz normalen<br />

Bereich ist man ja nicht nach einmal zufrieden. Wenn das aber mit sadistischen Elementen gekoppelt<br />

ist, ist das doch eine gefährliche Sache. Sexualität ist immer auch ein wenig aggressiv, das kann man<br />

nicht wegdenken, aber wenn das Sadistische darin gross wird, dann ist <strong>die</strong> Befriedigung nie da. Man<br />

will immer mehr, immer anders. Das ist so ein Publikum, das so in Partyszenen verkehrt, meist auch<br />

Kokain nimmt, um zu steigern. Die sind da wahnsinnig kreativ <strong>und</strong> sie geben sich auch Tipps für Neues.<br />

Das sind nicht ganz ungefährliche Phantasien. Beziehungsmässig ist da nichts da, es ist emotional<br />

nicht ausgefüllt. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass einer mit einem Baby in <strong>die</strong>sem Kontext<br />

eine Beziehung aufbauen könnte.<br />

CB: Ja, das passt ja gar nicht zu dem Klienten, den sie anfangs beschrieben haben. Denken<br />

Sie, dass das Pädophile in Kombination mit dem Sadistischen eine eher seltene Kombination<br />

darstellt?<br />

Ich kenne Pädophile, <strong>die</strong> ganz schockiert sind über Kinderpornografie <strong>und</strong> das eine grosse Schweinerei<br />

finden. Es gibt auch pädophile Vereine, <strong>die</strong> sich da ganz klar abgrenzen wollen. Ja, aber es gibt<br />

natürlich alles, auch wenn ich denke, dass so grosse Quälereien, wie auch der Kannibale da aus<br />

Deutschland, dass das eher selten ist. Gut, heute besteht natürlich <strong>die</strong> Möglichkeit, dass sich seltene


108<br />

Neigungen finden. Früher wäre das ein grosser Zufall gewesen. Man kann ja nicht in ein Lokal gehen<br />

<strong>und</strong> sagen, ich will gerne einen fressen oder ich will ein Baby, dann würden dich <strong>die</strong> Leute erschlagen.<br />

Ich denke nicht einmal, dass der Kannibale da einfach einen gefressen hätte, wenn er keinen Freiwilligen<br />

gef<strong>und</strong>en hätte. <strong>Der</strong> brauchte einen, der ihm entspricht. Und wenn es keine Tötungen gibt, sind<br />

solche perverse Spiele ja auch strafrechtlich nicht relevant. Da dachte ich eben lange, dass mich das<br />

gar nichts angeht, das ist ja der liberale Gedanke <strong>und</strong> wenn ja beide Spass haben dabei. Früher hat<br />

man ja auch Homosexuelle verfolgt <strong>und</strong> das hat man alles aufgelöst. Bei <strong>die</strong>ser Explosion aber <strong>die</strong>ser<br />

doch ausgefallenen Sexualpraktiken, <strong>die</strong> auch laut propagiert werden können, vermute ich schon,<br />

dass wie ein Abfallprodukt davon auch illegale Praktiken gefördert werden. In einer Gesellschaft, in<br />

der generell eine Lockerung stattfindet, fühlen sich <strong>die</strong> halt auch wohler. Die Einsicht ist nicht mehr so<br />

ganz vorhanden, dass das eigentlich verboten ist. Das ist dann noch ein bisschen verboten. Und das<br />

ist dann gefährlich <strong>und</strong> heikel.<br />

Alle meine Jungen in der Therapie, <strong>die</strong> schauen sich auch all <strong>die</strong> Sendungen im Fernsehen zu allen<br />

möglichen Formen der Perversionen an. Zu Beginn hat man das unter dem aufklärerischen Aspekt<br />

auch gut gef<strong>und</strong>en, aber inzwischen merkt man, dass es <strong>die</strong> Jugend übermässig beschäftigt. Sie fragen<br />

sich, ob man <strong>die</strong>s <strong>und</strong> das nun auch ausprobieren muss, <strong>und</strong> zwar in einem Lebensalter, in dem<br />

sie noch gar keine eigene, gefestigte Sexualität haben. Bei Berufsschülern ist das zum Teil recht üblich,<br />

dass man alles mal ausprobiert hat, homo <strong>und</strong> hetero <strong>und</strong> alles. Einer hat mir erzählt, dass er mal<br />

mit einem Schaf einen Versuch gemacht hat. Man muss alles probiert hat. Sensation seeking, das bei<br />

Jugendlichen sowieso stark ausgeprägt ist. Wenn das Angebot aus der Gesellschaft so stark ist, wirkt<br />

das anregend. Ich will nicht sagen, dass das jeden betrifft. Ich stelle einen grossen Unterschied fest,<br />

ob ich Jugendliche aus dem Kreis 4 oder aus dem Oberland begutachte. Auch <strong>die</strong> vom Land haben<br />

viel Blödsinn im Kopf, aber über Sexualität wissen sie mehr so was vom Fernsehen. Aber im Kreis 4<br />

liegen Präservative in jedem Hinterhof, Pornohefte liegen herum, in den Fenstern sitzen nackte Frauen,<br />

dann hat er ein anderes Verhältnis dazu, das ist ja auch normal. Aber er hat dann eher <strong>die</strong> Idee,<br />

von all dem mal zu naschen. Da gibt es dann ganz wilde Sachen, auch dass ein 14-Jähriger eine 12-<br />

Jährige vergewaltigt. Nicht alle, <strong>die</strong> dort wohnen, machen das <strong>und</strong> auch denen, <strong>die</strong> es machen, muss<br />

man ganz klar sagen, dass es verboten ist, aber generell liegt schon viel mehr in der Luft. Es ist auch<br />

viel schwieriger zu erklären, dass das verboten ist, das geht bei einem Jungen aus dem Tösstal viel<br />

leichter.<br />

CB: Wenn wir nochmals auf Pädos zurückkommen können. Ich habe nun von vielen Formen<br />

von Pädosexualität gehört mit unterschiedlichen Ausdruckformen <strong>und</strong> Hintergründen. Sind da<br />

<strong>die</strong> Störungen einfach anders, oder wie kommen <strong>die</strong>se Unterschiede zustande?<br />

Die Störungen sind anders. <strong>Der</strong> einen ist gehemmter als der andere. Bei einem ist <strong>die</strong> Beziehungsvorstellung<br />

im Vordergr<strong>und</strong>, bei anderen ist das rein Sexuell ausgeprägter. Sie wollen vom Kind befriedigt<br />

werden. Häufig auch der Wunsch, oral befriedigt zu werden. Ein gewisser Demütigungsaspekt<br />

ist da auch vorhanden.<br />

Kinder wecken auch bei der normalen Bevölkerung viele Seiten. Sie können lustig sein, herzig sein,<br />

sie können einen erheitern, sie können erotisch sein. Den einen interessiert das eine mehr als das<br />

andere. Man kann nicht sagen, dass sich der eine voll für Kinder <strong>und</strong> der andere gar nicht für Kinder<br />

interessiert. Da gibt es <strong>die</strong> ganze Palette auch im normalen Leben. <strong>Der</strong> Übergangsbereich ist gross<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong>ser Übergangsbereich interessiert uns ja. Das sind Leute, <strong>die</strong> in gewissen Situationen gefährdet<br />

sein können. Es kann sein, dass sie im Moment schlechte Handlungen begehen, <strong>die</strong> schädlich<br />

<strong>und</strong> irritierend sein können für Kinder, aber sie können auch relativ leicht wieder Abstand bekommen,<br />

da sie durchaus auch andere Interessen haben <strong>und</strong> wenn es ihnen gelingt, <strong>die</strong>se Interessen durchzusetzen,<br />

dann ziehen sie es sogar vor. Aber wenn jemand völlig auf Kinder fixiert ist in seiner Entwicklung<br />

<strong>und</strong> nur mit Kindern <strong>die</strong> Erotik spielt, so <strong>die</strong> ganz klassischen Pädophilen. Das sind auch <strong>die</strong>, <strong>die</strong><br />

sich ständig wiederholen, <strong>die</strong> uns nicht loslassen, <strong>die</strong> Hartnäckigen. Die können nicht anders <strong>und</strong> es<br />

sind <strong>die</strong>, <strong>die</strong> am meisten Sorgen machen.<br />

CB: Die Übergänge sind fliessen, aber es beginnt auch einmal.<br />

Ja, in der eigentlichen Handlung, ob jemand das realisiert oder nicht. Es gibt noch viele, <strong>die</strong> Kinder ja<br />

herzig finden <strong>und</strong> irgendwo dran denken, aber sie machen es nicht, weil man das einfach nicht tut.<br />

CB: Dann kann man auch gar nicht von einer Prävalenz sprechen?<br />

Einige können wirklich nicht anders, aber das sind nicht extrem viele. Meist haben <strong>die</strong> fixierten auch<br />

ganz bestimmte Vorstellungen <strong>und</strong> haben es drum auch nicht einfach, an <strong>die</strong> Kinder ihrer Wahl ranzukommen.<br />

<strong>Der</strong> findet vielleicht „sein Kind“ nie, bleibt so ein unglücklicher Mensch, der aber auch


109<br />

nicht straffällig wird. <strong>Der</strong> breit Interessierte hat es da leichter. Es muss nicht mal sein, dass er das bei<br />

der Kinderpornografie findet.<br />

CB: Was halten Sie denn von den Strafen von ein paar Tausend Franken, <strong>die</strong> ausgesprochen<br />

werden bei Besitz von Kinderpornografie? Bringt das was?<br />

Ja, Geld für den Staat... Die Untersuchungen waren wohl aber teurer. Nein im ernst, das ist ein kleiner<br />

Wink, dass das verboten ist <strong>und</strong> das wird schon notiert. Für manche ist das nicht klar <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gesellschaft<br />

setzt da ein Zeichen. Vor allem ist oder war auch <strong>die</strong> Unterscheidung nicht klar, ob Material nun<br />

heruntergeladen wird oder nicht. Dass das ein Unterschied wäre, das verstanden doch viele gar nicht.<br />

Nun wissen sie das, aber <strong>die</strong> werden da auch neue Tricks finden.<br />

Die Frage ist schon, was ist los mit denen. Man sagt immer, dass seien brave Familienväter <strong>und</strong> Angestellte.<br />

Ja sicher, der Schein wird so sein, aber wie geht das in <strong>die</strong>sen Ehen, was läuft da ab, können<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Ehe führen? Sind es verhinderte Pädophile, <strong>die</strong> da heimlich schauen?<br />

CB: Kennen Sie Pädophilie, <strong>die</strong> in einer Ehe leben <strong>und</strong> wissen Sie, wie sie ihre Ehe leben?<br />

Ja, aber das waren aktive Pädophilie, <strong>die</strong> einfach noch eine Frau gehabt haben <strong>und</strong> <strong>die</strong> Frauen finden,<br />

dass der halt da noch was nebenbei brauche, dann lässt er mich in Ruhe. Ich kenne auch solche<br />

mit eigenen Kindern, <strong>die</strong> sie aber in Ruhe lassen. Einer sagte mal, dass er das auswärts ausleben<br />

müsse, damit er <strong>die</strong> eigenen Kinder in Ruhe lasse. Das fand er nicht gut. Die waren ihm zu nahe.<br />

Auch Sex-Touristen, <strong>die</strong> das dann im Ausland ausleben. Auch mit jugendlichen Sex-Touristen, <strong>die</strong><br />

durch <strong>die</strong> Schweiz wandern.<br />

CB: Woher kommen denn <strong>die</strong>?<br />

Polen, Russland, Ostländer. Ich weiss allerdings nicht, wie jung <strong>die</strong> sind. Es gab schon Untersuchungen,<br />

wo sie gemerkt haben, dass da ganze Busse kommen mit so 30 jungen Frauen <strong>und</strong> Männer. Die<br />

werden vorangekündigt <strong>und</strong> sind schon im Voraus gebucht. Die sind dann solange da, wie ihr Touristenvisum<br />

gilt. In <strong>die</strong>ser Zeit werden sie umhergereicht. Aber wohl sind <strong>die</strong> nicht ganz jung, aber zutrauen<br />

würde ich dem Milieu da alles. Ich weiss einfach, dass vor allem bei der männlichen Prostitution<br />

eine ganze Menge einfach nur durchreist. Das ist dann dasselbe, das ich schon vorher erwähnte,<br />

<strong>die</strong> Freier sind da immer enttäuscht <strong>und</strong> glauben immer, mit einem anderen wäre es besser. Die Freier<br />

gehen nicht immer zum selben Jungen, auch weil dann <strong>die</strong> Anonymität geknackt würde. Sie sagen<br />

schon, dass sie eine Beziehung suchen, aber das sagen sie nur, <strong>die</strong> Angst vor dem Ausgeliefert-Sein<br />

ist ihnen zu gross. Die gehen dann auch meist in anonyme Hotels.<br />

CB: Man hört doch oft, dass bei den Pädophilen vor allem <strong>die</strong> mangelnde Körperbehaarung<br />

wichtig ist, dass das Kind aufhört Kind zu sein, wenn sich <strong>die</strong> Körperbehaarung zeigt.<br />

Das ist wahrscheinlich aber auch ein Problem der Ermittlungen. Die Leute, <strong>die</strong> eben wirklich Kinder<br />

wollen, <strong>die</strong> sind gefährdeter, weil sich das schlechter findet. Und es ist auch allgemein verpönter. Es<br />

gibt schon <strong>die</strong>, <strong>die</strong> auf Jugendliche stehen. Aber schon noch nicht ausgewachsen. Aber es gibt alles.<br />

Aber <strong>die</strong>, <strong>die</strong> auf Jugendliche stehen, haben es schon leichter, dem kann man auch in der Therapie<br />

beibringen, dass er einen 18-Jährigen nimmt. Sein Zustandsbild hat sich nicht verändert, aber es ist<br />

zumindest im legalen Bereich. Das ist auch eine Einsicht, dass er vorsichtig sein muss. Das wird dann<br />

oft als grosser Erfolg verkauft, aber es ist eine kleine Anpassungsleistung. Es ist sicher nichts Gesichertes,<br />

weil <strong>die</strong> Beziehungen halten sowieso nicht so lang. Ich habe jetzt grad einen erlebt, der ist älter<br />

als ich, der hat in Sri Lanka einen Lover gef<strong>und</strong>en. <strong>Der</strong> Junge hat ihm gesagt, er wolle ihn als Vater<br />

<strong>und</strong> der Mann geht nun dorthin <strong>und</strong> holt ihn. Er will ihn nicht adoptieren, sondern als Partner hierhin<br />

bringen. Er ist total ausser Rand <strong>und</strong> Band <strong>und</strong> völlig verknallt. <strong>Der</strong> Junge will doch einfach in <strong>die</strong><br />

