Anna Skvarc - SCIP - Universität Bern
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Das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über<br />
Computerkriminalität: Neue Europaratsbestimmungen<br />
für die Kriminalisierung rassistischer und fremdenfeindlicher<br />
Handlungen, begangen mittels Computersystemen<br />
Masterarbeit<br />
vorgelegt von<br />
<strong>Anna</strong> <strong>Skvarc</strong><br />
Dorfmatt 93<br />
3286 Muntelier<br />
am 6. November 2007<br />
bei<br />
Prof. Dr. G. Heine<br />
School of Criminology, International Criminal Law and Psychology of Law<br />
Studiengang Internationales und Europäisches Strafrecht<br />
<strong>Universität</strong> <strong>Bern</strong>
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis ........................................................................................ I<br />
Abkürzungsverzeichnis ............................................................................ IV<br />
Literatur- und Materialienverzeichnis ................................................... IX<br />
Einleitung ...................................................................................................... 1<br />
§ 1 Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit .................................................................. 1<br />
§ 2 Vorgehensweise ...................................................................................................... 4<br />
1. Kapitel: Zur Anwendbarkeit des schweizerischen Strafrechts ........... 6<br />
§ 1 Allgemeines ............................................................................................................ 6<br />
§ 2 Ort der Tatausführung ............................................................................................. 6<br />
§ 3 Ort des Erfolgseintritts ............................................................................................ 7<br />
2. Kapitel: Rassistisches und fremdenfeindliches Material ................... 10<br />
§ 1 Material ................................................................................................................. 10<br />
I. Der Begriff „Material“ im Sinne des ZP ............................................................. 10<br />
II. „Material“ als Tatmittel im Sinne von Art. 261 bis StGB .................................... 10<br />
§ 2 Rassistisch und fremdenfeindlich ......................................................................... 11<br />
I. Allgemeines ......................................................................................................... 11<br />
II. Der Begriff „Rassismus“ .................................................................................... 12<br />
III. Der Begriff „Fremdenfeindlichkeit“ ................................................................. 13<br />
IV. Der Begriff „Rassendiskriminierung“ .............................................................. 14<br />
V. Folgerung ........................................................................................................... 15<br />
§ 3 Hass, Diskriminierung und Gewalt ....................................................................... 18<br />
I. Hass ..................................................................................................................... 18<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP .............................................................................. 18<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis Abs. 1 StGB ....................................................... 18<br />
II. Gewalt ................................................................................................................ 19<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP .............................................................................. 19<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis StGB ................................................................... 19<br />
III. Diskriminierung ................................................................................................ 20<br />
§ 4 Befürworten, Fördern und Aufstacheln ................................................................ 21<br />
I. Allgemeines ......................................................................................................... 21<br />
II. Befürworten und Fördern ................................................................................... 22<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP .............................................................................. 22<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis StGB ................................................................... 22<br />
III. Aufstacheln ....................................................................................................... 23<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP .............................................................................. 23<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis StGB ................................................................... 23<br />
§ 5 Person oder Gruppe von Personen ........................................................................ 25<br />
I. Im Sinne von Art. 2 ZP ........................................................................................ 25<br />
II. Im Sinne von Art. 261 bis StGB ........................................................................... 25<br />
§ 6 Rasse, Hautfarbe, Abstammung, nationale Herkunft, ethnische Herkunft, Religion<br />
..................................................................................................................................... 26<br />
I. Rasse und Hautfarbe ............................................................................................ 26<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP .............................................................................. 26<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis<br />
StGB ................................................................... 27<br />
II. Abstammung ...................................................................................................... 28<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP .............................................................................. 28<br />
I
2. Im Sinne von Art. 261 bis<br />
StGB ................................................................... 28<br />
III. Nationale Herkunft ............................................................................................ 29<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP .............................................................................. 29<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis<br />
StGB ................................................................... 29<br />
IV. Ethnische Herkunft ........................................................................................... 31<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP .............................................................................. 31<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis<br />
StGB ................................................................... 31<br />
V. Religion .............................................................................................................. 32<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP .............................................................................. 32<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis<br />
StGB ................................................................... 32<br />
§ 7 Folgerung .............................................................................................................. 33<br />
3. Kapitel: Tatbegehung mittels Computersystemen ............................. 35<br />
§ 1 Begriff des Computersystems ............................................................................... 35<br />
I. Im Sinne der CCC und des ZP ............................................................................. 35<br />
II. Im Sinne des StGB ............................................................................................. 36<br />
§ 2 Begriff der Computerdaten ................................................................................... 37<br />
I. Im Sinne der CCC und des ZP ............................................................................. 37<br />
II. Im Sinne des StGB ............................................................................................. 37<br />
§ 3 Öffentliche Tatbegehung mittels Computersystemen ........................................... 38<br />
I. Die Tatbestandsvoraussetzung der Öffentlichkeit in Art. 3, 5 und 6 ZP ............. 38<br />
II. Die Tatbestandsvoraussetzung der Öffentlichkeit in Art. 261 bis StGB .............. 39<br />
III. Arten von Internet-Diensten ............................................................................. 44<br />
1. Zum Begriff „Internet“............................................................................... 44<br />
2. WWW ........................................................................................................ 44<br />
3. Newsgroups ................................................................................................ 45<br />
4. IRC ............................................................................................................. 46<br />
5. FTP-Dienst ................................................................................................. 46<br />
6. E-Mail ........................................................................................................ 47<br />
§ 4 Folgerung .............................................................................................................. 48<br />
4. Kapitel: Gemäss ZP als Straftaten zu umschreibende Handlungen 51<br />
§ 1 Subjektive Tatbestandsmerkmale ......................................................................... 51<br />
I. Von Art. 3-6 ZP ................................................................................................... 51<br />
II. Zum Vorsatz nach schweizerischem Strafrecht ................................................. 51<br />
III. Folgerung .......................................................................................................... 52<br />
§ 2 Rechtfertigungs- und Schuldausschlussgründe ..................................................... 53<br />
§ 3 Versuch ................................................................................................................. 55<br />
§ 4 Täterschaft und Teilnahme ................................................................................... 56<br />
I. Allgemeines zur Regelung in Art. 7 ZP .............................................................. 56<br />
II. Täterschaft nach schweizerischem Strafrecht im Hinblick auf eine Tatbegehung<br />
mittels Computersystemen ...................................................................................... 57<br />
1. Allgemeines ............................................................................................... 57<br />
2. Autor rassistischen oder fremdenfeindlichen Materials ............................ 57<br />
3. Nutzer eines Computernetzes .................................................................... 59<br />
4. ISP .............................................................................................................. 60<br />
5. Täterschaft durch Setzen von Links ........................................................... 66<br />
III. Teilnahme nach schweizerischem Strafrecht in Hinblick auf eine Tatbegehung<br />
mittels Computersystemen ...................................................................................... 70<br />
1. Allgemeines ............................................................................................... 70<br />
2. Content-Provider als Gehilfe ..................................................................... 71<br />
3. Host-Provider als Gehilfe .......................................................................... 72<br />
II
4. Access-Provider als Gehilfe ....................................................................... 73<br />
5. Setzen von Links als Gehilfenschaft .......................................................... 74<br />
IV. Gesetzgeberische Arbeit in der Schweiz auf Grund von Art. 7 ZP? ................ 75<br />
§ 5 Öffentliches Verbreiten und Verfügbarmachen von rassistischem und<br />
fremdenfeindlichem Material ...................................................................................... 77<br />
I. Allgemeines ......................................................................................................... 77<br />
II. Verbreiten ........................................................................................................... 78<br />
1. Als objektives Tatbestandsmerkmal von Art. 3 ZP ................................... 78<br />
2. Als objektives Tatbestandsmerkmal von Art. 261 bis Abs. 2 StGB ............ 78<br />
III. Verfügbarmachen .............................................................................................. 79<br />
1. Als objektives Tatbestandsmerkmal von Art. 3 ZP ................................... 79<br />
2. Tathandlungen von Art. 261 bis Abs. 2-5 StGB .......................................... 81<br />
IV. Vorbehalte zu Art. 3 ZP .................................................................................... 88<br />
1. Allgemeines zu den ZP-Vorbehalten ......................................................... 88<br />
2. Zulässige Vorbehalte zu Art. 3 ZP ............................................................. 89<br />
V. Gesetzgeberische Arbeit in der Schweiz auf Grund von Art. 3 ZP? ................. 93<br />
§ 6 Rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Drohung ......................................... 96<br />
I. Objektive Tatbestandsmerkmale von Art. 4 ZP .................................................. 96<br />
II. Gesetzgeberische Arbeit in der Schweiz auf Grund von Art. 4 ZP? .................. 97<br />
§ 7 Rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Beleidigung ................................... 98<br />
I. Objektive Tatbestandsmerkmale von Art. 5 ZP .................................................. 98<br />
II. Zulässige Vorbehalte zu Art. 5 ZP ..................................................................... 99<br />
III. Gesetzgeberische Arbeit in der Schweiz auf Grund von Art. 5 ZP? ................ 99<br />
§ 8 Leugnen, grobes Verharmlosen, Billigen, Rechtfertigung von Völkermord oder<br />
Verbrechen gegen die Menschlichkeit ...................................................................... 101<br />
I. Objektive Tatbestandsmerkmale von Art. 6 ZP ................................................ 101<br />
II. Leugnen von Völkermord gemäss Art. 261 bis Abs. 4 2. Satzhälfte StGB ........ 102<br />
III. Zulässige Vorbehalte zu Art. 6 ZP .................................................................. 105<br />
IV. Gesetzgeberische Arbeit in der Schweiz auf Grund von Art. 6 ZP? .............. 105<br />
5. Kapitel Schlussbetrachtung und Ausblick ........................................ 107<br />
Anhang I ................................................................................................... 111<br />
Anhang II .................................................................................................. 119<br />
Selbständigkeitserklärung ...................................................................... 133<br />
III
AB Amtliches Bulletin<br />
Abs. Absatz<br />
Access-<br />
Provider<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
Zugangsdienstleister oder -vermittler<br />
AJP Aktuelle Juristische Praxis, Lachen<br />
a. M. anderer Meinung<br />
Art. Artikel<br />
AS Amtliche Sammlung des Bundesrechts<br />
Aufl. Auflage<br />
BBl Bundesblatt, zitiert nach Jahrgang und Seitenzahl<br />
Bd. Band/Bände<br />
BetmG Bundesgesetz über die Betäubungsmittel vom 3. Oktober 1951 (SR<br />
812.121)<br />
BGBl Bundesgesetzblatt (Deutschland)<br />
BGE Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen<br />
Bundesgerichts, zitiert nach Bandzahl, Teil und Seitenzahl<br />
BGH Bundesgerichtshof (Deutschland)<br />
BGHSt Bundesgerichtshof (Deutschland), Entscheidungen in Strafsachen<br />
BJ Bundesamt für Justiz<br />
BT/2 Besonderer Teil II<br />
BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.<br />
April 1999 (SR 101)<br />
IV
BWIS Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren<br />
Sicherheit vom 21. März 1997 (SR 120)<br />
bzw. Beziehungsweise<br />
Caching Automatische, zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung in einem<br />
Speicherbereich, auf den schnell zugegriffen werden kann.<br />
Beim Internet verwenden dies Access-Provider zur Beschleunigung<br />
der Kundenzugriffe auf populäre Webseiten.<br />
CCC Convention on Cybercrime, Budapest, 23. November 2001<br />
CDPC Comité Européen pour les problèmes criminels (Europäischer<br />
Content-<br />
Provider<br />
Ausschuss für Strafrechtsfragen)<br />
Inhaltsanbieter<br />
d. h. das heisst<br />
Diss. Dissertation<br />
Doc. Dokument<br />
D-StGB Deutsches Strafgesetzbuch (BGBl. I. 3322)<br />
E. Erwägung(en)<br />
EGMR, ECHR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />
EJPD Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement<br />
E-Mail Elektronische Nachricht<br />
EMRK Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten<br />
Et al. Et alii<br />
vom 4. November 1950 (SR 0.101)<br />
EU Europäische Union<br />
f./ff. Folgende Seite/n<br />
FTP File Transfer Protocol<br />
V
gl. M. Gleicher Meinung<br />
h. L. Herrschende Lehre<br />
Hosting-<br />
Provider<br />
Dienstleister, der seinen Kunden Speicherplatz auf einem Server zur<br />
Verfügung stellt<br />
Hrsg./hrsg. Herausgeber/in(nen)/herausgegeben von<br />
HTML Hyper text markup language<br />
http Hyper text transport protocol (das beim WWW verwendete<br />
Protokoll, mit welchem der Browser auf Webseiten zugreifen kann)<br />
i. V. m. In Verbindung mit<br />
IPbpR Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und<br />
politische Rechte (SR 0.103.2)<br />
IPwsR Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über wirtschaftliche,<br />
IRC Inter Relay Chat<br />
soziale und kulturelle Rechte (SR 0.103.1)<br />
IRSG Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in<br />
i. S. In Sachen<br />
Strafsachen (SR 351.1)<br />
ISO International Organization for Standardization<br />
ISP Internet-Service-Provider (siehe auch Provider)<br />
KOBIK Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internet-Kriminalität<br />
Link Verweis in einer Webseite auf eine andere Webseite oder auf<br />
lit. Litera<br />
multimediale Inhalte (Musik, Video)<br />
medialex Medialex: Zeitschrift für Kommunikationsrecht, <strong>Bern</strong><br />
MStG Militärstrafgesetz von 13. Juni 1927 (SR 321.0)<br />
m. w. H. mit weiteren Hinweisen<br />
VI
N Note/Randnote<br />
Newsgroup Elektronisches Diskussionsforum im WWW (siehe auch WWW)<br />
NNTP Network News Transfer Protocol<br />
Nr. Nummer<br />
NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht (München)<br />
NZZ Neue Zürcher Zeitung und schweizerisches Handelsblatt<br />
ÖJZ Österreichische Juristen-Zeitung, Wien<br />
OLG Oberlandesgericht (Deutschland)<br />
RDK, CERD Internationales Übereinkommen vom 21. Dezember 1965 zur<br />
Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (SR 0.104)<br />
recht recht, rechtliche Zeitschrift für juristische Ausbildung und Praxis,<br />
<strong>Bern</strong><br />
RTVG Bundesgesetz über Radio und Fernsehen vom 2. Juni 1991<br />
(SR 784.40)<br />
Server Computer eines Netzwerks, der seine Daten den am Netzwerk<br />
teilnehmenden Computern zur Verfügung stellt<br />
sic! Zeitschrift für Immaterialgüter, Informations- und<br />
Wettbewerbsrecht, <strong>Bern</strong><br />
SJZ Schweizerische Juristen-Zeitung, Zürich<br />
sog. so genannt<br />
SR Systematische Sammlung des Bundesrechts<br />
StGB Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311)<br />
TDG Teledienstegesetz (Deutschland)<br />
TCP/IP Transmission Control Protocol/Internet Protocol<br />
u. a. unter anderem<br />
VII
UN United Nations<br />
vgl. Vergleiche<br />
v. Versus<br />
WWW World Wide Web<br />
z. B. zum Beispiel<br />
Ziff. Ziffer<br />
zit. Zitiert<br />
ZP Additional Protocol to the Convention on cybercrime, concerning<br />
the criminalisation of acts of a racist and xenophobic nature<br />
committed through computer systems, Strasbourg, 28. Januar 2003<br />
ZStrR Zeitschrift für Strafrecht<br />
ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht, Baden-Baden<br />
VIII
Literatur- und Materialienverzeichnis<br />
Zitierweise: Die aufgeführten Autoren werden, wenn nicht anders angegeben, mit ihrem<br />
Nachnamen und der Seitenzahl oder der Randnote der Fundstelle zitiert.<br />
ADDY DAVID NII, Rassistische Diskriminierung. Internationale Verpflichtungen und<br />
nationale Herausforderungen für die Menschenrechtsarbeit in Deutschland, 3.<br />
Aufl., Berlin 2005, abrufbar unter<br />
http://files.institut-fuer-menschenrechte.de/488/<br />
d42_v1_file_4318385f31b3d_Rassism_II_050830_Einzel.pdf.<br />
ALEXANDER LAWRENCE ALAN, Freedom of Speech, Volume II: Doctrine, San Diego<br />
2000.<br />
ASSEMBLEE PARLEMENTAIRE, Commission des questions juridiques et des droits de<br />
l’homme, Internet et le droit, Strasbourg 2000 (zit. Internet et le droit).<br />
BOESE OLIVER, Strafrechtliche Verantwortlichkeit für Verweisungen durch Links im<br />
Internet, Frankfurt am Main 2000.<br />
BREMER KARSTEN, Strafbare Internet-Inhalte in internationaler Hinsicht: Ist der<br />
Nationalstaat wirklich überholt?, Diss. Trier 2000, Frankfurt am Main 2001.<br />
BUNDESAMT FÜR JUSTIZ, Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Internet-Access-<br />
Providern gemäss Art. 27 und 322 bis . Gutachten vom 24. 12. 1999, VPB 2000<br />
III, 820 ff., abrufbar unter<br />
http://www.ejpd.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/gesetzgebung/<br />
netzwerkriminalitaet.Par.0009.File.tmp/ga-acc-prov.pdf (zit. Gutachten BJ).<br />
BUNDESAMT FÜR JUSTIZ, Das strafrechtliche Verbot der Rassendiskriminierung gemäss<br />
Artikel 261 bis StGB und Art. 171c MStG, Arbeitspapier des BJ für das Hearing<br />
betreffend die Rassismusstrafnorm, Mai 2007 (zit. Arbeitspapier BJ).<br />
BUNDESAMT FÜR POLIZEI, Skinheads in der Schweiz, 2. Aufl., <strong>Bern</strong> 2000,<br />
http://www.fedpol.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/<br />
extremismus_rassismus.Par.0006.File.tmp/Skinheads-d-bericht-internet-02-s.pdf<br />
(zit. Bericht Skinheads).<br />
BUNDESAMT FÜR POLIZEI, Bericht der Arbeitsgruppe Rechtsextremismus, <strong>Bern</strong> 2000,<br />
abrufbar unter http://www.fedpol.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/<br />
extremismus_rassismus.Par.0004.File.tmp/bericht-d-ag-rex-d-01-s.pdf<br />
(zit. Bericht Rechtsextremismus).<br />
IX
BUNDESAMT FÜR POLIZEI, Bundesgesetz über Massnahmen gegen Rassismus,<br />
Hooliganismus und Gewaltpropaganda, Erläuterungen, <strong>Bern</strong> 2003, abrufbar<br />
unter http://www.fedpol.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/<br />
extremismus_rassismus.Par.0009.File.tmp/<br />
BWIS1-Bericht-zur-Vernehmlassung-Version-030212.pdf (zit. Erläuterungen).<br />
BUNDESPOLIZEI, Die strafrechtliche Verantwortung von Internet Service Providern.<br />
Positionspapier, <strong>Bern</strong> 2000, abrufbar unter<br />
http://www.ejpd.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/gesetzgebung/<br />
netzwerkriminalitaet.Par.0001.File.tmp/2000-05-15-internet-isp-d.pdf<br />
(zit. Positionspapier).<br />
CHAIX FRANÇOIS/BERTOSSA BERNARD, La repression de la discrimination raciale: Lois<br />
d’exceptions? Semaine Judiciare 2002, II, 177 ff.<br />
CDPC, Cybercriminalité, Note du secrétariat établier par la direction générale des<br />
affaires juridiques, Strasbourg 2000.<br />
DONATSCH ANDREAS/TAG BRIGITTE, Strafrecht I, Verbrechenslehre, 8. Aufl., Zürich<br />
2006.<br />
DONATSCH ANDREAS/WOHLERS WOLFGANG, Strafrecht IV, Delikte gegen die<br />
Allgemeinheit, 3 Aufl., Zürich 2004.<br />
EJPD (Hrsg.), Netzwerkkriminalität, Bericht der Expertenkommission<br />
Netzwerkkriminalität, <strong>Bern</strong> 2003, abrufbar unter<br />
http://www.ejpd.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/gesetzgebung/<br />
netzwerkriminalitaet.Par.0006.File.tmp/ber-netzwerkkrim-d.pdf<br />
(zit. Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität).<br />
EUROPARAT, Convention on Cybercrime (ETS Nr. 185), Explanatory Report,<br />
Strassbourg 2001, abrufbar unter<br />
http://conventions.coe.int/Treaty/en/Reports/Html/185.htm<br />
(zit. Explanatory Report CCC).<br />
EUROPARAT, Additional Protocol to the Convention on Cybercrime, concerning the<br />
criminalisation of acts of a racist and xenophobic nature committed through<br />
computer systems (ETS Nr. 189), Explanatory Report, Strasbourg 2002,<br />
abrufbar unter http://conventions.coe.int/Treaty/en/Reports/Html/189.htm<br />
(zit. Explanatory Report ZP).<br />
EUROPARAT, Organised Crime in Europe: the threat of cybercrime. Situation report<br />
2004, Strasbourg 2005 (zit. Organised Crime in Europe).<br />
X
FIOLKA GERHARD/NIGGLI MARCEL ALEXANDER, Das Private und das Politische: Der<br />
Begriff der Öffentlichkeit im Strafrecht am Beispiel der<br />
Bundesgerichtsentscheide vom 21. Juni 2000 und vom 23. August 2000<br />
betreffend Rassendiskriminierung, AJP 2001, 533 ff.<br />
FROMM RAINER/KERNBACH BARBARA, Rechtsextremismus im Internet: Die neue<br />
Gefahr, München 2001.<br />
GUYAZ ALEXANDRE, L’incrimination de la discrimination raciale, Diss. <strong>Bern</strong> 1996.<br />
HÄNNI FREDI, Die Schweizerische Anti-Rassismus-Strafnorm und die Massenmedien,<br />
Diss. <strong>Bern</strong> 1997.<br />
HEITMEYER WILHELM/MÜLLER JOACHIM, Fremdenfeindliche Gewalt junger Menschen.<br />
Biographische Hintergründe, soziale Situationskontexte und die Bedeutung<br />
strafrechtlicher Sanktionen, Bonn 1995.<br />
HEINZMANN PETER L./OCHSENBEIN ANDREAS, Strafrechtliche Aspekte des Internet,<br />
Kriminalistik 7/1998, 513 ff. und 8-9/1998, 599 ff.<br />
HILGENDORF ERIC/FRANK THOMAS/VALERIUS BRIAN, Computer- und Internetstrafrecht:<br />
Ein Grundriss, Berlin 2005.<br />
HILTY RETO, Zur Zulässigkeit des „Link“ - Rechtliches Damokles-Schwert für die<br />
Internettechnologie, in WEBER ROLF/HILTY RETO/AUF DER MAUR ROLF (Hrsg.),<br />
Geschäftsplattform Internet III, Zürich 2002, 123 ff.<br />
HOEREN THOMAS Skript Internetrecht, März 2007, abrufbar unter http://www.uni-<br />
muenster.de/Jura.itm/hoeren/materialien/Skript/skript_Maerz2007.pdf.<br />
JAEGER STEFAN, Computerkriminalität, Augsburg, 1998.<br />
JONES CALVERT W., Council of Europe Convention on Cybercrime: Themes and<br />
Critiques, Berkeley, April 2005.<br />
KUNZ KARL-LUDWIG, Neuer Straftatbestand gegen Rassendiskriminierung-<br />
Bemerkungen zur bundesrätlichen Botschaft, ZStrR 109 (1992) 154 ff.<br />
(zit. Bemerkungen Botschaft).<br />
KUNZ KARL-LUDWIG, Zur Unschärfe und zum Rechtsgut der Strafnorm gegen<br />
Rassediskriminierung, ZStrR 1998, 223 ff. (zit. Rechtsgut).<br />
MARBERTH-KUBICKI ANNETTE, Computer- und Internetstrafrecht, München 2005.<br />
NAGUIB TAREK/ZANNOL FABIENNE, Zehn Jahre Strafnorm gegen Rassendiskriminierung<br />
(Art. 261 bis StGB und Art. 171 MStG): ein Rückblick unter Einbeziehung der<br />
nicht publizierten Praxis, recht 5/2006, 161 ff.<br />
NIGGLI MARCEL ALEXANDER, Rassendiskriminierung: Ein Kommentar zu Art. 261 bis<br />
StGB und Art. 171 MStG, Zürich 1996 (zit. Rassendiskriminierung).<br />
XI
NIGGLI MARCEL ALEXANDER, Rassendiskriminierung- Gerichtspaxis zu Art. 261 bis<br />
StGB: Analysen, Gutachten und Dokumentation der Gerichtspraxis 1995-1998:<br />
Ergänzungsband zum Kommentar zu Art. 261 bis StGB und 171c MStG mit<br />
Rücksicht auf das „Übereinkommen vom 21. Dezember 1965 zur Beseitigung<br />
jeder Form von Rassendiskriminierung und die entsprechenden Regelungen<br />
anderer Unterzeichnerstaaten, hrsg. von der Gesellschaft Minderheiten in der<br />
Schweiz und der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, Zürich 1999<br />
(zit. Gerichtspraxis).<br />
NIGGLI MARCEL ALEXANDER, Rassendiskriminierung und Internet, in:<br />
SCHWARZENEGGER CHRISTIAN/ARTER OLIVER/JÖRG FLORIAN S. (Hrsg.),<br />
Internet-Recht und Strafrecht, <strong>Bern</strong> 2005, 299 ff.<br />