Schweiz, weil er sich hier ein besseres Leben erhofft. <strong>Der</strong> ist aber wohl schon um <strong>die</strong> 20. Aber eben,<br />

der Altersabstand, das gibt an sich schon Probleme, <strong>und</strong> das hält sicher nicht an. Wenn das anhält, ist<br />

er vorübergehend angepasst, aber das ist brüchig.<br />

CB: Wenn man <strong>die</strong> geschichtliche Betrachtung noch anschaut, haben Sie das Gefühl, dass<br />

sich da was verändert hat, gab es schon immer <strong>die</strong>selben Phänomen <strong>und</strong> wir haben nun einfach<br />

andere Formen?<br />

Zum einen ist es schon ein Phänomen, das in dekadenten Gesellschaften immer verstärkt aufgetreten<br />

ist. In reichen Gesellschaften wird der Kitzel schon vermehrt gesucht. Sich an etwas Jungem <strong>und</strong><br />

Hübschen zu vergnügen, ist da nahe liegend. Das ist in der heutigen Zeit schon auch gegeben, wir<br />

sind ja unglaublich reich. Man kann sich alles erlauben <strong>und</strong> alles kaufen, warum sollte man sich nicht<br />

ein wenig Liebe kaufen. Es gibt ja nur noch ganz wenige Bereiche, das man nicht legal konsumieren<br />

kann. Sei es, dass das Illegale dann noch an Attraktivität gewinnt oder dass man vergisst, dass es


110<br />

noch etwas Illegales gibt. Das ist wie wenn <strong>die</strong> ganze Schweiz überall Hanfläden aufmacht <strong>und</strong> offiziell<br />

ist Cannabis verboten. Das ist der Jugend meist nicht klar, <strong>und</strong> da kann man nicht sagen, das<br />

Verbotene sei noch der grosse Kitzel. Die begreifen gar nicht, dass das verboten ist <strong>und</strong> sind entsetzt,<br />

wenn da ein Polizist kommt. Die sagen dann, der Polizist komme da nicht draus. Da haben wir eine<br />

Verwirrung geschaffen. Ein ähnliches Phänomen findet man im sexuellen Bereich. Wenn man alles<br />

zulässt, auch mit den Publikationen <strong>und</strong> Sexanzeigen, <strong>die</strong> Zeitungen sind da voll davon. Das Gefühl,<br />

etwas Verbotenes zu tun, ist sicher nicht mehr so stark wie früher. Ich denke, dass einfachere Länder<br />

das Phänomen weniger kennen, es wird vor allem nicht so kultiviert. In archaischen Gesellschaften ist<br />

es recht häufig, aber eher innerfamiliär. Die liegen alle in einem Bett, zusammen im Guten <strong>und</strong> im<br />

Schlechten. Die Schranke hat ja dann erst <strong>die</strong> bürgerliche Gesellschaft gesetzt. Die Schranke hat<br />

man ja dann im 68 nieder reissen wollen <strong>und</strong> hat es auch getan. Vorher war ja <strong>die</strong> Gesellschaft ausserordentlich<br />

prüde <strong>und</strong> man hatte wenig Wissen über <strong>die</strong> Sexualität. Im Zusammenhang mit der Aufklärung<br />

ist auch das Perverse mit an <strong>die</strong> Oberfläche gekommen. Das gab es sicher früher auch, das<br />

war aber sehr viel versteckter. Die Selbstverständlichkeit, das einfach hinzunehmen, ist sicher gewachsen.<br />

Das Internet ist sicher auch ein Teil, der dazu beigetragen hat, dass man heute solche Informationen<br />

einfacher austauschen kann. Man ist nicht mehr geb<strong>und</strong>en, in einer Grosstadt zu leben,<br />

um Gleichgesinnte zu finden. Man kann auch im Appenzell oder im <strong>Bern</strong>er Oberland leben <strong>und</strong> man<br />

findet <strong>die</strong> Kollegen, mit denen man austauschen kann <strong>und</strong> <strong>die</strong> du an deinen Vergnügungen teilnehmen<br />

lassen kannst. Das ist eine neue Dimension. Früher war <strong>die</strong> Landbevölkerung davon ausgeschlossen.<br />

Zumindest von der Kultivierung waren sie ausgeschlossen. Dass ein Knecht einen Jungen<br />

oder ein Mädchen missbrauchte, das hat es immer gegeben, aber es waren isoliertere Ereignisse, <strong>die</strong><br />

er nicht stilisieren konnte. Im Moment ist der Trend stark, <strong>die</strong>se Sachen auch noch als etwas Grossartiges<br />

zu verkaufen.<br />

CB: Folgendes gehört nicht wirklich in Ihren Bereich, wenn Sie aber <strong>die</strong> Gesetzesartikel in Sachen<br />

Kinderpornografie betrachten, oder auch zu sexuellen Handlungen mit Kindern im weiteren<br />

Sinn, würden Sie dann daran etwas ändern aus Ihrer Sicht, wenn Sie könnten?<br />

Ich halte es für wichtig, dass es ein Straftatbestand ist <strong>und</strong> <strong>die</strong> Sache auch evident bleibt. Da muss <strong>die</strong><br />

Gesellschaft schon regelnd eingreifen. Man kann nicht einfach sagen, wir setzen unsere Kinder allem<br />

aus. Denn <strong>die</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschädigung ist eine Tatsache. Das ist nicht immer gleich, einige überstehen<br />

das ganz gut <strong>und</strong> brauchen wenig Hilfe. Auch nicht jeder sexuelle Übergriff ist so ein einschneidendes<br />

Ereignis. Das ist dann eher ein Problem der Opferhilfe heute, dass sie aus allem eine Riesensache<br />

machen muss. Man kann da nicht adäquat auf den Menschen eingehen <strong>und</strong> seine eigene Aktivitäten<br />

bei den Handlungen einbeziehen. Aber gr<strong>und</strong>sätzlich müssen Jugendliche schon geschützt<br />

sein. Sie können nicht alles selbst entscheiden. Sie können in Situationen geraten, in denen sie nicht<br />

abschätzen können, was mit ihnen passiert. Danach sind sie in einem Wulst von Irritationen, <strong>die</strong> ungünstig<br />

sind. Nicht immer gleich stark, aber verboten sein muss es. Auf der anderen Seite muss man<br />

schon sehen, dass gewisse Täter ihren Tendenzen ausgeliefert sind. Sie können höchstens, auch als<br />

therapeutisches Ziel, auf <strong>die</strong> Handlungen verzichten. Sie werden so quasi Mönch. Und sie verzichten<br />

zum Teil nur aus Angst vor einer Strafe. Deshalb muss man <strong>die</strong> Strafbarkeit nicht unterschätzen.<br />

Deshalb funktionieren bei Pädophilen auch <strong>die</strong> angedrohten Strafen oft. Das Angedrohte wirkt oft besser<br />

als <strong>die</strong> durchgeführte Strafe. Dann gibt es natürlich auch <strong>die</strong> Pädophilen, <strong>die</strong> Übergriffe im Zusammenhang<br />

mit Lebenskrisen machten, oder <strong>die</strong>, welche den Kitzel suchen. Da muss man dann<br />

schauen, wie man <strong>die</strong> therapeutisch auffangen kann, bei Einigen klappt das. Da sind auch Verlagerungen<br />

möglich, auch wenn <strong>die</strong> fragil bleiben.<br />

Die fünf Jahre Knast, <strong>die</strong> Pädophile bekommen, nützen natürlich gar nichts, im Gegenteil, das gilt<br />

aber auch für andere Straftaten. Sie sind nachher schlechter resozialisierbar. Unter Umständen geschwächt,<br />

was den Rückfall wahrscheinlicher macht. Deshalb sind angedrohte, aber lange Strafen<br />

angemessener. Es gibt auch therapeutische Begleitungen, <strong>die</strong> über Jahre laufen, zwar niederfrequent,<br />

wenn er darauf anspricht. Aber als allgemeine Regel kann man das nicht formulieren. Sie müssen<br />

es schon ernst nehmen <strong>und</strong> den zusätzlichen Schutz brauchen.<br />

CB: Wie steht es mit den Therapieformen? Gibt es da bessere <strong>und</strong> schlechtere?<br />

Es gibt einfach einige Prinzipien, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Therapien erfüllen müssen. Es darf nicht rein analytisch ausgerichtet<br />

sein, das heisst man darf <strong>die</strong> Aktivitäten in der Therapie nicht dem Klienten überlassen. Es<br />

muss auch erzieherische <strong>und</strong> moralische Aspekte beinhalten, <strong>die</strong> der Therapeut übernehmen muss.<br />

Das lässt sich in den meisten Therapieformen durchführen. Es dürfen auch keine Programme abgespult<br />

werden. Das ist zwar im Moment modern, aber es ist zuwenig individuell. Und es fokussiert den<br />

eigentlichen sexuellen Übergriff zu stark. Das Delikt muss schon einbezogen <strong>und</strong> auch stark thematisiert<br />

werden, wenn sich <strong>die</strong> Therapie aber nur auf das Delikt beschränkt, dann wird ein Bereich im<br />

Leben des Pädophilen, der an sich schon völlig isoliert ist <strong>und</strong> abgespalten, weiterhin isoliert behan-


111<br />

delt. Jede therapeutische Intension zielt aber darauf ab, dass man das Bestehende weiterentwickelt,<br />

dass bessere Möglichkeiten entdeckt werden, dass der Fetischist auch einmal zum Lebewesen<br />

kommt. Bei Pädophilen wäre es <strong>die</strong> Hoffung, dass sie sich in eine ältere Generation hineinentwickeln<br />

können. Das ist aber erfahrungsgemäss selten der Fall. Aber es kommt schon vor. Die Regressiven<br />

sind sogar relativ leicht therapierbar. Wenn sie <strong>die</strong> Umgebung geordnet haben, sind sie eigentlich aus<br />

der Gefahrenzone draussen. Bei den so genannten Kernpädophilen, <strong>die</strong> nichts anderes im Kopf haben,<br />

für <strong>die</strong> ist der therapeutische Erfolg eine Verarmung. Sie sind eingeschränkt im Leben, sie müssen<br />

verzichten. Wenn sie gescheit <strong>und</strong> empfindsam sind, können sie eventuell nachvollziehen, dass<br />

es für das Kind ungünstig ist. Ein Lehrer mit <strong>die</strong>sen Fähigkeiten kann zum Beispiel sagen, dass er<br />

freiwillig aufs Schule geben verzichtet, weil er dauernd in Versuchung gerät. Dann wird er halt Nachtwächter<br />

in einer Fabrik <strong>und</strong> kontrolliert Maschinen. Er muss bereit sein, das Milieu zu wechseln <strong>und</strong><br />

das ist manchmal erreichbar.<br />

CB: Dann wäre der Fall da letzthin, bei dem sie einem pädosexuellen Lehrer nicht das Patent,<br />

sondern das Ausbildungsdiplom entzogen haben, so dass er nicht mehr in der Erwachsenenbildung<br />

tätig sein konnte, wie er das wollte, ein unvernünftiger Entscheid?<br />

Ja, wenn man das so hört, sicher. Bei Lehrern soll man Berufsverbot verhängen, sonst nichts. Ich hatte<br />

in Zürich schon einige Lehrer, <strong>die</strong> haben nachher alle in anderen Bereichen einen Platz gef<strong>und</strong>en.<br />

CB: Aber Sie denken schon, dass Pädophilie, <strong>die</strong> das früh bemerkt haben, auch absichtlich Berufe<br />

wählten, bei denen sie mit Kindern zu tun haben?<br />

Natürlich, das ist nahe liegend, wenn sie es früher entdeckt haben. Das ist nicht bei allen so klar. Es<br />

gibt durchaus Leute, <strong>die</strong> sich das lange nicht eingestehen können, <strong>die</strong> so ängstlich sind <strong>und</strong> <strong>die</strong> erst<br />

später, wenn sie schon ein wenig Erfolg im Leben gehabt haben, auf <strong>die</strong> Suche gehen. Das ist ähnlich<br />

bei den Homosexuellen. Das kann lange verdrängt sein. Aber viele suchen den Beruf schon in einem<br />

Bewusstsein, mit Kindern zusammen sein zu wollen. Und sie können es ja meist auch gut mit Kindern,<br />

sie finden leicht Zugang zu Kindern. Es sind ja meist nicht <strong>die</strong> bösen Männer <strong>und</strong> darum gehen <strong>die</strong><br />

Kinder denen auch so schnell auf den Leim. Deshalb kann man <strong>die</strong> Kinder auch so schwer warnen.<br />

Da müsste man ja sagen, dass sie vor jedem Fremden, der sie grüsst, davon rennen sollen. Wenn<br />

das funktionieren würde, dann wäre das Kind so verschüchtert, dass es ein gestörtes Verhalten entwickeln<br />

würde. Darum sind auch <strong>die</strong> präventiven Ansätze bei den Kindern so schwierig.<br />

CB: Herr Reinfried, ich bedanke mich herzlich für das ausführliche <strong>und</strong> informative Gespräch!


112<br />

4. Interview mit der Gruppe Kinderschutz der Stadtpolizei Zürich<br />

Funktion:<br />

Die Kinderschutz-Gruppe der Stadtpolizei Zürich ist zuständig für alle Delikte, <strong>die</strong> Minderjährige<br />

betreffen, vorwiegend Delikte gegen <strong>die</strong> sexuelle Integrität.<br />

Das Gespräch fand am 30.04.04 in den Räumlichkeiten der Stadtpolizei statt <strong>und</strong> dauerte zirka drei<br />

St<strong>und</strong>en. Gesprächspartner waren Rolf Nägeli <strong>und</strong> fünf seiner MitarbeiterInnen.<br />

CB: Wenn sie gegen <strong>Pädosexuelle</strong> ermitteln, fallen ihnen Gemeinsamkeiten bei den Verdächtigten<br />

auf?<br />

Was uns zum Beispiel auffällt ist, dass bei jedem rechten <strong>Pädosexuelle</strong>n, der h<strong>und</strong>erte von Videos zu<br />

Hause hat, h<strong>und</strong>ertprozentig mindestens eine Kassette zur Miniplayback-Show vorhanden ist. Generell<br />

haben sie Kindersendungen zu Hause. Auch Kassetten von beispielsweise Michel aus Löhneberg,<br />

es muss nicht mal was Sexuelles oder so sein. Die stehen auf Kindersendungen. Auch fast alle haben<br />

FKK-Heftchen, sie machen da Ausdrucke. Zudem haben viele auch Jelmolikataloge oder ähnlich, in<br />

denen sie dann einfach <strong>die</strong> Kindermodels anschauen. Sie schneiden dann Kinder aus <strong>und</strong> sammeln<br />

<strong>die</strong>, stapelweise. Und Bücher über Kindsmissbrauch, das haben auch fast alle. Da markieren sie dann<br />

<strong>und</strong> lesen das intensiv. Sie post-iten dann <strong>die</strong> Seiten, bei denen es ums ermitteln, ums Überführen<br />

<strong>und</strong> so geht. Sie sammeln Infos, damit sie sich selber schützen können, wenn sie dann mal verhaftet<br />

werden würden.<br />

CB: Sammeln sie auch Infos zum technischem Know How? So Tipps, wie sie sich im Internet<br />

besser schützen können?<br />

Da merken wir nichts, nein das haben wir nicht festgestellt. Die, <strong>die</strong> wir bis jetzt rein genommen hatten,<br />

waren entweder so gut auf dem PC, dass wir nichts gemerkt haben oder es waren wirklich Banausen.<br />

Solche, <strong>die</strong> ihre Daten wirklich mit eindeutigen Namen kennzeichnen, wie Lolitas oder so., offensichtlich<br />

für alle sichtbar. Wir hatten bis jetzt noch keinen, der seine Sachen wirklich gut versteckt<br />

hat. Wir hatten einen, der seine Bilddateien oder Filme präparierte, dass man meinen konnte, es wären<br />

Word-Dokumente. Er hat einfach das .avi durch ein .doc ersetzt, aber von der Grösse her hat man<br />

das sofort gemerkt. Aber das war nur einmal der Fall. Einen Fall hatten wir mit einem speziellen Programm,<br />

aber er wusste selbst nicht, es zu gebrauchen. Wir hatten schon Personen, <strong>die</strong> nach dem<br />

1.4.02 nachdem der Besitz von Kinderpornografie strafbar wurde, einfach alles auf ihren Temp-Files<br />

liessen <strong>und</strong> irgendwie aufbewahren konnten.<br />

CB: Wäre das für euch hilfreich für <strong>die</strong> Ermittlung, wenn wir eine Gesetzgebung wie in<br />

Deutschland hätten, wo das „sich Besitz verschaffen“ schon reicht als Straftatbestand, das<br />

heisst dass eine Zahlung mit Kreditkarten <strong>und</strong> ein Suchen nach einschlägigen Sites schon genügt<br />

für einen Verdacht?<br />

Ja sicher. Bei den P2P-Netzwerken ist das ja nun inzwischen geklärt, dass das Bereitstellen von eigenen<br />

Dateien dann eben Verbreitung ist. Wir hatten bis jetzt noch nicht gross Fälle, <strong>die</strong> nur auf den<br />

Temp-Files Daten hatten. Wir hatten Fälle, <strong>die</strong> hatten 20'000 Dateien in den Temp-Files, aber es genügt<br />

ein Bild aktiv abgespeichert <strong>und</strong> dann hat’s ihn.<br />

CB: Wir kommt ihr eigentlich mehrheitlich an <strong>die</strong> Fälle, was ist der Auslöser?<br />

Viele Fälle von KOBIK, im Moment hauptsächlich zu P2P-Netzwerke. Dann auch bei unserer alltäglichen<br />

Arbeit. Bei jeder Hausdurchsuchung, <strong>die</strong> wir machen, beschlagnahmen wir <strong>die</strong> Computer.<br />

CB: Dann macht ihr auch Folgermittlungen? Also wenn ihr merkt, dass ist ein Newsgroups-<br />

Mitglied von illegalen Gruppen, schaut ihr auch, was für Emails er gespeichert hat?<br />

So genau nicht, nein. Wenn wir einen PC haben, dann wird <strong>die</strong> Festplatte gespiegelt <strong>und</strong> dann gehen<br />

wir mit dem Encase rein. Und wenn wir sehen, dass er Tausende von Bildern hat, dann gehen wir vertieft<br />

rein. Wir schauen dann schon, ob er Adressen gespeichert hat. Da haben wir aber wieder das<br />

Problem, dass wir für eine Abklärung der Email-Adressen wieder eine Verfügung des UR brauchen<br />

<strong>und</strong> eine Email-Abklärung beim UVEK kostet 250.- Franken. Da brauchen wir dann schon eine starke<br />

Verdachtslage, da muss dann schon mehr dran sein, dass uns der UR eine Verfügung gibt. Wir hatten<br />

nun eine zeitlang <strong>die</strong> Situation, dass wir Abklärungen wollten <strong>und</strong> es hiess, dass das nicht mehr geht


113<br />

<strong>und</strong> dass wir wegen dem Finanziellen besser hätten belegen müssen. Da muss der UR abwägen.<br />

Sonst wird er einfach auf den Art. 197 gehen.<br />

Auch für Email-Kontrollen, das wird vom UR nicht bewilligt, da muss der Verdacht extrem sein, meist<br />

reicht das nicht. Ist ja noch nicht wirklich etwas passiert.<br />

CB: Habt ihr viele Fälle, <strong>die</strong> in Newsgroups drin sind?<br />

Über den Chat-Fall (Gaynet) <strong>und</strong> über KOBIK haben wir zum Teil solche Fälle. Wir müssten mehr<br />

machen, aber da müssten wir aktiv ein Monitoring betreiben <strong>und</strong> dafür fehlen uns Zeit <strong>und</strong> Leute.<br />

Wenn wir natürlich einen hätten, der uns über sein Passwort Zugang verschafft, dann wären wir sofort<br />

dabei.<br />

Wir hatten im Jahr 1999 einen Fall, bei dem wir über denselben Provider wie nun beim Gaynet-Fall<br />

ein Verfahren hatten. Die haben in einer ersten Phase Kinderpornografie aus den Newsgroups abgezogen<br />

<strong>und</strong> haben es dann aufbereitet <strong>und</strong> als www-Dokument allen zugänglich gemacht. Damals hatte<br />

man das Wissen noch nicht, wie man einfach auf offene Newsgroups gelangt <strong>und</strong> darum funktionierte<br />

das noch recht gut. <strong>Der</strong> Fall ist immer noch hängig. Die vier, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Seite betrieben haben, sind<br />

noch nicht verurteilt. Die hatten zirka 600 User, <strong>die</strong> drin waren <strong>und</strong> ihr Material verbreitet hatten. Das<br />

sind Leute auch aus anderen Kantonen. Bei uns haben <strong>die</strong> so 1400.-CHF Busse <strong>und</strong> 700.- Verfahrenskosten.<br />

CB: Man hört, dass bei <strong>Pädosexuelle</strong>n in praktisch allen Fällen auch Kinderpornografie gef<strong>und</strong>en<br />

wird. Ist das bei euch auch so?<br />

Wir schauen schon immer. Und bei vielen Fällen finden wir auch Kinderpornografie, aber viel auch im<br />

Grenzbereich, so Hamilton-Zeugs <strong>und</strong> Sachen, <strong>die</strong> nicht eindeutig strafrechtlich relevant sind.<br />

CB: Ist denn strafrechtlich nicht-relevantes Material für euch doch auch ein Ermittlungsansatz?<br />

Wie auch bei Arcados, <strong>die</strong> sich ja nicht strafbar machen, aber da sind doch <strong>die</strong> Vermutungen<br />

schon da, dass dahinter was läuft?<br />

Vermutungen haben wir schon. Zum Beispiel der Chat vom Sorgen Jungsforum, bei dem schon im offenen<br />

Bereich Tipps ausgetauscht werden. Da kann man schon davon ausgehen, dass sie regelmässig<br />

Kontakt haben <strong>und</strong> dass da mehr läuft. In den geschlossenen Bereich können wir natürlich nicht.<br />

Auch über angebotene Selbsthilfegruppen wird Einiges laufen, aber wir können nichts machen.<br />

Wir denken, dass da einiges abläuft, das an der Polizei vorbei geht, da haben wir keine Ahnung davon.<br />

Da müssten wir an <strong>und</strong> für sich Leute speziell dafür abbestellen <strong>und</strong> wir müssten ein aktives Monitoring<br />

betreiben. Das müsste aber auch gesetzlich getragen sein. Die verdeckte Ermittlung ist schon<br />

in Ordnung, aber wir können nichts anbieten. Und auch bei den Chats, wenn wir uns als Minderjährige<br />

ausgeben, dann muss der UR beim Präsidenten der Anklagekammer einen Antrag stellen <strong>und</strong> der<br />

wird dann meist personell für einen Monat oder höchstens zwei bewilligt <strong>und</strong> alle Erkenntnisse müssen<br />

sofort dem UR gemeldet werden. Das ist sehr restriktiv das alles. Aber bei den Gruppen geht das<br />

nicht, weil da muss man was anbieten. Da muss man 50 Bilder anbieten, dass man 5 bekommt <strong>und</strong><br />

dann heisst es, das sei alte Ware. Wir kommen in Bereiche, von KOBIK her, wenn wir <strong>die</strong> Personen<br />

haben, dann können wir ermitteln.<br />

CB: Und Anzeigen zu sexuellem Missbrauch?<br />

Ja, wir haben Anzeigen z.B. von Opferhilfestellen, vom Spital oder von Sozialzentren. Das sind dann<br />

meist Täter aus dem sozialen Nahraum.<br />

CB: Und <strong>die</strong> Fremden, wie kommt man an <strong>die</strong>?<br />

Ja, <strong>die</strong> haben wir auch, so aus den Hallenbäder oder von Spielplätzen. Die werden dann frühmorgens<br />

angegangen <strong>und</strong> denen nehmen wir den PC auch mit.<br />

CB: Habt ihr viele aus <strong>die</strong>ser Kategorie?<br />

Das ist schwer zu sagen. Es tauchen halt auch immer wieder <strong>die</strong>selben auf. Wir haben aber schon<br />

genug, von den Anzeigen her, gerade z.B. <strong>die</strong> Exhibitionisten vor Kinder, aber <strong>die</strong> erwischen wir meist<br />

nicht. Die jagen wir, weil wir Beschreibungen haben oder Infos zum Modus Operandi. Da arbeiten wir<br />

auch eng mit der Kantonspolizei Zürich zusammen oder mit dem Thurgau. Aber eben, beim sexuellen<br />

Missbrauch innerhalb der Familien, da haben wir weniger Fälle, weil das selten angezeigt wird. Oder<br />

wir haben <strong>die</strong> Anzeigen <strong>und</strong> auch noch eine Videobefragung, aber dann ist häufig fertig. Weil das Kind<br />

nichts mehr sagt oder weil der Beistand sagt, dass <strong>die</strong> Aussagen nichts zählen.


114<br />

CB: Also bei der Situation Aussage gegen Aussage ist es meist zu Gunsten der Täter?<br />

Nein, also wenn das Kind aussagt, dann geht meist auch was. Aber wir haben das Problem bei innerfamiliären<br />

Fällen, dass <strong>die</strong> Mutter auch irgendwie dabei ist <strong>und</strong> dann wird dem Kind ein Prozessbeistand<br />

gestellt, der <strong>die</strong> Kindesinteressen wahrnimmt. Und in den Fällen mit dem Prozessbeistand haben<br />

wir in vielen Fällen gesehen, dass das Kind nach dem Kontakt mit dem Prozessbeistand nicht<br />

mehr gegen den Täter aussagt, dann wird vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht <strong>und</strong><br />

das Kind sagt nichts mehr. Man sagt, das sei besser für das Kind, wenn es wieder in <strong>die</strong> Familie zurückgeht,<br />

als dass es einen Prozess durchmachen muss. Dann ist der Fall für uns gestorben. Und das<br />

Störende ist, dass <strong>die</strong>s von einer Person abhängig ist.<br />

CB: Was haben denn <strong>die</strong> Personen für ein Interesse daran, das Kind in <strong>die</strong> Familie zurück zu<br />

schicken?<br />

Sie sagen, dass sie im Interesse des Kindes handeln. Sie wollen das familiäre Netz nicht zerstören.<br />

Es ist schlimmer, einen Missbrauch zu erleben, als <strong>die</strong> Familie zu zerstören. Sie sagen natürlich, dass<br />

auch wenn das Kind für eine gewisse Zeit herausgenommen werden kann, es dann früher oder später<br />

doch wieder in <strong>die</strong> Familie muss. Sie sagen, <strong>die</strong> Kinder müssen sonst Repressionen erleiden oder der<br />

Vater muss ins Gefängnis <strong>und</strong> <strong>die</strong> Familie ist kaputt. Das ist für uns der Horror, wir wissen, dass wir<br />

das Kind in <strong>die</strong> Hölle zurück schicken müssen. Wir können uns noch so sicher sein, wenn das Kind<br />

nichts sagt, können wir nichts machen.<br />

CB: Ist denn das üblich oder ist das da eine spezielle Person auf <strong>die</strong>sem Posten?<br />

Die Rechtsabteilung auf den Vorm<strong>und</strong>schaftsbehörden muss das entscheiden. Das wäre für uns interessant<br />

zu wissen, wie das in anderen Kantonen abläuft. Da müsste man mal in den anderen Gemeinden<br />

schauen.<br />

CB: Gibt es da keine Beschwerdestelle oder jemand, der das mal von aussen anschauen könnte?<br />

Wir haben gehört, dass man bei einer übergeordneten Stelle eine Aufsichtsbeschwerde machen kann<br />

oder versuchen, auf einem anderen Weg einen Prozessbeistand zu finden. Z.B. über einen Opferanwalt.<br />

Aber wenn <strong>die</strong> Untersuchungsbehörden einen Prozessbeistand stellen, dann bestellen sie ihn<br />

immer an derselben Stelle.<br />

CB: Kann ich nochmals auf <strong>die</strong> Eingangsfrage zurückkommen. Was habt ihr für Eindrücke in<br />

Bezug auf <strong>die</strong> pädosexuelle Täterschaft. Zeichnen <strong>die</strong> sich durch irgendetwas aus?<br />

Wir hatten gerade in letzter Zeit der Fall des Coiffeurs. Er ist nicht der Intelligenteste, der in der Badi<br />

unter Wasser kleine Jungs oral befriedigte <strong>und</strong> behauptete, <strong>die</strong> Kleinen hätten das von ihm verlangt<br />

<strong>und</strong> er hätte ihnen nur einen Gefallen getan. <strong>Der</strong> ist völlig uneinsichtig. <strong>Der</strong> Bademeister hat ihn da an<br />

den Ohren aus dem Wasser gezogen. Diesen Typ sehen wir ab <strong>und</strong> zu, <strong>die</strong> sind recht dumm uneinsichtig.<br />

CB: Habt ihr das Gefühl, das sei eine negative Auswahl, dass vor allem <strong>die</strong> Dummen von der<br />

<strong>Strafverfolgung</strong> entdeckt werden?<br />

Es gibt schon verschiedene Typen. Es gibt <strong>die</strong> Ungepflegten, „Verdruckten“, meist auch sehr abstossend,<br />

vernachlässigt <strong>und</strong> ungepflegt. Einer, der schon vor 10 Jahren wegen sexuellen Handlungen<br />

mit Kindern verurteilt wurde, hat über Migros <strong>und</strong> Coop Inserate aufgehängt, dass er Jungs für Kopierarbeiten<br />

suchen würde. Die Jungs fanden aber fast alle - wir hatten einige von denen hier- der sei<br />

gar nicht so schlimm. Auch <strong>die</strong> Eltern fanden den meist nett. Das sei ein Lässiger, ein Netter, aber als<br />

wir den sahen, das war wirklich widerlich. Er hat auch noch Nachhilfe gegeben, gratis, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Wohnung<br />

sah wirklich aus wie er. Wir konnten nicht verstehen, dass <strong>die</strong> Eltern <strong>die</strong>ser Person ihre Kinder<br />

in <strong>die</strong>se Wohnung anvertrauten. Nur eine Mutter hat <strong>die</strong> Wohnung gesehen <strong>und</strong> hat ihr Kind grad wieder<br />

mitgenommen. Man muss dazu schon noch sagen, dass bis auf eines alle Kinder Ausländerkinder<br />

waren. Er hat dann mit den Kindern ein „Königsspiel“, ein Kartenspiel gemacht, das ging so: wenn der<br />