(zit. Rassendiskriminierung und Internet).<br />
NIGGLI MARCEL ALEXANDER, Aufruf zum Kebap-Boykott als strafare<br />
Rassendiskriminierung i.S.v. Art. 261 bis StGB?, in Jusletter vom 13. Februar<br />
2006 (zit. Aufruf).<br />
NIGGLI MARCEL ALEXANDER/SCHWARZENEGGER CHRISTIAN, Strafbare Handlungen im<br />
Internet, SJZ 98 (2002), 61 ff.<br />
NIGGLI MARCEL ALEXANDER/RIKLIN FRANZ/STRATENWERTH GÜNTER, Die<br />
strafrechtliche Verantwortlichkeit von Internet-Providern, medialex<br />
Sonderausgabe 2000, 22 ff., abrufbar unter<br />
http://www.ejpd.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/gesetzgebung/<br />
netzwerkriminalitaet.Par.0010.File.tmp/gutachten_isp.pdf.<br />
PARLIAMENTARY ASSEMBLY, Racism and xenophobia in cyberspace, Report of the<br />
Committee on Legal Affairs und Human Rights, Strasbourg 2001, abrufbar unter<br />
http://assembly.coe.int/Documents/WorkingDocs/doc01/EDOC9263.htm<br />
(zit. Racism and xenophobia).<br />
PARLIAMENTARY ASSEMBLY, Racism and xenophobia in cyberspace, Recommendation<br />
1543 (2001), Strasbourg 2001, abrufbar unter<br />
http://assembly.coe.int/Documents/AdoptedText/ta01/EREC1543.htm<br />
(zit. Recommendation 1543).<br />
PARLIAMENTARY ASSEMBLY, Racism and xenophobia in cyberspace, Reply from the<br />
Committee of Ministers to the Recommendation 1543 (2001), Committee of<br />
Ministers, Doc. 9607, Strasbourg 2002, abrufbar unter<br />
http://assembly.coe.int/Documents/WorkingDocs/doc02/EDOC9607.htm<br />
(zit. Doc. 9607).<br />
XII
PEDUZZI ROBERTO, Ist das Verbot der Rassendiskriminierung revisionsbedürftig?,<br />
medialex 1/2007, 10 ff.<br />
POPP MARTIN, Die strafrechtliche Verantwortung von Internet-Providern, Diss.<br />
Augsburg 2000.<br />
REHBERG JÖRG, StGB. Schweizerisches Strafgesetzbuch: mit den zugehörigen<br />
Verordnungen und weiteren einschlägigen Erlassen, 15. Aufl., Zürich 1999.<br />
REHBERG JÖRG/SCHMID NIKLAUS/DONATSCH ANDREAS, Strafrecht III, Delikte gegen<br />
den Einzelnen, 8. Aufl., Zürich 2003.<br />
RIKLIN FRANZ, Die neue Strafbestimmung der Rassendiskriminierung, Medialex<br />
1/1995, 36 ff. (zit. Rassendiskriminierung).<br />
RIKLIN FRANZ, Information Highway und Strafrecht, in: HILTY RETO (Hrsg.)<br />
Information Highway: Beiträge zu rechtlichen und tatsächlichen Fragen, <strong>Bern</strong><br />
1996, 559 ff. (zit. Information Highway).<br />
RIKLIN FRANZ, Schweizerisches Medienstrafrecht, in: CASSANI URSULA/MAAG<br />
RENIE/NIGGLI MARCEL ALEXANDER (Hrsg.), Medien, Kriminalität und Justiz,<br />
Zürich 2001, 67 ff. (zit. Medienstrafrecht).<br />
ROM ROBERT, Die Behandlung der Rassendiskriminierung im schweizerischen<br />
Strafrecht, Diss. Zürich 1995.<br />
RUDOLPHI HANS-JOACHIM/HORN ECKHARD et Al. (Hrsg.), Systematischer Kommentar<br />
zum Strafgesetzbuch, Band II, Besonderer Teil (§§ 80-358), 7. und teilweise 8.<br />
Aufl., F. a. M. 2007.<br />
SCHLEIMINGER DORRIT, Kommentar zu Art. 261 bis StGB, in: NIGGLI MARCEL<br />
ALEXANDER/WIPRÄCHTIGER HANS (Hrsg.), StGB, Kommentar, Strafgesetzbuch<br />
II, Art. 111 - Art. 401 StGB, Basel 2003.<br />
SCHLEIMINGER DORRIT/METTLER CHRISTOPH, Strafbarkeit der Medienverantwortlichen<br />
im Falle der Rassendiskriminierung. Art. 27, Art. 261 bis Abs. 4 StGB,<br />
Bemerkungen zu BGE 125 IV 206 ff., AJP 2000, 1039 ff.<br />
SCHMID NIKLAUS, Computer- sowie Check- und Kreditkarten-Kriminalität: Ein<br />
Kommentar zu den neuen Straftatbeständen des Schweizerischen<br />
Strafgesetzbuches, Zürich 1994.<br />
SCHÖNKE ADOLF/SCHRÖDER HORST, Strafgesetzbuch, Kommentar, 27. Aufl., München<br />
2006.<br />
SCHWARZENEGGER CHRISTIAN, Der räumliche Geltungsbereich des Strafrechts im<br />
Internet. Die Verfolgung von grenzüberschreitender Internetkriminalität in der<br />
XIII
Schweiz im Vergleich mit Deutschland und Österreich, ZStrR 2000, 109 ff.<br />
(zit. Geltungsbereich).<br />
SCHWARZENEGGER CHRISTIAN, Gefangen im Spinnennetz der Strafjustiz? Die<br />
strafrechtliche Bewertung von Links, in NZZ vom 30. Juni 2000, 71 ff.<br />
(zit. Gefangen).<br />
SCHWARZENEGGER CHRISTIAN, Abstrakte Gefahr als Erfolg im Strafanwendungsrecht -<br />
Ein leading case zu grenzüberschreitenden Internetdelikten. Zum Urteil des<br />
BGH vom 12. Dezember 2000, sic! 3/2001, 240 ff. (zit. Abstrakte Gefahr).<br />
SCHWARZENEGGER CHRISTIAN, E-Commerce - Die strafrechtliche Dimension, in:<br />
Internet-Recht und Electronic Commerce Law, hrsg. von ARTER OLIVER/JÖRG<br />
FLORIAN, Lachen/St. Gallen 2001, 329 ff. (zit. E-Commerce).<br />
SCHWARZENEGGER CHRISTIAN, Die internationale Harmonisierung des Computer- und<br />
Internetstrafrechts durch die Convention on Cybercrime vom 23. November<br />
2001, in: DONATSCH ANDREAS/FORSTER MARC/SCHWARZENEGGER CHRISTIAN,<br />
Strafrecht, Strafprozessrecht und Menschenrechte, Festschrift für Stefan<br />
Trechsel, Zürich 2002, 305 ff. (zit. Harmonisierung).<br />
SCHWARZENEGGER CHRISTIAN, Die strafrechtliche Beurteilung von Hyperlinks. Nach<br />
den allgemeinen Bestimmungen des deutschen StGB und der geänderten<br />
Fassung der Verantwortlichkeitsregelung in den §§ 8 bis 11 TDG, in BECKER<br />
JÜRGEN et al. (Hrsg.): Recht im Wandel seines sozialen und technologischen<br />
Umfelds. Festschrift für Manfred Rehbinder, München 2002, 723 ff.<br />
(zit. Beurteilung).<br />
SCHWARZENEGGER CHRISTIAN, Hyperlinks und Suchmaschinen aus strafrechtlicher<br />
Sicht, in: PLÖCKINGER OLIVER/DUURSMA DIETER/MAYRHOFER MICHAEL<br />
(Hrsg.): Internet-Recht. Beiträge zum Zivil- und Wirtschaftsprivatrecht,<br />
Öffentlichen Recht, Strafrecht, Wien 2004, 395 ff. (zit. Hyperlinks).<br />
SCHWEIZERISCHER BUNDESRAT, Botschaft über die Änderung des Schweizerischen<br />
Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes sowie betreffend die Änderung<br />
des Bundesgesetzes über die wirtschaftliche Landesversorgung vom 24. 04.<br />
1991, BBl 1991 II 969 ff. (zit. Botschaft 1991)<br />
SCHWEIZERISCHER BUNDESRAT, Botschaft über den Beitritt der Schweiz zum<br />
Internationalen Übereinkommen von 1965 zur Beseitigung jeder Form von<br />
Rassendiskriminierung und über die entsprechende Strafrechtsrevision, <strong>Bern</strong><br />
1992, BBl 144 (III), 269 ff. (zit. Botschaft).<br />
XIV
SIEBER ULRICH, Kontrollmöglichkeiten zur Verhinderung rechtswidriger Inhalte in<br />
Computernetzen, Computer und Recht 10/97, 597 ff.<br />
(zit. Kontrollmöglichkeiten).<br />
SIEBER ULRICH, Internet Law II: Criminal liability for the transfer of data in<br />
international networks, Conseil of Europe, Strasbourg 1998<br />
(zit. Criminal Liability).<br />
SIEBER ULRICH, Verantwortlichkeit im Internet. Technische Kontrollmöglichkeiten und<br />
multimediarechtliche Regelungen, München 1999 (zit. Verantwortlichkeit).<br />
STRATENWERTH GÜNTER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten<br />
gegen Gemeininteressen, 5. Aufl., <strong>Bern</strong> 2000 (zit. BT/2).<br />
STRATENWERTH GÜNTER/JENNY GIUDO, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I:<br />
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STRATENWERTH GÜNTER/WOHLERS WOLFGANG, Schweizerisches Strafgesetzbuch,<br />
Handkommentar, <strong>Bern</strong> 2007.<br />
STRAUSS ROLAND, Das Verbot der Rassendiskriminierung: Völkerrecht, internationales<br />
Übereinkommen und schweizerische Rechtsordnung, Diss. Basel 1991.<br />
TIMOFEEVA YULIA A., Hate Speech online: restricted or protected? Comparison of<br />
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253 ff.<br />
TRECHSEL STEFAN, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich<br />
1997.<br />
TRÖNDLE HERBERT/FISCHER THOMAS, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 54. Aufl.,<br />
München 2007.<br />
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and the Internet“, sponsored by UN High Commissioner for Human Rights,<br />
Geneva, Switzerland, November 1997,<br />
http://www.usdoj.gov./criminal/cybercrime/racismun.htm<br />
(zit. “Hate Speech and the Internet”).<br />
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VÖGELI ESTHER, Strafrechtliche Verantwortlichkeit im Internet – einige Aspekte aus der<br />
Sicht der Praxis. Zur Strafbarkeit von Links im Internet, in: SCHWARZENEGGER<br />
XV
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Strafrecht, <strong>Bern</strong> 2005, 55 ff.<br />
WEBER ROLF, E-Commerce und Recht: Rechtliche Rahmenbedingungen elektronischer<br />
Geschäftsformen, Zürich 2001.<br />
WEISSENBERGER PHILIPPE, Kommentar zu Art. 143 und Art. 143 bis StGB, in: NIGGLI<br />
MARCEL ALEXANDER/WIPRÄCHTIGER HANS (Hrsg.), StGB, Kommentar,<br />
Strafgesetzbuch II, Art. 111 - Art. 401 StGB, Basel 2003.<br />
XVI
Einleitung<br />
§ 1 Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit<br />
Seit Ende der achtziger Jahre bieten die neuen elektronischen Kommunikationsmittel<br />
und die weltweite Vernetzung mit dem Internet eine neue Plattform für den Austausch<br />
und die Verbreitung von rassistischem und fremdenfeindlichem Gedankengut.<br />
Die erste rassistische Webseite erscheint im März 1995, lanciert von einem<br />
amerikanischen Neonazi aus Florida. Sie verwendet das Keltenkreuz als Symbol und<br />
enthält Rassismus propagierende Texte, eine Linksammlung und viele Informationen<br />
für Interessenten aus dem rechtsextremen Spektrum. Bis August 2000 wurde die<br />
Webseite von 120’000 Personen besucht, wobei die meisten davon aus den USA und<br />
aus Deutschland stammten. 1<br />
Heute ist im WWW jede Schattierung rassistischer und fremdenfeindlicher Publizität zu<br />
finden: Webseiten vertreiben revisionistische Literatur, Publikationen mit rassistischen<br />
Inhalten, rechtsextreme Embleme und Insignien, Illustrationen und Lieder im MP3-<br />
Format, welche neonazistisches Gedankengut befürworten. 2 Auch Skinhead-<br />
Gruppierungen benutzen die neue Informationstechnologie vermehrt, einerseits zur<br />
Stärkung des Gruppenzusammenhalts, andererseits als Einstiegsmöglichkeit für<br />
Aussenstehende. Typische Inhalte einer Skinhead-Webseite sind Sammlungen<br />
rechtsextremer Zeichen und Bilder, revisionistische und historische Texte (wie z. B.<br />
"Mein Kampf" von Adolf Hitler), Presseartikel und Propagandamaterial über die<br />
Skinhead-Bewegung. 3 Das Internet wird auch als Kommunikationsmittel benutzt, indem<br />
in Diskussionsforen, in Gästebüchern oder in E-Mails rassistisches und<br />
fremdenfeindliches Gedankengut ausgetauscht wird und Kontakte geknüpft werden. 4<br />
Mehr als die Hälfte der weltweit registrierten Webseiten mit rassistischen Inhalten<br />
werden in den USA gehostet. 5 Diese Webseiten sind auch in Europa abrufbar, obschon<br />
1<br />
FROMM/KERNBACH, 29 f.<br />
2<br />
Bericht Rechtsextremismus, 27 ff.; FROMM/KERNBACH, 16; EUROPARAT, Organised Crime in Europe,<br />
138.<br />
3<br />
Bericht Skinheads, 26 ff.<br />
4<br />
HILGENDORF/FRANK/VALERIUS, 126, N 465; Explanatory Report ZP, N 3.<br />
5<br />
So wurden im Jahr 2000 vom Simon Wiesenthal Zentrum über 2000 solche Webseiten registriert, hierzu<br />
FROMM/KERNBACH, 14 f.<br />
1
die europäischen Rechtsordnungen rassistische Handlungen und Inhalte generell für<br />
strafbar erklären.<br />
Der Europarat machte daher im Jahr 2001 mit der „Convention on Cybercrime“<br />
(nachfolgend „CCC“ 6 ) auf internationaler Ebene den ersten Schritt für die Bekämpfung<br />
von Straftaten, die im WWW oder mittels Computersystemen begangen werden.<br />
Die CCC enthält Bestimmungen über Straftaten gegen die Vertraulichkeit, Integrität<br />
und Verfügbarkeit von Computerdaten und -systemen (unbefugter Zugriff auf<br />
Computersysteme, unbefugtes Abfangen von Computerdatenübertragungen, Eingriffe in<br />
Computerdaten und Computersysteme, Missbrauch von Computervorrichtungen,<br />
Computerurkundenfälschung und Computerbetrug, Kinderpornographie sowie<br />
Verletzungen des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte). Sie verpflichtet die<br />
Vertragsstaaten, Massnahmen auf nationaler Ebene zu treffen, und enthält auch<br />
Bestimmungen über die internationale Zusammenarbeit.<br />
Auf Grund der rechtlichen Situation in den Common-Law-Staaten 7 und vor allem<br />
angesichts der Bedeutung der Meinungsäusserungsfreiheit in den Vereinigten Staaten<br />
(„freedom of speech“ im ersten Verfassungszusatz der Verfassung der Vereinigten<br />
Staaten 8 ) sind jedoch rassistische und fremdenfeindliche Handlungen vom<br />
Regelungsbereich der CCC ausgenommen worden. 9 Der Europäische Ausschuss für<br />
Strafrechtsfragen arbeitete daher ein Zusatzprotokoll betreffend die Kriminalisierung<br />
von Handlungen rassistischen und fremdenfeindlichen Charakters, begangen mittels<br />
eines Computersystems, aus (Additional Protocol to the Convention on Cybercrime,<br />
concerning the criminalisation of acts of a racist and xenophobic nature committed<br />
through computer systems, nachfolgend „ZP“). 10<br />
6<br />
Abrufbar unter http://conventions.coe.int/Treaty/en/Treaties/Html/185.htm.<br />
7<br />
In den meisten Common-Law-Staaten werden rassistische und fremdenfeindliche Äusserugen nur<br />
bestraft, wenn sie die konkrete Gefahr von gewalttätigen Übergriffen mit sich bringen. Dazu<br />
eingehend BREMER, 153 ff.; CDPC, 14 ff.; TIMOFEEVA, 269 ff.<br />
8<br />
Der erste Verfassungszusatz (1st Am.) lautet: „Congress shall make no law ... abridging the freedom of<br />
speech, or of the press...“. Dieses Verbot richtet sich an den Kongress der Vereinigten Staaten, d. h. an<br />
die Legislative. In den Vereinigten Staaten herrscht die Idee des „marketplace of ideas“, wonach es<br />
nicht die Aufgabe des Staates ist, Ansichten vom „marketplace“ zu drängen (vgl. Hate speech and the<br />
Internet, 2). Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Idee, dass es nicht die Worte sind, die verletzen, sondern<br />
die Überzeugung, die dahinter steht. Es sei nicht sinnvoll, das Ausdrucksmittel zu verbieten, während<br />
die Überzeugung weiterhin in der Vorstellung der Person besteht, da sie nicht kontrolliert werden<br />
kann. Vgl. zum Ganzen ALEXANDER, 206. Auf die vom Supreme Court als strafrechtlich relevant<br />
anerkannten Aussagen (z. B. Drohung, Belästigung, Anstiftung zu Gewalt) wird in der vorliegenden<br />
Arbeit nicht eingegangen. Vgl. dazu Hate Speech and the Internet, 4 f; CDPC 20 ff.<br />
9<br />
Explanatory Report ZP, N 4.<br />
10<br />
Abrufbar unter http://www.conventions.coe.int/Treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?<br />
NT=189&CM=1&DF=29/09/04&CL=ENG.<br />
2
Der Zweck des ZP besteht gemäss Art. 1 ZP darin, die CCC zu vervollständigen, indem<br />
die Regelungslücke bezüglich Kriminalisierung von Handlungen rassistischen und<br />
fremdenfeindlichen Charakters, begangen mittels eines Computersystems, geschlossen<br />
wird, indem neue Bestimmungen geschaffen werden. Art. 8 Abs. 2 ZP hält fest, dass die<br />
Vertragsparteien den Anwendungsbereich der Art. 14-21 CCC (Verfahrensrecht) und<br />
23-35 CCC (internationale Zusammenarbeit) auf die im ZP ausdehnen müssen. 11<br />
Die CCC ist am 01. 07. 2004 in Kraft getreten, und das ZP am 01. 03. 2006. 12<br />
Da das ZP in Kraft getreten ist, darf jeder Staat, der der CCC schon beigetreten ist,<br />
durch Hinterlegung einer Ratifikations-, <strong>Anna</strong>hme- oder Genehmigungsurkunde auch<br />
dem ZP beitreten (Art. 11 Abs. 1 ZP). Für die Unterzeichnerstaaten, die auf diese Weise<br />
ihre Zustimmung ausdrücken, durch das ZP gebunden zu sein, tritt das ZP am ersten<br />
Tag des Monats in Kraft, der auf eine Periode von drei Monaten nach dem Tag erfolgt,<br />
an welchem die Zustimmung ausgedrückt wurde (Art. 10 Abs. 2 ZP).<br />
Die Schweiz hat die CCC am 23. 11. 2001 unterzeichnet, und das ZP am 09. 10. 2003.<br />
Für die Schweiz werden die Ratifikation der CCC und die anschliessende Ratifikation<br />
des ZP, die im Verlaufe des Jahres 2008 erfolgen könnten, somit bedeuten, dass das ZP<br />
drei Monate nach der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde für die Schweiz in Kraft<br />
treten wird, und dann in der Schweiz als zusätzliche massgebende Rechtsquelle für die<br />
Bekämpfung von rassistischen und fremdenfeindlichen Handlungen, begangen über<br />
Computersysteme, von Bedeutung sein wird.<br />
Die Bestimmungen des ZP haben einen zwingenden Charakter. 13 Zwar stellt die<br />
fehlende eigene Gesetzgebungskompetenz des Europarates als völkerrechtliche<br />
Institution eine Schranke für die Verbindlichkeit der Europaratsabkommen.<br />
Die Ratifikation eines Abkommens des Europarates begründet jedoch die<br />
völkerrechtliche Verpflichtung des jeweiligen Staates, den Inhalt des Abkommens in<br />
sein innerstaatliches Recht umzusetzen. 14 Um diese Verpflichtung zu erfüllen, müssen<br />
die Vertragsstaaten des ZP nicht nur die auf Grund des ZP erforderlichen Massnahmen<br />
11<br />
Vgl. Entscheid des EGMR Lehideux und Isorni v. Frankreich, 23. September 1998, Nr.<br />
55/1997/839/1045, Reports of judgments, 1998-VII, 2864 ff.<br />
12<br />
Bzw. am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgte, an<br />
dem fünf Unterzeichnerstaaten der CCC das ZP ratifiziert haben, vgl. Art. 10 Abs. 1 ZP.<br />
13<br />
Explanatory Report ZP, N 9.<br />
14<br />
HILGENDORF/FRANK/VALERIUS, 28, N 94.<br />
3
treffen, sondern auch sicherstellen, dass sie effektiv wirksam bzw. rechtlich<br />
durchsetzbar sind. 15<br />
Die vorliegende Masterarbeit untersucht daher die Frage, ob die Bestimmungen des ZP<br />
mit der gegenwärtigen Rechtslage in der Schweiz übereinstimmen, und ob nach der<br />
Ratifikation des ZP gesetzgeberische Arbeiten notwendig wären. Dabei wird<br />
insbesondere auf die Bestimmungen von Art. 261 bis StGB, der schweizerischen<br />
Strafbestimmung für die Bekämpfung von rassendiskriminierenden Handlungen,<br />
eingegangen.<br />
§ 2 Vorgehensweise<br />
Da nach dem Inkrafttreten für die Schweiz die ZP-Bestimmungen ein Bestandteil des<br />
schweizerischen Strafrechts werden müssen, 16 wird im ersten Kapitel der Masterarbeit<br />
zunächst kurz dargestellt, bei welchen Sachverhalten das schweizerische Strafrecht<br />
anwendbar ist. 17 Es wird auch auf die Besonderheiten der Anwendbarkeit von Art.<br />
261 bis StGB eingegangen, da er, wie in den weiteren Kapiteln dargestellt wird, bereits<br />
Handlungen erfasst, die im ZP umschrieben sind.<br />
Im zweiten Kapitel wird der ZP-Begriff "rassistisches und fremdenfeindliches Material"<br />
erläutert. Dabei, wie auch in den weiteren Kapiteln der Arbeit, wird der Tatsache<br />
Rechnung getragen, dass für die Auslegung der Begriffe des ZP neben dem Völkerrecht<br />
und der völkerrechtlichen Praxis die innerstaatlichen Recht und Praxis massgebend<br />
sind. 18 Daher werden die Tatbestandsmerkmale des ZP-Begriffs den Schutzobjekten<br />
und anderen Tatbestandsmerkmalen von Art. 261 bis StGB gegenübergestellt, und es<br />
wird zur Frage Stellung genommen, ob die Bestimmungen des ZP Änderungen oder<br />
Ergänzungen des schweizerischen Rechts mit sich bringen werden.<br />
15 Explanatory Report ZP, N 9.<br />
16 Zur bindenden Kraft der Europaratsbestimmungen HILGENDORF/FRANK/VALERIUS, 28, N 94.<br />
17 Dabei sind die Regeln betreffend die Anwendbarkeit des nationalen Strafrechts vom Kollisionsrecht<br />
des internationalen Privatrechts zu unterscheiden. Sie stellen eine einseitige Bestimmung der Strafhoheit<br />
dar und lösen die Kollisionsprobleme nicht. So können bei einer Überschneidung der innerstaatlichen<br />
Geltungsbereiche in der gleichen Sache Strafverfahren in mehreren Staaten geführt werden, vgl.<br />
SCHWARZENEGGER, Geltungsbereich, 115.<br />
18 Explanatory Report ZP, N 18.<br />
4
Das dritte Kapitel der Masterarbeit befasst sich sodann mit der vom ZP verlangten<br />
Tatbegehung mittels Computersystemen. Die Begriffe des Computersystems, der<br />
Computerdaten und der öffentlichen Tatbegehung über Computersysteme werden<br />
erläutert, und ihre Tragweite der Tragweite der entsprechenden Begriffen im StGB<br />
gegenübergestellt.<br />
Das vierte Kapitel dient einer Darstellung der im Art. 2 ZP nicht verwendeten<br />
Tatbestandsmerkmale der Art. 3-6 ZP, und der Fragen der Teilnahme gemäss Art. 7 ZP.<br />
Ferner wird zur Frage Stellung genommen, ob auf Grund von Art. 3-7 ZP in der<br />
Schweiz gesetzgeberische Arbeiten notwendig wären.<br />
Das letzte, fünfte Kapitel der Masterarbeit, enthält eine Schlussbetrachtung und<br />
Ausführungen de lege ferenda. Dabei wird kurz auf laufende Gesetzgebungsprojekte in<br />
der Schweiz eingegangen, die sich auf die Umsetzung des ZP in der Schweiz auswirken<br />
können.<br />
5
1. Kapitel: Zur Anwendbarkeit des schweizerischen<br />
Strafrechts<br />
§ 1 Allgemeines<br />
Ausgangspunkt für den räumlichen Geltungsbereich des schweizerischen Strafrechts ist<br />
das sog. Territorialitätsprinzip, welches in Art. 3 StGB aufgestellt ist. Danach findet das<br />
nationale Strafrecht uneingeschränkt Anwendung, wenn die strafbare Handlung in der<br />
Schweiz verübt wurde. Nur in Ausnahmefällen wird der räumliche Geltungsbereich auf<br />
im Ausland verübte Taten ausgeweitet. 19<br />
Der Ort der Tatverübung wird durch das sog. Ubiquitätsprinzip konkretisiert: Straftaten<br />
gelten als in der Schweiz verübt, wenn entweder der Ort der Ausführung oder der Ort<br />
des Erfolgseintritts im Inland liegt (Art. 8 Abs. 1 StGB). 20<br />
Art. 8 StGB legt sowohl den Ort der Begehung (der sich sowohl auf Handlungen als<br />
auch Unterlassungen bezieht) als auch des Versuchs fest. Der Begehungsort ist der Ort,<br />
an welchem der Täter die Tat ausführt, und derjenige, wo der Erfolg eingetreten ist oder<br />
- beim Versuch - hätte eintreten sollen. 21<br />
§ 2 Ort der Tatausführung<br />
Massgebend für die Bestimmung des Ausführungsorts ist der physische Aufenthaltsort<br />
des Täters im Moment der Tathandlung. 22 Bei einer Tatbegehung mittels<br />
Computersystemen ist dabei zu beachten, dass der Transport der Daten zum Server und<br />
die dortige Speicherung nicht mehr durch den Täter ausgeführt werden, sondern<br />
automatisch ablaufen. Daher ist der Ort des Servers nicht der Tatausführungsort. 23<br />
19<br />
Vgl. zum Staatsschutzprinzip, zum aktiven und passiven Personalitätsprinzip und zum<br />
Weltrechtsprinzip SCHWARZENEGGER, Abstrakte Gefahr, 240.<br />
20<br />
Zu den Voraussetzungen von Art. 8 StGB vgl. STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 8 N 1 ff.<br />
21<br />
Dazu SCHWARZENEGGER, Geltungsbereich, 117; BOESE, 102.<br />
22<br />
TRECHSEL, Art. 7 N 8, m. w. H.<br />
23<br />
Unveröffentlichter Entscheid der Anklagekammer des Bundesgerichts vom 11. August 1999,<br />
(8G.43/1999), 5; vgl. auch SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 339 f.<br />
6
Wenn ein Straftatbestand das Anpreisen, Anbieten, Zeigen, Auffordern, Verbreiten oder<br />
Zugänglichmachen bestimmter Informationen oder Inhalte verbietet, liegt der<br />
Ausführungsort vielmehr dort, wo der Täter den Übermittlungs- oder den<br />
Abspeicherungsbefehl betätigt, mit dem die Datenverarbeitung durch automatisierte<br />
Programmabläufe in Gang gesetzt wird. Bezogen auf eine Begehung mittels<br />
Computersystemen von strafbaren Handlungen nach Art. 261 bis StGB, der auch<br />
Öffentlichkeit fordert, bedeutet dies, dass auf den Aufenthaltsort des Täters im Moment<br />
der Eingabe des Befehls abzustellen ist, mit dem die Daten durch automatisierte<br />
Programmabläufe auf den öffentlichen Bereich der Festplatte eines Rechners transferiert<br />
werden. 24<br />
§ 3 Ort des Erfolgseintritts<br />
Für die Anknüpfung an einen Erfolg im Sinne von Art. 8 StGB muss die strafbare Tat<br />
nach h. L. einen tatbestandsmässigen Erfolg aufweisen, der sich räumlich und zeitlich<br />
von der Ausführungshandlung abgrenzen lässt (ein sog. „Erfolg im technischen Sinne“),<br />
und der bei den sog. schlichten Tätigkeitsdelikten fehlt. 25<br />
Ob bei Verstössen gegen eine Strafnorm ein solcher Erfolg gegeben ist, hängt vom<br />
Deliktstypus der betreffenden Norm ab, und damit auch von Frage nach dem<br />
geschützten Rechtsgut. 26<br />
Beim Deliktstypus muss einerseits zwischen Gefährdungs- und Verletzungsdelikten,<br />
und andererseits zwischen Erfolgsdelikten- und schlichten Tätigkeitsdelikten<br />
unterschieden werden. Abstrakte Gefährdungsdelikte und schlichte Tätigkeitsdelikte<br />
kennen keinen Erfolg im technischen Sinne, sodass bei ihnen nicht an einen Erfolg<br />
angeknüpft werden kann. 27 Diese Deliktstypen sind mit der Ausführung der Handlung<br />
bereits vollendet, weswegen es bei ihnen keinen vom Handlungsort unterscheidbaren<br />
Ort des Erfolgseintritts geben kann. 28<br />
24 Hierzu SCHWARZENEGGER, Handlungs- und Erfolgsort, 158 f.; Geltungsbereich, 118.<br />
25 So die Definition des Erfolgsbegriffs nach h. L., vgl. dazu BGE 105 IV 328 f.; 118 Ia 141; 124 IV 144;<br />
SCHWARZENEGGER, Geltungsbereich, 119 ff., m. w. H.<br />
26 Vgl. dazu NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 66.<br />
27 Dies gestützt auf die Definition des Erfolgsbegriffs nach der h. L., vgl. dazu SCHWARZENEGGER,<br />
Geltungsbereich, 119 ff., m. w. H.; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 236 f.; ROM, 108.<br />
28 Vgl. REHBERG, StGB, 40.<br />
7
Die Frage nach dem Deliktstypus der im ZP umschriebenen Straftaten hängt davon ab,<br />
welches Rechtsgut die Bestimmungen schützen. Wenn das geschützte Rechtsgut in<br />
einem Individualrechtsgut erblickt wird, stellen die Delikte Verletzungsdelikte dar.<br />
Diese Frage dürfte bei Art. 4 und 5 ZP zweifelsohne bejaht werden. 29 Bei Art. 3 und 6<br />
ZP dürften ähnliche Überlegungen gelten, die für die Rassendiskriminierungsstrafnorm<br />
massgebend sind. Betreffend die Frage nach dem Deliktstypus von Art. 261 bis StGB<br />
herrscht in der Schweiz in der Lehre, Rechtsprechung und den Materialien Uneinigkeit.<br />
Die Botschaft und ein Teil der Lehre sehen den öffentlichen Frieden als Rechtsgut an<br />
und zählen daher den Rassendiskriminierungstatbestand zu den abstrakten<br />
Gefährdungsdelikten. 30 Damit kann keine schweizerische Strafhoheit hergeleitet<br />
werden, wenn die strafbare Handlung im Ausland ausgeführt wird. 31 Daher ist es<br />
möglich, dass der Täter bei einer Tatbegehung mittels Computersystemen eine<br />
Bestrafung umgeht, indem er z. B. in die USA reist, um rassistische Inhalte auf das Netz<br />
zu setzen, die dann auch in der Schweiz abrufbar sind. 32 In diesem Fall führt auch Art. 7<br />
StGB zu keinem anderen Resultat, wenn die Tat im betreffenden Auslandsland keiner<br />
Strafe untersteht (vgl. Art. 7 Abs. 1 lit.a StGB), oder es sich bei der Auslandstat um ein<br />
Delikt handelt, für welches das schweizerische Recht die Auslieferung nicht zulässt<br />
(Art. 7 Abs. 1 lit. c StGB),. Letzteres trifft bei der Rassendiskriminierungsstrafnorm zu,<br />
da die Auslieferungsdelikte gemäss Art. 35 Abs. 1 lit. a IRSG mit einer<br />
freiheitsbeschränkenden Sanktion von mindestens einem Jahr bedroht sein müssen.<br />
Hingegen ist die Strafdrohung bei Art. 261 bis StGB bei allen Tatbestandsvarianten auf<br />
Gefängnis oder Busse beschränkt.<br />
Die Regelung in Art. 3-8 StGB kann somit bei abstrakten Gefährdungsdelikten zu<br />
unbefriedigenden Ergebnissen führen. Ferner lässt Art. 8 StGB die Frage offen, wie die<br />
Anknüpfung bei Teilnahmehandlungen vorzunehmen ist.<br />
Nach der Bundesgerichtspraxis werden die im Inland ausgeführten<br />
Teilnahmehandlungen des Anstifters oder Gehilfen wegen der Akzessorietät zur<br />
Haupttat nicht als Anknüpfungspunkte im Sinne von Art. 8 StGB anerkannt. 33<br />
Daraus folgt, dass z. B. beim Einrichten eines Hyperlinks, welches in der Schweiz<br />
erfolgt, auf eine Webseite im Ausland, die rassendiskriminierende Inhalte gemäss Art.<br />
29 Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung und Internet, 339.<br />
30 Botschaft, 310; TRECHSEL, Art. 261 bis N 6; KUNZ, Rechtsgut, 227 ff., m. w. H.<br />
31 Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 63 f.<br />
32 SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 343; ASSEMBLEE PARLEMENTAIRE, Internet et le droit, N 33 f.<br />
33 BGE 81 IV 37; 104 IV 86; 108 Ib 303; a. M. SCHWARZENEGGER, Handlungs- und Erfolgsort, 158 f.<br />
8
261 bis StGB enthält, allein gestützt auf das Territorialitätsprinzip keine schweizerische<br />
Strafhoheit hergeleitet werden kann, wenn die Handlung als Teilnahme und nicht als<br />
Täterschaft qualifiziert wird. 34<br />
Nach einem anderen Teil der Lehre schützt Art. 261 bis StGB als Rechtsgut die<br />
Menschenwürde, die nicht gefährdet, sondern nur verletzt werden kann. Nach dieser<br />
Auffassung handelt es sich bei der Rassendiskriminierung um ein Verletzungsdelikt. 35<br />
Was die Unterscheidung zwischen Erfolgsdelikten und schlichten Tätigkeitsdelikten<br />