Junge gewonnen hat, hat das Kind 5 Franken bekommen <strong>und</strong> wenn er gewonnen hat, durfte er sich<br />

was wünschen, so ausziehen <strong>und</strong> anfassen. Die Übergriffe gingen recht weit, <strong>die</strong> sind dann auch im<br />

Bett gelandet <strong>und</strong> haben einander betatscht. Zudem hatte er eine Holzkiste in Kindergrösse gebastelt<br />

mit Ösen zum Fesseln daran <strong>und</strong> er hatte auch Peitschen <strong>und</strong> so weiter. Für uns ist das ein ganz Gefährlicher<br />

<strong>und</strong> den hat man über Jahre therapiert. Bei der Hausdurchsuchung hatten wir auch <strong>die</strong> ganzen<br />

Unterlagen von seiner früheren Festnahme gef<strong>und</strong>en. Alle Unterlagen vom Gericht <strong>und</strong> vom Therapeuten<br />

<strong>und</strong> darin stand, dass er untherapierbar wäre. Er war aber normal intelligent, der hat sogar<br />

an der Uni stu<strong>die</strong>rt. Er hatte auch einen Fre<strong>und</strong>eskreis <strong>und</strong> hatte mal ein Stipendium von irgendeinem


115<br />

Fonds bekommen. Er kannte recht viele Leute. Aber er hatte nie auf seinem Beruf gearbeitet, er hat<br />

am Morgen <strong>die</strong> Zeitungen ausgetragen <strong>und</strong> sonst sein Leben auf <strong>die</strong> Kinder ausgerichtet.<br />

CB: Ist das nun ein Ausnahmefall, das dünkt mich nun sehr exotisch.<br />

Wir denken, dass es von denen noch viele gibt, es ist aber eben schwieriger, an <strong>die</strong> ran zu kommen.<br />

CB: Meint ihr, dass es eine Art Oberschichtspädophilie gibt?<br />

Ja sicher, aber <strong>die</strong> sind raffinierter, an <strong>die</strong> kommen wir schlecht. Es wäre unser Ziel, dass wir mal an<br />

einen Pädoring rankommen. Aber das ist sehr schwierig, das wäre eher ein Zufallstreffer. Wir glauben<br />

auch, dass das nicht unbedingt richtige Pädos sind, sondern solche, <strong>die</strong> das Kickmässige, Dekadente<br />

suchen <strong>die</strong> sich mal was „Besonderes“ leisten.<br />

CB: Ich habe gehört, dass ganze Cars voll Minderjährige aus dem Osten in <strong>die</strong> Schweiz geführt<br />

werden <strong>und</strong> <strong>die</strong> dann von Angehörigen eher der Oberschicht abwechselnd für Parties oder für<br />

den „Eigengebrauch“ eine Woche missbraucht werden <strong>und</strong> dann wieder in den Osten abtransportiert<br />

werden.<br />

Wir sind sicher, dass es das gibt, in Zürich <strong>und</strong> in der Schweiz sonstwo. Aber eben, wie kommen wir<br />

an <strong>die</strong> Ringe ran? Einzelfälle hatten wir durchaus, Ärzte, Pfarrer, Lehrer, aber der Ring ist in einer anderen<br />

Sphäre. Wenn wir nicht verdeckt arbeiten können, wenn wir das Equipment nicht haben, dann<br />

ist das aussichtslos. Wir hatten mal so einen Musiklehrer, der war extrem.<br />

Die sind dann zum Teil sehr fies <strong>und</strong> machen völlig abartige Sachen. Wir hatten bei einem Videos sichergestellt,<br />

<strong>die</strong> er von sich selbst aufgenommen hat. Da hat er mit seinen Fäkalien da eine Show abgezogen,<br />

das drehte einem den Magen.<br />

CB: Wie seht ihr das mit den Opfern, teilt ihr <strong>die</strong> Meinung, dass vor allem vernachlässigte Kinder<br />

Opfer werden, das <strong>die</strong> gezielt gesucht werden?<br />

In Zürich sind schon <strong>die</strong> Albaner-Kinder auffällig häufig in Verfahren involviert, <strong>die</strong> entweder miteinander<br />

umherziehen oder bereits in den Asylantenheimen angegangen werden. Die machen viel für Geld.<br />

Es sind schon viele Ausländerkinder, <strong>die</strong> nicht betreut sind, <strong>die</strong> alleine auf sich gestellt sind <strong>und</strong> mit<br />

den Kollegen umherziehen. Die haben Sex als Geldquelle entdeckt. Wenn wir sie aufgreifen ist das<br />

schlimm für sie, weil wir das auch den Eltern sagen müssen.<br />

Die andere Kategorie sind <strong>die</strong> neugierigen Kinder oder Jugendlichen. Das haben wie schon einige<br />

Male gesehen. Die gehen dann ins Internet, auf eine Gayseite <strong>und</strong> posten was aufs Anschlagbrett mit<br />

der Mitteilung, dass sie interessiert sind an Boysex <strong>und</strong> wer sie da einführen könne. Dann kommt es<br />

zu einem Treffen. Einmal haben <strong>die</strong> vorher einander Faxe geschickt um ein Treffen zu vereinbaren.<br />

<strong>Der</strong> Typ kam dann extra von Zug hier nach Zürich <strong>und</strong> <strong>die</strong> haben sich bei einem Schulhaus getroffen,<br />

<strong>die</strong> Eltern waren Abwart, <strong>und</strong> da ist es dann zu sexuellen Handlungen gekommen. Eben, das Motiv ist<br />

Geld, Neugier <strong>und</strong> Langeweile.<br />

CB: Es handelt sich da aber um Jungs in der Pubertät?<br />

Ja, <strong>die</strong> sind so 14 oder 15. Die Täter sind dann nicht unbedingt <strong>Pädosexuelle</strong>. Das sind oft Homosexuelle<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> suchen junge Männer, es ist ihnen aber egal, wie jung <strong>die</strong> sind. Die würden dann auch<br />

ältere Männer nehmen. Bei unserem Gaynet-Verfahren, das ist quasi ein Tummelplatz für Homosexuelle,<br />

<strong>die</strong> sich treffen wollen, es geht nur ums Sexuelle. Einige sagen klar, dass sie keine Männer unter<br />

16 suchen <strong>und</strong> wenn das so ist, ist das auch kein Problem. Es hat da auch keine, <strong>die</strong> nur auf Kinder<br />

stehen.<br />

CB: Und das mit den Albaner, ist das so weil es in Zürich viele Albaner hat? Wir wissen, dass<br />

Kinder von Eltern aus Krisengebieten häufiger als Kind missbraucht worden sind. Könnt ihr<br />

euch vorstellen, dass das gerade bei den Albaner-Kindern eine Rolle spielen könnte, das <strong>die</strong><br />

quasi schon vorgespurt worden sind?<br />

Das kann schon sein, das ist von der Mentalität her schon was anderes. Zu den Gründen können wir<br />

nicht viel sagen. Aber sicher ist, dass wir kaum Schweizer Jungs darunter haben. Wenn es sich um<br />

Schweizer handelt, fallen <strong>die</strong> meist schnell mal um, <strong>die</strong> vertrauen sich dann den Eltern oder anderen<br />

Bezugspersonen an. Die Albaner erzählen nichts. Die Albaner-Jungs sind aber auch <strong>die</strong>, <strong>die</strong> an den<br />

Schulen Mädchen missbrauchen. Da hatten wir schon einige Fälle. Da hatten wir einen Fall von 12<br />

Albaner-Jungs, <strong>die</strong> haben in der Schule drei Mädchen sexuell genötigt. Es sind aber nicht nur <strong>die</strong><br />

Jungs, es sind auch <strong>die</strong> Mädchen. Die haben eine extreme Haltung gegenüber Sexualität. Die Mädchen,<br />

so 13 Jahre alt, haben abwechslungsweise mit verschiedenen Jungs hintereinander Oralsex


116<br />

gemacht, von sich aus. Aufgefallen ist es, weil ein anderer Junge das auch wollte <strong>und</strong> <strong>die</strong> Mädchen<br />

wollten nicht <strong>und</strong> dann kam <strong>die</strong> Sache ins Rollen. Das hat todsicher auch mit den Me<strong>die</strong>n zu tun. Und<br />

das war kein Einzelfall in der Art. Das ist abartig. Auf dem Land ist das schon weniger.<br />

CB: Ist das auch ein Unterschichtsphänomen oder ist das allgemein ein Trend?<br />

Schon auch eher Unterschicht oder in speziellen Schulhäusern <strong>und</strong> Quartieren. Halt in den Oberstufenschulklassen,<br />

meist auch Schüler ohne Perspektive nach der Schule. Aber es ist schon so, wenn<br />

wieder ein Fall einer Vergewaltigung im Schulhaus vorkommt, dann gibt es ein grosses Geschrei,<br />

aber wenn man dann befragt, dann merkt man, dass das eine ganze solche Kultur ist <strong>und</strong> so etwas<br />

auffliegt, weil eben einer oder eine nicht das bekam, was er oder sie wollte.<br />

CB: Wieder zurück zu den <strong>Pädosexuelle</strong>n. Denkt ihr es ist eine andere Art Täterschaft zwischen<br />

denen, <strong>die</strong> auf Pubertierende steht <strong>und</strong> denen, <strong>die</strong> jüngere Kinder suchen.<br />

Wir sehen weniger solche, <strong>die</strong> kleine Kinder suchen. Wir haben schon mehr Fälle, bei denen es um<br />

Jugendliche geht. Da haben wir halt auch junge Mädchen, <strong>die</strong> sich für Geld prostituieren, nicht immer<br />

<strong>und</strong> nicht extrem, aber <strong>die</strong> haben ihre Männer, <strong>die</strong> sie kennen <strong>und</strong> für ein T-Shirt rufen <strong>die</strong> einen an<br />

<strong>und</strong> erlauben ihm, sie ein wenig anzufassen. In dem Fall waren wir lange dran. Das begann mit einer<br />

Anmache von jungen Mädchen als Modefotograf, das klappt immer noch sehr gut. Aber in einem Fall<br />

haben sich der Mann <strong>und</strong> das junge Mädchen einem Solarium getroffen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Handlungen da gingen<br />

schon sehr weit. <strong>Der</strong> war in Zürich ein Chefbeamter, der wurde dann versetzt.<br />

CB: Aber bei den Exhibitionisten hat es doch Fälle von solchen, <strong>die</strong> sich speziell vor kleinen<br />

Kinder entblössen.<br />

Es gibt schon solche Fälle, von denen wir hören. Aber wir haben nicht so typische Personen im Kopf.<br />

Das ist im Einzelfall speziell. Aber bei den <strong>Pädosexuelle</strong>n finden wir schon typische Sachen, wie gesagt.<br />

Es sind übrigens oft „Messies“, <strong>die</strong> extrem sammeln <strong>und</strong> <strong>die</strong> Wohnung mit irgendwelchen Sachen<br />

voll gestopft haben. Häufig finden wir auch Sammler von Modellen wie Flugzeuge, Autos, Eisenbahnen,<br />

alles so auf Rädern, was Buben eben auch mögen. Viele sind wie gesagt sehr ungepflegt.<br />

Das hören wir auch von Opfern, dass sie sagen, dass der Täter stinke. Das sind schon Hinweise,<br />

dass sie sozial verwahrlost sind. Solche, <strong>die</strong> nie Gutes erfahren haben <strong>und</strong> Kinder sind <strong>die</strong> einzigen<br />

Ansprechpartner für sie, <strong>die</strong> komman<strong>die</strong>ren <strong>die</strong> nicht rum, da schaut jemand zu ihnen auf, manchmal<br />

suchen <strong>die</strong> gar nicht Kinder als Sexualpartner weil sie das so wollen, sondern weil sie bei den Erwachsenen<br />

draussen sind.<br />

CB: Ist das bei den Kinderpornografie-Konsumenten auch so? Wir haben da eher den Mittelstand<br />

bei den Genesis-Leuten.<br />

Wir haben schon auch sozial ausgegrenzte, <strong>die</strong> sich am Computer dann ausleben. Einer zum Beispiel,<br />

der wurde am Chat süchtig <strong>und</strong> suchte nach Mädchen, <strong>die</strong> Sex mit ihm wollen. Er behauptete<br />

dann schon, dass er nur schauen wolle, ob es das gäbe, aber das sagen alle. Er meinte aber, das sei<br />

nur der Reiz des Verbotenen <strong>und</strong> er suche eigentlich nicht Kinder oder Jugendliche als Sexualpartner.<br />

Wir denken schon, dass <strong>die</strong>, <strong>die</strong> den Schritt am Chat machen <strong>und</strong> dann zu einem Treffen übergehen<br />

wollen, dass <strong>die</strong> schon sehr gefährdet sind, weiter zu gehen, wenn sich <strong>die</strong> Gelegenheit ergibt. Das<br />

war auch im Gaynet-Verfahren so, <strong>die</strong> haben alle gesagt, sie wollen nur schauen, ob da wirklich ein<br />

Junge komme <strong>und</strong> sie hätten nichts gemacht, aber bei den Befragungen ist dann bei einigen schon<br />

herausgekommen, dass bereits in der Vergangenheit etwas passiert ist.<br />

Vor Gericht wird das sogar als untauglicher Versuch von sexuellen Kontakten mit Minderjährigen betrachtet,<br />

<strong>die</strong> bekommen nicht einmal eine bedingte Strafe. Viele hatten zumindest noch Pornografie zu<br />

Hause. Aber bei einem konnten wir sexuelle Handlungen in der Vergangenheit beweisen <strong>und</strong> er bekam<br />

drei Monate bedingt.<br />

CB: Wenn wir gerade bei der Gerichtspraxis sind, meint ihr, dass <strong>die</strong> Gesetzesgr<strong>und</strong>lage bei<br />

den Delikten, mit denen ihr es zu tun habt, ungenügend ist?<br />

Nein, das Gesetz wäre schon gut, aber es wird nicht ausgeschöpft. Die härtere Bestrafung wäre auch<br />

eine Art Prävention. Nicht nur bei der Kinderpornografie, sondern auch bei den anderen Delikten gegen<br />

Kinder. Zum Teil ist es wirklich lächerlich, <strong>die</strong> bekommen nicht mal bedingte Freiheitsstrafen. Und<br />

Bussen, das nützt doch nichts. Bei den sexuellen Handlungen mit Kindern, das ist wirklich frustrierend,<br />

wenn man sieht, was <strong>die</strong> bekommen. Häufig bedingte Strafen, auch bei Wiederholungstätern.<br />

Auch das B<strong>und</strong>esgerichtsurteil, das da eine mildere Strafe gab, weil der Junge angeblich mitmachte<br />

<strong>und</strong> Lust empfand. Da kann man doch das Gesetz grad abschaffen <strong>und</strong> sagen, es sei nur strafbar,


117<br />

wenn <strong>die</strong> Kinder nicht wollen. Wir wissen doch, wie das geht <strong>und</strong> dass da oft ein Vertrauensverhältnis<br />

aufgebaut wird.<br />

Man müsste <strong>die</strong> Justizebene da sensibilisieren, <strong>die</strong> wissen meist gar nicht, worum es geht. Wir haben<br />