betrifft, handelt es sich beim Art. 261 bis StGB nach h. L. und Rechtsprechung um ein<br />
schlichtes Tätigkeitsdelikt. 36 Wenn man dieser Ansicht in Verbindung mit der zu<br />
Beginn des Paragraphs dargestellten herrschenden schweizerischen Lehre und<br />
Rechtsprechung zum Erfolgsbegriff folgt, kommt man zum Ergebnis, dass im Ausland<br />
ausgeführte rassendiskriminierende Handlungen in der Schweiz nicht verfolgbar sind. 37<br />
Diese <strong>Anna</strong>hme wird damit begründet, dass bei den rassendiskriminierenden Taten kein<br />
sog. abtrennbarer Aussenerfolg gegeben ist. Diese Auffassung verkennt jedoch, dass die<br />
Handlung und der Verletzungserfolg gleichzeitig, aber an verschiedenen Orten auftreten<br />
können. 38<br />
Es ist daher von einem Teil der Lehre und Rechtsprechung anerkannt, dass<br />
Verletzungsdelikte, die als schlichte Tätigkeitsdelikte ausgestaltet sind, einen Erfolg<br />
aufweisen können. 39 Dieser Auffassung ist zuzustimmen, da sie erkennt, dass bei<br />
zeitlichem Auseinanderfallen von Handlung und Erfolg, z. B. wenn eine Webseite auf<br />
dem Server abgespeichert wird, die erst später von Nutzern abgerufen wird, auf die<br />
Kenntnisnahme der Äusserung abgestellt werden kann, da das Erfolgsunrecht erst durch<br />
die Wirkung geschaffen wird. 40<br />
34 Näheres betreffend die Strafbarkeit für Teilnahmehandlungen unter Kapitel 4 § 4.<br />
35 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 211 ff.; N 237 ff.<br />
36 Vgl. statt vieler SCHWARZENEGGER, Geltungsbereich, 122; BGE 123 IV 202.<br />
37 Dazu NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 64.<br />
38 SCHWARZENEGGER, Geltungsbereich, 124.<br />
39 Dazu SCHWARZENEGGER, Abstrakte Gefahr, 249 f., m. w. H.<br />
40 Auf die Kenntnisnahme stellt auch RIKLIN, Information Highway, 579 ff., ab. In der Praxis könnte die<br />
Durchsetzung dieser Ansicht zwar zu Kollisionen zwischen verschiedenen Strafhoheiten führen.<br />
Diesen Auswirkungen kann jedoch mit einer engen internationalen Zusammenarbeit und Rechtshilfe<br />
zwischen den Staaten begegnet werden. Vgl. zum Ganzen SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 345;<br />
WEBER, 534.<br />
9
2. Kapitel: Rassistisches und fremdenfeindliches<br />
Material<br />
§ 1 Material<br />
I. Der Begriff „Material“ im Sinne des ZP<br />
Art. 2 Abs. 1 ZP lautet wie folgt: „Im Sinne dieses Protokolls bedeutet rassistisches und<br />
fremdenfeindliches Material jede schriftliche, bildliche oder andere Wiedergabe von<br />
Ideen oder Theorien, die Hass, Diskriminierung oder Gewalt gegen eine Person oder<br />
eine Gruppe von Personen befürworten, fördern oder dazu aufstacheln, wenn dies auf<br />
Grund von Rasse, Hautfarbe, Abstammung oder nationaler oder ethnischer Herkunft<br />
geschieht, oder auf Grund von Religionszugehörigkeit, wenn sie als Vorwand für einen<br />
der anderen Faktoren gebraucht wird.“<br />
In den Materialien zum ZP werden als „Material“ nach Art. 2 ZP geschriebene Inhalte<br />
(insbesondere Texte, Bücher, Zeitschriften, Berichte, Stellungnahmen), bildliche<br />
Wiedergaben (insbesondere Bilder, Fotos, Zeichnungen) sowie andere Darstellungen<br />
von Ideen oder Theorien, die so beschaffen sind, dass sie durch ein Computersystem<br />
gespeichert, verarbeitet und übermittelt werden können, genannt. 41<br />
II. „Material“ als Tatmittel im Sinne von Art. 261 bis StGB<br />
Für die Auslegung der Begriffe des ZP sind das Völkerrecht und die völkerrechtliche<br />
Praxis sowie das nationale Recht und die nationale Praxis massgebend. 42 Damit stellt<br />
sich die Frage, welche Anknüpfungspunkte das schweizerische Strafrecht für die<br />
Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 2 ZP liefert. Dabei muss insbesondere auf<br />
41 Explanatory Report ZP, N 12. Da der Begriff des Materials jegliche Wiedergabe erfasst, die so<br />
beschaffen ist, dass sie durch ein Computersystem gespeichert, verarbeitet und übermittelt werden<br />
kann, scheint er dem Begriff eines Inhalts im Sinne des § 5 TDG ähnlich zu sein. Letzterer erfasst<br />
nach einer weiten Auslegung „jegliche Speicherung oder Übertragung in einem Datennetz“, vgl. POPP,<br />
63 ff., m.w.H.<br />
42 Explanatory Report ZP, N 18.<br />
10
Art. 261 bis StGB Rücksicht genommen werden, da dieser Artikel die Norm ist, die im<br />
schweizerischen Strafrecht die Strafbarkeit von rassendiskriminierenden Handlungen<br />
regelt.<br />
Die im Art. 2 ZP genannten geschriebenen Inhalte, bildlichen Wiedergaben und andere<br />
Darstellungen von Ideen oder Theorien, die so beschaffen sind, dass sie durch ein<br />
Computersystem gespeichert, verarbeitet und übermittelt werden können, können als<br />
Tatmittel von Art. 261 bis StGB erfasst werden. Gemäss Wortlaut von Art. 261 bis Abs. 4<br />
StGB macht es keinen Unterschied, ob als Tatmittel Wort, Schrift, Bilder, Gebärden,<br />
oder eine andere Begehungsweise verwendet wird. Eine Herabsetzung oder<br />
Diskriminierung kann mündlich, schriftlich, mittels Bildern oder Gesten geäussert<br />
werden. 43 Obschon die Aufzählung dieser Tatmittel nur in Art. 261 bis Abs. 4 StGB<br />
erfolgt, kommt sie auch für die anderen Absätze von Art. 261 bis StGB in Frage, da die<br />
fehlende Aufzählung in diesen Absätzen jede denkbare Begehungsweise zulässt. 44<br />
Somit kann auch Material im Sinne von Art. 2 ZP als Tatmittel von Art. 261 bis StGB<br />
erfasst werden.<br />
§ 2 Rassistisch und fremdenfeindlich<br />
I. Allgemeines<br />
Aus Art. 2 ZP geht hervor, dass sich das ZP auf die Begriffe „Rassismus“ und<br />
„Fremdenfeindlichkeit“ bzw. „rassistisch“ und „fremdenfeindlich“ bezieht.<br />
Diese Begriffe kommen in Art. 261 bis StGB und in der RDK, auf Grund der Art. 261 bis<br />
StGB eingeführt wurde 45 , nicht vor. So geht auch aus dem Explanatory Report ZP<br />
hervor, dass sich die in Art. 2 ZP genannten Gründe von denjenigen unterscheiden, die<br />
die RDK nennt, da die RDK die Rassendiskriminierung, und nicht den Rassismus als<br />
solcher bekämpfen will. 46<br />
43 bis bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 918; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 34 ; TRECHSEL, Art. 261 N 31<br />
ff.; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 47.<br />
44<br />
Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 917, 1019.<br />
45<br />
Dazu ausführlich NAGUIB/ZANNOL, 164 ff.<br />
46<br />
Explanatory Report ZP, N 18.<br />
11
In den nachfolgenden Ziffern werden daher die Begriffe „Rassismus“,<br />
„Fremdenfeindlichkeit“ und „Rassendiskriminierung“ näher erläutert und voneinander<br />
abgegrenzt. Gemäss N 18 des Explanatory Report ZP müssen die Begriffe des<br />
Rassismus, der Fremdenfeindlichkeit und der Rassendiskriminierung gemäss ihrer<br />
Bedeutung nach nationalem Recht und Völkerrecht sowie nationaler Praxis und<br />
Völkerrechtspraxis ausgelegt werden.<br />
II. Der Begriff „Rassismus“<br />
Der Begriff „Rassismus“ wird im StGB nicht definiert, und kommt darin auch nicht vor.<br />
Gemäss sozialwissenschaftlicher Definition, die auch vom Bundesamt für Polizei in den<br />
Analyseberichten verwendet wird, bezeichnet der Rassismus eine Ideologie, „die die<br />
Menschen aufgrund physiognomischer oder kultureller Eigenarten oder aufgrund ihrer<br />
ethnischen, nationalen oder religiösen Zugehörigkeit in angeblich naturgegebene<br />
Gruppen - so genannte "Rassen" - einteilt und diese hierarchisiert“. 47 Die Eigenschaften<br />
der Gruppe werden dabei als biologisch begründet und unabänderlich angesehen und<br />
die Menschen nicht als selbständige Individuen beurteilt, sondern als Mitglieder des<br />
Kollektivs, dessen Eigenart sie automatisch besitzen. 48 Auch zahlreiche Ausprägungen<br />
des Rechtsextremismus enthalten als ideologisches Element den Rassismus. 49<br />
Der Begriff der Ideologie wird in Art. Art. 261 bis Abs. 2 StGB verwendet. Gemäss Art.<br />
261 bis Abs. 2 StGB ist strafbar, wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die<br />
systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie<br />
oder Religion gerichtet sind.<br />
Die Ideologie im Kontext von Art. 261 bis<br />
StGB wird als ein weltanschauliches System<br />
oder als ein auf bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen der Angehörigen einer<br />
Gruppe beschränktes Gedankengut, welches auf deren Herabsetzung oder Verleumdung<br />
gerichtet ist, definiert. 50 Sie stellt ein Gedankengebäude oder eine Weltanschauung dar,<br />
die den Eigennutz ihrer Vertreter repräsentieren und auf Positionen gründen, die nicht<br />
konkret begründbar und einer demokratischen Überprüfung entzogen sind. Der Wahl<br />
47<br />
Bericht Rechtsextremismus, 27.<br />
48<br />
ROM, 9; HEITMEYER/MÜLLER, 136.<br />
49<br />
Bericht Skinheads, 68; ROM, 9. Für eine ausführliche Darstellung des Rassismusbegriffs vgl. STRAUSS,<br />
8 ff.<br />
50 bis<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 N 38; STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 33; REHBERG, StGB, 334;<br />
12
dieser Positionen liegen soziale Interessen und Zielsetzungen zugrunde. 51<br />
Als Ideologie nach Art. 261 bis<br />
Abs. 2 StGB hat das Bundesgericht z. B. die<br />
Verschwörungstheorie qualifiziert, wonach die „Zionisten“ durch die von ihnen in die<br />
Welt gesetzte Holocaust-Lüge für Unheil in der Welt verantwortlich seien. 52<br />
Die „Ideologie“ ist somit nicht wertneutral zu verstehen, sondern enthält ein Unwert-<br />
Urteil, bezogen darauf, dass die Ideen und Werte behaupten oder vorgeben, dass sie<br />
wahr und allgemein gültig seien, obwohl sie Ausdruck eines egoistischen<br />
Gewinnstrebens, eines Vorurteils oder eines Dogmas sind. 53 Gemeint sind in Art. 261 bis<br />
StGB Ideologien, die nicht nur die Minderwertigkeit einer Gruppe geltend machen,<br />
sondern zusätzlich daraus ableiten, dass der Gruppe ein beschränkter Anspruch auf<br />
grundlegende Menschenrechte zustehe. 54<br />
Der rechtliche Begriff der Ideologie im schweizerischen Strafrecht kann jedoch keine<br />
Anhaltpunkte für die Deutung des Rassismusbegriffs liefern, da, wie ausgeführt, eine<br />
Legaldefinition des Rassismus fehlt.<br />
III. Der Begriff „Fremdenfeindlichkeit“<br />
Auch der Begriff „Fremdenfeindlichkeit“ bzw. „Xenophobie“ kommt im StGB nicht<br />
vor. Er bezeichnet gemäss sozialwissenschaftlicher Definition ein „Ressentiment, das<br />
sich unterschiedslos gegen Menschen richtet, die im Inland fremd sind oder wegen ihrer<br />
Nationalität, Herkunft Rassenzugehörigkeit, Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit<br />
fremd wirken, wie z. B. Touristen, Ausländer mit Arbeitserlaubnis oder Asylbewerber.<br />
Den "Fremden" wird dabei unterstellt, dass sie an gesellschaftlichen Problemen wie<br />
Arbeitslosigkeit, Kriminalitätsrate oder Belastung des Sozialsystems, schuld sind. 55<br />
Die Xenophobie zeichnet sich somit mit Vorurteilen, Überheblichkeit und unüberlegten<br />
„Pauschalurteilen“ aus, die im Ergebnis zu Rassismus führen können. 56 Umgekehrt wird<br />
auch der Rassismus oft als Begründung für die Fremdenfeindlichkeit benutzt. 57<br />
51 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 800 f.; BGE 6S.719/1999 vom 22. März 2000, E. 3.d; ROM, 125.<br />
52 BGE 6S.719/1999 vom 22. März 2000, E. 3.d.<br />
53 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 804.<br />
54 SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 38.<br />
55 HEITMEYER/MÜLLER, 136 f.; Bericht Skinheads, 66.<br />
56 VEST, N 2, m.w.H.<br />
57 Bericht Skinheads, 68. Vgl. auch ROM, 9, und zum Rassismusbegriff STRAUSS, 8 ff.<br />
13
IV. Der Begriff „Rassendiskriminierung“<br />
Das Ziel der RDK, auf Grund welcher Art. 261 bis StGB erlassen wurde, besteht darin,<br />
dass jeder Mensch einen Anspruch auf gesetzlichen Schutz gegen Diskriminierung oder<br />
gegen ein Aufreizen zur Diskriminierung haben soll. 58<br />
Der Begriff „Rassendiskriminierung“ bedeutet gemäss Art. 1 RDK eine „auf der Rasse,<br />
der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum<br />
beruhende Unterscheidung, Ausschliessung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum<br />
Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Geniessen<br />
oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen,<br />
wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen<br />
Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.“<br />
Um den in der RDK enthaltenen Bestimmungen nachzugehen, wurde in der Schweiz<br />
Art. 261 bis StGB erlassen, der bestimmte Verhaltensweisen unter Strafe stellt, und<br />
gemäss Marginalie „Rassendiskriminierung“ heisst. Danach wird bestraft, wer<br />
öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie<br />
oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft; wer öffentlich Ideologien<br />
verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen<br />
einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind; wer mit dem gleichen Ziel<br />
Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt, oder wer öffentlich,<br />
durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person<br />
oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen<br />
die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert. Schliesslich<br />
macht sich nach Art. 261 bis StGB strafbar, wer aus einem dieser Gründe Völkermord<br />
oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder<br />
zu rechtfertigen sucht und/oder eine von ihm angebotene Leistung, die für die<br />
Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer<br />
Rasse, Ethnie oder Religion verweigert.<br />
Auf Grund der Merkmale „Unterscheidung, Ausschliessung, Beschränkung oder<br />
Bevorzugung“ in der RDK, die Handlungen, und nicht eine Ideologie oder ein<br />
Ressentiment darstellen, kann somit unter „Rassendiskriminierung“ die praktische<br />
Umsetzung der Ideologie „Rassismus“, und des Ressentiments „Fremdenfeindlichkeit“<br />
14
verstanden werden, 59 ein Verhalten, das den Anspruch anderer Rassen auf Gleichheit<br />
missachtet, 60 und eine Praxis, „die die Individuen „auf Grund physiognomischer<br />
Merkmale, ethnischer Herkunft, kultureller und/oder religiöser Zugehörigkeit Rechte<br />
vorenthält, sie ungerecht oder intolerant behandelt, demütigt, beleidigt, bedroht oder an<br />
Leib und Leben gefährdet“. 61<br />
V. Folgerung<br />
Aus den in den Ziffern II-IV dargestellten Begriffserläuterungen könnte auf den ersten<br />
Blick gefolgert werden, dass eine rassistische oder eine fremdenfeindliche Handlung<br />
immer auf einer inneren fremdenfeindlichen oder rassistisch-ideologischen<br />
Überzeugung des Täters beruhen muss. Im Explanatory Report ZP wird jedoch<br />
ausgeführt, dass die in Art. 2 ZP enthaltene Definition sich eher auf ein Verhalten<br />
beziehen muss, zu dem der Inhalt des Materials führen kann, und weniger auf einen<br />
Ausdruck von Glaube, Gefühlen oder Abneigung. 62<br />
In der vorliegenden Arbeit wird daher davon ausgegangen, dass das Material 63 im Sinne<br />
des ZP immer dann als rassistisch oder fremdenfeindlich gilt, wenn das Befürworten,<br />
Fördern oder Aufstacheln gemäss Art. 2 Abs. 1 ZP, aufgrund von Rasse, Hautfarbe,<br />
Abstammung, nationaler oder ethnischer Herkunft oder der Religion des Einzelnen oder<br />
der betroffenen Gruppe geschieht - dies ohne Rücksichtnahme auf eine ideologische<br />
Motivation oder auf eine innere fremdenfeindliche Gesinnung des Täters. Ein Täter<br />
braucht somit, um sich strafbar zu machen, keine besonderen Gesinnungsmerkmale zu<br />
erfüllen, sobald er den subjektiven Tatbestand der entsprechenden Handlung erfüllt. 64<br />
Auch andere völkerrechtliche Dokumente, die als Auslegungshilfe von Art. 2 ZP<br />
herangezogen werden können, führen zu keinem anderen Ergebnis. Das Explanatory<br />
Report nennt als völkerrechtliche Dokumente, die bei der Ausarbeitung des ZP<br />
berücksichtigt wurden, die EMRK und ihr Protokoll Nr. 12 vom 4. November 2002 65 ,<br />
58<br />
Abs. 3 der Päambel der RDK, vgl. auch VEST, N 1.<br />
59<br />
ROM, 10.<br />
60<br />
STRAUSS, 233.<br />
61<br />
Erläuterungen, 27.<br />
62<br />
Explanatory Report ZP, N 13.<br />
63<br />
Zum Begriff des Materials im Sinne des ZP vgl. § 1 des vorliegenden Kapitels.<br />
64 bis<br />
Näheres zu den subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Art. 3-6 ZP und von Art. 261 StGB im<br />
4. Kapitel § 1.<br />
65<br />
Abrufbar unter http://conventions.coe.int/Treaty/GER/Treaties/Html/177.htm.<br />
15
der IPbpR, der IPwsR, die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom<br />
15. Juli 1996 zu der Mitteilung der Kommission über Rassismus, Fremdenfeindlichkeit<br />
und Antisemitismus, die vergleichende Studie der Kommission gegen Rassismus und<br />
Fremdenfeindlichkeit des Europarates vom August 2000 und die Schlussfolgerungen<br />
der Europäischen Konferenz gegen Rassismus in Strassbourg vom Oktober 2000. 66<br />
In der EMRK wird in Art. 14 EMRK bestimmt, dass der Genuss der in der Konvention<br />
anerkannten Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung insbesondere wegen des<br />
Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder<br />
sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu<br />
einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu<br />
gewährleisten sind. In der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes<br />
für Menschenrechte liefen jedoch Beschwerden über rassistische Diskriminierung<br />
Gefahr, als nicht explizit garantierte Rechte unbegründet verworfen zu werden, so dass<br />
das Zusatzprotokoll Nr.12 zur EMRK geschaffen wurde, das im April 2005 in Kraft<br />
trat. 67<br />
Das Zusatzprotokoll Nr. 12 dehnt den Diskriminierungsschutz von Art. 14 EMRK über<br />
den Geltungsbereich der im Rahmen der Konvention definierten Rechte aus und ersetzt<br />
ihn in seinem Art. 1 durch eine allgemeine Klausel „für alle gesetzlich festgelegten<br />
Rechte”. Weder das Zusatzprotokoll Nr. 12 zur EMRK noch die EMRK selber treffen<br />
jedoch eine Unterscheidung zwischen den Begriffen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit,<br />
und Rassendiskriminierung. Das Zusatzprotokoll Nr. 12 ist ferner von der Schweiz<br />
weder ratifiziert, noch unterzeichnet worden.<br />
Auch die Bestimmungen des IpwsR und des IPbpR treffen keine Unterscheidung<br />
zwischen den Begriffen „Rassismus“, „Fremdenfeindlichkeit“, und<br />
„Rassendiskriminierung“.<br />
Der IPwsR bestimmt zwar in Art. 2, dass sich die Vertragsstaaten verpflichten, zu<br />
gewährleisten, dass die im Pakt verkündeten Rechte ohne Diskriminierung hinsichtlich<br />
der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der politischen<br />
oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der<br />
Geburt oder des sonstigen Status, ausgeübt werden.<br />
66 Explanatory Report ZP, N 10.<br />
67 ADDY, 32, m.w.H.<br />
16
Auch der IPbpR bestimmt in seinem Art. 2, dass sich jeder Vertragsstaat verpflichtet,<br />
die im Pakt anerkannten Rechte zu achten und sie allen in seinem Gebiet befindlichen<br />
und seiner Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen ohne Unterschied wie<br />
insbesondere der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der<br />
politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des<br />
Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status zu gewährleisten. Eine<br />
Diskriminierung auf Grund der Rasse wird ferner in den Art. 4 (im Falle eines<br />
öffentlichen Notstands), Art. 20 (Verbot des Eintretens für nationalen, rassischen oder<br />
religiösen Hass, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt<br />
aufgestachelt wird), Art. 24 (Recht des Kindes auf diejenigen Schutzmassnahmen durch<br />
seine Familie, die Gesellschaft und den Staat, die seine Rechtsstellung als<br />
Minderjähriger erfordert), und Art. 26 (Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz)<br />
des IPbpR verboten. Der Begriff „Diskriminierung auf Grund der Rasse“ wird jedoch in<br />
beiden Pakten nicht näher erläutert, und der Begriff „Rassismus“ wird nicht verwendet.<br />
Die in den Ziffern II-IV dargestellte Tatsache, dass sich Art. 261 bis StGB in der<br />
Marginalie und die RDK in ihrem Titel auf den Begriff „Rassendiskriminierung“<br />
beziehen, wohingegen sich das ZP auf die Begriffe „Rassismus und<br />
Fremdenfeindlichkeit“ bezieht, dürfte somit bei der Umsetzung des ZP in der Schweiz<br />
nicht von praktischer Bedeutung sein.<br />
Es kann somit festgehalten werden, dass auch das ZP die Bekämpfung der praktischen<br />
Umsetzung des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit anvisiert. Um darzustellen,<br />
unter welchen Voraussetzungen das Material als rassistisch oder fremdenfeindlich zu<br />
qualifizieren ist, werden in den nachfolgenden Paragraphen der Arbeit die<br />
Tatbestandsmerkmale von Art. 2 ZP „Hass“, „Diskriminierung“, „Gewalt“, „Rasse“,<br />
„Hautfarbe“, „Abstammung“, „nationale Herkunft“, ethnische Herkunft“ und<br />
„Religion“ näher erläutert, und anschliessend den Schutzobjekten von Art. 261 bis StGB<br />
gegenübergestellt.<br />
17
§ 3 Hass, Diskriminierung und Gewalt<br />
I. Hass<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP<br />
Im Sinne des Art. 2 ZP bedeutet Hass („hatred“) ein Ausdruck von intensiver<br />
Abneigung oder Feindseligkeit. 68<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis Abs. 1 StGB<br />
Unter dem Tatbestandsmerkmal „Hass“ im Art. 261 bis Abs. 1 StGB versteht das<br />
Bundesgericht und die herrschende schweizerische Lehre „eine fundamental feindliche<br />
Grundhaltung“, die über blosse Ablehnung, Abneigung oder Antipathie hinausgeht,<br />
sowie über Zorn und Wut, die sich relativ rasch wieder abkühlen. 69<br />
Dieser Begriff scheint mit dem Hassbegriff im Art. 2 ZP zu übereinstimmen, da auch<br />
vom ZP ein Ausdruck intensiver Abneigung und Feindseligkeit verlangt werden, und<br />
nicht jeder beliebige Ausdruck von Gefühlen oder Widerwille.<br />
Die Begriffsumschreibung „fundamental feindliche Grundhaltung“ lässt zwar auf den<br />
ersten Blick darauf schliessen, dass das schweizerische Strafrecht an den Hassbegriff<br />
höhere Anforderungen als das ZP stellt, da eine fundamentale Grundhaltung meistens<br />
ideologisch begründet ist. Für die Erfüllung von Art. 261 bis StGB ist es jedoch nicht von<br />
Bedeutung, ob die in Frage stehende feindselige Haltung emotional oder intellektuell<br />
begründet ist. 70<br />
68 Explanatory Report ZP, N 15.<br />
69 BGE vom 3. März 2000 6P.132/1999 und 6S.488/1999, E. 13b; HÄNNI, 117; NIGGLI,<br />
Rassendiskriminierung, N 758; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 31; RIKLIN, Rassendiskriminierung, 40;<br />
NAGUIB/ZANNOL, 170.<br />
70 ROM, 124; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 760.<br />
18
II. Gewalt<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP<br />
Der Begriff „Gewalt“ (“violence”) im Art. 2 ZP soll sich auf die unerlaubte,<br />
unrechtmässige Anwendung von physischer Gewalt („force“) beziehen. 71<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis StGB<br />
Der Begriff „Gewalt“ wird im Art. 261 bis StGB nicht verwendet. Er ist im StGB nicht<br />
legal definiert, wird jedoch in Art. 135, 181, 183, 189, 190, 197, und 285 StGB<br />
verwendet. Unter "Gewalt" werden in Lehre und Rechtsprechung "Einwirkungen auf<br />
den Körper eines Menschen mit physikalisch oder chemisch fassbaren Mitteln" 72 , unter<br />
Ausschluss von Wirkungen rein psychischer Natur, 73 "ein physischer Eingriff in die<br />
Rechtssphäre eines anderen" 74 verstanden. Unumstritten ist, dass die ausgeübte Gewalt<br />
nicht unwiderstehlich zu sein braucht. Ihre Intensität muss nicht so gross sein, dass das<br />
Opfer widerstandsunfähig gemacht wird. Es genügt, wenn sie den Willen des Opfers<br />
bricht. 75<br />
Aus der Verwendung des englischen Begriff „force“ im Explanatory Report ZP 76 , als<br />
Verdeutlichung des Begriffs „violence“, kann gefolgert werden, dass sich „force“,<br />
ähnlich wie im schweizerischen Strafrecht, auf eine physische Einwirkung auf den<br />
Körper eines Menschen bezieht. Eine unrechtmässige Anwendung von Gewalt gemäss<br />
ZP kann somit gegeben sein, wenn nach schweizerischem Strafrecht z. B. ein<br />
Tatbestand der Körperverletzung oder der Tätlichkeit gegeben ist, da hier meistens eine<br />
unerlaubte Einwirkung auf den Körper eines Menschen mit physikalisch oder chemisch<br />
fassbaren Mitteln, oder ein physischer Eingriff in die Rechtssphäre eines anderen<br />
gegeben ist.<br />
71 Explanatory Report ZP, N 15.<br />
72 REHBERG/SCHMID/DONATSCH, 339 ff., m.w.H.<br />
73 REHBERG/SCHMID/DONATSCH, 340.<br />
74 TRECHSEL, Art. 181 N 2.<br />
75 BGE 101 IV 169; TRECHSEL, Art. 181 N 2.<br />
76 Explanatory Report ZP, N 15.<br />
19
III. Diskriminierung<br />
Für die Auslegung des Begriffs „Diskriminierung“ verweist das Explanatory Report ZP<br />
einerseits auf Art. 14 EMRK, das Protokoll Nr. 12 zur EMRK und der massgeblichen<br />
Rechtsprechung des EGMR. 77 Andererseits soll der in Art. 1 RDK enthaltene Begriff<br />
„Rassendiskriminierung“ bei der Auslegung berücksichtigt werden. 78<br />
Das Diskriminierungsverbot, enthalten in der EMRK, garantiert jedem, der sich unter<br />
der Hoheitsgewalt einer Vertragspartei befindet, die Inanspruchnahme der von der<br />
EMRK geschützten Rechte und Freiheiten. 79 Art. 14 EMRK sieht sodann vor, dass die<br />
EMRK-Unterzeichnerstaaten verpflichtet sind, für jede Person den Zugang zu den in<br />
der EMRK statuierten Rechten zu gewährleisten.<br />
In diesem Zusammenhang soll „Diskriminierung“ im Sinne des ZP eine<br />
ungerechtfertigte Behandlung bedeuten, eine Ungleichbehandlung einer Person oder<br />
einer Gruppe von Personen, basierend auf bestimmte Charakteristika dieser Person oder<br />
dieser Gruppe von Personen. Ob die Ungleichbehandlung diskriminierend ist oder nicht,<br />
soll auf Grund der Umstände im konkreten Einzelfall entschieden werden. 80 Dabei<br />
kann, wie bei allen Begriffen des ZP, die in der innerstaatlichen Doktrin und Praxis<br />
geltende Auslegung herangezogen werden.<br />
In der Schweiz können somit für die Deutung des Begriffs „Diskriminierung“ die<br />
Rechtsprechung und Lehre zu Art. 8 BV und zur Rassendiskriminierungsstrafnorm von<br />
Bedeutung sein. Art. 8 BV will eine Ungleichbehandlung verhindern, die an<br />
Unterscheidungsmerkmalen anknüpft, die einen Bestandteil der Identität eines<br />
Menschen ausmachen, welcher nicht oder nur schwer aufgegeben werden kann. 81<br />
Im Sinne des Art. 261 bis StGB stellt eine Diskriminierung eine ungerechtfertigt<br />
schlechtere Behandlung eines Menschen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer Gruppe<br />
dar, indem man ihm den gleichberechtigten Zugang zu den Menschenrechten abspricht<br />
oder verwehrt. 82 Eine Diskriminierung besteht dann, wenn der Gleichheitsgrundsatz<br />
dadurch verletzt wird, dass eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund an die<br />
77<br />
Explanatory Report ZP, N 16.<br />
78<br />
Explanatory Report ZP, N 16.<br />
79<br />
Vgl. Handyside judgment vom 7. Dezember 1976, Series A, Nr. 24, Seite 23, § 49.<br />
80<br />
Explanatory Report ZP, N 16.<br />
81<br />
Vgl. BGE 126 II 393.<br />
82<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 736 ff.; REHBERG, StGB, 335; ROM, 124.<br />
20
Kriterien der Rasse, Ethnie oder Religion anknüpft, und der Täter bestreitet, verneint<br />
oder behindert dabei den gleichmässigen Zugang aller zu den Menschenrechten. 83<br />
Beim Kriterium der Ungerechtigkeit sind dabei gemäss Explanatory Report ZP die<br />
Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. 84<br />
Schliesslich bedeutet der Begriff „Diskriminierung“ im Sinne von Art. 1 RDK ein<br />
Vorgang, der aus verschiedenen Elementen besteht. Einerseits wird eine Handlung oder<br />
eine Unterlassung vorgenommen, die als Unterscheidung, Ausschliessung,<br />
Beeinträchtigung oder Bevorzugung qualifiziert wird. Andererseits erfolgt die<br />
Handlung oder Unterlassung aus bestimmten Gründen (Rasse, Hautfarbe, Abstammung,<br />
nationaler Ursprung oder Volkstum), und verfolgt entweder das Ziel, dass die<br />
Anerkennung, der Genuss oder die Ausübung von Menschenrechten und<br />
Grundfreiheiten verhindert oder erschwert wird, oder enthält die Wirkung, dass die<br />
Anerkennung, der Genuss oder die Ausübung von Menschenrechten und<br />
Grundfreiheiten verhindert oder erschwert wird. 85 Um die Verhinderung oder<br />
Erschwerung zu erreichen, bestreitet, verneint oder behindert der Täter den<br />
gleichmässigen Zugang zu den Menschenrechten. 86<br />
§ 4 Befürworten, Fördern und Aufstacheln<br />
I. Allgemeines<br />
Vom ZP sollen gemäss dem Explanatory Report ZP insbesondere Inhalte erfasst<br />
werden, welche zu einem bestimmten Verhalten führen können, bzw. auf das<br />
Hervorrufen eines bestimmten Verhaltens ausgerichtet sind, und nicht jede Äusserung<br />
von Gefühlen, Glaube oder Widerwille. 87<br />
Dass das ZP insbesondere Handlungen erfassen soll, die zu einem bestimmten<br />
Verhalten führen können, 88 bedeutet, dass insbesondere Inhalte erfasst werden sollen,<br />
83<br />
STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 31; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 748, m.w.H.<br />
84<br />
Explanatory Report ZP, N 16.<br />
85<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 741 ff.<br />
86<br />
Vgl. STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 31.<br />
87<br />
Explanatory Report ZP, N 13.<br />
88<br />
Explanatory Report ZP, N 13.<br />
21
die geeignet sind, Hass, Diskriminierung oder Gewalt hervorzurufen. Genauso wenig<br />
wie für Art. 261 bis StGB 89 ist es für das ZP somit von Bedeutung, dass die<br />
Feindseligkeit in die Tat umgesetzt wird. Die Inhalte sollen jedoch den Nährboden für<br />
die verbotenen Hass, Diskriminierung oder Gewalt bieten.<br />
II. Befürworten und Fördern<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP<br />
Das Verb „Befürworten“ in Art. 2 ZP soll sich auf Einreden, Vorwände oder Einwände<br />
zugunsten von Hass, Diskriminierung oder Gewalt beziehen. Das „Fördern“ soll eine<br />
Förderung, Ermutigung oder Begünstigung von Hass, Diskriminierung oder Gewalt<br />
bedeuten. 90<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis StGB<br />
Der Begriff „Befürworten“ kommt im Wortlaut von Art. 261 bis StGB nicht vor.<br />
Er wird in der Lehre jedoch verwendet, um das Verb „Fördern“ im Art. 261 bis Abs. 3<br />
StGB zu verdeutlichen. 91 Der Begriff „Fördern“ im Art. 261 bis Abs. 3 StGB soll,<br />
genauso wie der Begriff „Teilnehmen“, alle Formen der Teilnahme bzw. jede aktive<br />
Unterstützung erfassen, sofern sie die Durchführung der Propagandaaktion erleichtern. 92<br />
Beispiele sind die Tätigkeiten von Verlegern, Händlern, Verkäufern, das Verteilen von<br />
Flugblättern, Spenden von Geld, Bereitstellung von Örtlichkeiten. 93<br />
89<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 761.<br />
90<br />
Explanatory Report ZP, N 14.<br />
91 bis<br />
Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 906 ff. Näheres zu Art. 261 Abs. 3 StGB im 4. Kapitel § 5<br />
III.<br />
92 bis<br />
Vgl. DONATSCH/WOHLERS, 216; VEST, N 64 f.; TRECHSEL Art. 261 StGB N 28.<br />
93<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 906 ff.; weitere Beispiele in NIGGLI, Gerichtspraxis, 67 ff., 293 ff.<br />
22
III. Aufstacheln<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP<br />
Der Begriff „Aufstacheln“, (amtliche Übersetzung des englischen Begriffs „incite“)<br />
bezieht sich auf ein Antreiben oder Drängen („urging“) von anderen Personen zu Hass,<br />
Diskriminierung oder Gewalt. 94<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis StGB<br />
„Aufrufen“ im Sinne von Art. 261 bis Abs. 1 StGB soll gemäss der Botschaft,<br />
bundesrichterlicher Rechtsprechung, und verschiedenen Lehrmeinungen als „Aufreizen“<br />
verstanden werden. 95 Diese Ansicht wird u.a. dadurch begründet, dass die romanischen<br />
Texte der Bestimmung von „Aufreizen“ („inciter“ und „incitare“) sprechen, und nicht<br />
von einem Aufrufen sprechen. 96<br />
Der Begriff „Aufreizen“ stellt eine nachhaltige, eindringliche Einflussnahme auf<br />
Menschen dar, mit dem Ziel oder dem Ergebnis, eine feindselige Haltung gegenüber<br />
einer Person oder einer Personengruppe auf Grund ihrer rassischen, ethnischen oder<br />
religiösen Zugehörigkeit zu vermitteln, ein feindseliges Klima gegen sie zu schaffen<br />
oder zu verstärken. 97 Durch das Aufreizen soll der Eindruck vermittelt werden, oder der<br />
Eindruck entstehen, dass den betroffenen Personen oder Gruppen nicht die gleichen<br />
Grundrechte wie anderen Personen oder Gruppen zukommen dürfen. 98<br />
Das Aufreizen muss geeignet sein, die Adressaten zu beeinflussen, und muss eine<br />
gewisse Eindringlichkeit und Ernsthaftigkeit aufweisen. 99 Es muss sich jedoch nicht um<br />
eine explizite Aufforderung betreffend spezifische Handlungen handeln. 100<br />
94 Explanatory Report ZP, N 14.<br />
95 BGE 123 IV 202; Botschaft, 312; REHBERG, StGB, 334; und KUNZ, Bemerkungen Botschaft, 161,<br />
wonach zu dem Gefühl von Hass nicht aufgerufen werden kann.<br />
96 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 769.<br />
97 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 764, 769; HÄNNI, 117; STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 32;<br />
TRECHSEL, Art. 261 bis N 19; BGE 123 IV 202.<br />
98 BGE 124 IV 124.<br />
99 SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 32; ROM, 131; STRAUSS, 233.<br />
100 BGE 123 IV 202, 207; STRATENWERTH, BT/2, § 38 N 32; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 31; Urteil des<br />
Bundesgerichts, Kassationshof, 18. März 2002, 6S.614/2001, E. 4.<br />
23
Auch eine Hetze oder ein Schüren von Emotionen, die ohne expliziten<br />
Aufforderungscharakter Hass hervorrufen können, sollen erfasst werden. 101<br />
Im Hinblick auf Hass kann „Aufrufen“ als „Schüren“ von negativen Einstellungen<br />
gegen eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion verstanden<br />
werden. 102 Die Gleichsetzung von Zionisten mit Verbrechern hat z. B. eine<br />
eindringliche und emotionale Wirkung, die das Schüren einer feindseligen Haltung<br />
bezweckt. 103<br />
Demgegenüber liegt ein Aufruf zu Diskriminierung dann vor, wenn eine<br />
Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund an den Kriterien der Rasse, Ethnie oder<br />
Religion anknüpft. 104 Die inkriminierten Äusserungen dürfen dabei nicht als<br />
voneinander unabhängig betrachtet, sondern in ihrem Gesamtkontext beurteilt<br />
werden. 105 Ein Beispiel für das Aufrufen zu Diskriminierung ist ein Aufruf, gewisse<br />
Waren, Dienstleistungen oder Geschäfte zu boykottieren, oder der Aufruf, die<br />
Angehörigen einer bestimmten Gruppe auszuweisen, sie nicht zu bedienen, ihnen keine<br />
Arbeit zu geben oder keine Wohnungen zu vermieten. 106<br />
Aus diesen Ausführungen wird ersichtlich, dass die Begriffe „Aufstacheln“ im Sinne<br />
des ZP und „Aufreizen“ im Sinne der schweizerischen<br />
Rassendiskriminierungsstrafnorm, als identisch zu bezeichnen sind. Dafür spricht<br />
einerseits, dass als Umschreibung des Begriffes „incite“ ein Drängen, ein Antreiben<br />
(„urging“) zu Hass, Diskriminierung oder Gewalt vorausgesetzt ist, 107 was einer<br />
nachhaltigen, dringlichen Einflussnahme gleichzustellen ist. Andererseits ist die<br />
grammatikalisch identische Bedeutung des englischen Begriffs „incite“ mit den<br />
französischen und italienischen Begriffen „inciter“ und „incitare“ hervorzuheben.<br />
101<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 766.<br />
102<br />
STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 32; RIKLIN, Rassendiskriminierung, 40; NIGGLI,<br />
Rassendiskriminierung, N 764.<br />
103<br />
SCHÖNKE/SCHRÖDER, § 130 N 5 a.<br />
104 bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 731 ff.; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 34.<br />
105<br />
Urteil des Bundesgerichts, Kassationshof, 18. März 2002, 6S.614/2001, E. 3.<br />
106<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 777 ff.; STRAUSS, 26 ff.; Botschaft, 279.<br />
107<br />
Explanatory Report ZP, N 14.<br />
24
§ 5 Person oder Gruppe von Personen<br />
I. Im Sinne von Art. 2 ZP<br />
Der Hass, die Diskriminierung und die Gewalt nach ZP müssen sich gegen eine Gruppe<br />
von Personen oder gegen Personen richten, auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer<br />
Gruppe, die sich wegen ihrer Rasse, Hautfarbe, Abstammung oder nationaler oder<br />
ethnischer Herkunft unterscheidet, oder wegen ihrer Religionszugehörigkeit, wenn sie<br />
als Vorwand für einen der anderen Faktoren gebraucht wird. 108<br />
Die vom ZP geschützten Objekte sind somit eine Person oder eine Gruppe von<br />
Personen, die sich auf Grund von bestimmten Merkmalen von anderen Personen oder<br />
Gruppen von Personen unterscheiden. Der Begriff der Gruppe wird dabei weder im ZP<br />
noch im Explanatory Report ZP definiert oder erläutert.<br />
II. Im Sinne von Art. 261 bis StGB<br />
Die schweizerische Rassendiskriminierungsstrafnorm schützt einzelne Personen, die zu<br />
einer Gruppe gehören, sowie die Gruppe selbst, vor Angriffen auf Grund der<br />
Gruppenzugehörigkeit. 109<br />
Art. 261 bis StGB nennt als Schutzobjekte rassische, ethnische und religiöse Gruppen.<br />
Diese Aufzählung ist abschliessend. 110 Die Rasse, die Ethnie und die Religion sind<br />
somit die „Anknüpfungspunkte der intendierte Diskriminierung“. 111<br />
Eine Gruppe bilden Einzelpersonen, die sich einerseits als eine Gemeinschaft<br />
empfinden, indem sie ein Zusammengehörigkeitsgefühl, ein Bewusstsein der<br />
Zusammengehörigkeit aufweisen. 112 Andererseits weisen sie eine bestimmte<br />
gemeinsame Eigenschaft auf (z. B. Physiognomie, Tradition, Wertvorstellungen,<br />
108 Explanatory Report ZP, N 17.<br />
109 SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 12.<br />
110 SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 20; VEST, N 40; DONATSCH/WOHLERS, 212.<br />
111 STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 bis StGB N 3.<br />
112 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 343.<br />
25
Glauben), und werden von jenen, die die Eigenschaft nicht aufweisen, als Gruppe<br />
empfunden und behandelt. 113<br />
Gemäss bundesrichterlicher Auffassung ist es unwichtig, ob die Gruppe die<br />
spezifizierenden Merkmale tatsächlich aufweist oder ob sie fälschlicherweise<br />
zugeschrieben werden. 114 Nicht massgebend ist ferner, ob die angegriffenen<br />
Einzelpersonen tatsächlich der Gruppe angehören. 115 Erfasst werden ferner<br />
Zuschreibungen, die unterstellen, dass sich die Gruppenangehörigen als Gruppe<br />
wahrnehmen.<br />
§ 6 Rasse, Hautfarbe, Abstammung, nationale Herkunft,<br />
ethnische Herkunft, Religion<br />
I. Rasse und Hautfarbe<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP<br />
Die Begriffe der Rasse und der Hautfarbe werden weder im ZP noch im Explanatory<br />
Report ZP definiert oder näher erläutert. Interessant ist, dass das ZP die Rasse und die<br />
Hautfarbe als eigenständige Schutzobjekte erwähnt, womit die Hautfarbe nicht<br />
notwendigerweise nur als ein Merkmal des Rassenbegriffes aufzufassen ist.<br />
113<br />
Sog. „Innensicht der Gruppe“ und „Aussensicht der Gruppe“, vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N<br />
355 f.; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 12.<br />
114<br />
BGE 123 IV 206 f. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Gruppe als Gruppe verunglimpft wird, oder<br />
Verhaltensweisen angegriffen werden, die nicht ausschliesslich der betreffenden Gruppe<br />
zugeschrieben werden, vgl. Urteil des Bundesgerichts, Kassationshof, 26. September 2000,<br />
6S.367/1998, E. 5 a: Auch gegen die Menschenwürde verstossende Herabsetzungen des Schächtens,<br />
welches nicht nur von Juden, sondern auch von Muslimen praktiziert wird, verstossen gegen Art.<br />
261 bis Abs. 4 erste Satzhälfte StGB; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 19.<br />
115 bis<br />
BGE 124 IV 124; 123 IV 206 f.; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 12; STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 28;<br />
STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 bis N 4.<br />
26
2. Im Sinne von Art. 261 bis<br />
StGB<br />
Rassische Gruppen sind Menschengruppen, welche einerseits ein<br />
Zusammengehörigkeitsgefühl aufweisen. Andererseits kennzeichnen sie sich durch<br />
angeborene anatomische und erbliche Merkmale. 116<br />
Da diese „Rassenmerkmale“ nicht deutlich genug voneinander abgegrenzt werden<br />
können, besteht keine allgemein anerkannte naturwissenschaftliche Definition, sondern<br />
nur verschiedene anthropologische Klassifikationen, die auseinander gehen. 117<br />
Unbestritten ist gemäss schweizerischer Rechtsprechung und Lehre, dass rassische<br />
Gruppen im Sinne des Art 261 bis StGB z. B. Asiaten, Dunkelhäutige oder Weisse sind,<br />
bzw. gemäss anthropologischer Definition Mongolide, Negride, und Europide. 118<br />
Die Hautfarbe stellt dabei eines der erblichen, anatomischen Merkmale dar, die eine<br />
Rasse kennzeichnen. 119 So führte das Bundesgericht im BGE 124 IV 124 aus, dass das<br />
Schutzobjekt „Rasse“ insbesondere durch das Merkmal der Hautfarbe zu<br />
charakterisieren ist.<br />
Die Hautfarbe ist kein eigenständiges Schutzobjekt von Art 261 bis StGB. Da jedoch<br />
Rassendiskriminierung gestützt auf das Unterscheidungsmerkmal der Hautfarbe (als<br />
Bestandteil des Rassenbegriffs) unter Strafe gestellt ist, ist die Diskriminierung auf<br />
Grund der Hautfarbe im Ergebnis auch von Art 261 bis StGB erfasst. 120<br />
Neben der Hautfarbe werden auch die Kopfform, die Physiognomie oder der Körperbau<br />
als erbliche, anatomische Merkmale genannt, welche eine Menschengruppe<br />
unterscheiden. 121 Keine rassischen Gruppen sind jedoch Männer, Behinderte, Blonde,<br />
Südländer. 122<br />
116 bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 388 ff., 395 ff., 400, 407; TRECHSEL, Art. 261 N 11;<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 13; STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 25; STRATENWERTH/WOHLERS, Art.<br />
261 bis StGB N 3.<br />
117<br />
Dazu ausführlich ROM, 5 ff., m.w.H.<br />
118<br />
BGE 124 IV 124; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 388; ROM, 6; STRAUSS, 6.<br />
119<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 388.<br />
120<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung und Internet, 336.<br />
121<br />
ROM, 112.<br />
122<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 419.<br />
27
II. Abstammung<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP<br />
Der Begriff „Abstammung“ in Art. 2 ZP bezieht sich auf bestimmte Charakteristika der<br />
Ahnen bzw. Vorfahren der betroffenen Person oder betroffenen Personengruppe<br />
(z. B. Rasse, Hautfarbe, nicht aber soziale Schicht bzw. soziale Herkunft). Aufgrund der<br />
Charakteristika können die Ahnen der betroffenen Person einer bestimmten Gruppe<br />
zugeordnet werden. 123<br />
Diese Charakteristika müssen bei der betroffenen Person oder Personengruppe nicht<br />
notwendigerweise noch immer vorhanden sein. Die Personen oder Gruppen von<br />
Personen müssen jedoch aufgrund ihrer Abstammung von den Ahnen, die die<br />
Charakteristika erfüllen, zu Objekten von Hass, Diskriminierung oder Gewalt geworden<br />
sein. 124<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis<br />
StGB<br />
Art. 261 bis StGB nennt, im Gegensatz zum ZP und zu Art. 1 RDK, die Diskriminierung<br />
auf Grund der Abstammung nicht als Anknüpfungspunkt für Rassendiskriminierung.<br />
Die Abstammung kann jedoch auf Grund der Rassendiskriminierungsstrafnorm relevant<br />
werden, wenn die Diskriminierung gleichzeitig auf Grund der Zugehörigkeit zu einer<br />
ethnischen Gruppe geschieht. 125<br />
Nach geltendem Recht könnte ferner eine Diskriminierung auf Grund der Abstammung<br />
erfasst werden, wenn für den Begriff der Rasse nicht die naturwissenschaftliche<br />
Definition, die auf äusserlichen Merkmalen beruht, sondern sozialwissenschaftliche<br />
Definitionen berücksichtigt werden. Letztere stützen sich bei der Begriffsumschreibung<br />
der Rasse nicht auf biologische Merkmale, sondern auf das subjektive, innere<br />
Verständnis des Diskriminierenden. So kann als Rasse eine Gruppe bezeichnet werden,<br />
„die im täglichen Leben als Rasse angesehen und behandelt wird“, eine Gruppe, „die<br />
123 Explanatory Report ZP, N 19.<br />
124 Explanatory Report ZP, N 18.<br />
125 DONATSCH/WOHLERS, 210; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis<br />
N 16; TRECHSEL, Art. 261 bis<br />
N 11.<br />
28
aufgrund von physischen und/oder kulturellen Charakteristiken (...) als verschieden<br />
erkannt wird. 126<br />
Bei einer Ratifikation des ZP wird sich somit die Schweiz verpflichten, dafür zu sorgen,<br />
dass auch Personen oder Gruppen von Personen geschützt werden, die auf Grund z. B.<br />
der Rassenzugehörigkeit, der Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft<br />
(eines) ihrer Vorfahren diskriminiert werden, ohne dass sie selber dieser Rasse<br />
angehören oder diese Hautfarbe haben müssen. 127<br />
III. Nationale Herkunft<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP<br />
Gemäss Explanatory Report ZP ist der Begriff „nationale Herkunft“ in einem weiten<br />
Sinn zu verstehen. Er kann sich auf die Geschichte der betreffenden Person beziehen,<br />
auf die Nationalität oder die Herkunft ihrer Vorfahren, aber auch auf ihr eigenes<br />
Nationszugehörigkeitsgefühl, und zwar unabhängig davon, ob sie die betreffende<br />
Staatsbürgerschaft im rechtlichen Sinne besitzt oder nicht. Wenn bestimmte Personen<br />
mehr als eine Staatsbürgerschaft besitzen, oder staatenlos sind, und aus diesen Gründen<br />
diskriminiert werden, erlaubt die weite Auslegung des Begriffes der nationalen<br />
Herkunft den Schutz auch dieser Personen. 128<br />
Überdies bezieht sich der Begriff der nationalen Herkunft nicht nur auf<br />
Staatsbürgerschaft von völkerrechtlich anerkannten Staaten, sondern auch auf die<br />
Zugehörigkeit zu Minderheiten oder anderen Gruppen von Personen mit ähnlichen<br />
Charakteristika. 129<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis<br />
StGB<br />
Die rechtlichen Kategorien „Nation“, „Nationalität“, und „nationaler Ursprung“, stellen<br />
keine von Art. 261 bis StGB geschützte Gruppen bzw. keine Schutzobjekte dar.<br />
Sie werden nur dann als Schutzobjekt anerkannt, wenn gleichzeitig eine Ethnie oder<br />
126 STRAUSS, 25 f.; ROM, 7 f.<br />
127 Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung und Internet, 336.<br />
128 Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung und Internet, 324.<br />
129 Explanatory Report ZP, N 20.<br />
29
eine Rasse angesprochen wird. 130 Einige Lehrmeinungen gehen davon aus, dass mit<br />
einer nationalen Diskriminierung sehr häufig eine Ethnie gemeint ist - so bedeutet ein<br />
Lokalverbot für Türken ein Lokalverbot für die türkische und kurdische Ethnie, und<br />
richtet sich eigentlich gegen die geschützte Gruppe der Ethnie. 131<br />
Ähnliches gilt für die rechtlichen Kategorien der Fremden, der Ausländer und der<br />
Asylsuchenden. Beim Begriff „Ausländer“, der alle Personen mit einer anderen<br />
Staatsbürgerschaft als der inländischen meint, handelt es sich um eine Kategorie, die<br />
dem Schutz von Art. 261 bis<br />
StGB nicht untersteht. Auch der Begriff „Asylsuchender“<br />
bezeichnet eine rechtliche Kategorie, die durch Art. 261 bis<br />
StGB nicht erfasst wird. 132<br />
Wenn jedoch die Bezeichnung „Asylsuchende/Asylanten” als Synonym für eine oder<br />
mehrere geschützte Gruppen verwendet wird, ohne die einzelnen Gruppen gesondert<br />
aufzuzählen, soll Art. 261 bis<br />
StGB anwendbar sein. 133 Eine Herabsetzung aller<br />
Andersrassigen, z. B. aller Nichteuropäer, oder aller Ausländer oder Asylanten<br />
schlechthin, dürfte gemäss einem Teil der Lehre auch grundsätzlich für die Erfüllung<br />
des Tatbestands von Art. 261 bis<br />
StGB genügen. 134<br />
Daraus wird ersichtlich, dass das Schutzspektrum von Art. 261 bis StGB in Bezug auf die<br />
Schutzgruppe der nationalen Herkunft enger ist als dasjenige des ZP. Um die<br />
Anknüpfungspunkte Nation, Nationalität, nationaler Ursprung, Ausländer, und Asylant,<br />
durch Art. 261 bis StGB zu erfassen, müssen sie als Synonym für eine der geschützten<br />
Gruppen verwendet worden sein, was von Fall zu Fall zusätzlich nachgewiesen werden<br />
muss. 135 Diese Rechtslage wird sich nach dem Inkrafttreten des ZP für die Schweiz<br />
ändern. Entsprechend der weiten Begriffsumschreibung des nationalen Ursprungs im<br />
Explanatory Report ZP, 136 sollen sowohl die Staatsbürgerschaft im rechtlichen Sinne,<br />
130 bis bis<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 N 15; VEST, N 33; STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 N 5;<br />
DONATSCH/WOHLERS, 212; REHBERG, StGB, 334, m. w. H.<br />
131<br />
VEST, N 33; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 492. Vgl. auch NIGGLI, Aufruf, N 9, wo er zum<br />
Schluss kommt, dass sich ein Aufruf zu einem „Kebap-Boykott“ grundsätzlich gegen die in der Türkei<br />
lebenden Ethnien richtet, und somit gegen die ethnische Herkunft als von Art. 261 bis StGB geschütztes<br />
Angriffsobjekt.<br />
132 bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 495, 498; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 15 f.;<br />
STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 bis N 3.<br />
133<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 497; RIKLIN, Rassendiskriminierung, 39; SCHLEIMINGER, Art.<br />
261 bis N 16; VEST, N 34; TRECHSEL, Art. 261 bis N 11.<br />
134 bis bis<br />
TRECHSEL, Art. 261 N 11; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 16.<br />
135<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 503.<br />
136<br />
Explanatory Report ZP, N 20.<br />
30
als auch der nationale Ursprung und die Geschichte der betreffenden Person geschützt<br />
werden, einschliesslich die Nationalität und die Herkunft ihrer Vorfahren. 137<br />
Geschützt werden soll auch das eigene Nationszugehörigkeitsgefühl, und zwar<br />
unabhängig davon, ob man die betreffende Nationalität rechtlich besitzt oder nicht.<br />
Wenn bestimmte Personen mehr als eine Staatsbürgerschaft besitzen, oder staatenlos<br />
sind, und aus diesen Gründen diskriminiert werden, erlaubt ferner die weite Auslegung<br />
des Begriffes der nationalen Herkunft den Schutz auch dieser Personen. 138<br />
IV. Ethnische Herkunft<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP<br />
Der ZP und das Explanatory Report ZP enthalten keine Vorgaben für die Definition des<br />
Begriffes der ethnischen Herkunft.<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis<br />
StGB<br />
Ethnische Gruppen unterscheiden sich durch Gemeinsamkeiten, wie gemeinsame<br />
Geschichte und gemeinsame Verhaltensnormen, worunter kulturelle, sprachliche,<br />
historische oder traditionelle Eigenschaften fallen. 139 Von Bedeutung sind auch ein<br />
gemeinsames geschichtliches Schicksal, und gemeinsame Wertvorstellungen. 140<br />
Ethnien sind z. B. Appenzeller, Norddeutsche, Tamilen, Sizilianer. 141 Keine Ethnien<br />
sind Europäer, Nord- oder Südamerikaner. 142<br />
Die Merkmale der Ethnie führen dann zur Begründung einer Ethnie, wenn sie sowohl<br />
von der ethnischen Gruppe selbst als auch von Aussenstehenden zur Abgrenzung der<br />
Gruppe verwendet werden. 143<br />
137<br />
Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung und Internet, 336 f.<br />
138<br />
Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung und Internet, 324.<br />
139 bis<br />
ROM, 119; TRECHSEL, Art. 261 N 12; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 420.<br />
140<br />
DONATSCH/WOHLERS, 210; STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 26.<br />
141<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 446; ähnlich RIKLIN, Rassendiskriminierung, 38; TRECHSEL, Art.<br />
261 bis N 12; skeptisch betreffend die kantonalen Ethnie STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 26 und KUNZ,<br />
Rechtsgut, 260.<br />
142<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 446.<br />
143 bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 434 ff.; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 14; CHAIX/BERTOSSA, 182;<br />
STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 26.<br />
31
V. Religion<br />
1. Im Sinne von Art. 2 ZP<br />
Der Begriff “Religion“ bedeutet gemäss den Materialien zum ZP Überzeugung und<br />
Glaube, und soll eng interpretiert werden, da der Schutz dieser Merkmale den Rahmen<br />
des ZP sprenge. 144 Die Religion ist nur dann als Diskriminierungsfaktor im Sinne des<br />
ZP zu zählen, wenn sie ein Vorwand oder ein Ersatz für eine Handlung ist, die sich auf<br />
einen der anderen im Art. 2 ZP genannten Faktoren bezieht (Art. 2 Abs. 1 ZP).<br />
2. Im Sinne von Art. 261 bis<br />
StGB<br />
Religion im Sinne vom Art. 261 bis<br />
StGB bedeutet eine „Überzeugung, die sich auf das<br />
Verhältnis des Menschen zum Göttlichen bezieht und weltanschauliche Dimensionen<br />
hat“. 145 Als solche Überzeugungen sind die Weltreligionen, wie der christliche, der<br />
jüdische, der islamische und der hinduistische Glaube zu nennen 146 , sowie die darin<br />
vertretenen verschiedenen Konfessionen, Zweige und Untergruppen. 147 Geschützt ist<br />
auch der Atheismus. 148<br />
Von 261 bis<br />
StGB wird ferner nicht nur die religiöse Weltanschauung eines Einzelnen<br />
geschützt, sondern auch diejenige einer ganzen Gruppe, wobei die Anzahl ihrer<br />
Mitglieder nicht ausschlaggebend ist. Geschützt sind ferner auch religiöse Gruppen, die<br />
nur eine Minderheit ausmachen. 149<br />
Der Zionismus stellt eine politische Bewegung dar, die grundsätzlich nicht als<br />
Schutzobjekt von Art. 261 bis StGB anerkannt ist. 150 Nach den Umständen des<br />
Einzelfalles ist jedoch zu entscheiden, ob der Begriff „Zionismus“ als Synonym für<br />
„Juden“ oder „Judentum“ verwendet und vom durchschnittlichen Zuhörer oder Leser<br />
auch so verstanden wird. Bei bedeutungsgleicher Verwendung unterliegt die<br />
diskriminierende Äusserung dem Schutzbereich von Art. 261 bis StGB, weil die „Juden“<br />
144 Explanatory Report ZP, N 21.<br />
145 DONATSCH/WOHLERS, 211; BGE 119 Ia 183.<br />
146 TRECHSEL, Art. 261 bis N 12; BGE 123 IV 209; 124 IV 124.<br />
147 STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 bis StGB N 6; VEST, N 35.<br />
148 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 467; DONATSCH/WOHLERS, 211.<br />
149 SCHLEIMINGER StGB, Art. 261 bis N 17; CHAIX/BERTOSSA, 182 f.<br />
150 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 517 ff.<br />
32
einerseits in der Fremdwahrnehmung als Rasse, und andererseits als religiöse Gruppe<br />
angesehen werden. 151 Es soll darauf ankommen, ob die diskriminierten Personen in der<br />
Fremd- oder Selbstwahrnehmung als Rasse, Ethnie oder Religion definiert werden.<br />
Ob eine Rasse, Ethnie oder Religion in diesem Sinne tatsächlich besteht, ist<br />
irrelevant. 152<br />
Religionen sind nicht primär ökonomisch orientiert und kennzeichnen sich nicht durch<br />
eine psychologische, sondern durch eine ideelle Weltsicht. 153 Die Gruppe „Scientology“<br />
z. B. wurde nicht als Religion im Sinne von Art. 261 bis<br />
StGB qualifiziert. 154<br />
Aus diesen Ausführungen wird ersichtlich, dass die schweizerische Lehre und<br />
Rechtsprechung eine weite Auslegung des Religionsbegriffs in Art. 261 bis<br />
StGB<br />
befürwortet. Die Tatsache, dass das Explanatory Report ZP eine enge Auslegung des<br />
Begriffs der Religion vorsieht, bedeutet nicht, dass der Begriff nach Inkrafttreten des ZP<br />
enger gefasst werden muss. Es bedeutet schlichtweg, dass die Lehre und<br />
Rechtsprechung in der Schweiz bei Handlungen im Sinne des ZP von ihrer bisherigen<br />
weiten Auslegung abweichen können.<br />
§ 7 Folgerung<br />
Aus den Ausführungen im vorliegenden Kapitel wird ersichtlich, dass Art. 261 bis StGB<br />
nicht alle gemass ZP zu kriminalisierenden rassistischen und fremdenfeindlichen<br />
Handlungen, begangen mittels Computersystemen, erfasst. Art. 2 ZP geht somit weiter<br />
als Art. 261 bis StGB.<br />
Wie dargestellt wurde, erfüllt das im Art. 2 ZP umschriebene Material grundsätzlich die<br />
Voraussetzungen eines Tatmittels von Art. 261 bis StGB. Damit das Material als<br />
rassistisch oder fremdenfeindlich im Sinne des ZP qualifiziert werden kann, müssen<br />
jedoch die geschriebenen Inhalte, bildlichen Wiedergaben und anderen Darstellungen<br />
von Ideen oder Theorien im Sinne von Art. 2 ZP, Hass, Diskriminierung oder Gewalt<br />
gegen einen Einzelnen oder eine Gruppe befürworten, fördern oder dazu aufstacheln<br />
151 bis<br />
Bejahend BGE 123 IV 209; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 508 f.; SCHLEIMINGER, Art. 261 N<br />
19.<br />
152<br />
STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 27 f.<br />
153 bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 477; SCHLEIMINGER StGB, Art. 261 N 17; REHBERG, StGB, 334.<br />
33
(Art. 2 Abs. 1 ZP). Dies muss aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, der<br />