Befragungen von Kindern auf Video, aber der Richter will nur das Befragungsprotokoll, weil das<br />

schneller geht <strong>und</strong> da bekommt man keinen Eindruck. Die nehmen sich <strong>die</strong> Zeit nicht. Wie bei dem<br />

Film heute morgen beim Vortrag von Herrn Urbaniok, das geht doch extrem unter <strong>die</strong> Haut. Aber <strong>die</strong><br />

Richter sehen das nie.<br />

Wir haben mal beim Sozialamt eine Präsentation gemacht mit ein paar Bildern drin, nicht mal das<br />

Schlimmste, aber das ist denen extrem eingefahren.<br />

CB: Ihr würdet also nicht ein höheres Strafmass fordern wollen?<br />

Höher ist sicher besser, aber <strong>die</strong> sollen doch einfach mal den Rahmen nutzen, den sie zur Verfügung<br />

haben. <strong>Der</strong> letzte da, neunfache sexuelle Handlungen mit einem Minderjährigen, der hat drei Monate<br />

bedingt auf drei Jahre gekriegt. Als wir da nachdoppelten, meinten sie, dass normalerweise drei Monate<br />

bedingt auf 2 Jahre gegeben würde <strong>und</strong> das wäre in dem Sinne schon sehr streng. <strong>Der</strong> Typ, der<br />

sein Notebook zur Reparatur gebracht hatte <strong>und</strong> bei dem sie Kinderpornografie entdeckten – weil wir<br />

sensibilisieren <strong>die</strong>se Geschäfte <strong>und</strong> sagen denen, dass sie uns das melden sollen- wir haben das Notebook<br />

dann, bevor es der Besitzer holte, angeschaut <strong>und</strong> gespiegelt <strong>und</strong> hatten <strong>die</strong> Adresse. Es war<br />

eine bekannte Lokalgrösse am Regionalfernsehen. Er hatte massenhaft Ware <strong>und</strong> der hat vier Monate<br />

auf 2 Jahre bedingt bekommen wegen Besitz von Kinderpornografie.<br />

Es gibt aber schon unterschiedliche Bezirksanwälte <strong>und</strong> wenn sie einstellen oder dem nicht weiter<br />

nachgehen, dann hat das meist damit zu tun, dass sie dem nicht so viel gewicht geben oder keine<br />

Ressourcen haben. Immer kommt, sogar bei 8-Jährigen, dass das Kind einverstanden gewesen wäre.<br />

Warum haben wir denn das StGB? Man kann alles immer weiter verwässern, bis man ganz aufhören<br />

kann. Und auch wenn Urbaniok meint, dass es nicht immer schädigend für das Kind ist, das ist uns<br />

auch klar, aber dennoch haben wir eine Gesetzgebung <strong>und</strong> <strong>die</strong> muss man durchsetzten. Wenn nun<br />

einer über einen Chat einen 13-Jährigen abschleppt <strong>und</strong> wenn er dann dafür drei Jahre Kiste riskiert,<br />

dann wirkt das schon anders <strong>und</strong> er überlegt sich das schon noch mal. Das würde Wirkung in der Gesellschaft<br />

signalisieren. Und einige davon würden sicher den Schritt nicht wagen.<br />

Wir denken auch, dass <strong>die</strong> Bevölkerung das gar nicht weiss, wie billig <strong>die</strong> davon kommen.<br />

CB: Was meint ihr zu Therapie oder sonstigen Massnahmen? Denkt ihr, dass das was nützt?<br />

Wenn wir hören, dass ein schwerer Fall, der 30 Monate Gefängnis bekam <strong>und</strong> <strong>die</strong> Strafe zugunsten<br />

einer ambulanten Therapie aufgehoben wurde, <strong>und</strong> man nachher sieht, dass es wirklich nichts gebracht<br />

hat <strong>und</strong> dass <strong>die</strong> Person gar nicht therapierbar ist, dann gibt das schon zu denken. Richtiger<br />

wäre, wenn er <strong>die</strong> Strafe absitzen müsste <strong>und</strong> dann zusätzlich eine Therapie bekäme. Haftbegleitend<br />

muss das ablaufen. Zudem haben <strong>die</strong> zum Teil Auflagen, wie kein Kontakt zu Kindern oder kein Zugang<br />

zu Computern, aber das kontrolliert gar niemand. Auch ob er in eine Therapie geht, wird nicht<br />

mal kontrolliert.<br />

CB: Habt ihr sonst noch Ideen für eine wirksame Prävention?<br />

Ja, wir denken, man müsste flächendeckend in den Schulen <strong>und</strong> zwar schon in den Primarschulen informieren<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Kinder zum Thema sexuelle Übergriffe sensibilisieren. Die müssen lernen, nein zu<br />

sagen <strong>und</strong> sie müssen informiert werden, was ihnen passieren kann, eben auch längerfristig. Wir denken,<br />

dass das sehr wirksam wäre. Also in Zürich läuft da kaum etwas. Auch zu den Gefahren auf dem<br />

Internet. Wir denken, dass würde obligatorisch zum Schulstoff gehören, das braucht nicht mehr als 2<br />

St<strong>und</strong>en.<br />

Zudem müsste man bei allen involvierten Stellen eine verantwortliche Stelle bezeichnen können. Da<br />

weiss zum Teil <strong>die</strong> eine Hand nicht, was <strong>die</strong> andere macht. Eine Stelle muss <strong>die</strong> Übersicht haben <strong>und</strong><br />

jemand muss <strong>die</strong> Verantwortung haben. Wie auch <strong>die</strong> Geschichte mit dem Prozessbeistand.<br />

Wir hatten einmal einen Jungen von 9 oder 10 Jahren hier, der war schon völlig kaputt. Nicht mehr<br />

ansprechbar. Seit seinem 6. Altersjahr ging das, <strong>die</strong> erste Meldung kam vom Hort, <strong>die</strong> 2. vom Kindergarten,<br />

<strong>die</strong> 3. von der Primarschullehrerin <strong>und</strong> <strong>die</strong> 4. von der Sozialarbeiterin, aber der nächste Lehrer<br />

hat dann erst Anzeige erstattet. <strong>Der</strong> Junge war so schlimm schon zugerichtet, dass man nicht mehr<br />

mit ihm reden konnte. Da hat <strong>die</strong> Vorm<strong>und</strong>schaftsbehörde wenigstens gesagt, dass der nicht mehr<br />

zum Vater dürfe, der ihn so extrem missbrauchte. Sie sagten zwar, dass der Junge dann in ein Heim<br />

müsse, aber der Vater hat sich aufgelehnt gegen den Entscheid <strong>und</strong> nachher sind sie nach Südamerika<br />

abgehauen.


118<br />

CB: Habt ihr auch zu tun mit Kindersex-Touristen?<br />

Wir haben Kenntnis, aber keine Fälle. Wir hatten keine Rechtshilfe-Fälle aus den kritischen Ländern.<br />

Wir beobachten aber einige <strong>Pädosexuelle</strong>n <strong>und</strong> <strong>die</strong> gehen regelmässig nach Thailand oder auf <strong>die</strong><br />

Philippinen. Das wissen wir von Überwachungen.<br />

Noch zu den NGOs, da wissen wir auch, dass es da auch einige schwarze Schafe gibt. Auch bei Kinderschutzorganisationen,<br />

<strong>die</strong> in der Schweiz tätig sind. Wir haben da Vorkenntnisse. Auch <strong>die</strong> Website<br />

der Pädophilen in der Schweiz, <strong>die</strong> ITP Arcados, <strong>die</strong> haben wir im Auge. Die ist auch in den Chats<br />

drin. Aber eben, strafrechtlich kann man nichts machen, aber man muss dran bleiben <strong>und</strong> vielleicht<br />

kann man dann irgendwann mal den Hebel ansetzten.<br />

Ansätze hätten wir viel, aber wir haben keine Ressourcen, um da lange dran zu bleiben <strong>und</strong> das nötige<br />

zu machen.<br />

CB: Ich danke euch allen, dass ihr euch so viel Zeit genommen habt, das Gespräch war sehr<br />

interessant für mich!


119<br />

5. Interview mit Repräsentantinnen der Kantonspolizei <strong>Bern</strong><br />

Funktion:<br />

Interview-Partnerinnen: Frau Irène Pellet, Regionalfahndung der Kapo <strong>Bern</strong>, Spezialistin im Bereich<br />

Delikte gegen Kinder <strong>und</strong> Frau Ursula Hirschi, Chefin Kommissariat Leib <strong>und</strong> Leben der Kapo <strong>Bern</strong>.<br />

Das Interview fand am 13.05.2004 in Räumlichkeiten der Kantonspolizei <strong>Bern</strong> statt <strong>und</strong> dauerte zirka<br />

zwei St<strong>und</strong>en (Teile des Gesprächs handelten auch um andere, in <strong>die</strong>sem Zusammenhang nicht relevanten<br />

Themen).<br />

CB: Ich würde gerne von euren Erfahrungen profitieren. Beginnen wir doch mit den Typen.<br />

Sehr ihr in eurer Arbeit auch unterschiedliche Tätergruppierungen <strong>und</strong> wenn ja, wodurch unterscheiden<br />

<strong>die</strong> sich?<br />

Ich habe ein Buch gef<strong>und</strong>en, dass differenziert Typen beschreibt <strong>und</strong> wir finden das in unserer Arbeit<br />

auch in der Art. Er (Jungjohann) unterscheidet Kernpädophilie, infantile Pädophilie, senile Pädophilie<br />

<strong>und</strong> Pädophilie im Beruf, also der Pädagoge, der das auch teilweise sublimieren kann, aber manchmal<br />

halt auch nicht. Und ich sehe das auch so, in <strong>die</strong>sem Bereich gibt es relativ Viele.<br />

<strong>Der</strong> Kernpädophile ist einfach der, der nur mit Kindern als Geschlechtspartner etwas anfangen kann.<br />

Und <strong>die</strong> kennen wir auch, <strong>die</strong> gibt es. Wir erkennen <strong>die</strong>, weil sich jemand meldet, seien <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Betroffenen<br />

selber oder es kommt z.B. von KOBIK eine Meldung. Meldungen können durchaus auch aus<br />

dem sozialen Nahraum kommen, <strong>die</strong> suchen sich nicht nur fremde Kinder, er kann sich durchaus<br />

auch Kinder aus seinem Umfeld suchen. Sie suchen ja oft erst das Vertrauen der Mutter oder der Eltern.<br />

Er kann auch als Kinderpornografie-Konsument in Erscheinung treten, das muss aber nicht sein Wir<br />

haben auch schon festgestellt, dass <strong>die</strong> gar nichts Belastendes auf ihrem Computer haben. Wir denken,<br />

das ist auch eine Vorsichtsmassnahme, weil <strong>die</strong> denken, dass evt. der Vater des Kindes schauen<br />

kommen will, was <strong>die</strong> da zusammen am Computer spielen.<br />

CB: Ich kann mir auch vorstellen, dass <strong>die</strong> wirklich nicht auf Pornografie stehen zum Teil.<br />

Ja, das hat man früher gemeint, da dachte man, das sei alles einfacher strukturiert, da meinte man<br />

auch, dass ein Exhibitionist kein Vergewaltiger sei, aber heute weiss man, dass sich <strong>die</strong>se Formen<br />

vermischen. Es gibt keine klaren Grenzen mehr.<br />

CB: Wie ist denn ihre Erfahrung mit den Kernpädophilien, gehen <strong>die</strong> bis zur Vergewaltigung<br />

von Kindern oder liegt es eher im Bereich von sexueller Nötigung, wie man das an manchen<br />

Orten liest?<br />

Da findet man alles, <strong>die</strong> ganze Bandbreite. Uns fällt auf, dass <strong>die</strong> ein irrsinniges Gespür für Kinder haben,<br />

<strong>die</strong> wissen wirklich, was Kinder wollen <strong>und</strong> können sich da richtig einfühlen. Die sind aber nicht<br />

unbedingt in <strong>die</strong>sen pädagogischen Berufen, dass ist dann eher der andere Typus, der Pädagoge.<br />

Die in den typischen Berufen scheinen uns eher <strong>die</strong> Intellektuelleren zu sein. <strong>Der</strong> Kernpädophile ist<br />

nicht unbedingt sehr intelligent. Aber auch nicht der infantile Typus, wie er im Buch unterschieden<br />

wird, sondern einfach ein Handwerker, oder einer mit einem normalen, durchschnittlichen Beruf. Es<br />

gibt schon auch so ganz Einfache, <strong>die</strong> wie Kinder wirken. Ich denke da an einen, der fuhr immer mit<br />

einem Töffli rum mit Anhänger <strong>und</strong> hat immer Kinder rumgefahren. <strong>Der</strong> war sehr typisch, der konnte<br />

mit einer Frau gar nicht kommunizieren, der hatte da gar keinen Bezug. Wir wissen aber nicht, ob es<br />

so ist, weil er nicht an Frauen herankommt oder weil <strong>die</strong> Anziehung für Kinder stärker ist.<br />

Bei Kernpädophilen kippt es dann relativ schnell zum infantilen Typus, der dann wirklich zurückgeblieben<br />

ist. Das würde nie gehen mit einer erwachsenen Frau. Die können mit Erwachsenen keine<br />

Beziehung eingehen. Aber dennoch haben sie halt Körper von Erwachsenen.<br />

CB: Fällt euch bei Hausdurchsuchungen auf, dass sie z.B. auch ihre Wohnung kindlicher eingerichtet<br />

haben, dass Kinderspielsachen oder so vorhanden ist oder fällt euch sonst etwas<br />

auf?<br />

Ja, ich hatte mal einen, aber so durchgehend fällt da nichts auf. Meist haben sie was, das Kinder fasziniert,<br />

dann aber eher um den Kindern Eindruck zu machen. <strong>Der</strong> eine hatte zum Beispiel eine Videokamera,<br />

als das noch neu war. Oder Computerspiele. Das ist sehr beliebt bei den Kindern.