nationalen oder ethnischen Herkunft oder der Religion geschehen.<br />
Dabei schützt das ZP explizit auch Gruppen von Personen oder einzelne Personen<br />
aufgrund ihrer nationalen oder geographischen Herkunft. Somit dürfte nach<br />
Inkrafttreten des ZP bezüglich die Schutzgruppe „Nationale Herkunft“ in der Schweiz<br />
Klarheit herrschen. Geschützt wird auch die schweizerische Nationalität sein.<br />
Bei einer Ratifikation des ZP wird sich die Schweiz auch verpflichten, dafür zu sorgen,<br />
dass auch Personen oder Gruppen von Personen geschützt werden, die auf Grund der<br />
Rassenzugehörigkeit, der Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft (eines)<br />
ihrer Vorfahren diskriminiert werden, ohne dass sie selber dieser Rasse angehören oder<br />
diese Hautfarbe haben müssen.<br />
Hingegen bedeutet die fehlende Erwähnung der Hautfarbe im Art 261 bis StGB nicht,<br />
dass das Schutzspektrum von Art 261 bis StGB nach der ZP-Ratifikation mit einem<br />
neuen eigenständigen Schutzobjekt erweitert werden soll. Die Rassendiskriminierung<br />
auf Grund der Hautfarbe ist in der Schweiz nämlich bereits heute erfasst, da die<br />
Hautfarbe ein Bestandteil des Rassenbegriffs bildet.<br />
154 Entscheid der Anklagekammer des Kantonsgericht St. Gallen vom 12. 02. 1997.<br />
34
3. Kapitel: Tatbegehung mittels Computersystemen<br />
§ 1 Begriff des Computersystems<br />
I. Im Sinne der CCC und des ZP<br />
Wesentlich bei der Begehung einer Straftat mittels Computersystemen ist, dass<br />
Computerdaten über das Netzwerk ausgetauscht werden. 155<br />
Unter „Netzwerk“ ist dabei eine Verbindung zwischen zwei oder mehreren<br />
Computersystemen zu verstehen. Die Verbindung kann erdgebunden sein (z. B. Draht<br />
oder Kabel), drahtlos (z. B. Radio, Infrarot oder Satellit), oder beides. Ein Netzwerk<br />
kann geographisch auf ein kleines Gebiet begrenzt sein (Local Area Networks), oder ein<br />
grosses Gebiet umfassen (Wide Area Networks), und solche Netzwerke können<br />
miteinander verbunden sein. 156<br />
Was den Begriff des Computersystems betrifft, sieht Art. 8 Abs. 1 ZP vor, dass Art. 1<br />
(Begriffsbestimmungen), 12 (Verantwortlichkeit juristischer Personen), 13 (Sanktionen<br />
und Massnahmen), 22 (Gerichtsbarkeit), 41 (Bundesstaatsklausel), 44 (Änderungen des<br />
Übereinkommens), 45 (Beilegung von Streitigkeiten) und 46 (Konsultationen der<br />
Vertragsparteien) CCC mutatis mutandis auf das ZP anzuwenden sind. 157<br />
Damit eine einheitliche Auslegung des ZP und der CCC sichergestellt wird, müssen<br />
ferner die Begriffe und Ausdrücke, die sowohl im ZP als auch in der CCC vorkommen,<br />
in gleicher Weise ausgelegt werden (gemäss Art. 2 Abs. 2 ZP). Ferner müssen die<br />
Begriffe und Ausdrücke, die sowohl im Explanatory Report ZP als auch im Explanatory<br />
Report CCC vorkommen, in gleicher Weise ausgelegt werden. 158<br />
155 Vgl. Explanatory Report CCC, N 24.<br />
156 Vgl. Explanatory Report CCC, N 24.<br />
157 Diese Bestimmung schliesst gleichzeitig aus, dass andere Bestimmungen der CCC mutatis mutandis<br />
auf das ZP anzuwenden sind, vgl. Explanatory Report ZP, N 47, 26.<br />
158 Explanatory Report ZP, N 22.<br />
35
Die Begriffsdefinition "Computersystem" ist Art. 1 lit. a CCC zu entnehmen, wo eine<br />
Definition enthalten ist. 159 Danach stellt ein Computersystem „eine Vorrichtung oder<br />
eine Gruppe verbundener oder zusammenhängender Vorrichtungen dar, die einzeln oder<br />
zu mehreren auf der Grundlage eines Programms die automatische Datenverarbeitung<br />
durchführen“ bzw. eine aus Hardware und Software bestehende Vorrichtung, die für<br />
automatische Verarbeitung von digitalen Daten entwickelt wurde. 160<br />
Ein Computersystem kann Eingabe-, Ausgabe- und Speichereinrichtungen<br />
einschliessen. Es kann sowohl allein stehen als auch in einem Netzwerk mit ähnlichen<br />
Vorrichtungen verbunden sein. Oft besteht es aus verschiedenen Vorrichtungen,<br />
unterschieden durch Prozessor oder zentrale Prozessoreinheiten und Peripherie.<br />
Die Peripherie ist dabei die Vorrichtung, die gewisse spezifische Funktionen in<br />
Interaktion mit der Prozessoreinheit ausführt, wie z. B. Drucker, Bildschirm, CD-<br />
Reader/Writer oder Speichereinheit. 161<br />
II. Im Sinne des StGB<br />
Statt des Begriffs „Computersystem“ wird im StGB der Begriff<br />
„Datenverarbeitungssystem“ verwendet, der analog dem Begriff der<br />
Datenverarbeitungsanlage und der Computer- und der Recherchenanlage zu verstehen<br />
ist. 162<br />
Ein Datenverarbeitungssystem im Sinne von Art. 143 bis StGB ist eine „technische<br />
Einrichtung, über die Informationen in nicht direkt lesbarer Weise entgegengenommen,<br />
automatisiert bearbeitet und wieder gegeben werden“. 163 Der Passus „in nicht direkt<br />
lesbarer Weise“ bezieht sich auf die Eigenschaft als Tatobjekt von Art. 143 bis StGB.<br />
Von Art. 143 bis StGB erfasst werden auch die mit dem Internet verbundenen Rechner,<br />
die ISP, nicht aber die Netzwerke. 164<br />
Die Begriffe der CCC und des StGB unterscheiden sich somit insofern voneinander, als<br />
die CCC auch eine Mehrzahl von Vorrichtungen und die Computerprogramme explizite<br />
159<br />
Explanatory Report ZP, N 26, mit Hinweis auf Explanatory Report CCC, N 23 und 24.<br />
160<br />
Explanatory Report CCC, N 23.<br />
161<br />
Explanatory Report CCC, N 23.<br />
162 bis<br />
WEISSENBERGER, Art. 143 N 5; SCHMID, § 5 N 16 f.<br />
163<br />
SCHMID, § 2 N 9 ff.<br />
164 bis bis<br />
WEISSENBERGER, Art. 143 N 5; SCHMID, § 5 N 16; TRECHSEL, Art. 143 N 3.<br />
36
erwähnt. Beide Begriffe enthalten jedoch als zentrales Merkmal die automatisierte<br />
Datenverarbeitung, auf die im nächsten Paragraph der Arbeit eingegangen wird.<br />
§ 2 Begriff der Computerdaten<br />
I. Im Sinne der CCC und des ZP<br />
Als „Computerdaten“ gemäss Art. 1 lit. b CCC gelten Darstellungen von Fakten,<br />
Informationen oder Konzepten in einer für die Verarbeitung in einem Computersystem<br />
geeigneten Form, einschliesslich eines Programms, welches geeignet ist, ein<br />
Computersystem zur Durchführung einer Funktion zu veranlassen.<br />
Der Begriff „Computerdaten“ wird in Anlehnung an die ISO-Daten-Definition<br />
verwendet, die den Begriff „verarbeitungsfähig“ ("suitable for processing") verwendet.<br />
Daten im Sinne der CCC und des ZP sind somit Daten, die in einer elektronisch<br />
verarbeitbaren oder in einer anderswie direkt verarbeitbaren Form bestehen. 165<br />
Die Verarbeitung der Daten bedeutet, dass die Daten im Computersystem durch die<br />
Ausführung eines Computerprogramms bearbeitet werden, wobei dies automatisch bzw.<br />
ohne unmittelbare menschliche Intervention geschieht. 166 Unter „Computerprogramm"<br />
ist in diesem Zusammenhang ein Instruktionsset zu verstehen, das vom Computer<br />
ausgeführt wird, um das bezweckte Resultat zu erreichen. 167<br />
II. Im Sinne des StGB<br />
Das StGB verwendet im Gegensatz zum ZP nicht den Begriff „Computerdaten“,<br />
sondern den Begriff „Daten, die elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeichert<br />
oder übermittelt werden“.<br />
Der Begriff der Daten ist im Art. 143 StGB enthalten, wird aber nicht legal definiert.<br />
Art. 143 StGB regelt die unbefugte Beschaffung von Daten, die elektronisch oder in<br />
vergleichbarer Weise gespeichert sind. Unter „Daten“ werden in der Botschaft alle<br />
165<br />
“Electronic or other directly processable form”, vgl. Explanatory Report CCC, N 25.<br />
166<br />
Explanatory Report CCC, N 23.<br />
167<br />
Explanatory Report CCC, N 23.<br />
37
Informationen über einen Sachverhalt verstanden, beispielsweise in Form von<br />
Buchstaben, Zahlen, Zeichen, Zeichnungen, die zur weiteren Verarbeitung in eine<br />
Datenverarbeitungsanlage eingegeben, darin gespeichert oder dorthin übermittelt<br />
werden, solange sie nicht in einer direkt wahrnehmbaren Form vorliegen. 168<br />
Erforderlich ist, dass sie visuell erkennbar oder lesbar sind, bzw. visuell erkennbar oder<br />
lesbar gemacht werden können. 169<br />
In der Lehre wird der Datenbegriff weiter gefasst und erfasst alle Informationen, die<br />
„Gegenstand menschlicher Kommunikation“ sein können, 170 Text-, Bild-, Musik-, Ton-<br />
und Multimediadaten, ebenso wie Programme. 171 Auch Daten in wahrnehmbarer Form<br />
sollen erfasst werden, sowie Daten, die nicht mit einem Datenverarbeitungssystem<br />
zusammenhängen, sondern z. B. über ein Mobiltelefon oder ein Personal Digital<br />
Assistant übertragen und speichert werden. 172 Die Daten sind nach Art. 143 bis StGB<br />
elektronisch oder in vergleichbarer Weise gespeichert oder übermittelt, wenn sie sich in<br />
einem Prozess der automatisierten Datenverarbeitung befinden. 173<br />
Dieser weite Datenbegriff entspricht somit dem Begriff der Computerdaten gemäss Art.<br />
1 lit. b CCC, der lediglich fordert, dass eine für die Verarbeitung in einem<br />
Computersystem geeignete Form gegeben ist. 174<br />
§ 3 Öffentliche Tatbegehung mittels Computersystemen<br />
I. Die Tatbestandsvoraussetzung der Öffentlichkeit in Art. 3,<br />
5 und 6 ZP<br />
Gemäss Explanatory Report ZP soll der Begriff “öffentlich” klarstellen, dass private<br />
Kommunikation durch ein Computersystem nicht vom ZP erfasst ist. 175<br />
Es ist gemäss den Umständen des konkreten Einzelfalls zu entscheiden, ob die<br />
168 Botschaft 1991; 986.<br />
169 Botschaft 1991, 988.<br />
170 STRATENWERTH/JENNY, § 14 N 24; STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 143 StGB, N 2.<br />
171 WEISSENBERGER, StGB, Art. 143 N 5 f.; TRECHSEL, Art. 143 StGB N 3; SCHMID, § 2 N 21 ff.<br />
172 SCHWARZENEGGER, Harmonisierung, 314.<br />
173 Botschaft 1991, 987; STRATENWERTH/JENNY, § 14 N 25.<br />
174 Dazu SCHWARZENEGGER, Harmonisierung, 315.<br />
38
Voraussetzung der Öffentlichkeit erfüllt ist, oder die Verbreitung und das<br />
Verfügbarmachen des Materials als private Kommunikation gilt, und somit, wie andere<br />
traditionelle Formen der Korrespondenz, von Art. 8 EMRK geschützt wird. 176<br />
Dabei ist zu prüfen, ob sich der Vorsatz des Täters darauf richtet, dass das Material oder<br />
z. B. die elektronische Nachricht, mit welcher es übermittelt wird, nur von einem<br />
bestimmten Adressaten erhalten wird. Das Vorhandensein dieses subjektiven Merkmals<br />
muss anhand der objektiven Umstände des Falles ermittelt werden, wie z. B. Inhalt der<br />
Sendung, in Anspruch genommene Technologie, verwendete Sicherheitsvorkehrungen,<br />
und Kontext, in welchem die Sendung oder die elektronische Nachricht steht. 177<br />
Ferner kann bei der Entscheidung, ob es sich um eine private oder um eine öffentliche<br />
Handlung handelt, berücksichtigt werden, ob die Sendung gleichzeitig an mehrere<br />
Empfänger erfolgt, wie gross die Anzahl der Empfänger ist, und welche Art von<br />
Beziehung zwischen Sender und Empfänger besteht. 178<br />
II. Die Tatbestandsvoraussetzung der Öffentlichkeit in Art.<br />
261 bis StGB<br />
Die Tatbestände von Art. 261 bis StGB setzen, mit Ausnahme von Art. 261 bis Abs. 5<br />
StGB, einen direkten Bezug zur Öffentlichkeit voraus. 179 Zudem richten sich die in<br />
Abs.1-3 aufgezählten Handlungen grundsätzlich an die Öffentlichkeit als Adressat. 180<br />
Die schweizerische Strafrechtslehre geht überwiegend davon aus, dass der Begriff der<br />
Öffentlichkeit im StGB ein einheitlicher Begriff ist und bei allen Straftatbeständen<br />
identisch auszulegen ist. 181 Der Begriff der Öffentlichkeit in Art. 261 bis StGB hat somit<br />
dieselbe Tragweite wie der Öffentlichkeitsbegriff in anderen StGB-Normen, in denen er<br />
vorkommt (bei der unwahren Angabe über ein kaufmännisches Gewerbe, der<br />
175<br />
Explanatory Report ZP, N 29.<br />
176<br />
Explanatory Report ZP, N 30.<br />
177<br />
Explanatory Report ZP, N 30.<br />
178<br />
Explanatory Report ZP, N 30.<br />
179 bis bis<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 N 21; TRECHSEL, Art. 261 N 15; BGE 126 IV 177 E. 2b. Nach ROM, 119,<br />
wird Öffentlichkeit auch im Abs. 3 nicht vorausgesetzt. Diese Ansicht wird treffend dahingehend<br />
präzisiert, dass die Teilnahme selber nicht öffentlich erfolgen muss, jedoch die Aktionen, die<br />
organisiert oder gefördert werden, vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 911.<br />
180 bis<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 N 6, mit Hinweis auf BGE 123 IV 207 E.3b und 126 IV 25 f. E. 1c.<br />
181<br />
Vgl. statt vieler NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 694, N 704, m.w.H.; VEST, N 41, mit Hinweis auf<br />
Vor Art. 258 N 10 ff.<br />
39
öffentlichen Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit, der Störung der<br />
Glaubens- und Kultusfreiheit, der Störung der militärischen Sicherheit, der Beleidigung<br />
eines fremden Staates oder einer zwischenstaatlichen Organisation, und beim<br />
Ausstellen, Zeigen oder unaufgeforderten Anbieten pornographischer Gegenstände oder<br />
Vorführungen).<br />
Für diese Auffassung gibt es nach bundesrichterlicher Rechtsprechung keine<br />
zwingenden Gründe. Ob Öffentlichkeit im Sinne eines bestimmten Straftatbestands<br />
gegeben sei, hängt gemäss dem Bundesgericht wesentlich von dem geschützten<br />
Rechtsgut, sowie davon ab, weshalb im betreffenden Tatbestand die Öffentlichkeit als<br />
strafbegründendes Merkmal vorgesehen ist. 182<br />
Die Rassendiskriminierungsstrafnorm schützt gemäss einem überwiegenden Teil der<br />
Lehre als Rechtsgut richtigerweise die Menschenwürde einer Person. 183 Diese Ansicht<br />
steht zwar entgegen den Ausführungen in der Botschaft, wonach die<br />
Rassendiskriminierung eine Gefährdung des öffentlichen Friedens darstellt. 184<br />
Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung schützen Art. 261 bis Abs. 1 und Abs. 4 StGB<br />
„in erster Linie, unmittelbar oder zumindest mittelbar die Würde des einzelnen<br />
Menschen in seiner Eigenschaft als Angehöriger einer Rasse, Ethnie oder Religion“,<br />
wobei dieser Schutz zugleich der Wahrung des öffentlichen Friedens diene. 185<br />
Demgegenüber schützt gemäss Rechtsprechung Art. 261 bis Abs. 4 2. Satzteil StGB nur<br />
den öffentlichen Frieden. Individuelle Rechtsgüter werden nur mittelbar geschützt. 186<br />
In Anbetracht von Sinn und Zweck des Tatbestandsmerkmals der Öffentlichkeit in Art.<br />
261 bis StGB und mit Rücksicht auf das geschützte Rechtsgut betrachtet das<br />
Bundesgericht in seiner neusten Rechtsprechung alle Äusserungen und<br />
Verhaltensweisen als öffentlich, die nicht einem engen privaten Umfeld zugerechnet<br />
werden können. Um öffentliches Handeln anzunehmen, genügt es, dass es nicht auf das<br />
engere private Umfeld beschränkt bleibt, das der Gesetzgeber von der Strafbarkeit<br />
ausnehmen wollte. 187<br />
182<br />
BGE 130 IV 117 ff.; nicht veröffentlichter BGE 6S.635/2001 vom 30. Mai 2002, E. 3; BGE 126 IV<br />
178 ff.<br />
183 bis<br />
Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 112 ff.; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 7;<br />
DONATSCH/WOHLERS, 209; STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 22.<br />
184<br />
Botschaft, 309 f.; dazu FIOLKA/NIGGLI, 539 f.; KUNZ, Rechtsgut, 230.<br />
185 bis<br />
BGE 130 IV 117 ff.; BGE 129 IV 95 E. 3 zu Art. 261 Abs. 4 zweite Hälfte StGB.<br />
186<br />
BGE 123 IV 202 E. 2 und E. 3a; 128 I 218 E. 1.4; 129 IV 95 E. 3.2; 130 IV 111 E. 5.1; nicht<br />
publiziertes Urteil des Bundesgerichts, Kassationshof, 6S.297/2005 vom 31. 10. 2005, je m. w. H.<br />
187<br />
BGE 130 IV 119 f.; siehe auch FIOLKA/NIGGLI, 539 f.<br />
40
Mit dem BGE 130 IV 111 wurde die ältere Rechtsprechung des Bundesgerichts, die<br />
einen grösseren Personenkreis und die Zahl der Adressaten als ausschlaggebend<br />
betrachtete, und somit eine quantitative Betrachtung vorzog, 188 grundlegend geändert.<br />
Danach können auch unter wenigen Personen ausgetauschte rassistische Äusserungen<br />
den privaten Rahmen überschreiten, den der Gesetzgeber von der Strafbarkeit<br />
ausnehmen wollte. Ungeachtet der Zahl der Adressaten gelten alle Äusserungen und<br />
Verhaltensweisen als öffentlich, die nicht im privaten Rahmen erfolgen. Als privat sind<br />
Äusserungen anzusehen, die im Familienkreis, im Freundeskreis oder in einem durch<br />
persönliche Beziehungen oder besonderes Vertrauen geprägten Umfeld erfolgen. 189<br />
So wurde in einem neueren Entscheid die Öffentlichkeit bei mündlichen Äusserungen,<br />
die im Garten des Beschwerdegegners erfolgten, und die zwar vom Beschwerdeführer,<br />
nicht aber von beliebigen Drittpersonen mitverfolgt werden konnten, verneint. 190<br />
Der Entscheid, ob die Handlung noch im privaten Kreis erfolgt, ist gemäss dem<br />
Bundesgericht auf Grund der konkreten Umstände zu treffen.<br />
Eine gemeinsame Gesinnung der Teilnehmer schliesse den öffentlichen Charakter einer<br />
Veranstaltung nach Art. 261 bis StGB nicht aus, wenn die Gesinnungsgenossen nicht<br />
persönlich miteinander verbunden sind. Ebenso wenig dürfen Versammlungen nur<br />
deshalb als privat gelten, da eine Einlasskontrolle (mit schriftlicher Einladung)<br />
durchgeführt, der Zugang nur einem besonderen Publikum gestattet wird, und die<br />
Veranstaltung an einem abgelegenen Ort stattfindet. Auch der Umstand, dass alle<br />
Teilnehmer der Skinhead-Gruppierung angehörten und eine ähnliche rechtsextreme<br />
Gesinnung hatten, machte die Veranstaltung nicht zu einer privaten Veranstaltung. 191<br />
Nach älterer Rechtsprechung des Bundesgerichts und nach einem Teil der Lehre erfolgt<br />
eine Handlung nach Art. 261 bis StGB öffentlich, wenn sie von unbestimmt vielen<br />
Personen oder direkt von jedermann wahrgenommen werden kann, wenn sie an einen<br />
grösseren, nicht durch persönliche Beziehungen zusammenhängenden Kreis von<br />
188<br />
BGE 126 IV 176 E. 2d; ähnlich BGE 126 IV 230.<br />
189<br />
BGE 130 IV 111 ff.<br />
190<br />
Urteil 6P 79/2006, vom 6. 10. 2006, E. 6.<br />
191<br />
BGE 130 IV 119 f.<br />
41
Personen gerichtet ist, 192 oder von einem grösseren, nicht durch persönliche<br />
Beziehungen zusammenhängenden Personenkreis wahrgenommen werden kann. 193<br />
Gemäss Praxis des Bundesgerichts sind öffentlich z. B. antisemitische Äusserungen in<br />
einem Brief, der an 432 Personen und somit an einen grösseren Personenkreis versandt<br />
wurde. 194 Öffentlichkeit gemäss Art. 261 bis StGB wurde angenommen, obschon der<br />
Beschuldigte, der in einer von ihm herausgegebenen Zeitschrift Exemplare eines den<br />
Holocaust leugnenden Buches eines Dritten unter Hinweis auf dessen Inhalt zum<br />
Verkauf angeboten hatte, kein einziges Exemplar des Buches verkaufen konnte.<br />
Im nicht publizierten BGE 6S.635/2001 vom 30. Mai 2002 195 wurde Öffentlichkeit bei<br />
Art. 261 bis Abs. 4 erste Hälfte StGB bejaht für eine Äusserung auf der Strasse eines<br />
Wohnquartiers in Anwesenheit von 6 Personen. Das Bundesgericht hielt fest, die<br />
unmittelbar anwesenden 6 Personen seien nicht als Öffentlichkeit zu qualifizieren.<br />
Öffentlichkeit sei jedoch im konkreten Fall gegeben, da sich der Vorfall an einem<br />
Sommerabend zwischen 18.00 und 20.00 Uhr auf der Strasse eines<br />
Einfamilienhausquartiers ereignet habe. Daher könnte eine Vielzahl von unbestimmten<br />
und mit dem Täter in keiner persönlichen Beziehung stehenden Dritten Zeugen der<br />
lautstarken Äusserungen werden.<br />
Das Bundesgericht hat Öffentlichkeit sodann bejaht bei Äusserungen eines<br />
Beschuldigten in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung wegen Ehrverletzung, an<br />
welcher Medienschaffende anwesend waren, die über die Gerichtsverhandlung und<br />
somit auch über die betreffenden Äusserungen zusammenfassend in Presseerzeugnissen<br />
berichten sollten. 196<br />
Subjektiv muss der Täter die Weiterverbreitung seiner Aussage mindestens in Kauf<br />
nehmen, ohne dass er Einfluss darauf nehmen kann. 197 Dabei ist das Risiko einer<br />
Weiterverbreitung höher, wenn die Äusserung gegenüber flüchtig Bekannten oder gar<br />
Fremden gemacht wird. In einem solchen Fall kann Eventualvorsatz angenommen<br />
192 BGE 111 IV 154 E. 3; BGE 123 IV 208, E. 3d; 126 IV 25 f.; 126 IV 176; NIGGLI,<br />
Rassendiskriminierung, N 703 f.; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 21; STRATENWERTH, BT/2, § 38 N 15;<br />
REHBERG, StGB, 333; ROM, 119; STRAUSS, 232; s. auch FIOLKA/NIGGLI, 536 f.<br />
193 BGE 111 IV 151; 123 IV 202 E. 3d; 126 IV 176 E. 2; TRECHSEL, Art. 259 N 3a; Art. 261 N 3; Art.<br />
261 bis N 15; STRATENWERTH, BT/2, § 38 N 15; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 696, 704;<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 21; ähnlich die Rechtsprechung und herrschende Lehre in Deutschland,<br />
vgl. SCHÖNKE/SCHRÖDER, § 186 StGB N. 19.<br />
194 BGE 123 IV 202 E. 3d und E. 4c.<br />
195 Auszugsweise wiedergegeben in medialex 2002, 158 f.<br />
196 Nicht publizierter BGE 6S.698/2001 vom 22. Januar 2003, E. 3.3.<br />
42
werden. 198 Diese Begriffsumschreibung gilt gemäss Bundesgericht auch für den<br />
Tatbestand der Rassendiskriminierung, einschliesslich der Tatbestandsvariante der<br />
Leugnung von Völkermord (Art. 261 bis Abs. 4 zweite Hälfte StGB). 199<br />
Demgegenüber hat das Bundesgericht Öffentlichkeit verneint im Fall eines<br />
Beschuldigten, der ein rassendiskriminierende Ideologien enthaltendes Buch eines<br />
Dritten per Post an sieben ihm bekannte Personen verschickt hatte, mit der Begründung,<br />
dass sieben Adressaten nicht als Öffentlichkeit zu qualifizieren sind. 200<br />
Die Frage, ob das Risiko der Weiterverbreitung Öffentlichkeit begründet, da der<br />
Absender keine Kontrolle über die Weiterverbreitung des Buches durch die Adressaten<br />
hatte, verneinte das Bundesgericht. Öffentlichkeit sei nicht schon gegeben, wenn ein<br />
erhebliches Risiko der Weiterverbreitung an einen grösseren Personenkreis bestanden,<br />
sondern erst, wenn sich dieses Risiko verwirklicht habe. Das Ausmass des Risikos der<br />
Weiterverbreitung sei dabei nur in Bezug auf den subjektiven Tatbestand bedeutend. 201<br />
Das Bundesgericht hat Öffentlichkeit im Sinne von Art. 261 bis Abs. 4 StGB auch<br />
verneint, als ein Buchhändler etwa zehn Exemplare eines den Holocaust leugnenden<br />
Buchs eines Dritten an einem für Kunden nicht einsehbaren Ort aufbewahrte, keine<br />
Werbung dafür machte und das Buch nur auf Verlangen verkauft hatte. 202 Gemäss E.<br />
2c/aa des Entscheides fehlt bei Äusserungen in einem geschlossenen oder vertrauten<br />
Kreis Öffentlichkeit, auch wenn der Kreis 20 Personen umfasse, wobei diese Zahl im<br />
kritischen Bereich liege. Bei 40-50 Personen sei Öffentlichkeit zu bejahen, auch wenn<br />
zwischen den Adressaten eine persönliche Verbundenheit gegeben sei. 203<br />
Das Bundesgericht hat somit in mehreren älteren Urteilen auf die Zahl der Adressaten<br />
einer schriftlichen Äusserungen abgestellt und Öffentlichkeit unter Hinweis auf eine<br />
offensichtlich grosse Zahl ohne weiteres bejaht 204 bzw. in Anbetracht der kleinen Zahl<br />
verneint. 205 Es lehnte es jedoch ab, in Anlehnung an die Rechtsprechung zu Art. 19 Ziff.<br />
197 bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 708; TRECHSEL, Art. 261 N 15.<br />
198<br />
BGE 126 IV 181 E. 2e.<br />
199<br />
Vgl. BGE 111 IV 151; 123 IV 202 E. 3d; 126 IV 176 E. 2.<br />
200<br />
BGE 126 IV 176.<br />
201<br />
BGE 126 IV 230; ablehnend FIOLKA/NIGGLI, 533 ff.<br />
202<br />
BGE 126 IV 176.<br />
203<br />
Vgl. BGE 126 IV 20 E. 1d betreffend 50 Adressaten.<br />
204 BGE 123 IV 202.<br />
205 Vgl. BGE 126 IV 230.<br />
43
2 lit. a BetmG, 206 einen Grenzwert zu bestimmen und diesen z. B. auf die Zahl 20<br />
festzulegen.<br />
Bei der Konkretisierung der ZP-Vorgaben betreffend die Öffentlichkeit der Handlung<br />
wird in der Schweiz somit BGE 130 IV 111 massgebend sein. Den Ausführungen im<br />
Explanatory Report ZP, wonach berücksichtigt werden kann, ob die Sendung<br />
gleichzeitig an mehrere Empfänger erfolgte und wie gross die Anzahl der Empfänger<br />
war, 207 muss auf Grund der Änderung der schweizerischen Rechsprechung keine<br />
Bedeutung zugemessen werden.<br />
III. Arten von Internet-Diensten<br />
1. Zum Begriff „Internet“<br />
Das Internet ist ein globales Telekommunikationsnetzwerk, ein weltweites<br />
Zusammenschluss von Computernetzen. 208 Es besteht aus vielen miteinander<br />
verbundenen Netzen und Netzwerken, welche die TCP/IP-Protokollfamilie benützen,<br />
um nationalen und internationalen Datenaustausch durchzuführen. 209 Mit dem Internet<br />
können Computersysteme verbunden sein, sei es als Endknoten oder als Mittel für die<br />
Unterstützung der Kommunikation im Netzwerk. 210<br />
2. WWW<br />
Das WWW, welches im Internet seit Anfang der neunziger Jahre angeboten wird,<br />
beruht auf dem HTTP und koordiniert unzählige einzelne Dokumente, die als<br />
Webseiten bezeichnet werden und auf Servern abgelegt sind. Inhalt einer WWW-<br />
Webseite kann jede Art von Information sein, Texte, Ton- oder Bildinhalte. 211<br />
206<br />
BGE 108 IV 63 E. 2; 109 IV 143 E. 3a.<br />
207<br />
Explanatory Report ZP, N 30.<br />
208<br />
SIEBER, Verantwortlichkeit, N 1; Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 97. Der Begriff<br />
„Telekommunikationsnetzwerk“ findet sich im schweizerischen Recht nicht. Dazu ausführlich Bericht<br />
Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 96 ff. Bezweckt wird von der Expertenkommission, durch<br />
diesen Begriff folgende Phänomene zu erfassen: das Bereitstellen und Bereithalten von Informationen<br />
(und nicht nur deren Übertragung); das Erfassen von Programmen i. S. v. Art. 215 RTVG und das<br />
Erfassen von Informations- und Mediendiensten (und nicht nur von Kommunikationsdiensten).<br />
209<br />
MARBERTH, 3, N 3 f.; JAEGER, 128; Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 36;<br />
Explanatory Report CCC, N 24.<br />
210<br />
Vgl. Explanatory Report CCC, N 24.<br />
211 JAEGER, 139.<br />
44
Eine Webseite ist an einen grösseren, durch persönliche Beziehungen nicht<br />
zusammenhängenden Kreis von Personen gerichtet, auch wenn sie nicht direkt<br />
wahrgenommen werden kann, sondern zunächst einmal abgerufen werden muss. 212<br />
Das WWW enthält eine grafische Benutzeroberfläche, welche die Nutzung der Dienste<br />
im Internet vereinfacht, so dass es möglich ist, sich innerhalb des Internets den Zugriff<br />
auf Millionen von Dokumenten zu verschaffen, die sich jeweils über eine eindeutige<br />
Adresse abrufen lassen oder die miteinander verlinkt sind. 213<br />
Auf Grund der Abruf- und der Recherchemöglichkeit des Nutzers in allen weltweit<br />
gespeicherten Webseiten und in Internet-Diensten stellt das WWW eine riesige,<br />
weltumfassende Datenbank dar. 214<br />
3. Newsgroups<br />
Die Newsgroups stellen einen Gliedteil des weltweiten Diskussionsmediums<br />
Newsdienst dar, welches auf dem NNTP beruht und in Tausende von Themenbereichen<br />
gegliedert ist. Als solche ist die Newsgroup eine Ansammlung von Nachrichten zu<br />
einem bestimmten Thema, die es den Nutzern ermöglicht, Nachrichten und Meinungen<br />
auszutauschen, bzw. zu erhalten oder selber zu versenden, und somit an einer im<br />
Internet stattfindenden Diskussion teilzunehmen. 215<br />
In eine Newsgroup kann sich jeder einwählen. Dabei wird im Gegensatz zu einer<br />
Mailingliste auf eine Anmeldung verzichtet. Newsgroups werden mit „schwarzen<br />
Brettern, an denen die jeweiligen Teilnehmer ihre persönliche Meinung kundtun und<br />
Meinungen anderer Benutzer in Erfahrung bringen können“, verglichen.<br />
Die hinterlegten Kommentare bleiben dabei während einigen Tagen gespeichert. 216<br />
Als Inhalt können die Mitteilungen Texte oder Computerdaten jeder anderen Form<br />
haben. 217<br />
In einer Newsgroup kann somit auch rassistisches und fremdenfeindliches Material<br />
bereitgestellt bzw. verfügbar gemacht und verbreitet werden. Dabei ist bei der<br />
Verantwortlichkeit für den Inhalt zwischen moderierten und nicht moderierten<br />
212 HÄNNI, 116.<br />
213 JAEGER, 129; MARBERTH, 8, N 14.<br />
214 SIEBER, Verantwortlichkeit, N 62 f.<br />
215 SIEBER, Verantwortlichkeit, N 54 f.; MARBERTH, 9, N 16.<br />
216 RIKLIN, Information Highway, 562.<br />
45
Newsgroups zu unterscheiden. Die moderierten Newsgroups werden von einem sog.<br />
Moderator geführt, an den die Newsbeiträge zunächst als E-Mail zugesandt werden,<br />
damit er über die Aufnahme oder die Nichtaufnahme des Beitrags in die Newsgroup<br />
entscheiden kann, und auf diese Weise eine Art Inhaltskontrolle ausübt. Bei den nicht<br />
moderierten Newsgroups, die die Mehrheit darstellen, ist es hingegen dem Autor des<br />
Materials freigestellt, Dateien unmittelbar auf das Netz zu setzen und auszutauschen. 218<br />
Bei den moderierten Newsgroups kommt der Moderator somit auch als Täter oder<br />
Teilnehmer der rassistischen oder fremdenfeindlichen Handlung in Frage. Bei den nicht<br />
moderierten Newsgroups hingegen kommt der Autor des Inhalts, und gegebenenfalls<br />
ein ISP in Frage.<br />
4. IRC<br />
Der IRC ist ein Internetdienst, bei dem im Gegenteil zum WWW die Inhalte nicht auf<br />
einem Datenträger zum Abruf gespeichert werden. Beim IRC handelt es sich um einen<br />
„Echtzeitdienst“, bei welchem Daten zwischen zwei oder mehreren Personen<br />
unmittelbar und ohne Zwischenspeicherung ausgetauscht werden. 219<br />
Wie in einer Newsgroup, können beim IRC Texte und Bilder zu einem bestimmten<br />
Thema ausgetauscht werden, jedoch kommunizieren die IRC-Teilnehmer interaktiv in<br />
einem getippten Dialog miteinander. Das Diskussionsthema kann auf einem Kanal bzw.<br />
einer Diskussionsliste ausgewählt werden, die allgemein zugänglich oder<br />
einlassbeschränkt sein kann. 220 Der öffentliche Dialog kann dabei von einem sog.<br />
Moderator überwacht werden. Deshalb wird von verschiedenen Teilnehmern die<br />
Möglichkeit genutzt, zu einem anderen Teilnehmer einen nichtöffentlichen Kanal<br />
aufzubauen und sozusagen „unter vier Augen“ mit diesem zu sprechen. 221<br />
5. FTP-Dienst<br />
Der FTP-Dienst ermöglicht die Übertragung und den Austausch von Computerdateien<br />
zwischen zwei Computern über das Internet, indem sie auf einem FTP-Server entweder<br />
217 JAEGER, 129.<br />
218 Dazu SIEBER, Verantwortlichkeit, N 57 f.<br />
219 SIEBER, Verantwortlichkeit, N 74 f.<br />
220 MARBERTH, 9, N 18.<br />
221 JAEGER, 130.<br />
46
hochgeladen oder von ihm heruntergeladen werden können. 222 Um diesen Dienst in<br />
Anspruch zu nehmen, muss sich der Nutzer bei einem FTP-Server anmelden.<br />
Die Zugriffsmöglichkeiten zum FTP-Server werden dabei durch den Serverbetreiber<br />
festgelegt. Im Normalfall wird ein freier Datenabruf gewährleistet, bzw. die Daten<br />
werden in einem sog. Verzeichnis jedermann zur Verfügung gestellt. 223 Es ist jedoch<br />
auch möglich, ein Anmeldeformular mit Passwort vorzusehen.<br />
Daraus wird ersichtlich, dass beim FTP rassistisches und fremdenfeindliches Material<br />
verfügbar gemacht und verbreitet werden kann. Wenn das Material für jedermann<br />
verfügbar ist, liegt eine öffentliche Handlung vor. Wenn das Material nur für eine<br />
geschlossene Gruppe von Personen hochgeladen wird, ist zu prüfen, ob zwischen ihnen<br />
eine persönliche Beziehung besteht, und ob die Handlung als im privaten Umfeld<br />
begangen zu qualifizieren ist.<br />
6. E-Mail<br />
Der am meisten genutzte Dienst im Internet ist die E-Mail, die einen der traditionellen<br />
Briefkommunikation ähnlichen Informationsaustausch ermöglicht. 224<br />
Indem auf einem Server elektronische Postfächer eingerichtet werden, kann ein<br />
Internetnutzer mit einer individuellen E-Mail-Adresse, die ihn weltweit identifiziert,<br />
eingegangene Post abholen und selber an beliebige Teilnehmer im Internet in<br />
Sekundenschnelle Nachrichten verschicken, und auf diese Weise Texte oder andere<br />
Inhalte, sei es visuelle oder akustische, austauschen. 225<br />
Die E-Mail entspricht einem elektronischen Brief und muss deshalb grundsätzlich dem<br />
Schutz der Privatsphäre unterliegen. Sie ist nicht öffentlich. Wenn die Adressaten<br />
jedoch nicht Vertraute sind und die Mitteilung an eine unüberblickbar grosse Anzahl<br />
von Personen geschickt wird, kann man davon ausgehen, dass der Täter seine<br />
Einflussmöglichkeit ausdrücklich oder stillschweigend aufgibt, und mit einer<br />
Verbreitung rechnet, was die Mitteilung öffentlich machen könnte. 226<br />
Einen Spezialfall der elektronischen Post stellen die sog. Mailinglisten dar. Sie<br />
ermöglichen es, dass eine eingehende E-Mail an vordefinierte Adressaten weiter<br />
222 BOESE, 29; SIEBER, Verantwortlichkeit, N 70.<br />
223 SIEBER, Verantwortlichkeit, N 71.<br />
224 SIEBER, Verantwortlichkeit, N 72.<br />
225 JAEGER, 129; MARBERTH, 8, N 16.<br />
47
verschickt wird. So kann ein Beitrag, welcher sich bei den Mailinglisten meist einem<br />
bestimmten Diskussionsthema widmet, an eine zentrale Adresse geschickt werden, von<br />
der aus sie automatisch an alle Beteiligten weiterversandt wird. Umgekehrt kann man<br />
auch als Teilnehmer sämtliche Beiträge per E-Mail erhalten. Für eine Beteiligung an der<br />
Mailingliste ist eine Anmeldung beim verwaltenden Rechner erforderlich. 227<br />
§ 4 Folgerung<br />
Wesentlich bei der Begehung einer Straftat mittels Computersystemen ist, dass<br />
Computerdaten über das Netzwerk ausgetauscht werden. 228 Unter „Netzwerk“ ist dabei<br />
eine Verbindung zwischen zwei oder mehreren Computersystemen zu verstehen. 229<br />
Aus den Ausführungen in §§ 1 und 2 wird ersichtlich, dass sich die Begriffe<br />
„Computersystem“ im Sinne der CCC und des ZP 230 und „Datenverarbeitungsanlage“<br />
im Sinne des StGB, 231 voneinander insofern unterscheiden, als die CCC auch eine<br />
Mehrzahl von Vorrichtungen und die Computerprogramme explizite erwähnt.<br />
Beide Begriffe enthalten als Hauptmerkmal die Datenverarbeitung. Wie dargestellt,<br />
wird die Datenverarbeitung in den Materialien zum ZP und zur CCC definiert, indem<br />
erwähnt wird, dass sie automatisch, d.h. ohne direkte menschliche Zuhilfenahme<br />
erfolgen soll. Der in der CCC verwendete Begriff geht weiter als derjenige des StGB,<br />
und bietet den Vorteil, dass auch Daten, die nicht visuell wahrnehmbar sind, erfasst<br />
sind. Gemäss der schweizerischen Lehre ist jedoch der Begriff der Daten des<br />
schweizerischen Computerstrafrechts weit auszulegen. Damit erhält der Datenbegriff<br />
die gleiche Reichweite wie derjenige der CCC. 232<br />
Betreffend die Öffentlichkeit der Tatbegehung betrachtet das ZP das Verfügbarmachen<br />
und das Verbreiten von rassistischem und fremdenfeindlichem Material grundsätzlich<br />
als privat, und somit als nicht vom ZP erfasst, wenn das Material mit einer E-Mail an<br />
226<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 710.<br />
227<br />
BOESE, 28 f.<br />
228<br />
Vgl. Explanatory Report CCC, N 24.<br />
229<br />
Explanatory Report CCC, N 24.<br />
230<br />
Vgl. Art. 1 lit. a CCC.<br />
231 bis<br />
WEISSENBERGER, Art. 143 N 5; SCHMID, § 2 N 9 ff.<br />
232 bis<br />
Ausführlich dazu WEISSENBERGER, Art. 143 N 5 f. und Art. 144 N 4, m. w. H.; SCHWARZENEGGER,<br />
Harmonisierung, 315.<br />
48
einen bestimmten Empfänger gesandt wird. Austauschen von rassistischem oder<br />
fremdenfeindlichem Material im IRC, in Newsgroups oder in Internet-Diskussionsforen<br />
nennt das Explanatory Report zum ZP hingegen als Beispiele von Verfügbarmachen des<br />
Materials an die Öffentlichkeit, da in diesen Fällen das Material für jedermann<br />
verfügbar ist. Auch dann, wenn der Zugang zum rassistischen und fremdenfeindlichen<br />
Material eine Zugangsermächtigung voraussetzt, wie z. B. durch ein Passwort, soll das<br />
Material als öffentlich verfügbar gelten, wenn der Zugang jedermann ermöglicht<br />
werden darf, der bestimmte Voraussetzungen erfüllt. 233<br />
Auch nach geltendem schweizerischen Recht ist der erforderliche Öffentlichkeitsbezug<br />
bei einer Publikation in einem Massenmedium wie das WWW, immer gegeben. 234 Auch<br />
bei einer Newsgroup, in der sich jeder einwählen kann, ist das Erfordernis der<br />
Öffentlichkeit des Art. 261 bis StGB als gegeben zu betrachten.<br />
Beim IRC ist die Öffentlichkeit grundsätzlich zu bejahen, da die rassistischen und<br />
fremdenfeindlichen Äusserungen von einem zufällig hinzutretenden Dritten<br />
wahrgenommen werden könnten. Nimmt man jedoch die Möglichkeit in Anspruch, sich<br />
mit einem anderen Teilnehmer zu einer privaten Session zurückzuziehen, befindet man<br />
sich im privaten Umfeld, welches die Öffentlichkeit ausschliesst. 235<br />
Im Bezug auf Mailinglisten und auf FTP-Dienste kann davon ausgegangen werden, dass<br />
BGE 130 IV 111 entscheidend ist, wonach als öffentlich nach Art. 261 bis StGB alles<br />
gelten kann, was nicht privat ist. 236 Der Entscheid, ob eine Handlung mittels<br />
Mailinglisten oder FTP-Diensten im privaten Kreis erfolgt, ist zwar nach wie vor auf<br />
Grund der konkreten Umstände zu treffen. Dabei ist jedoch die Zahl der<br />
angesprochenen Personen nicht mehr massgebend. Das Bundesgericht hat zwar gemäss<br />
früherer Rechtsprechung in mehreren Urteilen auf die Zahl der Adressaten von<br />
schriftlichen Äusserungen abgestellt und Öffentlichkeit unter Hinweis auf eine<br />
offensichtlich grosse Zahl ohne weiteres bejaht, 237 oder in Anbetracht einer kleinen Zahl<br />
verneint. 238 Gemäss dem neuen BGE ist die Adressatenzahl nicht mehr massgebend.<br />
Deswegen dürfte bei den Mailingslisten und bei den FTP-Diensten, (bei denen der Täter<br />
233 Explanatory Report ZP, N 30.<br />
234 Dazu HÄNNI, 116.<br />
235 Vgl. dazu § 3 II.<br />
236 Vgl. auch FIOLKA/NIGGLI, 539 f.<br />
237 BGE 123 IV 202 E. 3d und E. 4c.<br />
238 BGE 126 IV 176, 230.<br />
49
nur in seltensten Fällen den Adressaten persönlich nahe steht), regelmässig<br />
Öffentlichkeit angenommen werden.<br />
Auch E-Mails sind geeignet, um verbotenes Material zu verbreiten, wenn die<br />
Adressaten nicht Vertraute sind, und der Täter mit einer Weiterverbreitung rechnet.<br />
50
4. Kapitel: Gemäss ZP als Straftaten zu<br />
umschreibende Handlungen<br />
Im vorliegenden Kapitel werden Art. 3-6 des ZP erörtert, welche Tathandlungen<br />
umschreiben, die von den Vertragsstaaten in ihrem nationalen Recht als Straftaten zu<br />
vorzusehen sind. Um eine bessere Übersicht zu verschaffen, werden in den § 1-3<br />
zunächst die Merkmale und Voraussetzungen dargestellt, die den Art. 3-6 ZP<br />
gemeinsam sind. In den darauffolgenden Paragraphen wird sodann zu den weiteren<br />
Merkmalen der Tathandlungen der Art. 3-6 ZP Stellung genommen.<br />
§ 1 Subjektive Tatbestandsmerkmale<br />
I. Von Art. 3-6 ZP<br />
Alle Handlungen des ZP müssen vorsätzlich begangen werden, damit eine<br />
strafrechtliche Verantwortlichkeit begründet wird. 239<br />
Das ZP will sicherstellen, dass Personen nicht strafrechtlich verantwortlich gemacht<br />
werden, wenn die Vorsatzvoraussetzungen nicht erfüllt sind. So soll z. B. ein ISP nicht<br />
strafrechtlich verantwortlich gemacht werden, wenn er nur als Durchgangsstation dient<br />
oder zwar eine Webseite hostet, die rassistisches oder fremdenfeindliches Material<br />
enthält, jedoch der gemäss nationalem Strafrecht erforderliche Vorsatz fehlt. 240<br />
II. Zum Vorsatz nach schweizerischem Strafrecht<br />
Die Materialien zum ZP und zur CCC sehen vor, dass die Umschreibung des Begriffs<br />
des Vorsatzes der innerstaatlichen Auslegung überlassen werden soll. 241<br />
Im Sinne des schweizerischen Strafrechts bedeutet dies, dass ein Vorsatz nach Art. 12<br />
StGB gegeben sein muss. Strafbar macht sich danach, wer die Tat mit Wissen und<br />
239 Vgl. Explanatory Report ZP, N 25.<br />
240 Explanatory Report ZP, N 25.<br />
241 Vgl. Explanatory Report ZP, N 25.<br />
51
Willen ausführt oder wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf<br />
nimmt (vgl. Art. 12 Abs. 2 StGB). 242<br />
Auch die Tatbestandsvarianten von Art. 261 bis StGB müssen vorsätzlich im Sinne von<br />
Art. 12 StGB erfüllt werden. 243 Die vom Bundesgericht verlangte Voraussetzung, dass<br />
der Täter aus rassendiskriminierenden Gründen gehandelt haben muss, ist in der Lehre<br />
zu Recht umstritten.<br />
Bei Art. 261 bis Abs. 4 zweite Satzhälfte StGB verlangt der Gesetzeswortlaut, dass das<br />
Leugnen, Verharmlosen oder Rechtfertigen des Völkermords oder der Verbrechen<br />
gegen die Menschlichkeit “aus einem dieser Gründe“ erfolgen soll. Der Passus bezieht<br />
sich auf die in Art. 261 bis Abs. 4 erste Satzhälfte StGB aufgezählten Gründe, bzw. auf<br />
den Beweggrund des Täters, wegen der Rasse, Ethnie oder Religion herabzusetzen oder<br />
zu diskriminieren. 244<br />
Gegen diese zusätzliche Voraussetzung im Art. 261 bis Abs. 4 zweite Satzhälfte StGB<br />
spricht einerseits die Tatsache, dass ein Leugnen von Völkermord ohne<br />
rassendiskriminierende Motive praktisch nicht denkbar ist. 245 Andererseits wird z. B.<br />
ein Handeln des Täters aus Gewinnsucht nicht erfasst. 246<br />
Aus diesen Gründen schliesst sich die vorliegende Arbeit der Lehrmeinung an, wonach<br />
der Passus “aus einem dieser Gründe“ in Art. 261 bis Abs. 4 2. Satzhälfte StGB im<br />
Gesamtkontext des Art. 261 bis StGB als überflüssig erscheint, und ein gesetzgeberisches<br />
Missgeschicks beim Erlass der Norm darstellt. 247<br />
III. Folgerung<br />
Die im ZP vorgesehenen Handlungen müssen die Voraussetzungen von Art. 12 StGB<br />
erfüllen. Insbesondere sollen sich aus dem Wortlaut von Art. 261 bis Abs. 4 2. Satzhälfte<br />
242<br />
Dazu STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 12 N 2 ff.<br />
243 bis<br />
STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 N 8, 10, 14, 16, 18; STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 37 m. w.<br />
H.; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1206; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 35, 40, 43, 57, 64 ff., 76;<br />
ROM, 144 ff.<br />
244 bis<br />
STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 37; STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 N 16; NIGGLI,<br />
Rassendiskrimiierung, N 1218 ff.; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 64 ff. Die Frage wurde offen gelassen im<br />
BGE 126 IV 26. Im BGE 123 IV 210 entschied das Bundesgericht, dass der Täter aus<br />
rassendiskriminierenden Beweggründen handeln müsse.<br />
245 bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1228; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 65.<br />
246 bis<br />
STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 N 16.<br />
52
StGB keine erschwerten Voraussetzungen für die Umsetzung von Art. 6 ZP ergeben,<br />
der sich mit der Leugnung, der groben Verharmlosung, der Billigung und der<br />
Rechtfertigung von Völkermord oder anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />
befasst.<br />
Gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. a ZP darf sich zwar ein Unterzeichnerstaat das Recht<br />
vorbehalten, dass die in Art. 6 Abs. 1 ZP beschriebenen Vorgehensweisen von der<br />
Absicht geprägt sein müssen, zu Hass, Diskriminierung oder Gewalt gegenüber<br />
Personen oder Personengruppen aufzurufen, um sie für strafbar zu erklären. Es ist zu<br />
hoffen, dass die Schweiz auf diesen überflüssigen Vorbehalt verzichten wird.<br />
§ 2 Rechtfertigungs- und Schuldausschlussgründe<br />
Eine gemeinsame Voraussetzung aller ZP-Handlungen ist, dass sie nur dann strafbar<br />
sind, wenn sie unbefugt („without right“) begangen werden (vgl. Art. 3, 4, 5, und 6 ZP).<br />
Diese Voraussetzung will der Tatsache Rechnung tragen, dass Handlungen durch<br />
„klassische“ Rechtfertigungsgründe wie Notwehr, Notstand oder Einwilligung<br />
gerechtfertigt sein können, oder wegen anderen Gründen, Prinzipien und Interessen, wie<br />
z. B. wissenschaftliche Zwecke, von einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit<br />
ausgeschlossen werden. 248<br />
So kann sich der Ausdruck “without right” auf Verhaltensweisen ohne Ermächtigung<br />
(gesetzliche, richterliche, administrative, vertragliche oder auf Grund einer<br />
Einwilligung) beziehen, und auf Verhaltensweisen, welche von keinen gesetzlich<br />
verankerten Rechtfertigungs- oder Schuldausschlussgründen gedeckt sind. Ferner sollen<br />
rechtmässige und alltägliche Tätigkeiten der Netzwerkbeteiligten und rechtmässige und<br />
alltägliche Tätigkeiten im kaufmännischen Verkehr nicht erfasst werden. 249<br />
247 SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 65; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1226 mit Hinweis auf die nicht<br />
konsequent beachteten Vorschläge von KUNZ, dazu auch KUNZ, Bemerkungen Botschaft, 167.<br />
248 Siehe Explanatory Report ZP, N 24, wo als Beispiele solcher Gründe Einwilligung, Notstand,<br />
Notwehr, aber auch wissenschaftliche- und Forschungszwecke explizit genannt sind.<br />
249 Explanatory Report ZP, N 24.<br />
53
Den Vertragsstaaten soll es frei stehen, zu bestimmen, ob solche Rechtfertigungs- und<br />
Schuldausschlussgründe in ihrem Rechtssystem bereits vorhanden sind, sei es in ihrem<br />
Strafrecht oder sonst wo, oder ob neue Gründe einzuführen sind. 250<br />
Im schweizerischen Strafrecht sind Rechtswidrigkeit und Schuld in den Art. 14-21<br />
StGB umschrieben. Als rechtmässig gelten danach per se strafbare Handlungen, die<br />
durch Gesetz geboten oder erlaubt sind (Art. 14 StGB), die auf Grund von Notwehr<br />
(Art. 15 StGB) oder Notstand (Art. 17 StGB) geschehen. Darüber hinaus sind<br />
Schuldausschluss oder Milderung der Strafe durch den Richter vorgesehen, wenn<br />
entschuldbare Notwehr (Art. 16 StGB), entschuldbarer Notstand (Art. 18 StGB),<br />
Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit (Art. 19 StGB) oder Irrtum (Art.<br />
21 StGB) vorliegen. Hinzu kommen weitere, ungeschriebene Rechtsfertigungsgründe,<br />
wie die Einwilligung oder die mutmassliche Einwilligung des Betroffenen, die<br />
Wahrnehmung berechtigter Interessen, die Pflichtenkollision oder die behördliche<br />
Einwilligung. 251<br />
Weitere, staatliches Handeln in Ausnahmesituationen rechtfertigende Gründe, sind in<br />
der BV vorgesehen, und betreffen Fälle von öffentlichem Notstand, Gefährdung der<br />
nationalen Sicherheit, Kriegszuständen und Verstössen gegen das ordre public.<br />
Es besteht kein Anlass, im schweizerischen Recht weitere Gründe einzuführen, die eine<br />
Rechtfertigung oder einen Schuldausschluss speziell für Handlungen des ZP vorsehen.<br />
Dies ist auch nicht bei der Umsetzung der Verpflichtungen aus der RDK passiert. 252<br />
Es ist auch nicht geboten, Medienschaffende oder Wissenschaftler mit einem generellen<br />
Rechtfertigungsgrund von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für rassistische und<br />
fremdenfeindliche Inhalte auszuschliessen. 253 In der Lehre wird zu Recht die Meinung<br />
vertreten, dass die Wissenschaftlichkeit oder eine Wahrnehmung berechtigter Interessen<br />
immer unter dem Gesichtspunkt der Motivation des Täters geprüft werden sollen, ohne<br />
dass ein genereller Rechtfertigungsgrund für Journalisten und Wissenschaftler<br />
geschaffen werden soll. Dabei ist unter „Motivation“ des Täters der Vorsatz gemäss<br />
seiner Beschaffenheit als subjektives Tatbestandsmerkmal zu verstehen. 254 Ausgehend<br />
davon, dass die Menschenwürde das von Art. 261 bis StGB geschützte Rechtsgut ist, sind<br />
250<br />
Explanatory Report ZP, N 24.<br />
251<br />
Näheres zu den Rechtfertigungs- und Schuldausschlussgründen in STRATENWERTH/WOHLERS, Vor<br />
Art. 14 ff. StGB, N 1 ff.<br />
252<br />
Dazu ROM, 146 ff.<br />
253<br />
bis<br />
TRECHSEL, Art. 261 N 44; DONATSCH/WOHLERS, 220.<br />
254 bis<br />
ROM, 140; SCHLEIMINGER StGB, Art. 261 N 27 ff.; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 648, 1007 ff.<br />
54
kaum Gegeninteressen denkbar, die den Täter zu einer rassendiskriminierenden<br />
Handlung berechtigen können. 255<br />
Die im StGB enthaltenen Rechtfertigungs- und Schuldausschlussgründe sind somit auf<br />
die Handlungen des ZP anzuwenden, ohne dass neue gesetzgeberische Massnahmen<br />
notwendig sind.<br />
§ 3 Versuch<br />
Das ZP erklärt den Versuch, eine der im ZP umschriebenen Handlungen zu begehen,<br />
nicht als strafbar. Das Explanatory Report ZP erklärt dies damit, dass viele der<br />
umschriebenen Verhaltensweisen Vorbereitungshandlungen darstellten. 256<br />
Die Anwendung der in der Schweiz geltenden Regeln für die Strafbarkeit des Versuchs<br />
(Allgemeiner Teil des StGB, Art. 22 f. StGB) kann jedoch trotz dieser Ansicht<br />
unberührt bleiben.<br />
Dabei ist jedoch zu beachten, dass Tathandlungen der Rassendiskriminierungsstrafnorm<br />
nur in seltenen Fällen versuchte Handlungen darstellen können. 257 Wenn eine Handlung<br />
als schlichtes Tätigkeits- und Gefährdungsdelikt qualifiziert wird, kann es keinen örtlich<br />
und zeitlich unterscheidbaren Erfolg geben. 258<br />
255 ROM, 146 f., m.w.H.; SCHLEIMINGER StGB, Art. 261 bis N 27.<br />
256 Explanatory Report ZP, N 44.<br />
257 Vgl. DONATSCH/WOHLERS, 220.<br />
258 Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 234 ff.; TRECHSEL, Art. 261 bis N 6; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis<br />
N 8.<br />
55
§ 4 Täterschaft und Teilnahme<br />
I. Allgemeines zur Regelung in Art. 7 ZP<br />
Durch Art. 7 ZP werden die Beihilfe und die Anstiftung zu den in Art. 3-6 ZP<br />
statuierten Handlungen geregelt. Der Zweck des Artikels besteht darin,<br />
Teilnahmehandlungen als strafbar zu erklären. Jedes Helfen oder Begünstigen soll<br />
bestraft werden, wenn es unbefugt erfolgt und vom Vorsatz geprägt wird, dass eine<br />
Handlung der Art. 3-6 ZP begangen wird. 259 Haftbarkeit für Teilnahmehandlungen<br />
entsteht, wenn die betreffende Person will und beabsichtigt, dass der Haupttäter die im<br />
Sinne des ZP strafbare Handlung tatsächlich begeht. 260<br />
Art. 7 ZP bezieht sich auch auf die Strafbarkeit der ISP (“service provider“,<br />
„Dienstanbieter“). 261 So darf ein ISP nicht verantwortlich sein, wenn er als reine<br />
Durchgangsstation dient oder eine Website oder eine Newsgroup bereit hält, ohne den<br />
erforderlichen Vorsatz gemäss nationalem Recht zu haben. Der Begriff der Absicht<br />
bzw. des Vorsatzes wird nicht näher definiert. Daher bleibt gemäss ZP offen, ob die<br />
Anbieter<br />
z. B. nach einer Aufforderung zum Blockieren von Webseiten durch Behörden<br />
absichtlich rassistisches und fremdenfeindliches Material verbreiten würden oder nicht.<br />
Klarstellen will das ZP hingegen, dass ein ISP nicht verpflichtet ist, Leitungen zu<br />
überwachen. 262<br />
Um herauszuschälen, welche Unterschiede zwischen den Täterschafts- und<br />
Teilnahmevorgaben des ZP und der schweizerischen Regelung der Täterschaft und der<br />
Teilnahme bei einer Tatbegehung mittels Computersystemen bestehen, wird im<br />
Folgenden die Frage erörtert, welche Formen der Täterschaft und der Teilnahme bei<br />
einer Tatbegehung mittels Computersystemen nach schweizerischem Strafrecht denkbar<br />
sind.<br />
259 Explanatory Report ZP, N 46.<br />
260 Explanatory Report ZP, N 45.<br />
261 Explanatory Report ZP, N 45.<br />
262 Vgl. Explanatory Report ZP, N 44 f.<br />
56
II. Täterschaft nach schweizerischem Strafrecht im Hinblick<br />
auf eine Tatbegehung mittels Computersystemen<br />
1. Allgemeines<br />
Nach schweizerischem Strafrecht ist Täter derjenige, der die objektiven und die<br />
subjektiven Tatbestandsmerkmale einer strafbaren Tat verwirklicht. Täter ist dabei<br />
sowohl ein Alleintäter als auch ein Mittäter, und ferner sowohl ein unmittelbarer als<br />
auch ein mittelbarer Täter. 263<br />
2. Autor rassistischen oder fremdenfeindlichen Materials<br />
2.1. Begriff des Autors<br />
Das Bereitstellen, Bereithalten und Übermitteln von strafbaren Inhalten im<br />
Kommunikationsnetz bzw. mittels Computersystemen, verläuft über mehrere Stationen,<br />
weswegen als Täter oder Teilnehmer mehrere Personen in Frage kommen. Als erste<br />
Person, sozusagen als „Haupttäter“ kommt derjenige in Frage, der die betreffenden<br />
Inhalte geschaffen bzw. verfasst, gemalen oder zusammengestellt hat, und sie auf das<br />
Netz gesetzt hat, sodass er als Autor der Inhalte bezeichnet werden kann. 264 Ferner wird<br />
als Autor derjenige bezeichnet, der die Verantwortung für den Inhalt übernimmt. 265<br />
Der Autor einer rassendiskriminierenden Äusserung ist derjenige, der sie tatsächlich<br />
ausgedacht und in Worten ausgedrückt hat. 266 Als Autor einer bildlichen Darstellung ist<br />
z. B. derjenige zu betrachten, der die Bilder arrangiert und aufgenommen hat. Autor ist<br />
auch derjenige, der in irgendeiner Form als Verfasser auftritt, sei es zu Recht oder zu<br />
Unrecht. 267 Hingegen genügt es für die Eigenschaft als Autor nicht, wenn der Täter<br />
bereits verbreitete Meldungen unter Quellenangabe weitergibt. 268<br />
263<br />
STRATENWERTH/WOHLERS, Vor Art. 24 ff. N 3. Zu den verschiedenen Täterschaftskonstellationen<br />
vgl. Vor Art. 24 ff. N 4 ff.<br />
264<br />
Gutachten BJ, 14.<br />
265<br />
DONATSCH/TAG, 201.<br />
266<br />
Gutachten BJ, 14; SIEBER, Criminal Liability, 25.<br />
267<br />
STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 28, N 4.<br />
268<br />
Vgl. BGE 73 IV 220; 82 IV 74 ff.<br />
57
2.2. Art. 261 bis<br />
StGB als Mediendelikt?<br />
Wird eine strafbare Handlung durch Veröffentlichung in einem Medium begangen und<br />
erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, ist gemäss Art. 28 Abs. 1 StGB allein der<br />
Autor strafbar. Wenn der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht<br />
gestellt werden kann, muss der verantwortliche Redaktor, oder, wenn es an einem<br />
solchen fehlt, der für die Veröffentlichung Verantwortliche gemäss Art. 28 Abs. 2 StGB<br />
i. V. m. Art. 322 bis StGB zur Rechenschaft gezogen werden (sog. Kaskadenordnung 269 ),<br />
und zwar auch dann, wenn er fahrlässig handelt (vgl. Art. 322 bis StGB Satz 2). .270<br />
Dabei ist der für die Veröffentlichung Verantwortliche meistens der Redaktor, da er in<br />
den meisten Fällen die medienspezifische Inhaltsüberwachung ausführt, und gegen die<br />
Veröffentlichung einschreiten kann. 271<br />
Die elektronischen Netzwerke, insbesondere das Internet, werden von Lehre und<br />
Rechtsprechung als Medium im Sinne des StGB bezeichnet. 272 Die Kaskadenhaftung<br />
von Art. 28 StGB kommt also bei Handlungen über Internetdienste, die der<br />
Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden bzw. durch die ein gedanklicher, visueller<br />
oder akustischer Inhalt einem grösseren Kreis von Personen zugänglich gemacht wird,<br />
grundsätzlich zur Anwendung. 273<br />
Was jedoch die Anwendbarkeit des Art. 28 StGB auf den Tatbestand der<br />
Rassendiskriminierung betrifft, herrsch Uneinigkeit. In der Lehre wird Art. 261 bis StGB<br />
überwiegend als ein Mediendelikt bewertet und Art. 28 StGB unterstellt. 274 ROM bejaht<br />
die Anwendbarkeit der Kaskadenhaftung bei Art. 261 bis Abs. 1 und Abs. 4 StGB und<br />
verneint sie bei Art. 261 bis Abs. 2 StGB. 275<br />
269 Dazu RIKLIN, Information Highway, 574; RIKLIN, Medienstrafrecht, 79;<br />
NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH, 18 ff.; SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 349.<br />
270 Es besteht somit eine Erweiterung der Haftung in Bezug auf die fahrlässige Nichtverhinderung der<br />
Publikation, vgl. SCHLEIMINGER/METTLER, 1040 f.<br />
271 STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 322 bis StGB, N1.<br />
272 Vgl. STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 28 StGB N 1, m.w.H. DONATSCH und TAG vertreten die<br />
Ansicht, dass das Internet selbst kein Medium im Sinne des Medienstrafrechtes ist, sondern eine<br />
Infrastruktur, über welche die Internetdienste (die ihrerseits Medien darstellen) genutzt werden können,<br />
vgl. DONATSCH/TAG, 197. Die einzelnen Internet-Dienste, wie die E-Mail, die Internet-Mailboxen, das<br />
WWW, Das IRC, und die Newsgroups, die bei öffentlichen Handlungen über Computersysteme benutzt<br />
werden, werden jedoch zu den Medien im Sinne von Art. 28 StGB gezählt, vgl. DONATSCH/TAG, a.a.O.<br />
273 Vgl. DONATSCH/TAG, 197 f.; RIKLIN, Medienstrafrecht, 82; NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH, 18;<br />
Gutachten BJ, 6 f. Als Medium wird ein Mittel bezeichnet, durch das ein gedanklicher oder bildlicher<br />
Inhalt einem grösseren Kreis von Personen zugänglich gemacht werden kann, ohne dass der<br />
Personenkreis durch persönliche Beziehungen verbunden sein muss, vgl. BGE 74 IV 131; 78 IV 128;<br />
82 IV 80.<br />
274 NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH, 11 f.; RIKLIN, Information Highway, 568; RIKLIN, Medienstrafrecht,<br />
80; STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 28 N 3; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 81.<br />
275 ROM, 155.<br />
58
GUYAZ hält eine Kaskadenhaftung bei Art. 261 bis Abs. 2 für möglich, verneint diese<br />
jedoch bei Art. 261 bis Abs. 3 StGB. 276<br />
Das Bundesgericht hingegen geht im BGE 125 IV 211 f. davon aus, dass Art. 28 auf<br />
Art. 261 bis Abs. 4 StGB keine Anwendung findet, mit dem Hinweis auf die ratio legis<br />
der Bestimmung. Diese Ansicht ist in der Lehre auf Kritik gestossen. 277<br />