120<br />

CB: Wie ist es bei den Opfern, teilt ihr <strong>die</strong> Meinung, dass eher emotional oder sonst vernachlässigte<br />

Kinder von Kernpädophilen gesucht werden, weil es da einfacher ist?<br />

Erste Interviewpartnerin: Nein, das fällt uns nicht auf, <strong>die</strong> haben einfach ein Gespür für Kinder, egal<br />

woher. Ich denke auch nicht, dass Kinder mit emotionalem Vakuum gefährdeter sind. Die Aussage ist<br />

halt auch heikel, weil wir damit den Eltern oder Mütter zusätzlich Schuld aufladen. Wir sagen schon,<br />

dass jedes Kind aus jeder sozialen Schicht Opfer werden kann.<br />

Zweite Interviewpartnerin: Es ist schon möglich, dass Kinder von Eltern, <strong>die</strong> sich nicht so um ihre Kinder<br />

kümmern können, weil sie arbeiten müssen, eher Opfer werden, weil sie eben einfachere Opfer<br />

sind, weil sie niemand beaufsichtigt. Kinder aus klaren Strukturen können von Fremden auch gar nicht<br />

so angegangen werden.<br />

Erste Interviewpartnerin: Das stimmt schon, wenn es denn Fremdtäter sind, aber eben, es gibt auch<br />

solche, <strong>die</strong> sich das Vertrauen der Familie erschlichen haben. Ich finde das einfach schon heikel, weil<br />

jede Familie, <strong>die</strong> betroffen ist, sucht <strong>die</strong> Schuld bei sich <strong>und</strong> alle sind überzeugt, dass das Kind ihnen<br />

solche Erlebnisse erzählen würde <strong>und</strong> sie machen es eben doch nicht. Auch wenn es wohl schon<br />

eher <strong>die</strong> vernachlässigten Kinder sind, <strong>die</strong> Opfer werden können, aber man muss mit solchen Aussagen<br />

gegen aussen vorsichtig sein.<br />

CB: Ich denke auch nicht, dass es um Schuldzuweisung gehen muss, man kann <strong>die</strong> Aussage,<br />

sodann sie denn wahr wäre, ja auch brauchen um <strong>die</strong>sen Familien oder Müttern mehr Hilfen<br />

anzubieten, wie Tageschulen oder Horte oder so, damit sie eben <strong>die</strong> Kinder nicht alleine lassen<br />

müssen.<br />

Ja, aber um dem ein wenig entgegen zu halten; dann macht man Kindertagesstätten, damit <strong>die</strong> Kinder<br />

nicht unbeaufsichtigt sind <strong>und</strong> gerade da läuft so einiges. Da hören wir viel. Das ist schon verrückt, da<br />

macht man extra was für <strong>die</strong> Kinder <strong>und</strong> da passiert dann was. Dasselbe gilt für Sportvereine oder<br />

ähnliches. Das ist ganz schwierig. Und es geht ja auch nicht, dass man da nur Frauen anstellt. Das<br />

hat dann wieder andere negativen Auswirkungen. Man kann es nie ganz recht machen.<br />

CB: Aber ist denn in einer Kindertagesstätte oder so nicht <strong>die</strong> soziale Kontrolle noch stark?<br />

Kann man dem damit ein wenig entgegen wirken?<br />

Soziale Kontrolle ist ganz wichtig <strong>und</strong> das muss man auch stark einsetzen. Aber zum Beispiel in<br />

Sportvereinen, wo es so schwierig ist, Freiwillige zu finden <strong>und</strong> Pädophile es eben wirklich auch sehr<br />

gut können mit Kindern, da drückt dann <strong>die</strong> Umgebung noch gerne beide Augen zu. Das sehen wir<br />

immer wieder.<br />

CB: Da kommt mir <strong>die</strong> Diskussion in einem einschlägigen Chat in den Sinn, wo sie sich Tipps<br />

austauschen, wie man Juniorenfussballtrainer wird <strong>und</strong> was man machen muss, wenn man<br />

sich verliebt oder so. Wie läuft das denn hier in <strong>Bern</strong> so mit der Prävention, mit der Aufklärung<br />

an Schulen?<br />

Doch, wir machen schon auch Öffentlichkeitsarbeit, an den Schulen oder auch bei Eltern. In <strong>Bern</strong> ist<br />

es mit den Informationen sehr gut. Wenn man Informationen sucht, dann findet man das schon. Das<br />

ist nicht in allen Kantonen so gut. Das Problem ist eher, dass auch wenn man viel weiss, dass man<br />

denkt, dass einem selbst nie etwas passiert. Allen anderen ja, aber einen selber erwischt es nicht.<br />

Plötzlich geschieht das in der eigenen Familie <strong>und</strong> dann ist das eine ganz andere Dimension.<br />

Und eben, der typische Pädophile braucht ja kaum Gewalt. Und wenn das Kind mal in einer Situation<br />

drin ist, dann kommt es nicht mehr raus. Ich denke manchmal, wie oft wir Erwachsenen in Situationen<br />

sind, <strong>die</strong> wir nicht wollen, aber aus denen wir nicht mehr rauskommen, wie muss es denn erst für Kinder<br />

schwierig sein. Da muss keine Gewalt angewendet werden.<br />

CB: Also bei den meisten Fällen, <strong>die</strong> ihr bearbeitet, ist keine Gewalt im Spiel?<br />

Es gibt es schon auch, aber <strong>die</strong> Fälle, in denen keine physische Gewalt angewendet wurde, überwiegen.<br />

Es gibt schon auch <strong>die</strong> sadistischen Typen, aber bei denen geht es eigentlich nicht um das Kind,<br />

sondern um das kindliche Verhalten. Weil es keine Macht hat, weil es sich nicht wehren kann. Da<br />

kann der sadistische Typ einfacher Macht ausüben. Die haben Angst vor Frauen <strong>und</strong> vor Männern<br />

sowieso. Da geht es um <strong>die</strong> Lust am quälen <strong>und</strong> am erniedrigen, um Macht ausüben. Wir hatten einen<br />

Fall, der zwei Mädchen vergewaltigt hat <strong>und</strong> man ist dem erst drei Jahre später auf <strong>die</strong> Spur gekommen,<br />

weil eine Mutter das Tagebuch ihrer Tochter gef<strong>und</strong>en hat <strong>und</strong> da stand drin, dass <strong>die</strong>ser Mann,<br />

der ein Bekannter der Familie war, das Kind sexuell missbraucht hat. Man hat dann im Anschluss<br />

noch weitere missbrauchte Kinder gef<strong>und</strong>en. <strong>Der</strong> hat sieben ein halb Jahre bekommen <strong>und</strong> wurde<br />

dann unseres Wissens auch verwahrt.


121<br />

Und eben, wir haben auch den senilen Typus, bei dem aber Hirnabbauprozesse <strong>und</strong> ein verändertes<br />

Lebensumfeld eine Rolle spielen. Meist war das Leben <strong>die</strong>ser Täter im Vorfeld normal.<br />

CB: Wie ist es mit den Inzesttätern?<br />

Das gibt es ganz wenig, das ist aber auch nicht sexueller Missbrauch an Kindern, sondern unter Erwachsenen<br />

in der Familie. So Fälle mit Stiefvätern <strong>und</strong> Onkel, das fällt ja nicht unter Inzest, das ist ja<br />

eine gesetzliche Regelung, <strong>die</strong> mit Blutsverwandtschaft zu tun hat. Die Fälle mit Missbrauch in der<br />

Familie, das gibt es schon <strong>und</strong> in allen Schattierungen.<br />

CB: Wie haben ja auch so Angebote im www oder früher per Inserat. Da suche <strong>Pädosexuelle</strong><br />

explizit allein erziehende Frauen wegen der Kinder. Die heiraten ja dann wegen den Kindern.<br />

Ich kann mir aber vorstellen, dass <strong>die</strong>se Fälle weniger zur Anzeige kommen, weil es in einem<br />

abgeschlossenen System geschieht.<br />

Also alles, was innerhalb der familiären Gemeinschaft passiert, ist schwierig. Darum ist das auch<br />

schwierig mit <strong>die</strong>sen Zahlen, das ist alles hypothetisch. Ich denke, noch schwieriger ist es, wenn der<br />

eigene Vater das Kind missbraucht.<br />

Wir haben noch viele Fälle, bei denen der Vater des Missbrauchs angeklagt wird im Rahmen einer<br />

Scheidungssituation.<br />

CB: Habt ihr da auch das Problem des Missbrauchs mit dem Missbrauch?<br />

Wir haben schon gehört, dass ein Scheidungsanwalt ein schlechter Anwalt sei, wenn er nicht den<br />

Kindsmissbrauch noch im Köcher habe. Das ist das eine, aber das andere ist eben auch, dass es<br />

durchaus sein kann <strong>und</strong> <strong>die</strong> Geschichte dann wirklich bei der Scheidungssituation ans Licht kommt.<br />

Das ist schon schwierig auseinander zu halten. Wir arbeiten ja hier in <strong>Bern</strong> eng mit Beratungsstellen<br />

zusammen <strong>und</strong> <strong>die</strong> empfehlen zum Teil schon, keine Anzeige wegen Kindsmissbrauch in Scheidungssituationen<br />

zu machen (sondern erst später), eben weil es eben schwierig ist. Das sind aber<br />

wirklich gute Beratungsstellen, <strong>die</strong> sind schon verantwortungsbewusst.<br />

Wie schon erwähnt sind <strong>die</strong> Scheidungsfälle heikel, da muss man genau schauen, aber wir haben<br />

auch <strong>die</strong> Fälle, wo pubertierende Mädchen falsche Anschuldigungen machen. Die Motive sind unterschiedlich<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> angeblichen Täter können auch unterschiedlich sein, das kann vom eigenen Vater<br />

bis zu Fremden gehen. Bei jüngeren Kindern sind falsche Anschuldigungen ganz ganz selten. Wenn<br />

sie von einem Elternteil instrumentalisiert werden, merkt man das recht schnell. Sie müssen auch<br />

nicht mal instrumentalisiert werden, das passiert manchmal ganz schleichend <strong>und</strong> unbewusst. Das<br />

Kind erzählt etwas, das man in Richtung sexuellen Übergriff interpretieren kann <strong>und</strong> <strong>die</strong> Situation in<br />

der Familie ist heikel <strong>und</strong> dann wird nachgefragt <strong>und</strong> weiter nachgefragt <strong>und</strong> auf einmal hat man eine<br />

konstruierte Geschichte. Aber normalerweise erzählt ein kleineres Kind keine erf<strong>und</strong>enen Geschichten.<br />

Aber <strong>die</strong> Gutachten werden dann selbstverständlich von Fachmännern <strong>und</strong> Fachfrauen gemacht.<br />

Und eben, wie sie wissen, sind <strong>die</strong> Gutachter überlastet <strong>und</strong> dann kann das dauern. Die Aufschübe<br />

werden dann der Polizei angelastet, <strong>die</strong> Leute können das nicht auseinander halten. Und das Warten<br />

ist das bei <strong>die</strong>sen Fällen besonders kritisch, weil das auch sehr belastend ist für <strong>die</strong> Kinder.<br />

CB: Da kommt mir grad das Problem mit dem Prozessbeistand im Raum ZH in den Sinn. Wie<br />

läuft das in <strong>Bern</strong> mit der Amtsvorm<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong> den Prozessbeiständen? Wie ist da der Einfluss<br />

<strong>die</strong>ser Stellen auf <strong>die</strong> Anzeigebereitschaft oder den Prozessverlauf?<br />

In <strong>Bern</strong> ist das ganz anders. Normalerweise ist ja <strong>die</strong> Mutter dabei, ausser sie könnte Partei sein.<br />

Wenn <strong>die</strong> Mutter das Kind nicht begleiten kann <strong>und</strong> eine Beistandschaft vorhanden ist, dann reicht<br />

das oder wenn es Pflegeeltern hat, dann müssen sie das ok geben. Wenn gar niemand vorhanden ist,<br />

dann muss <strong>die</strong> zuständige Vorm<strong>und</strong>schaftsbehörde eine superprovisorische Verfügung aussprechen,<br />

damit wir <strong>die</strong> Befragungen etc. machen können. Aber es findet kein Gespräch zwischen Vorm<strong>und</strong>schaftsbehörde<br />

<strong>und</strong> dem Kind statt <strong>und</strong> es wird auch nicht von Jemandem von der Vorm<strong>und</strong>schaftsbehörde<br />

begleitet. Wenn niemand da ist, dann wird das Kind von Jemandem von einer Beratungsstelle<br />

begleitet, meist ist es ja Jemand, der <strong>die</strong> Familie schon vorher begleitet hat.<br />

CB: Zurück zur <strong>Strafverfolgung</strong>. Habt ihr verschiedene Strategien, Taktiken bei unterschiedlichen<br />

<strong>Pädosexuelle</strong>n Delikten?<br />

Bei den Taktiken gibt es schon Nuancen. Das wichtigste Kriterium ist <strong>die</strong> unmittelbare Gefährdung<br />

des Kindes, also <strong>die</strong> Dringlichkeit. Aber ansonsten gehen wir ähnlich vor. Wir gehen halt auch immer<br />

auf Anzeige hin vor, wir haben keine Ressourcen, um eigene Recherchen durch zu führen.


122<br />

Wir haben vor ein paar Jahren auch ermittlungstechnisch <strong>die</strong> Idee gehabt, eine Legende zu erfinden,<br />

<strong>die</strong> dann auf dem Netz Kinderpornografie kauft mit einer Kreditkarte. Aber das geht halt nicht mit der<br />

aktuellen Gesetzeslage.<br />

CB: Habt ihr Hinweise auf Ringe?<br />

Wir haben auch schon in Pädophilenkreisen ermittelt. Bei Pädophilen, <strong>die</strong> auch dazu gestanden sind.<br />

Das war so vor sechs Jahren, der Fall R. <strong>und</strong> Konsorte, <strong>die</strong> hatten Kontakte untereinander, da gingen<br />

Briefe hin <strong>und</strong> her, aber das war alles altes Material. Da konnte man nichts mehr machen.<br />

Aber eben, es ist generell auch eine Frage der Ressourcen, wir können mit Müh <strong>und</strong> Not <strong>die</strong> Fälle bearbeiten,<br />

<strong>die</strong> bei uns angezeigt werden. Da mal in einen Fall richtig reingehen, mit Telefonkontrollen<br />

<strong>und</strong> so, da haben wir einfach keine Zeit. Wir haben auch keine spezielle Abteilung. Von uns aus wäre<br />

es dringend nötig, dass wir ein Sittendezernat hätten. Es werden halt einfach andere Prioritäten gesetzt<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Zusammenlegung mit der Stadtpolizei wurde auch nicht vollzogen, das hätte dann auch<br />

Ressourcen frei gesetzt.<br />

CB: Was meint ihr zum Begriff der Oberschichtspädophilie?<br />

Es gibt gr<strong>und</strong>sätzlich keine Schichtzuteilung bei den Pädophilen, das kommt in allen Schichten vor,<br />

aber von Ringen aus der Oberschicht? Im Fall R., ja, <strong>die</strong> haben schon eher in der Oberschicht verkehrt.<br />

Aber wir wissen halt auch nicht mehr. Ist <strong>die</strong> Gefahr nicht zu gross, wenn <strong>die</strong> sich noch organisieren?<br />

Wir denken, dass ist eher was, das sich im stillen Kämmerlein abspielt. Durch das Internet<br />

kann sich das ja schon verändert haben. Früher musste man sich treffen, um Photos auszutauschen<br />

<strong>und</strong> heute kann man das alles über Internet machen.<br />

CB: Dann hätte ich noch eine Frage. In Zürich hört man aus Polizeikreisen, dass sie Probleme<br />

haben mit Jugendlichen, Mädchen <strong>und</strong> Knaben im Schutzalter, <strong>die</strong> sich so halb prostituieren,<br />

das heisst, sie lassen Erwachsene sexuelle Handlungen an ihnen vornehmen für Geld oder<br />

manchmal nur für ein T-Shirt. In gewissen Kreisen scheint sich das herausgebildet zu haben.<br />