Am überzeugendsten scheint die Lehrmeinung zu sein, wonach Abs. 1-3 von Art. 261 bis<br />
StGB nicht als Mediendelikte zu qualifizieren sind, da Art. 261 bis Abs. 3 StGB<br />
Vorbereitungs- und Teilnahmehandlungen zu selbständigen Delikten erhebt, 278 und als<br />
lex specialis den Teilnahmeregeln des Allgemeinen Teils des StGB vorgeht. Damit wird<br />
Teilnahme bei Handlungen nach Abs. 1 und 2 zu selbständigem Delikt. 279 Liegt ferner<br />
nach der entsprechenden Tatbestandsfassung von Art. 261 bis StGB eine Haupttäterschaft<br />
vor, spielt es für die Entscheidung der Täterschaftsfrage keine Rolle, ob der Tatbestand<br />
von Art. 261 bis StGB zu den Mediendelikten gezählt wird oder nicht. 280<br />
Die Anwendbarkeit von Art. 28 StGB bei Handlungen nach Art. 261 bis Abs. 4 und 5<br />
StGB sollte hingegen bejaht werden, da hierzu keine besonderen Teilnahmeregelungen<br />
gelten. 281<br />
3. Nutzer eines Computernetzes<br />
Als Nutzer bzw. User des Computernetzes ist eine Person zu bezeichnen, die nach den<br />
angebotenen Informationen, Diensten oder Leistungen im Kommunikationsnetz<br />
nachfragt, im Gegensatz zu einer Person, die sie anbietet. 282<br />
Jeder Nutzer darf Angebote, die er von dritter Seite zur Verfügung gestellt bekommt,<br />
abrufen bzw. zur Kenntnis nehmen. Er macht sich nicht bereits damit strafbar, dass er<br />
276<br />
NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH, 15.<br />
277<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1275; DONATSCH/TAG, 200; RIKLIN, Medienstrafrecht, 81;<br />
SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 350; WEBER, 546 f.; NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH, 14;<br />
SCHLEIMINGER/METTLER, 1040; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 81. Zustimmend jedoch<br />
DONATSCH/WOHLERS, 220.<br />
278<br />
Näheres dazu im 4. Kapitel § 5 III.2.<br />
279 bis<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 N 81; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1274; vgl. auch<br />
CHAIX/BERTOSSA, 193 ff., die auch Abs. 1 nicht Art. 27 StGB unterstellen möchten.<br />
280<br />
SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 350 f.; NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH, 8 ff.; verneinend BGE 125<br />
IV 211 f.; Gutachten BJ, 12 ff.<br />
281 bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1275; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 81.<br />
282<br />
Wobei die Rollen der Nutzer und der Anbieter regelmässig vermischt sind, vgl. BOESE, 33; SIEBER,<br />
Verantwortlichkeit, N 14.<br />
59
die angebotenen und nach Art. 261 bis StGB strafbaren Inhalte liest oder anschaut. 283<br />
Ein solches passives Verhalten erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 261 bis<br />
StGB nicht. Auch dann, wenn der Nutzer ein Bild oder einen Text herunterlädt, indem<br />
er sie auf einem Datenträger oder auf seiner Festplatte speichert, und sich damit Besitz<br />
verschafft, ist er nicht nach Art. 261 bis StGB strafbar, da blosser Besitz von<br />
rassendiskriminierendem Material nicht unter Strafe gestellt ist.<br />
4. ISP<br />
4.1. Vorgaben in Art. 7 ZP<br />
An der Übermittlung von rassendiskriminierenden Inhalten sind auch die ISP beteiligt,<br />
d.h. die „Dienstanbieter“, wie Content-, Host- oder Access-Provider. ISP ermöglichen<br />
nämlich den Nutzern den Zugang zum Internet (wie z. B. die Access-Provider), oder<br />
stellen selber Dienste über eigene Web-, Mail- oder News-Server zur Verfügung.<br />
Die Dienstanbieter gliedern sich in vier verschiedene Gruppen: Zugangs-, Netz-,<br />
Hosting- und Inhaltsdienstleister. Es gibt Dienstleister, die alle vier Dienstleistungen<br />
anbieten und solche, die nur einige dieser Dienstleistungen anbieten. 284<br />
Der Begriff der ISP wird im Art. 1 lit. c. CCC definiert. Er umfasst eine breite<br />
Kategorie von Personen bzw. Organisationen, die eine bestimmte Rolle in Bezug auf<br />
Kommunikation und Datenverarbeitung auf Computersystemen spielen. 285<br />
Aus Art. 1 lit c. (i) CCC wird ersichtlich, dass jede öffentliche und jede private<br />
Organisation, die Nutzern ihres Dienstes ermöglicht, mit Hilfe eines Computersystems<br />
zu kommunizieren, als Dienstanbieter gilt. Darunter fallen sowohl öffentliche als auch<br />
private Gebilde, die die Nutzer mit der Fähigkeit ausstatten, miteinander zu<br />
kommunizieren. 286 Für den Begriff des ISP ist es irrelevant, ob die Nutzer eine<br />
283<br />
RIKLIN, Information Highway, 591; Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 27 ff.;<br />
betreffend das deutsche Recht vgl. JAEGER, 167 f.<br />
284<br />
Vgl. SIEBER, Kontrollmöglichkeiten, 597; ASSEMBLÉE PARLEMENTAIRE, Internet et le droit, N 30 ff.;<br />
Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 28 f.<br />
285<br />
Explanatory Report CCC, N 26.<br />
286<br />
Explanatory Report CCC, N 26 (“entity”).<br />
60
geschlossene Gruppe bilden, 287 oder ob die Dienste an die Öffentlichkeit angeboten<br />
werden, sei es kostenlos oder gegen eine Gebühr. 288<br />
Im Art. 1 lit c. (ii) CCC wird festgehalten, dass sich der Begriff „Dienstanbieter“ auch<br />
auf Gebilde bzw. Organisationen bezieht, welche Computerdaten speichern oder<br />
andersweitig für Nutzer, die unter Art. 1 lit. c. (i) CCC erwähnt werden, verarbeiten. 289<br />
Es wird nicht beabsichtigt, dass ein reiner Anbieter von Inhalten 290 (z. B. eine Person,<br />
die einen Vertrag mit einer Hosting-Unternehmung abschliesst, um ihre Webseite zu<br />
hosten), durch diese Definition abgedeckt wird, falls er nicht auch<br />
Kommunikationsdienste oder damit verbundene Datenverarbeitungsdienste anbietet. 291<br />
4.2. Rechtliche Lage in der Schweiz<br />
4.2.1. Allgemeines<br />
In der Schweiz existiert noch keine gesetzliche Regelung betreffend der Täterschaft<br />
oder der Teilnahme der ISP an Delikten, die mittels Computersystemen begangen<br />
werden. Im Jahr 1998 wandte sich die Bundespolizei in einem Rundschreiben an die<br />
ISP in der Schweiz und bat sie, die Sperrung von inkriminierten Seiten zu prüfen, die<br />
während einem Pilotversuch mit Internet-Monitoring gefunden wurden, und<br />
möglicherweise gegen Art. 261 bis StGB verstiessen. Die Bundespolizei wies die ISP<br />
darauf hin, dass die Vermittlung des Zugangs auf solche Seiten als Gehilfenschaft zur<br />
Haupttat qualifiziert werden könnte.<br />
Diese Position löste bei den ISP starke Reaktionen aus, auch betreffend die technische<br />
Machbarkeit von Internet-Sperren. Das Bundesamt für Justiz wurde in der Folge um<br />
eine gutachterliche Prüfung der Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der ISP<br />
für illegale Inhalte ersucht. Das Gutachten BJ bestätigte die subsidiäre<br />
Verantwortlichkeit auch eines reinen Zugangsvermittlers im Sinne des<br />
Medienstrafrechts, vorausgesetzt, dieser sei von einer Strafverfolgungsbehörde klar auf<br />
287<br />
Vgl. Explanatory Report CCC, N 26: Eine geschlossene Gruppe („closed group“) bilden z. B. die<br />
Angestellten einer Privatunternehmung, welchen der Dienst über ein Unternehmensnetzwerk<br />
(„corporate network“) angeboten wird.<br />
288<br />
Explanatory Report CCC, N 26.<br />
289<br />
Z. B. bietet gemäss dieser Definition ein Dienstleister sowohl Dienste an, welche Hosting und Caching<br />
liefern, als auch Dienste, welche eine Verbindung zu einem Netzwerk liefern, vgl. Explanatory Report<br />
CCC, N 27.<br />
290<br />
Explanatory Report CCC, N 27: “content provider”.<br />
291<br />
Explanatory Report CCC, N 27.<br />
61
den illegalen Inhalt aufmerksam gemacht worden. Wenn das Medienstrafrecht keine<br />
Anwendung finde, könnten die ISP ferner als Gehilfen zur Haupttat bestraft werden. 292<br />
Auf der Grundlage dieser Ausführungen präzisierte die Bundespolizei ihre Haltung in<br />
einem Positionspapier. Daraufhin erschien ein Gutachten der Professoren M. A. NIGGLI,<br />
F. RIKLIN und G. STRATENWERTH, welche zu gegenteiligen Schlussfolgerungen als das<br />
Gutachten BJ kamen. 293<br />
Am 14. Dezember 2000 wurde eine parlamentarische Motion für eine rechtssichere,<br />
international möglichst harmonisierte und praktikable Regelung betreffend die<br />
strafrechtliche Verantwortlichkeit der an der Internetkommunikation Beteiligten<br />
eingereicht. 294 Die Motion verlangt in erster Linie den Erlass von neuen<br />
Strafrechtsnormen im StGB, indem das Medienstrafrecht durch neue Artikel über<br />
strafbare Handlungen in Telekommunikationsnetzen ergänzt wird. Grundsätzlich soll<br />
dadurch die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Telekommunikationsdienstanbieter<br />
bekräftigt werden. Telekommunikationsdienstanbieter, die fremde Informationen zur<br />
Nutzung bereit halten, sollen bei Kenntnis und Nichtverhinderung strafbar werden,<br />
nicht aber jene Telekommunikationsdienstanbieter, die den Nutzern nur einen<br />
technischen Zugang zum Netz offerieren. Die Motion wurde am 28. Februar 2001 vom<br />
Bundesrat, am 6. März 2001 vom Ständerat und am 20. September 2001 vom<br />
Nationalrat angenommen. 295<br />
Daraufhin setzte das EJPD die Expertenkommission Netzwerkkriminalität ein, um<br />
rechtliche, organisatorische und technische Massnahmen vorzuschlagen.<br />
Die Expertenkommission Netzwerkkriminalität reichte im Jahr 2003 ihren Bericht ein.<br />
Darin wird vorgeschlagen, das StGB mit einer neuen Regelung zu ergänzen. Die<br />
Expertenkommission Netzwerkkriminalität spricht sich für eine<br />
rechtsbereichsspezifische 296 Regelung in den jeweiligen Rechtsgebieten ein, wobei sie<br />
der Anpassung des StGB erste Priorität einräumt. 297 Es wird eine Ergänzung der Art. 28<br />
StGB und Art. 322 bis StGB vorgeschlagen, indem an deren Anfang jeweils eine<br />
spezifische Regelung für strafbare Handlungen in elektronischen<br />
Kommunikationsnetzen voranzustellen ist. Erfasst wird damit jede Straftat, bei deren<br />
292<br />
Gutachten BJ, 26 f.<br />
293<br />
Siehe NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH.<br />
294<br />
Motion Pfisterer, abrufbar unter www.parlament.ch/afs/data/d/gesch/2000/d_gesch_20003714.htm.<br />
295<br />
Vgl. Amtliches Bulletin 2001, 27 f.; Amtliches Bulletin 2001 N 1087 ff.<br />
296<br />
Dies im Gegensatz zu einer sog. „Horizontalregelung“, vgl. Bericht Expertenkommission<br />
Netzwerkkriminalität, 93 f.<br />
62
Begehung das Mittel elektronischer Kommunikationsnetze benutzt wird. Demnach<br />
werden auch Äusserungsdelikte, die nicht als Mediendelikte qualifiziert werden, von<br />
der Norm erfasst. Gleichzeitig soll eine fahrlässige Tatbegehung ausgeschlossen<br />
werden. 298<br />
4.2.2. Network-Provider<br />
Network-Provider („Netzdienstleister“) sind Personen oder Organisationen, die die<br />
Basisübertragungsinfrastruktur (Leitungsverbindungen) betreiben, welche anderen<br />
Personen und den ISP zur Verfügung gestellt werden. 299 Sie verbinden sich über ihr<br />
Kommunikationsnetz mit verschiedenen Access-Providern, anderen Network-Providern<br />
und möglichen Grosskunden. Aus diesen Gründen bietet die Unterscheidung zwischen<br />
den Network-Providern und den Access-Providern (die den Zugang zu Computernetzen<br />
ermöglichen) technische Schwierigkeiten. 300 Network-Provider verfügen nicht über die<br />
Möglichkeit, die über Computernetze übertragenen Inhalte zu kontrollieren und darauf<br />
Einfluss zu nehmen, da die Daten in der Verbindungsschicht kaum auswertbar sind. 301<br />
4.2.3. Content-Provider<br />
Content-Provider (Inhaltsanbieter) sind Personen, die auf Servern von Host-Providern,<br />
von Online-Diensten oder auf eigenen Rechnern eigene oder von Dritten übernommene<br />
Inhalte zur Verfügung stellen, wie z. B. Autoren eines Newsgroup-Beitrages,<br />
Unternehmen, die im WWW auftreten, oder Private, die eigene Webseiten betreiben. 302<br />
Durch die vermehrte Verbreitung sogenannter Peer-to-Peer-Protokolle können auch<br />
Endbenutzer, die sonst nur als Konsumenten bzw. Nutzer von Inhalten auftreten, eigene<br />
Inhalte anbieten. In diesen Fällen besorgt der Content-Provider selber das „Hosting“<br />
seiner Daten. 303<br />
Für die Beantwortung der Frage nach der Täterschaft und der Teilnahme eines Content-<br />
Prodivers ist es wichtig, ob er eigene oder fremde Inhalte zur Verfügung stellt. Für den<br />
297<br />
Vgl. Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 90 ff.<br />
298<br />
Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 110.<br />
299<br />
Vgl. BOESE, 34; SIEBER, Kontrollmöglichkeiten, 597; HEINZMANN/OCHSENBEIN, 516 f.<br />
300<br />
SIEBER, Verantwortlichkeit, N 14.<br />
301<br />
SIEBER, Verantwortlichkeit, N 94, 50 ff.<br />
302<br />
Bundespolizei, Positionspapier, 3; SIEBER, Kontrollmöglichkeiten, 597.<br />
63
Begriff von eigen und fremd kann dabei auf die von der deutschen Lehre zu § 5 TDG<br />
entwickelte Doktrin hingewiesen werden: Eigene Inhalte werden, im Gegensatz zu<br />
fremden Inhalten, entweder vom Dienstanbieter selbst hergerstellt, oder sie werden von<br />
Dritten hergestellt, und der Dienstanbieter macht sie sich zu Eigen. 304 Wenn es sich um<br />
eigene Inhalte handelt, die einen Straftatbestand verwirklichen, kann der Content-<br />
Provider als Täter zur Rechenschaft gezogen werden. 305<br />
4.2.4. Host-Provider<br />
Host-Provider ermöglichen ihren Kunden den Zugriff auf fremde Inhalte, indem sie<br />
einen Webserver zur Verfügung stellen, auf welchem die Kunden eigene Inhalte<br />
anbieten. 306 Je nach Angebot kann der Kunde mit dem Zugriff auf eine Webseite auch<br />
eigene Programme, die er abgelegt hat, zur Ausführung bringen lassen. 307<br />
Ist dem Kunden das Zugriffsrecht auf den entsprechenden Speicherplatz einmal<br />
eingeräumt, kann er diesen Speicherplatz nutzen, ohne dass der Host-Provider weitere<br />
Schritte unternehmen müsste. 308<br />
Gemäss Ansicht der Bundespolizei und des Bundesamtes für Justiz sind die Host- und<br />
die Access-Provider als subsidiär Verantwortliche gemäss Art. 28 Abs. 2 StGB bzw.<br />
Art. 322 bis StGB zur Verantwortung zu ziehen, wenn kein Content-Provider als primär<br />
Verantwortlicher ermittelt werden kann. 309 Die Host-Provider sollen dabei die für die<br />
Veröffentlichung subsidiär Verantwortlichen „ersten Grades“ sein, da sie in der Kette<br />
zwischen dem Autor eines Inhaltes und dem Nutzer dem Autor funktional an nahesten<br />
stehen. 310 Fehlt ein Host-Provider, so soll der Access-Provider als nachgeordneter<br />
Verantwortungsträger zur Verantwortung gezogen werden, da er dem Autor den Zugang<br />
zum Netz vermittelt. 311<br />
303<br />
Vgl. Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 28.<br />
304<br />
Ausführlich dazu SIEBER, Verantwortlichkeit, N 290 ff., mit Hinweisen auf Gesetzesmaterialien zum<br />
TDG.<br />
305<br />
Gutachten BJ, 14. Vgl. auch NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH, 42, die auf die Regelung im Art. 5 TDG<br />
hinweisen. Dazu SIEBER, Criminal Liability, 24 f.; HOEREN, N 622.<br />
306<br />
SIEBER, Verantwortlichkeit, N 14;<br />
307<br />
ASSEMBLEE PARLEMENTAIRE, Internet et le droit, N 31; NIGGLI/SCHWARZENEGGER, 61.<br />
308<br />
Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 102.<br />
309<br />
Bundespolizei, Positionspapier, 7; Gutachten BJ, 16. Kritisch zur Unterscheidung zwischen subsidiär<br />
Verantwortlichen verschiedener Ordnung NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH, 20.<br />
310<br />
Gutachten BJ, 15, mit Hinweis auf HEINZMANN/OCHSENBEIN, 604.<br />
311<br />
Gutachten BJ, 19 ff.<br />
64
Diese Lösung kann auf den ersten Blick überzeugen, jedoch ist der Host-Provider<br />
meistens weder aktiv am Veröffentlichungsprozess beteiligt, noch kann er eine<br />
Überwachungsfunktion in Bezug auf die Informationsübertragung wahrnehmen.<br />
Da der Inhalt des Web-Servers eines Hosting-Providers in der Regel ohne dessen Zutun<br />
durch den Content-Provider bestimmt und geändert wird, kann er sich das Wissen um<br />
den eingespeisten Inhalt nur durch regelmässig wiederholte Kontrollen verschaffen.<br />
Angesichts der grossen Datenmengen auf einem Web-Server können jedoch solche<br />
Kontrollen nicht zugemutet werden. 312 Deshalb sollte der Host-Provider nicht als<br />
Medienverantwortlicher in frage kommen. 313<br />
Host-Provider stellen ferner Platz für andere Dienste zur Verfügung, z. B. E-Mails.<br />
Charakteristisch für diese Dienstleistung ist, dass der Host-Provider nicht am<br />
Abspeichern der Informationen auf seinem Webserver beteiligt ist. Es handelt sich um<br />
automatisierte Programmabläufe, die allein der Content-Provider veranlasst und<br />
kontrolliert. 314<br />
Aus diesen Gründen sollten Host-Provider grundsätzlich nicht als Täter in Frage<br />
kommen. Anders verhält es sich, wenn der Host-Provider von Dritten auf strafbare<br />
Inhalte aufmerksam gemacht wurde, die auf seinem Speicherplatz zur Verfügung<br />
stehen. Dabei stellt sich die Frage nach einer Teilnahme an einer fremden Tat. 315<br />
4.2.5. Access-Provider<br />
Die Access-Provider („Zugangsdienstleister“) bieten verschiedene<br />
Telekommunikationsdienstleistungen an, um einen Zugang zu Computernetzen zu<br />
ermöglichen. 316 Diese Prozesse laufen automatisch ab, d. h. ohne manuelle Intervention<br />
des Access-Providers. 317 So kann er auch nicht über den Inhalt und die<br />
Veröffentlichung mitentscheiden. Zudem fehlt regelmässig der Vorsatz, durch die<br />
Zugangsvermittlung Handlungen eines Kunden zu unterstützen. 318<br />
312 SIEBER, Verantwortlichkeit, N 211.<br />
313 SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 351.<br />
314 Vgl. Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 28.<br />
315 Dazu Ziffer III.3. des vorliegenden Paragraphs.<br />
316 SIEBER, Verantwortlichkeit, N 14; BOESE, 35.<br />
317 Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 29.<br />
318 DONATSCH/TAG, 205.<br />
65
Auch dem Access-Provider fehlen daher entgegen der Ansicht im Gutachten BJ die<br />
Voraussetzungen für die Bezeichnung als Medienverantwortlicher. 319<br />
Eine strafrechtliche Verpflichtung des Access-Providers, Zugangskontrollen<br />
durchzuführen, ist auch abzulehnen. Seine Eingriffsmöglichkeiten sind wenig selektiv,<br />
d.h. in der Regel können nur ganze Internet-Seiten gesperrt werden, auch wenn sich<br />
darunter auch legale Inhalte befinden. Dies würde einerseits einen schweren Eingriff in<br />
die Informationsfreiheit darstellen, andererseits zu einem enormen Aufwand für die<br />
Access-Provider führen. 320 Auch die Möglichkeiten der Access-Provider, über<br />
Computernetze übertragene Inhalte zu kontrollieren, sind angesichts der Flut von<br />
Inhalten sehr beschränkt. 321 Eine Täterschaft des Access-Provider durch das<br />
Verschaffen eines Zugangs zu Computernetzen ist somit zu verneinen.<br />
5. Täterschaft durch Setzen von Links<br />
5.1. Funktionsweise und Arten der Links<br />
Bei einem Link handelt es sich um eine technisch realisierte Verknüpfung, eine<br />
technische Referenz zwischen Inhalten im Kommunikationsnetz, die für sich allein<br />
genommen keinen eigenen Inhalt hat. 322 Ein Link besteht aus zwei Teilen: aus einem<br />
auf dem Bildschirm sichtbaren Element (z. B. Zeichen, Symbol, Text) und aus einer im<br />
Hintergrund mit dem Element verbundenen Internetadresse des Dokuments, auf<br />
welches die Nutzer geführt werden sollen. 323<br />
Der Zweck des Links besteht darin, dass der Nutzer nicht die ganze Internetadresse<br />
eingeben muss, sondern nur das auf dem Bildschirm sichtbare Element anzuklicken<br />
braucht. 324 Fast jede Webseite verfügt über mehrere Verknüpfungen auf die Web-Seiten<br />
Dritter oder auf einzelne dort befindliche HTML-Dateien.<br />
Dank der multimedialen Fähigkeit von HTML können die verwiesenen Dateien Texte,<br />
Bilder, Musik, gesprochene Worte und Videosequenzen enthalten. Ein Dienstanbieter<br />
im WWW kann daher ohne grossen technischen Aufwand sowohl auf einzelne<br />
319<br />
Vgl. SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 352; NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH, 21; DONATSCH/TAG,<br />
205.<br />
320<br />
SIEBER, Verantwortlichkeit, N 212; HEINZMANN/OCHSENBEIN, 602 f.<br />
321<br />
Gutachten BJ, 17; SIEBER, Criminal Liability, 25.<br />
322<br />
HOEREN, N 639.<br />
323<br />
HILTY, 125.<br />
324<br />
HILTY, 125.<br />
66
Webseiten seines eigenen Angebots als auch auf das Angebot von Dritten im Netz<br />
verweisen. 325<br />
Es gibt verschiedene Arten von Links. Der Begriff „Hyperlink“ wird als Sammelbegriff<br />
für alle Arten von Links verwendet. 326<br />
Links, die aus einer Webseite zu einer Eingangsseite (Homepage) verweisen, werden<br />
als Outlinks bezeichnet. 327 Dabei führen direkte Links unmittelbar auf eine Webseite,<br />
während indirekte Links auf eine Linkliste führen, von welcher aus die in der Liste<br />
aufgeführten Webseiten erreicht werden. 328<br />
Unter einem Deeplink versteht man ein Link, der aus einer Webseite heraus nicht auf<br />
die Eingangsseite eines anderen Anbieters, sondern direkt auf eine Webseite verweist,<br />
die auf einer tieferen Ebene als die Eingangsseite liegt. 329<br />
Ein Inpagelink verweist hingegen auf eine Stelle auf der aktuellen Webseite. Verweist<br />
ein Link auf eine neue Seite des bestehenden Angebots, wird von einem Insitelink<br />
gesprochen. 330<br />
Mittels einem IMG-Link (Inlinelink, Image-Link, Bildlink) werden Dateien, die auf<br />
einem Webserver gespeichert sind, in die eigene Seite integriert, ohne dass es auf der<br />
grafischen Oberfläche erkennbar ist, dass sie einen fremden Ursprung haben, und ohne<br />
dass der Nutzer einen Mausklick betätigen muss, um die Informationen abzurufen. 331<br />
Mit dem Framing wird ein Browser-Fenster in verschiedene Bereiche gegliedert, wobei<br />
jeder Teilbereich einen anderen Inhalt anzeigt. Es ist möglich, dass alle Inhalte von<br />
derselben Webseite stammen. Durch Links, die in einem Frame-Bereich angebracht<br />
sind, können aber auch Inhalte anderer Webseiten in den eigenen Rahmen eingebettet<br />
werden. 332 Der Nutzer besucht damit unterschiedliche Webseiten, ohne die<br />
ursprüngliche Website zu verlassen. 333<br />
325<br />
BOESE, 37.<br />
326<br />
VÖGELI, 59 f. Bisweilen wird der Hyperlink auch zur Bezeichnung der Link-Arten verwendet, die eine<br />
Verbindung zu einer anderen Webseite, oder zu einer Stelle oder neuen Seite der gerade besuchten<br />
Webseite führen, vgl. SIEBER, Verantwortlichkeit, N 64 ff.<br />
327<br />
VÖGELI, 59.<br />
328<br />
VÖGELI, 60.<br />
329<br />
BOESE, 41.<br />
330<br />
VÖGELI, 59.<br />
331<br />
BOESE, 42; VÖGELI, 60.<br />
332<br />
SIEBER, Verantwortlichkeit, N 66.<br />
333<br />
HILTY, 127; BOESE 42 f.<br />
67
Bei den Metatags handelt es sich schliesslich um für die Nutzer nicht sichtbare<br />
Stichwortangaben im Text der Webseite, die von den Suchmaschinenrobotern gefunden<br />
werden, da sie mit verschiedenen Inhalten durch einen Link verknüpft sind. Dadurch<br />
kann ein Anbieter durch Angabe von Stichwörtern auf seine Inhalte aufmerksam<br />
machen, auch wenn sie mit den Stichwörtern in keinem Zusammenhang stehen. 334<br />
5.2. „Sich-zu-Eigen-Machen“ eines Links<br />
Wie im zweiten Kapitel der Arbeit erörtert, sind im Art. 28 StGB Sonderregelungen für<br />
Mediendelikte enthalten, welche der Tatsache Rechnung tragen, dass an einer<br />
Veröffentlichung von Inhalten durch die Medien oft eine Vielzahl von Personen<br />
beteiligt ist, die eine strafrechtliche Verantwortlichkeit unter den Bedingungen von Art.<br />
28 Abs. 2 StGB treffen soll. Wichtig ist, dass diese Personen an der Veröffentlichung<br />
der Publikation bzw. (bezogen auf die im ZP umschriebenen Handlungen) des<br />
rassistischen und fremdenfeindlichen Materials beteiligt sind. Ist es bereits<br />
veröffentlicht, kann es nur noch verbreitet werden. Wer somit mit einem Link auf<br />
Inhalte verweist, die ein Dritter auf einen Web-Server gesetzt hat, ist nicht am<br />
Veröffentlichungsprozess beteiligt. Für Link-Setzer müssen somit die allgemeinen<br />
Bestimmungen der Täterschaft und Teilnahme gelten. 335 Der Weiterverbreiter oder z. B.<br />
ein Zugangsvermittler kann daher nicht von Art. 28 StGB erfasst werden. 336<br />
Bei der Frage, ob sich der Anbieter eines Links als Täter strafrechtlich zu verantworten<br />
hat, wenn sich auf der verwiesenen Stelle strafbare Inhalte befinden, ist auf der<br />
objektiven Seite entscheidend, ob es sich beim Link um eine blosse Zugangsvermittlung<br />
zu einer anderen Webseite handelt, oder ob sich der Linksetzer den Inhalt sozusagen zu<br />
Eigen macht. 337<br />
334<br />
WEBER, 254 f.; BOESE, 44; HILTY, 132 f.<br />
335<br />
Insbesondere die Gehilfenschaftsbestimmungen, vgl. SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 359 f. Dabei<br />
ist zu berücksichtigen, dass nach Art. 261 bis Abs. 3 StGB Vorbereitungs- und Beihilfehandlungen zu<br />
den Deliktsformen der Abs. 1 und 2 von Art. 261 bis StGB in den Rang eigenständiger Haupttaten<br />
erhoben werden, wodurch Gehilfen strafrechtlich zu selbständigen Tätern werden, vgl. NIGGLI,<br />
Rassendiskriminierung, N 901, 1246; STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 34. Daher dürfte in einer solchen<br />
Fallkonstellation das Einrichten des Hyperlinks als eigenständige Straftat i. S. v. Art. 261 bis Abs. 3<br />
StGB untersucht werden. Der Täter muss eine Haupttat i. S. v. Art. 261 bis Abs. 1 und Abs. 2 StGB<br />
objektiv fördern und mit (Eventual-) Vorsatz in Bezug auf die Tat und seine Unterstützung handeln.<br />
336<br />
SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 362; Gefangen, 71; SCHLEIMINGER/METTLER, 1041;<br />
DONATSCH/TAG, 197 f., 205.<br />
337<br />
SCHWARZENEGGER, Hyperlinks, 420 f., m. w. H.<br />
68
Wenn es sich beim Zielangebot um das Angebot eines Dritten handelt, wird<br />
grundsätzlich von einer blossen Zugangsvermittlung zu einem fremden Inhalt<br />
ausgegangen. Für diese Qualifizierung des Linksetzens als eine reine<br />
Zugangsvermittlung spricht der fehlende Einfluss des Linksetzers auf die Webseite (des<br />
Dritten), welche er mit dem Einrichten eines Link zur Verfügung stellt. Ferner entsteht<br />
durch die Einrichtung eines Links regelmässig keine engere Beziehung des Anbieters<br />
zum Inhalt. 338<br />
Um die Frage zu beantworten, wann ein „Zu-Eigen-Machen“ eines Links gegeben ist,<br />
ist daher einerseits zu prüfen, in welchem Kontext der Link steht, bzw. ob z. B. der Link<br />
eine Werbung für die verlinkte Seite macht, oder die Funktion eines abschreckenden<br />
Beispiels hat. 339 Da nämlich ein Link nur eine technische Referenz darstellt, soll die<br />
Aussage entscheidend sein, die mit dem Link unter besonderer Berücksichtigung seines<br />
inhaltlichen Kontextes verbunden ist. 340<br />
Andererseits ist zu prüfen, in welchem thematischen Zusammenhang die verwiesenen<br />
Inhalte zum Angebot des Verweisenden stehen, d.h. ob z. B. in seinem Angebot eine<br />
rassistische oder fremdenfeindliche Gesinnung zu Tage tritt. Falls jemand z. B. aus<br />
wissenschaftlichem Interesse einen Link auf fremde Inhalte ohne einen<br />
Solidarisierungseffekt setzt, kann er wie ein reiner Zugangsvermittler beurteilt<br />
werden. 341<br />
Gemäss der sog. Linkmethode ergeben sich schliesslich bereits bei der Wahl einer<br />
Linkart Hinweise auf das „Sich-Zu-Eigen-Machen“ des verlinkten Inhalts. 342 Bei einem<br />
Inpagelink oder einem Insitelink muss diese Frage nicht geprüft werden, da als<br />
verwiesene Inhalte des Linksetzers in Frage stehen. IMG-Links sprechen für ein Sich-<br />
Zu-Eigen-Machen eines fremden Inhalts auf der verlinkten Seite, da fremde Inhalte<br />
dermassen in die eigenen einbezogen werden, dass sie für den Betrachter als Bestandteil<br />
desselben Inhalts erscheinen. 343<br />
338<br />
Vgl. BOESE, 68; VÖGELI, 61 f.<br />
339<br />
VÖGELI, 63.<br />
340<br />
HOEREN, N 639. So betonte in Deutschland das Amtsgericht Berlin-Tiergarten in einem Entscheid,<br />
dass sich die Verantwortlichkeit des Link-Setzers nach seiner mit dem Link getroffenen<br />
Gesamtaussage richte. Solidarisiert sich jemand mit dem rechtswidrigen Inhalt eines anderen durch das<br />
Setzen eines Links, ist er so zu behandeln, als sei er ein Content-Provider, Urteil des OLG München<br />
vom 6. Juli 2001, ZUM 2001, 809.<br />
341<br />
VÖGELI, 64.<br />
342<br />
Dazu ausführlich VÖGELI, 61 ff.<br />
343<br />
SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 362; VÖGELI, 63.<br />
69
Auch die Linkmethode des Framing spricht am ehesten für ein Sich-Zu-Eigen-Machen<br />
des fremden Inhalts auf der verlinkten Seite, da das Angebot des Dritten in die Website<br />