Kennt ihr solche Phänomen in <strong>Bern</strong> auch? Die K<strong>und</strong>schaft ist nicht einmal unbedingt pädosexuell,<br />

sondern <strong>die</strong> suchen einfach junge Menschen.<br />

Nein, das kennen wir nicht in der Art, aber da müsste man besser bei der Stadtpolizei nachfragen, da<br />

sähe es unter Umständen anders aus.<br />

CB: Wie seht ihr <strong>die</strong> Gesetzgebung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Rechtsprechung in den Deliktsfeldern, habt ihr da<br />

Probleme damit?<br />

Ich will nur noch betonen, dass der Inzest in <strong>die</strong>ser Fragestellung nichts zu hat, da geht es nur um<br />

Erwachsenen untereinander. So Vater-Tochter-Konstellationen werden nur als Inzest behandelt,<br />

wenn das Kind schon Erwachsen ist, sonst läuft das unter dem Art. 187.<br />

Für uns sind politische oder juristische Begründungen manchmal nicht nachvollziehbar. Zum Beispiel<br />

ist bei Art. 197 der Besitz eigentlich strafbar, aber wenn es um Pornografie mit Ausscheidungen geht,<br />

ist der Besitz nicht strafbar. Was sind da <strong>die</strong> Überlegungen dahinter? Wir können uns das nicht erklären.<br />

Was sind da für Entscheidungsfindungen dahinter?<br />

CB: Da müsste man <strong>die</strong> Botschaft hinter dem Gesetzesartikel nachlesen, ich müsste das aber<br />

auch nochmals nachlesen.<br />

Zur Schutzaltergrenze meinen wir, dass man <strong>die</strong> runter auf 14 oder 15 nehmen müsste. Das ist einfach<br />

nicht mehr zeitgemäss. Das geht an der Realität vorbei. Wir sehen mehrere Fälle mit 14 oder 15-<br />

Jährigen, <strong>die</strong> um einiges ältere Partner hatten <strong>und</strong> das fanden wir völlig daneben, wenn sich das Gesetz<br />

da reinmischte. Oder besser, man müsste den gesetzlich definierten Altersunterschied heraufsetzen.<br />

Das würde eine unnötige Kriminalisierung von ungleich alten, aber einvernehmlichen Paaren<br />

vermeiden.<br />

Auch mit der Tabuisierung der kindlichen Sexualität, das muss man auch darüber reden können. Aber<br />

eben, es kommt schon darauf an, wer in welchem Alter mit wem Sexualität ausübt. Da muss das Gesetz<br />

schon eingreifen.<br />

CB: Ich möchte mich herzlich für das interessante Gespräch bedanken <strong>und</strong> für <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> sie<br />

sich genommen haben!


123<br />

6. Interview mit lic. jur. Philipp Kronig, Leiter KOBIK<br />

Funktion:<br />

Herr Kronig ist Jurist, Leiter von KOBIK (Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität)<br />

<strong>und</strong> Mitglied einiger Arbeitsgruppen, <strong>die</strong> sich mit der Rechtssetzung auch im Bereich Kinderpornografie<br />

auseinandersetzen.<br />

Das Interview fand am 24.05.04 in einem Restaurant in <strong>Bern</strong> statt <strong>und</strong> wurde nicht aufgenommen. <strong>Der</strong><br />

untenstehende Text ist aufgr<strong>und</strong> von schriftlichen Notizen zustande gekommen. Das Gespräch dauerte<br />

zirka 45 Minuten.<br />

CB: Herr Kronig, ich spreche Sie hier als Jurist <strong>und</strong> Leiter der KOBIK an. Erst zum Art 197 / 3<br />

bis des StGB. Ich weiss, dass sie gegen <strong>die</strong> Pönalisierung des Konsums von Kinderpornografie<br />

sind, können Sie mir erklären, weshalb?<br />

Nicht vom Strafrecht erfasst, heisst zunächst einmal nicht, dass ich <strong>die</strong>ses Verhalten auch befürworte.<br />

Hingegen muss unterschieden werden zwischen moralisch-ethischen Grenzen <strong>und</strong> Grenzen des<br />

Strafrechts. Letztere sollten als Ultima Ratio eingesetzt werden. Den Auftrag den Konsum konsequent<br />

zu bestrafen, wäre auf der operativen Polizeiebene zudem nicht umsetzbar. Nicht durchsetzbare Verbote<br />

sind aber kontraproduktiv – Beispiele gibt es leider genügend. Schliesslich ist durchaus denkbar,<br />

dass man zufällig auf Kinderpornografie stösst im Internet. Die Vorsätzlichkeit zu beweisen, ist dann<br />

sehr schwer, wenn nicht unmöglich. Auch zur deutschen Regelung, <strong>die</strong> „sich Besitz verschaffen“ im<br />

Strafgesetzbuch vorsieht, bin ich skeptisch, weil es nicht eindeutig ist. Ab wann wäre der Beweis geliefert,<br />

dass sich Jemand Besitz verschaffen will? Welches sind eindeutige Suchbegriffe? Die Frage ist<br />

ja auch, was man überhaupt bestrafen will; einen krankhaften Trieb oder <strong>die</strong> Etablierung <strong>und</strong> aktive<br />

Förderung eines kriminellen Marktes?<br />

CB: Aber wenn Jemand „nur“ konsumiert <strong>und</strong> dafür zahlt, unterstützt er den Markt ja auch?<br />

Auf den ersten Blick mag <strong>die</strong>s zutreffen. Ich bin aber überzeugt, dass der Konsum bei normal veranlagten<br />

Menschen eine einmalige Sache bleibt. Deshalb ergibt sich aus <strong>die</strong>sem Konsumverhalten keine<br />

wirkliche Ankurbelung des Marktes. Wird der Konsum weitergeführt, so ist <strong>die</strong>s in aller Regel auch<br />

mit Speicherung <strong>und</strong> Besitz verb<strong>und</strong>en. Und damit ist <strong>die</strong> Grenze zur Strafbarkeit überschritten.<br />

Eine Analogie kann evtl. zum Verbot der Einfuhr von Kinderpornografie gezogen werden. Meines Wissens<br />

bezweckt <strong>die</strong>ses Verbot <strong>die</strong> Masse an illegalen Materialien im Inland nicht zu vergrössern. Solange<br />

das Konsumieren nicht als elektronische Einfuhr bewertet wird, ist es auch schlüssig den blossen<br />

Konsum nicht unter Strafe zu stellen.<br />

CB: Man hört aus Polizeikreisen immer wieder, dass <strong>die</strong> Justizebene das Problem der Kinderpornografie<br />

nicht wirklich ernst nimmt, dass <strong>die</strong> Richter <strong>und</strong> Richterinnen das als Kavaliersdelikt<br />

anschauen <strong>und</strong> lächerliche Strafen aussprechen. Dass Aufwand <strong>und</strong> Ertrag in einem Missverhältnis<br />

stünden. Was meinen Sie dazu?<br />

Diese Aussage dürfte auch in anderen Bereichen des Strafrechts fallen <strong>und</strong> ist nicht typisch für <strong>die</strong><br />

Bekämpfung der Kinderpornografie allein. Denken Sie z.B. an <strong>die</strong> Bekämpfung der Drogenkriminalität,<br />

der Wirtschafts- <strong>und</strong> Verkehrsdelikte.<br />

Zum Teil mag es tatsächlich daran liegen, dass <strong>die</strong> Dossiers zu wenig gut aufgearbeitet sind – <strong>und</strong><br />

natürlich kann es vorkommen, dass gute Ermittlungsergebnisse auf fehlendes Spezialwissen der<br />

Richter stösst. Schliesslich führt unser föderales <strong>Strafverfolgung</strong>ssystem dazu, dass das Strafmass<br />

regional sehr verschieden ausfallen kann. Wie gesagt, <strong>die</strong>s ist meines Erachtens kein besonderes<br />

Problem nur bei der Bekämpfung der Kinderpornografie.<br />

CB: Kommen wir im engeren Sinn zu KOBIK. Es wurden schon politische <strong>und</strong> andere Stimmen<br />

laut, dass das jetzige KOBIK zu klein sei, dass man mindestens 50 Personen brauchen würde,<br />

um eine effiziente anlassunabhängige Recherche zu führen. Was halten Sie davon?<br />

Nicht viel. <strong>Der</strong> Tatbeweis ist zudem erbracht, dass es eben anders auch geht. Das erste Betriebsjahr<br />

von KOBIK ist auch im internationalen Vergleich eine Erfolgsgeschichte. Bei einem gewichteten Vergleich<br />

zeigt sich, dass wir mit 4-mal weniger Ressourcen, 5-mal mehr Verdachtsfälle im Inland aufzeigen<br />

konnten. Vergleiche mit dem Ausland sind oft rein politisch motiviert (es macht sich gut 50 Leute<br />

zu fordern) <strong>und</strong> lassen ausser Acht, dass <strong>die</strong> Schweiz einen sehr innovativen Weg geht. So beschränken<br />

sich unsere Mitarbeiter auf ihre präventiven Arbeiten – sie müssen keine Ermittlungen füh-


124<br />

ren (wie etwa in Bayern). Wir setzen im hochtechnischen Umfeld des Internets auch konsequent auf<br />

Nutzung technischer Werkzeuge. Zeitintensive, wiederkehrende Routinearbeiten erledigt weitgehend<br />

unser Informationssystem. Zudem haben wir nicht „nur“ Polizisten angestellt, sondern auch Informatiker,<br />

Sicherheitsleute, Journalisten, Juristen usw. Wir konzentrieren uns weiter auf <strong>die</strong> Schweizrelevanten<br />

Fälle. Schliesslich nutzen wir konsequent interne Synergien innerhalb des B<strong>und</strong>esamtes.<br />

Viel zum Erfolg beigetragen hat auch <strong>die</strong> gute Zusammenarbeit mit den Providern, gerade im Bereich<br />

Chatforen.<br />

Mehr Leute heisst nicht automatisch substantiell mehr Verfahren – ausschlaggebend ist der Grenznutzen.<br />

Heute kann ich sagen, dass mit 1-2 Personen mehr (Verstärkung des Monitorings) <strong>die</strong> Aufgaben<br />

von KOBIK nahezu perfekt gelöst werden könnten.<br />

Wie gesagt KOBIK ermittelt nicht. Es ist auch richtig, dass <strong>die</strong> tatsächliche Verfahrensführung in den<br />

Kantonen verankert bleibt. Wir müssen allerdings <strong>die</strong> Impulse geben <strong>und</strong> zwar aus Hinweisen aus öffentlich<br />

erkennbaren Bereichen. Ob <strong>die</strong> Kantone für <strong>die</strong>sen Deliktsbereich mehr Ressourcen <strong>und</strong><br />

mehr Möglichkeiten bekommen sollten, ist ein anderes Problem, da sind wir natürlich auch dafür, aber<br />

da haben wir keinen Einfluss. GENESIS hat gezeigt, dass alle Kantone fähig sind Verfahren im Internetbereich<br />

zu führen. Vereinzelt wurde eine weitergehende Koordination des B<strong>und</strong>es gefordert im<br />

Vorfeld der Ermittlungen. Zum Beispiel, dass Kreditkarteninhaber abgeklärt werden können oder dass<br />

<strong>die</strong> IP-Nummern ermittelt werden, bevor <strong>die</strong> Verfahren den Kantonen abgetreten werden.<br />

CB: Wo sähen Sie auf rechtlicher Ebene Verbesserungsvorschläge? Was halten Sie z.B. von<br />

der 6-Monats-Aufbewahrungsregelung der IP-Adressen? Ist das ein Problem?<br />

Nun, <strong>die</strong> zurückgezogene parlamentarische Initiative Frick hatte damit sicherlich ein Problem. Aus<br />

Sicht der <strong>Strafverfolgung</strong> ist <strong>die</strong> 6 Monate-Regelung eher an der unteren Grenze. Zu beachten ist dabei,<br />

dass praktisch jedes Verfahren im Internet-Bereich mit der Abklärung der IP-Adresse beginnt. Ist<br />

<strong>die</strong>s nicht möglich, so endet <strong>die</strong> <strong>Strafverfolgung</strong>. <strong>Der</strong> Aufwand der Provider ist verhältnismässig <strong>und</strong><br />

der Eingriff in <strong>die</strong> Privatsphäre auch. Denn <strong>die</strong> Daten werden nur bei Vorliegen eines konkreten Tatverdachts<br />

erhoben.<br />

CB: Herr Kronig, ich möchte Ihnen herzlich für <strong>die</strong> interessanten Ausführungen danken <strong>und</strong> für<br />

<strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> Sie sich genommen haben.


Anhang II; Textbeispiele aus offenen Newsgroups<br />

Alle Textpassagen stammen aus den, für alle einsehbaren, Gruppierungen auf www.google.ch.<br />

Beispiel 1:<br />

Hallo ihr.<br />

125<br />

Wollte euch Frohe Weihnachten wünschen. Seid lieb zu Kindern ;-)<br />

Meine Mail-Addresse ist übrigens nicht mehr aktiv. Die wurde mir geschlossen.<br />

Machts gut.<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

Das kann ich gut verstehen! Für solche prekären Anlagen benutzt man(n) ja auch anonyme mailadressen! Bei<br />

web.de ist <strong>die</strong>s leider nicht der Fall. dort muß man <strong>die</strong> Heimatadresse angeben.<br />

Wenn du junge Mädchen kennst, dann nur her damit. Ich mache ALLES! Ich kenne da keine Grenzen! Die Mädchen<br />

dürfen nur nicht jünger als 5 <strong>und</strong> älter als 13 Jahre sein. Du darfst mich dabei auch filmen <strong>und</strong>/oder<br />

fotografieren!<br />

Beispiel 2:<br />

hi leute hab ne menge pthc pics (250+) <strong>und</strong> ne menge privat pics von schönen mädchen (50+) interesse am tauschen?<br />

1 Probebild zu mir. ich schreib dir ob ich interesse hab!<br />

nur mädchen zwischen 8 <strong>und</strong> 16 jahren.<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

<strong>Der</strong> Penner tauscht nicht. Kassiert zwar Bilder sendet jedoch nicht zurück!<br />

Beispiel 3:<br />

I look for photos or for films of tortures of small girls<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

I TOO!!!!<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

and my to ....<br />

and sand good litle pics...<br />

Beispiel 4:<br />

suche mädchen zwischen 12j. u .16j. aus dem raum süddeutschland für bondage bilder(nur privat, keine veröffentlichung),<br />

keine nacktbilder. honorar nach vereinbarung<br />

Beispiel 5:<br />

verkaufe kinderstrumpfhosen (getragen) <strong>die</strong> strumpfhosen stammen von mädchen im alter von 5-10<br />

interessenten senden eine mail an obige adresse!<br />

Beispiel 6:<br />

hi, ich mal wieder, wenn ich schon gerade dabei bin, ich habe eine group bei yahoo, wer dort eintreten will kann<br />

mir bilder von kindern senden, nur hard! es gibt ein grosses angebot darin, also. wer mir mindestens 4 bilder sendet<br />

wird als member eingeloggt <strong>und</strong> kann gucken sich was runterladen oder sonst was. videos sind auch willkommen,<br />

<strong>und</strong> wer mir einen clip sendet den ernenne ich zum moderator der group <strong>und</strong> der kann über <strong>die</strong> group<br />

mitbestimmen. freue mich schon auf eure antworten!<br />

Mfg Steve<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

Also nochmal, member wird man nur wenn man mindestens 4 bilder sendet, antwort dann sobald wie möglich,<br />

nicht länger als 3 tage!


Beispiel 7:<br />

126<br />

Ich suche privat nackt Bilder von jungen (bis 14Jahre max) Töchtern oder Schwestern , wer hat sowas. Ich habe<br />

tonnen von BD-Company , Ruslolita , Homelolita usw...<br />

Möchte gerne mehr private Bildchen oder sogar Filme , tausche dann auch massig , vielleicht auch über ICQ.<br />

Bitte aussagekräftiges Material an daughterlover@hotmail.com , sende dann auch aussagekräftiges zurück , bitte<br />

angeben welches alter man sucht .<br />

Bei misstrauen kann auch erst was harmloses gesendet werden , schicke dann was zurück.<br />

greets Daughterlover<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

Ich habe auch über 5000 pcis. Meine ICQ:194275761<br />

Beispiel 8:<br />

suche leute <strong>die</strong> ihre kinder zum sex anbieten, oder zuhälter <strong>die</strong> kinder zum sex anbieten, meldet euch bitte! tausche<br />

natürlich auch bilder <strong>und</strong> videos!<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

da hänge ich mich doch voll mit rein. Auch ich würde für Sex mit Kindern bezahlen <strong>und</strong> mich sogar beim ficken<br />

filmen <strong>und</strong> fotografieren lassen!<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

Suche ebenfalls!Ich mag Girls unter 10y. Meine ICQ:194275761<br />

Können gerne Pics <strong>und</strong> mehr tauschen!<br />

Beispiel 9:<br />

gegen entsprechende bezahlung suche ich eine kleine familie (mutter/ tochter) oder einzelne mädchen bis max.<br />

12 jahre für heiße video- <strong>und</strong>/oder fotoaufnahmen. alle aufnahmen nur für privat, kein internetauftritt.<br />

grossraum hamburg, basis pro session bis 150,00 € (!) je nach bild/pose, geschlechtsverkehr mit mutter, tochter<br />

oder beiden zusammen wäre schön, muss aber nicht unbedingt...<br />

Ich würde mich auch gern beim mastubieren zuschauen oder von der tochter anpissen lassen...<br />

also, bis später dann, hoffe ich...<br />

Beispiel 10:<br />

Ich suche gleichgesinnte, aus Deutschland, am besten aus dem Raum Münster/Osnabrück <strong>die</strong> evt. Kontakte oder<br />

Bildmaterial haben <strong>und</strong> <strong>die</strong>se auch teilen, bzw verkaufen. Da ich schon länger vergeblich versuche an soetwas<br />

heran zu kommen, bin ich auch über jeden Tip <strong>und</strong> jedes Pic dankbar (Tauschmterial vorhanden!)<br />

Beispiel 11:<br />

Hallo ihr.<br />

Wer von euch aus dem Raum Köln <strong>und</strong> Umgebung hat Interesse meinen 2jährigen Sohn <strong>und</strong> meine 9 Monate alte<br />

Tochter bei gelegentlichen Treffs nackt zu sehen? Beide laufen gerne öfters mal nackt durch <strong>die</strong> Wohnung.<br />

Vielleicht kann auch mal beim baden oder umziehen geholfen werden. Wer will kann gerne seine Kinder mitbringen.<br />

Anfassen <strong>und</strong> streicheln ja, Verkehr nein!<br />

Bitte keine "... ich will Deine Kinder ficken" Antworten oder ähnliches.<br />

Paul<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

Ich würde Deine Kinder gerne mal anschauen <strong>und</strong> anfassen. Wie weit darf man den dann gehen? Bist Du in einer<br />

Gruppe <strong>die</strong> sowas öfters machen?<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

hi, hätte lust mal zu schauen. Schick mir doch mal ein paar fotos, als appetithäppchen.<br />

Gruß


igideon<br />

127<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

Habe auch Interesse, hätte auch gerne bilder. Aber poste <strong>die</strong> bilder möglichst in <strong>die</strong> newsgroup ich will hier nicht<br />

meine email angeben. Beitrag 6 aus der Diskussionsgruppe<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

Habe evtl. bald Bilder.<br />

Aber wie kann ich <strong>die</strong> hier Posten?<br />

------------------------------------------------------------------------------<br />

hmm? mein letztes posting ist irgendwie nicht angekommen :-( also ich hätte schon lust dazu, wohne auch nicht<br />

weit von köln entfernt. schick mir doch bitte mal ein paar bilder per mail, o.k.?<br />

cu<br />

GB Boy


128<br />

Anhang III; Beispiel einer geschlossenen Gruppierung<br />

Folgende Zusammenfassung wurde dem Artikel von Groebel, J et al (2001) entnommen.<br />

Alison and the Wonderland Club<br />

The story of the Wonderland Club, the largest child pornography network on the Internet ever, started<br />

in April 1996 in Greenfield, California.<br />

Alison, ten years old, stayed the night with her school friend and a few days later her mother received<br />

a telephone call. This school friend’s father, Ronald R., had been arrested for abusing a child. Mr. R.<br />

encouraged his daughter to have friends over to stay. One night in the Easter holidays, Alison’s stay<br />

would become a horrible one. She was pulled out of a slumber party, taken into a computer room and<br />

was abused in front of a little camera (connected to a computer) while a dozen men were watching.<br />

Men from Australia, Canada, Finland and the U.S. typed in requests<br />

for R. to perform specific sexual acts with the child. Mr. R.’s molesting activities came to light because<br />

a local child had complained that Ronald had tried to abuse her. Ronald R. was sentenced to over a<br />

h<strong>und</strong>red years in prison in California and a dozen other men aro<strong>und</strong> the U.S. were sentenced to<br />

shorter jail sentences.<br />

The electronic trail crossed U.S. borders and led to Hastings, Sussex. U.S. Customs had fo<strong>und</strong> an email<br />

address of Ian B. on Ronald R.’s computer in California. In October 1997, Sussex police seized<br />

the computer of Ian B., a 28 year-old computer technician. A police computer forensics expert had examined<br />

the computer, in which more than 42,000 paedophile images had been stored, and through<br />

which 1642 images had been distributed to 17 other Internet users in the six days prior to Ian B.’s arrest.<br />

After Ian’s computer had been examined for five months, evidence was discovered of an extensive<br />

and sophisticated club of paedophiles called Wonderland. The main purpose of the Wonderland<br />

Club was to exchange paedophile materials, pictures, movies, information, and very appallingly,<br />

so<strong>und</strong>s. The Club had its own committee, rules, and procedures.<br />

For example, in order to be admitted new members were requested to contribute 10,000 original images<br />

of child pornography. The Club operated very carefully out of a secure Internet Relay Chat (IRC)<br />

channel that could be accessed through a number of private servers. It often happened members vanished<br />

from one computer server, only to reappear on another server based somewhere else in the<br />

world. A „Traders Security Handbook” showed members how to use encryption to conceal images,<br />

confuse police, and what to do if arrested. Members who wanted to get in the private chat room had to<br />

pass seven security checks and were only known by pseudonyms such as „Satan”, „Sheepy” and<br />

„Hopeful Spank Dad”. The chat room was run on a special software programme, known as „Sandra”<br />

or (how appropriate) „Alice” to its regulars, which acted as a gatekeeper denying access to anyone<br />

who was not a subscribed Wonderland Club member. Images were swapped through a direct File<br />

Transfer Protocol (FTP) connection to each connected computer.<br />

In April 1998 the National Crime Squad (NCS) set up Operation Cathedral to track down the British<br />

members of the Wonderland Club. Electronic trails had led to Stockport, Cheshire. In Stockport, Manchester<br />

police arrested Gary S., former RAF engineer, and fo<strong>und</strong> 20,000 images of child pornography<br />

in his computer. Gary’s computer provided the police more up to date information on the Wonderland<br />

Club and improved the chance of online tracking. Gary S. turned out to be one of the key members.<br />

As he was actively abusing children and producing images for others, this enhanced Gary’s status<br />

within the Club. Three members of the Club actually travelled to Stockport to Gary’s home address<br />

and had pictures taken on his bed with the victims. Those pictures did not contain indecent poses but<br />

were apparently taken, as one of the members e-mailed them ro<strong>und</strong> the Net, as some remembrance<br />

of the visit to Gary’s house. As one of the detectives of the Crime Squad stated: „…just so that they<br />

could get a buzz out of saying they’d met the stars of the movie.” Gary S. has already been sentenced<br />

to 12 years in prison for the abuse of three children.<br />

Police and computer specialists worked out a technique which enabled them to actually watch suspects<br />

on the Internet. Additionally, names and addresses of suspects’ customer accounts were obtained<br />

from ISPs. As this was not enough, it had also to be proved that the suspects actually were<br />

downloading the child porn images, detectives of the NCS watched 13 addresses of Wonderland suspects.<br />

Police tracked down „Hopeful Spank Dad” or „Spank daddy” the nickname of Gavin S., a 24 year-old<br />

computer technician from Dartford, Kent. Gavin S. had long online conversation with other Club members<br />

as for example with Ian B. who supported and encouraged Mr. S. in his paedophile activities. After<br />

the computer of Ian B. was seized, he had been allowed out on bail without conditions and police<br />

tracked him down to Charlbury, Oxfordshire where he was being watched at his home address. In


129<br />

May 1998, the NCS located Gavin S. in hut of the local Sea Cadets headquarters. Gavin S. was a volunteer<br />

youth leader, in contact with 25 boys and girls between the age of 10 and 18. The police had to<br />

continuously balance the need for evidence against the risk to children. Such as a <strong>und</strong>ercover officer<br />

involved in the surveillance of Mr. S. stated: „When we took him to the Sea Scout hut, the heckles on<br />

the back of our neck all stood up on end and we were all concerned as to what our next cause of action<br />

should be, and we just ensured that whenever he was going to the Sea Scouts that we had the<br />

surveillance team with him to ensure that at no time when he departed did he take anyone with him. If<br />

at any stage he had the children with him on a one to one basis, or a two to one basis, then our instructions<br />

were to arrest him.” By June, investigations of the NCS revealed 10 British suspects and up<br />

to 180 potential Wonderland Club members in 12 other countries.<br />

In July 1998, the British police team briefed U.S. Customs on 90 suspected American Wonderland<br />

members and passed on lists of pseudonyms and e-mail addresses. U.S. Customs identified another<br />

key member, Scott A. in St. Charles Missouri. Also Scott A. appeared to be well respected within the<br />

network because he was actually abusing children and producing images on demand. According to a<br />

computer forensics expert of U.S. Customs „if you want a special request you would talk to him about<br />

certain things that you wanted to see him do the next time he’s abusing a child he would do it for you.”<br />

Among the members who traded child pornographic material Customs not only fo<strong>und</strong> stereotypical<br />

paedophiles, e.g. those who are exploring playgro<strong>und</strong>s, but also people one would never have suspected<br />

like those who were married and with children, a professor in the University of Connecticut, law<br />

students and medical students.<br />

By now eight European countries were looking for Wonderland members. Also in Germany where the<br />

National Computer Crime Unit was haunting for a dozen suspected Club members. The Crime Unit<br />

examined computer logs, e-mails and images received from the UK National Crime Squad. German<br />

police tracked down „Ultima” to a government guesthouse near Bonn. Ultima, a civil servant in public,<br />

turned out to be a committee member of the Wonderland Club and the person to decide whether a<br />

candidate would be carefully examined for a new membership or would not be given access. Ultima<br />

had very close contacts to the leading persons, both to the UK and to the US.<br />

By the end of August, thirteen countries were hunting for Wonderland suspects and although not all of<br />

them had been identified time was running out. Some members were becoming suspicious and<br />

started to secretly encode their images to hide evidence. Across the world police forces decided not to<br />

wait any longer and the Wonderland Club was about to be arrested. Getting in suspects’ homes, securing<br />

evidence, and preserving evidence were some major concerns, moreover, police forces had<br />

also to prevent suspects from one country warning suspected members in other countries.<br />

On 2 September 1998, in 13 countries, more than a thousand police and child protection officers simultaneously<br />

raided 105 Wonderland members. Worldwide more than 100 computers were seized.<br />

The surveillance of and hunt for the Wonderland Club and its members, world’s largest Internet child<br />

pornography network, resulted in the seizure of 750,000 paedophile and child porn images as well as<br />

aro<strong>und</strong> 1,800 computerized videos. According to detectives of the British National Crime Squad the<br />

images not just concern children running on the beach, but in some occasions the worst kind of abuse<br />

one could imagine, including people committing vaginal and anal rape on children as young as six and<br />

nine months of age. A chief inspector of the NCS comments: „Certainly one series that sticks in my<br />

mind is a series that was labelled ‘Colby’. Colby would appear to be a child of no more than a year old<br />

and the initial images are of a young toddler, a very blond-haired lad, walking in a hallway in nappies.<br />

That image goes through some 20 or 30 slides and ends up with the most horrific abuse of the child<br />

and certainly, like the rest of the team, I guess that one image probably stays with you and that for me<br />

would be the most horrible that I saw.”<br />

Regretfully, the revelations about Wonderland are just part of the whole story. The identification of<br />

many victims remains a major problem. Three years ago, an 11 year-old Portuguese boy Rui Pedro<br />

M. had been kidnapped on his way to school and, since then, has never been fo<strong>und</strong>. Images of Rui<br />

Pedro M. were traded in the Wonderland network, for example, an image was fo<strong>und</strong> on the computer<br />

of one of the suspects, Gavin S. Sadly, so far the Portuguese boy is the only child that has been positively<br />

identified.<br />

On 13 February 2001, before Kingston Crown Court, seven Britons were sentenced for their participation<br />

in the Wonderland Club. Ian B. and David H. received 30 months, Gavin S. was jailed for 24<br />

months, two other members were sentenced to 24 months, one member received 18 months, and the<br />

final individual was sentenced to 12 months. It is very likely that other child porn networks remain to<br />

exist on the Internet or new ones will emerge. This is what one of the Wonderland members, David H.,<br />

had to say before he received his sentence: „They’ll hide up and then they’ll start their own channel<br />

and then they’ll regroup, and the group will eventually be as big as it was with new members, with new<br />

pictures, and with all of the old pictures which are still floating out there.”<br />

Sources: BBC, Panorama (2001), U.S. Customs Service (2001) & ZDNet (2001)


130<br />

“Ich erkläre hiermit, dass ich <strong>die</strong>se Arbeit selbstständig verfasst <strong>und</strong> keine anderen als <strong>die</strong><br />

angegebenen Quellen benutzt habe. Alle Stellen, <strong>die</strong> wörtlich oder sinngemäss aus Quellen<br />

entnommen wurden, habe ich als solche gekennzeichnet. Mir ist bekannt, dass andernfalls<br />

der Senat gemäss Artikel 36 Absatz 1 Buchstabe o des Gesetzes über <strong>die</strong> <strong>Universität</strong> vom 5.<br />

September 1996 zum Entzug des aufgr<strong>und</strong> <strong>die</strong>ser Arbeit verliehenen Titels berechtigt ist."<br />

<strong>Bern</strong>, den 6. Oktober 2004

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