des Anbieters integriert wird, ohne dass dies aus der Adresszeile des Browsers<br />
ersichtlich wird. 344<br />
Bei einem indirekten Link auf eine Seite, die eine Linkliste enthält, die auf<br />
rassendiskriminierende Inhalte verweist, ist die Strafbarkeit des Linksetzers hingegen in<br />
der Regel nicht gegeben, 345 es sei denn, dass die Linkliste zur Umgehung eines direkten<br />
Links eingerichtet oder so in das eigene Dokument integriert ist, dass sie als eigener<br />
Bestandteil erscheint. Diese Fälle sollen so behandelt werden, wie wenn ein einfacher<br />
Link direkt auf eine strafbare Seite gesetzt wird. 346 Eine Ausnahme wäre auch denkbar,<br />
wenn der Link direkt auf eine untere Ebene der verwiesenen Webseite verweist. 347<br />
III. Teilnahme nach schweizerischem Strafrecht in Hinblick<br />
auf eine Tatbegehung mittels Computersystemen<br />
1. Allgemeines<br />
Im schweizerischen Strafrecht bestehen zwei gesetzliche Formen der Mitwirkung an<br />
einer strafbaren Tat: die Anstiftung (Art. 24 StGB) und die Gehilfenschaft (Art. 25<br />
StGB). Nach Art. 24 StGB macht sich als Anstifter derjenige strafbar, der den Täter<br />
vorsätzlich bestimmt, ein Verbrechen oder ein Vergehen zu begehen. Gemäss Art. 25<br />
StGB macht sich als Gehilfe strafbar, wer zu einem Verbrechen oder einem Vergehen<br />
vorsätzlich Hilfe leistet. Hinsichtlich der Gehilfenschaft an Widerhandlung gegen Art.<br />
261 bis Abs. 1 und 2 StGB hat der Gesetzgeber ferner Art. 261 bis Abs. 3 aufgestellt. 348<br />
344<br />
SCHWARZENEGGER, Beurteilung, 734 ff; VÖGELI, 63.<br />
345<br />
Vgl. BOESE 150; SCHWARZENEGGER, Beurteilung, 734 ff.; Hyperlinks, 395 ff.<br />
346<br />
SCHWARZENEGGER, Gefangen, 71. So wurde ein Angeklagter wegen Setzen eines Deeplinks auf eine<br />
Webseite mit rassendiskriminierendem Material von der Anschuldigung, sich gemäss Art. 261 bis Abs.<br />
3 StGB strafbar gemacht zu haben, vom Bezirksgericht Zürich mit Urteil vom 10.09.2000<br />
freigesprochen, u. A. mit der Begründung, dass weder der konkrete Kontext, noch der thematische<br />
Bezug oder die Link-Methode für ein Zu-Eigen-Machen des fremden, rassendiskriminierenden<br />
Inhaltes sprechen (Vgl. sic-2003-23_27). Das Urteil wurde am 30.09.2003 vom Zürcher Obergericht<br />
in allen Punkten bestätigt.<br />
347<br />
VÖGELI, 73.<br />
348<br />
Näheres dazu im § 5 Ziffer III.2.<br />
70
Formen der Gehilfenschaft zu Art. 261 bis Abs. 4 und Abs. 5 StGB werden hingegen<br />
nach Art. 25 StGB geprüft. 349<br />
Dabei dürfte bei der Frage nach der Anwendbarkeit des schweizerischen Strafrechts auf<br />
einen Teilnehmer nicht massgebend sein, ob er wegen der Akzessorietät zur Haupttat in<br />
der Schweiz zur Verantwortung gezogen werden kann, sondern ob ein<br />
Tatausführungsort in der Schweiz als objektives Faktum bei der Tatortbestimmung nach<br />
Art. 8 StGB gegeben ist. 350<br />
Dabei stellen sich bei einer Anstiftung und bei einer psychischen Gehilfenschaft 351<br />
keine besonderen rechtlichen Fragen, wenn die Tat mittels Computersystemen<br />
begangen wird. In den nachfolgenden Ziffern der Arbeit wird jedoch auf bestimmte<br />
nach geltendem Recht schwierig zu beantwortende Fragen eingegangen, die sich bei<br />
physischer Gehilfenschaft stellen.<br />
Subjektiv wird immer Vorsatz oder Eventualvorsatz verlangt. Auch der<br />
Gehilfenschaftsvorsatz unterteilt sich in ein Wissenselement und ein Willenselement.<br />
Das Wissenselement sollte zweifelsohne gegeben sein, wenn jemand fremde Inhalte<br />
bearbeitet und strukturiert. Für eine Strafbarkeit bei Verweisen auf andere Webseiten<br />
muss der Gehilfe wissen, dass sich dort strafbare Inhalte befinden könnten, wobei er die<br />
Haupttat nicht im Einzelnen zu kennen braucht. 352<br />
2. Content-Provider als Gehilfe<br />
Wie unter Ziffer II. dargestellt, ist es für die Beantwortung der Frage nach der<br />
Täterschaft und der Teilnahme eines Content-Prodivers wichtig, ob er eigene oder<br />
fremde Inhalte zur Verfügung stellt. Er kann sich als Täter strafbar machen, wenn er<br />
eigene Inhalte zur Verfügung stellt. Unter bestimmten Umständen kann es auch sein,<br />
dass ein Content-Provider durch ein Zusammenwirken mit einem Dritten, z. B. mit<br />
einem Medienunternehmen, welches einen verbotenen Inhalt veröffentlicht, bei der<br />
Planung, Entschliessung und Ausführung der Tat so eng zusammenwirkt, dass beide als<br />
Mittäter zu qualifizieren sind. 353<br />
349 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1275.<br />
350 SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 346.<br />
351 Dazu BGE 70 IV 19; 72 IV 100 f.; 75 IV 112; 79 IV 147.<br />
352 Vgl. DONATSCH/TAG, 163; STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 25 N 5; Art. 24 N 5.<br />
353 SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 352.<br />
71
Wenn jedoch der Content-Provider fremde Inhalte zur Verfügung stellt, kann er sich als<br />
Gehilfe zu einer der unter Strafe gestellten Handlungen strafbar machen. So sieht das<br />
deutsche Recht im § 5 Abs. 1 TDG vor, dass Content-Provider den allgemeinen<br />
Gesetzten über die Teilnahme unterworfen sind. Eine ähnliche Regelung in der Schweiz<br />
wäre wünschenswert. 354 Nach der Gehilfenschaftsregelung im Art. 25 StGB wird damit<br />
jeder kausale Beitrag des Content-Providers, der die Tat fördert, so dass sie sich ohne<br />
die Mitwirkung anders abgespielt hätte, strafbar sein. 355 Nicht erforderlich ist dabei,<br />
dass es ohne die Hilfeleistung nicht zur Tat gekommen wäre. 356<br />
Ein Content-Provider weiss in der Regel um den Inhalt der in Frage stehenden Inhalte.<br />
Als Gehilfe braucht er die Haupttat nicht im Einzelnen zu kennen. 357<br />
Das Wollenselement kann als gegeben betrachtet werden, wenn der Content-Provider<br />
um möglicherweise nach Art. 261 bis StGB strafbare Inhalte Bescheid weiss oder dies in<br />
Kauf nimmt, und nichts dagegen unternimmt.<br />
3. Host-Provider als Gehilfe<br />
Auch bei Host-Providern kommt grundsätzlich eine Strafbarkeit als Gehilfe oder<br />
gemäss dem verselbständigten Beihilfetatbestand von Art. 261 bis Abs. 3 StGB in Frage,<br />
da sie durch das Zur-Verfügung-Stellen von Speicherplatz rassendiskriminierende<br />
Webseiten fördern können. 358 Host-Provider könnten z. B. als Gehilfe zu Art. 261 bis<br />
Abs. 4 StGB in Frage kommen, wenn ein Kunde den vom Host-Provider zur Verfügung<br />
gestellten Speicherplatz dazu missbraucht, um Texte zu veröffentlichen, die<br />
Völkermord leugnen. 359<br />
Gemäss der Ansicht der Bundespolizei und der Expertenkommission<br />
Netzwerkkriminalität kann bereits das Zur-Verfügung-Stellen von Speicherkapazität<br />
des Host-Providers eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nach Art. 25 oder 261 bis Abs.<br />
3 StGB rechtfertigen. 360<br />
Um sich strafbar zu machen, muss jedoch der Host-Provider einen direkten Vorsatz<br />
haben, da eine eventualvorsätzliche Erfüllung angesichts der grossen Datenmengen auf<br />
354 NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH, 42.<br />
355 BGE 118 IV 312; 119 IV 292; 120 IV 272; 121 IV 119; 128 IV 68; 129 IV 126.<br />
356 DONATSCH/TAG, 133, m. w. H.; STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 25 N 3.<br />
357 Vgl. DONATSCH/TAG, 163; STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 25 N 5; Art. 24 N 5.<br />
358 Vgl. Gutachten BJ, 16 f.; Bundespolizei, Positionspapier, 6 f.<br />
359 NIGGLI/SCHWARZENEGGER, 61 f.; SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 329 ff., m. w. H.<br />
72
einem Web-Server nicht möglich ist. 361 Die Expertenkommission Netzwerkkriminalität<br />
kommt daher zu Recht zum Schluss, dass der Host-Provider nur strafrechtlich<br />
verantwortlich sein soll, wenn er erhaltene Hinweise auf strafbare Inhalte missachtet,<br />
und wenn ihm die Verhinderung der Nutzung der verbotenen Inhalte zumutbar ist. 362<br />
Als Hinweise sollten neben Hinweisen von Strafverfolgungsbehörden auch Hinweise<br />
aus anderen Quellen ausreichen. In diesem Sinne muss keine sichere Kenntnis um die<br />
Rechtswidrigkeit der Inhalte bestehen. 363<br />
4. Access-Provider als Gehilfe<br />
Für den Fall, dass es sich nicht um ein Mediendelikt handelt, und der Access-Povider<br />
um deliktische Inhalte Bescheid weiss, führt das Bundesamt für Justiz aus:<br />
„Ein Accessprovider kann sich als Gehilfe strafbar machen, wenn er trotz Kenntnis des<br />
deliktischen Internet-Inhaltes nicht die erforderlichen Massnahmen trifft, um die<br />
Weiterverbreitung dieses Inhalts zu unterbinden (im konkreten Fall die Sperrung des<br />
Zugangs zu diesen Seiten).“ 364<br />
Um vorsätzlich zu handeln, muss gemäss dem Bundesamt für Justiz der Access-<br />
Provider wissen, dass eine bestimmte Webseite einen deliktischen Inhalt aufweist, und<br />
dass er verpflichtet ist, diese Veröffentlichung zu verhindern. Ein rechtlich relevantes<br />
Wissen des Access-Providers bezüglich eines deliktischen Inhalts wird angenommen,<br />
wenn die betreffende Information von einer Strafverfolgungsbehörde ausgegangen ist.<br />
Wenn die Strafverfolgungsbehörde ein Verfahren gegen die Urheberschaft des<br />
fraglichen Inhalts eröffnet hat, muss der Provider davon ausgehen, dass ein<br />
hinreichender Verdacht auf einen deliktischen Charakter besteht. 365<br />
Diese Ansicht ist in der Lehre auf Kritik gestossen. Es wird zu Recht geltend gemacht,<br />
dass bei einer reinen Zugangsvermittlung, genauso wie beim Caching, der Provider von<br />
der strafrechtlichen Verantwortung befreit werden muss. 366<br />
Da die Eingriffsmöglichkeiten der Access-Provider beschränkt sind, und mit einem sehr<br />
grossen technischen Aufwand verbunden, sollte die Frage, ob es dem Acess-Provider<br />
360<br />
Bundespolizei, Positionspapier, 6 f..<br />
361<br />
Vgl. SIEBER, Verantwortlichkeit, N 211 sowie N 336 zu der Regelung in § 5 TDG.<br />
362<br />
Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 145.<br />
363<br />
Bundespolizei, Positionspapier, 6 f.; SIEBER, Verantwortlichkeit, N 341 ff.<br />
364<br />
Gutachten BJ, 27.<br />
365<br />
Gutachten BJ, 20.<br />
366<br />
NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH, 43 ff.; Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 145.<br />
73
zumutbar und möglich ist, eine Seite mit einem rechtwidrigen Inhalt zu sperren, erst in<br />
einem Gerichtsverfahren entschieden werden, das z. B. im Zusammenhang mit einer<br />
Zivilklage erfolgt. 367 Eine strafbare Gehilfenschaft des Access-Provider durch das<br />
Verschaffen eines Zugangs zu Computernetzen ist somit zu verneinen.<br />
5. Setzen von Links als Gehilfenschaft<br />
Wie im § 4 II. dargestellt, macht sich der vorsätzlich handelnde Linksetzer durch das<br />
Verweisen auf eine Webseite, die rassendiskriminierende Inhalte enthält, als Täter<br />
schuldig, wenn von einem Sich-Zu-Eigen-Machen eines Links ausgegangen werden<br />
kann. Gemäss Art. 261 bis Abs. 3 StGB macht er sich bereits dann als Täter strafbar,<br />
wenn er die Tat fördert, organisiert oder daran teilnimmt.<br />
Demgegenüber kann sich derjenige, der sich den Link nicht zu Eigen macht, jedoch<br />
z. B. auf eine Webseite verweist, die Völkermord gemäss Art. 261 bis Abs. 4 StGB<br />
leugnet, der Gehilfenschaft zu Art. 261 bis Abs. 4 StGB i. V. m. Art. 25 StGB strafbar<br />
machen.<br />
Wenn eine strafbare Tat vorliegt, muss in objektiver Hinsicht ein die Tat kausal<br />
fördernder Beitrag des Gehilfen nachgewiesen werden, wobei die Gehilfenhandlungen<br />
nach Art. 25 StGB spätestens bis zur Vollendung der Haupttat getätigt werden müssen.<br />
Nur bei Dauerdelikten (z. B. Freiheitsberaubung) und Delikten mit überschiessender<br />
Innentendenz (z. B. Diebstahl) ist die Gehilfenschaft bis zur Beendigung der Tat<br />
möglich. 368<br />
Wird eine rassendiskriminierende Tat, ähnlich wie z. B. eine üble Nachrede, zu den<br />
Zustandsdelikten gezählt, 369 kann eine nach Vollendung der Tat geleistete Tatförderung,<br />
(z. B. in der Form eines eingerichteten Hyperlinks, der auf eine bereits publizierte<br />
Webseite verweist), keine Gehilfenschaft mehr darstellen. Dies gilt auch für Art. 261 bis<br />
Abs. 3 StGB im Verhältnis zu den Tathandlungen der Art. 261 bis Abs. 1 und 2 StGB.<br />
Beim Setzen eines Hyperlinks werden jedoch die Abrufwahrscheinlichkeit und die<br />
Wirkung der Informationen, auf welche der Link hinweist zweifelsohne gefördert.<br />
Vorliegend wird daher der Auffassung gefolgt, wonach die Aufrechterhaltung einer<br />
367 Vgl. zu der ähnlichen Regelung im § 5 TDG SIEBER, Verantwortlichkeit, N 212; 286 f.<br />
368 Vgl. DONATSCH/TAG, 161 f., m. w. H.<br />
369 TRECHSEL, Art. 173 N 8.<br />
74
Rechtsgutsbeeinträchtigung (Unterlassung der Beseitigung bei ständiger<br />
Dispositionsfähigkeit über die bereitgestellten Informationen) den Tatbestand der<br />
Rassendiskriminierung erfüllt. Bis zu deren Beseitigung ist somit eine Gehilfenschaft<br />
möglich. 370<br />
IV. Gesetzgeberische Arbeit in der Schweiz auf Grund von<br />
Art. 7 ZP?<br />
Von Art. 7 ZP wird , um dem Problem von Alltagshandlungen aus dem Weg zu gehen,<br />
einzig gefordert, dass nur derjenige Teilnehmer bestraft wird, der die Verwirklichung<br />
eines in Art. 3-6 ZP aufgelisteten Straftatbestandes auch anstrebt. Ein ISP darf demnach<br />
nicht dazu angehalten werden, jeden Inhalt auf seine Rechtswidrigkeit hin zu<br />
kontrollieren, da er technisch betrachtet nicht in der Lage ist, eine effektive Kontrolle<br />
auszuüben. 371<br />
Art. 7 ZP wird bei einer ZP-Umsetzung für Gesetzesänderungen in der Schweiz von<br />
zentraler Bedeutung sein. Obschon Art. 7 ZP die Voraussetzungen für die Strafbarkeit<br />
grösstenteils den Vertragsstaaten überlässt, würde eine Ratifikation des ZP die Schweiz<br />
verpflichten, entsprechende Bestimmungen zu erlassen.<br />
Das Gutachten BJ und das Positionspapier des Bundesamtes für Polizei können mit<br />
ihren Lösungsvorschlägen die mit den Kommunikationsnetzdelikten verbundenen<br />
Probleme nicht lösen, da sie einen Entscheidungsspielraum offen lassen, der die<br />
Rechtssicherheit gefährdet. 372 So möchte das Bundesamt für Justiz die Access-Provider<br />
unter gewissen Bedingungen mit Strafe bedrohen, und sie auch zwingen, Webseiten zu<br />
sperren, obschon die Sperrungen für die Nutzer umgehbar, und für die Access-Provider<br />
mit grossem administrativen Aufwand verbunden sind. 373 Andererseits wären durch<br />
Sperrungen von grossen schweizerischen Network-Provider auch die Mehrheit der<br />
kleineren ISP automatisch an den Sperrungen mitbeteiligt.<br />
Die Gesetzgebungsvorschläge der Expertenkommission Netzwerkkriminalität sind<br />
hingegen zu begrüssen, da sie eine praktikable Lösung betreffend die Strafbarkeit der an<br />
370 Ausführlich dazu SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 363 ff.<br />
371 Explanatory Report ZP, N 45; SIEBER, Criminal Liability, 25.<br />
372 NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH, 44.<br />
75
der Datennetzkommunikation Beteiligten bieten und auch die Rechtslage in der EU<br />
berücksichtigen. 374 Die Expertenkommission schlägt ferner eine Bundeskompetenz bei<br />
kantonsübergreifenden und internationalen Fällen vor, die die Strafverfolgung im<br />
Bereich der Datennetzwerkkriminalität erheblich erleichtern kann. 375<br />
Der Autor eines rassendiskriminierenden Inhaltes und der Content-Provider sollen<br />
gemäss der Expertenkommission für die von ihnen ausgehenden illegalen Internet-<br />
Inhalte strafrechtlich verantwortlich sein. Die Strafbarkeit der Content-Provider soll<br />
sich aus (neu) Art. 28 Ziff. 2 StGB ergeben, falls sie selbst Autoren der Äusserungen<br />
sind, und aus (neu) Art. 28 Ziff. 1 StGB, falls die Texte oder Bilder von Dritten<br />
übernommen wurden. 376 Die bisherige Kaskadenordnung soll im Bereich der<br />
elektronischen Kommunikationsnetze nicht mehr gelten. 377<br />
In Bezug auf Access-Provider spricht sich die Expertenkommission<br />
Netzwerkkriminalität für die Straflosigkeit reiner Zugangsvermittlung aus. 378<br />
Den Access-Providern fehlen entgegen der Ansicht des Gutachtens BJ 379 die<br />
Voraussetzungen für die Bezeichnung als Medienverantwortliche. Wenn sich ihre<br />
Beteiligung auf die reine Zugangsvermittlung, das Zur-Verfügung-Stellen eines<br />
Internetzugangs, beschränkt, müssen sie straflos bleiben, da diese Dienstleistungen<br />
automatisch und unüberwacht ablaufen. 380<br />
Bei den Host-Providern differenziert die Expertenkommission Netzwerkkriminalität<br />
zwischen dem automatisiert ablaufenden Datentransfer, von dem sie nichts wissen,<br />
zwischen Fällen, in denen Host-Provider (evtl. nachträglich) die Strafbarkeit bestimmter<br />
Handlungen erkennen, und Fällen, in denen sie sicheres Wissen um die Strafbarkeit<br />
eines Inhalts Datei haben. Die Strafbarkeit wird auf die Fälle beschränkt, in denen die<br />
Host-Provider sicheres Wissen um die Strafbarkeit der beanstandeten Datei haben.<br />
373 Der illegale Inhalt ist nur Teil des Angebots einer Seite. Sperren kann man aber nur die ganze Seite.<br />
Vgl. auch Bundespolizei, Positionspapier, 10.<br />
374 Vgl. betreffend die Regelung der Europäischen Union NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH, 36 ff.; SIEBER,<br />
Criminal Liability, 22 f.<br />
375 Vgl. Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 134 f. Nicht zu verwechseln sind<br />
kantonsübergreifende und internationale Fälle im allgemeinen mit den Fällen, die die KOBIK als erste<br />
Ansprechstelle bearbeitet. Die letzteren weisen einen Schweizbezug auf und betreffen meistens einen<br />
Kanton. Erst die kantonalen Folgeermittlungen liefern gegebenenfalls Ansätze für<br />
kantonsübergreifende Sachverhalte.<br />
376 Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 111.<br />
377 Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 110.<br />
378 Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 95, 104.<br />
379 Gutachten BJ, 22, 25 f.<br />
380 SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 352; NIGGLI/RIKLIN/STRATENWERTH, 21; DONATSCH/TAG, 205 ff.<br />
76
Eventualvorsatz genügt nicht. Es wird jedoch nicht vorausgesetzt, dass der Hinweis aus<br />
einer zuverlässigen Quelle (z. B. von einer Strafverfolgungsbehörde) stammt. Hinweise<br />
beliebiger Personen genügen. 381 Dieser Vorschlag weicht von der Ansicht im Gutachten<br />
BJ ab, wonach der Host-Provider als subsidiär Verantwortlicher „ersten Grades“ (im<br />
Sinne der Kaskadenordnung des Medienstrafrechts) angeführt wird, da er dem Autor die<br />
Möglichkeit gibt, Inhalte auf dem Internet zu präsentieren. 382 Meistens ist der Host-<br />
Provider jedoch weder aktiv am Veröffentlichungsprozess beteiligt, noch nimmt er eine<br />
Überwachungsfunktion bei der Informationsübertragung wahr. 383<br />
Es kann somit festgehalten werden, dass die Vorschläge der Expertenkommission<br />
Netzwerkkriminalität eine gute Grundlage für die notwendige rechtliche Regelung<br />
gemäss ZP schaffen.<br />
§ 5 Öffentliches Verbreiten und Verfügbarmachen von<br />
rassistischem und fremdenfeindlichem Material<br />
I. Allgemeines<br />
Art. 3 Abs. 1 ZP verlangt, dass die Vertragsstaaten die erforderlichen gesetzgeberischen<br />
oder andere Massnahmen treffen, um das öffentliche Verbreiten oder Verfügbarmachen<br />
von rassistischem und fremdenfeindlichem Material durch Computersysteme für<br />
strafbar zu erklären.<br />
Wie im zweiten Kapitel der Arbeit dargestellt wurde, soll das rassistische und<br />
fremdenfeindliche Material gemäss Art. 2 ZP Hass, Diskriminierung oder Gewalt<br />
gegenüber Personen oder Gruppen von Personen wegen ihrer Rasse, Farbe,<br />
Abstammung, Nationalität, Ethnie oder Religion befürworten, fördern oder dazu<br />
aufstacheln.<br />
Das Verb „Befürworten“ bezieht sich dabei auf Einreden, Vorwände oder Einwände<br />
zugunsten von Hass, Diskriminierung oder Gewalt, das „Fördern“ auf eine Förderung,<br />
381<br />
Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 117.<br />
382<br />
Gutachten BJ, 14 f.<br />
383<br />
Vgl. dazu SCHWARZENEGGER, E-Commerce, 351.<br />
77
Ermutigung oder Begünstigung von Hass, Diskriminierung oder Gewalt, und das<br />
„Aufstacheln“ auf ein Antreiben, Aufreizen oder Drängen („urging“) von anderen<br />
Personen zu Hass, Diskriminierung oder Gewalt. 384<br />
II. Verbreiten<br />
1. Als objektives Tatbestandsmerkmal von Art. 3 ZP<br />
Unter “Verbreiten” von rassistischem und fremdenfeindlichem Material ist gemäss<br />
Explanatory Report ZP ein „aktives Verbreiten“ zu verstehen, ein Aktivwerden<br />
bezüglich des Ansprechens von anderen Personen. 385<br />
Bezüglich des Vorsatzes verlangt das Explanatory Report ZP, dass die Verbreitung oder<br />
das Verfügbarmachen nur strafbar sind, wenn der Vorsatz auch auf den rassistischen<br />
und fremdenfeindlichen Charakter des Materials gerichtet ist. 386<br />
2. Als objektives Tatbestandsmerkmal von Art. 261 bis Abs. 2 StGB<br />
Die schweizerische Rassendiskriminierungsstrafnorm kennt den Begriff „Verbreiten“<br />
als Tathandlung im Zusammenhang mit dem Tatbestand der Verbreitung von<br />
Ideologien nach Art. 261 bis Abs. 2 StGB. Es kann daher davon ausgegangen werden,<br />
dass dieser Begriff bei der Einführung der ZP-Bestimmungen in der Schweiz als<br />
Auslegungshilfe für den Begriff des Verbreitens herangezogen wird.<br />
Als „Verbreiten“ wird in der Lehre eine Handlung oder Äusserung verstanden, die sich<br />
an ein möglichst grosses, zahlenmässig unbestimmtes Publikum richtet, mit dem Ziel,<br />
den Empfängern einen bestimmten Inhalt oder eine Wertung zur Kenntnis zu bringen. 387<br />
Dieses Werbeziel unterscheidet die Verbreitung im Sinne von Art. 261 bis StGB von<br />
einem blossen Bekenntnis. 388 Ohne Bedeutung sind die Art und Weise der<br />
384 Explanatory Report ZP, N 14.<br />
385 „Active dissemination“, vgl. Explanatory Report ZP, N 28.<br />
386 Explanatory Report ZP, N 27.<br />
387 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 795 f.; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 36.<br />
388 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 788.<br />
78
Überbringung und die Grösse des Adressatenkreises. 389<br />
Folglich sind auch die<br />
Computersysteme als Mittel zur Verbreitung von Ideologien geeignet. 390<br />
Es kommt ferner nicht darauf an, ob das Publikum die Handlungen oder Äusserungen<br />
wirklich wahrgenommen hat. 391<br />
III. Verfügbarmachen<br />
1. Als objektives Tatbestandsmerkmal von Art. 3 ZP<br />
Der Begriff des Verfügbarmachens nach Art. 3 ZP, der im StGB nicht vorkommt, soll<br />
das Setzen von rassistischem und fremdenfeindlichem Material auf das Netz zwecks<br />
Gebrauch des Materials durch Dritte umfassen. Vom „Verfügbarmachen“ sind ferner<br />
auch die Setzung oder die Zusammenstellung von Hyperlinks zu erfassen, die zwecks<br />
Zugangserleichterung zum Material erfolgen. 392<br />
Hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale des Verbreitens und des Verfügbarmachens<br />
scheinen zwei Überlegungen wichtig zu sein.<br />
Einerseits kennzeichnet sich gemäss Explanatory Report ZP das Verbreiten durch ein<br />
aktives Tun aus, während das Anderswie-Verfügbarmachen mit einem „Setzen aufs<br />
Netz“ definiert wird, welches ausdrücklich auch das Setzen von Links erfassen soll:<br />
“Distribution” refers to the active dissemination of racist and xenophobic material, as<br />
defined in Article 2 of the Protocol, to others, while “making available” refers to the<br />
placing on line of racist and xenophobic material for the use of others. This term also<br />
intends to cover the creation or compilation of hyperlinks in order to facilitate access to<br />
389 Vgl. SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 36. In der deutschen Lehre wird hingegen unter dem<br />
Tatbestandsmerkmal der Verbreitung in §§ 86, 130, 130a, 131, und 184 D-StGB eine körperliche<br />
Übergabe verstanden, die mit einer Gewahrsamsübertragung einhergeht. Eine Verbreitung durch<br />
Computersysteme wird in der Lehre daher überwiegend abgelehnt, vgl. BOESE, 113 f., m.w.H.;<br />
RUDOLPHI, § 130 N 15. Nach neuerer Rechtsprechung genügt es jedoch für eine Verbreitung über das<br />
Internet, wenn der Nutzer von der Möglichkeit des Lesezugriffs Gebrauch gemacht hat, vgl. BGHSt<br />
47, 59 f.<br />
390 Vgl. dazu BGE vom 22.3.2000, Nr. 6S.719/1999/odi: G wurde u.a. zur Verantwortung gezogen, weil<br />
er im Internet Texte veröffentlicht hatte, in denen er behauptete, der Holocaust sei ein unbewiesener<br />
Mythos, der von den Juden benützt wurde, um in Europa politisch und finanziell Druck auszuüben.<br />
391 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 798.<br />
392 Explanatory Report ZP, N 28.<br />
79
such material. 393 Daraus wird ersichtlich, dass das Nennen der Hyperlinks nicht<br />
bedeutet, dass sie als abschliessende Beispiele gemeint sind.<br />
Andererseits kann aus der Definition gefolgert werden, dass unter dem<br />
Verfügbarmachen auch „passive Handlungen“ bzw. Unterlassungen fallen können.<br />
Dabei scheinen die Begriffe des Verbreitens und des Verfügbarmachens im Explanatory<br />
Report ZP missglückt umschrieben zu sein, da das Aktivwerden, welches als<br />
Unterscheidungsmerkmal angegeben wird, auch bei einem Verfügbarmachen gegeben<br />
sein kann. Andererseits stellen die Beispiele für das Verfügbarmachen Handlungen und<br />
nicht Unterlassungen dar. Die Definition kann jedoch so verstanden werden, dass unter<br />
dem Verbreiten ein direktes Ansprechen von Dritten gemeint ist, während es sich beim<br />
Verfügbarmachen um ein Zur-Schau-Stellen von tatbestandsmässigem Material handelt.<br />
Dabei dürfte es nicht massgebend sein, ob Dritte vom Material tatsächlich Kenntnis<br />
nehmen, es genügt, dass sie die Möglichkeit erhalten, dies zu tun.<br />
Der Begriff des Verfügbarmachens scheint somit ähnlich mit dem deutschen Begriff des<br />
Zugänglichmachens zu sein, der in §§ 130, 130a, 131, und 184 D-StGB verwendet wird.<br />
Darunter verstehen die deutsche Lehre und Rechtsprechung alle Tätigkeiten, durch<br />
welche ein Inhalt für eine andere Person verfügbar gemacht wird, indem diese Person<br />
die Möglichkeit erhält, durch sinnliche Wahrnehmung Kenntnis zu nehmen, 394 wobei<br />
auch eine Darstellung auf einem Monitor davon erfasst ist. 395<br />
Unter dem Verfügbarmachen nach Art. 3 ZP kann somit jede vorsätzliche Handlung<br />
oder Unterlassung verstanden werden, die in einer Zugangserleichterung zu<br />
rassistischem oder fremdenfeindlichem Material besteht, und die bewirkt, dass Dritte<br />
die Möglichkeit erhalten, vom Material durch sinnliche Wahrnehmung Kenntnis zu<br />
nehmen, oder in anderer Weise davon Gebrauch zu machen.<br />
Diese Begriffsumschreibung zeigt, dass der ZP-Begriff dem „Verbreiten“ nach<br />
schweizerischem Strafrecht ähnlich ist: auch vom StGB werden Handlungen erfasst,<br />
die das Ziel verfolgen, den Empfängern einen bestimmten Inhalt zur Kenntnis zu<br />
bringen, 396 wobei es nicht darauf ankommt, ob das Publikum die Handlungen oder<br />
Äusserungen wirklich wahrgenommen hat. 397<br />
393 Explanatory Report ZP, N 28.<br />
394 BOESE, 115; TRÖNDLE/FISCHER, § 184 N 13.<br />
395 BOESE, 115, mit Hinweis auf einen Entscheid des OLG Stuttgart, NStZ 1992, 38.<br />
396 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 795 f.; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 36.<br />
397 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 798.<br />
80
Die zusätzliche schweizerische Voraussetzung, dass sich die Handlung an ein möglichst<br />
grosses, zahlenmässig unbestimmtes Publikum richten muss, ist jedoch im ZP zu Recht<br />
nicht erwähnt, da diese Frage unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Tatbegehung zu<br />
beantworten ist. Ferner setzt das ZP nicht das Vorliegen eines besonderen Werbezwecks<br />
voraus.<br />
2. Tathandlungen von Art. 261 bis Abs. 2-5 StGB<br />
2.1. Allgemeines<br />
Da alle Tathandlungen der Rassendiskriminierungsstrafnorm Hass, Diskriminierung<br />
oder Gewalt entweder befürworten oder fördern oder dazu aufstacheln, können sie als<br />
Ideen oder Theorien den Inhalt eines rassistischen oder fremdenfeindlichen Materials<br />
darstellen.<br />
Ferner macht es nach Art. 261 bis StGB keinen Unterschied, ob als Tatmittel Wort,<br />
Schrift, Bilder, Gebärden oder eine andere Begehungsweise verwendet wird. 398 Es stellt<br />
sich jedoch die Frage, ob alle denkbaren Formen des Verfügbarmachens und des<br />
Verbreitens durch die Regelung im Art. 261 bis StGB erfasst werden. In den<br />
nachfolgenden Ziffern der Arbeit werden die gemäss Art. 261 bis Abs. 2, 3 und Abs. 4 1.<br />
Satzhälfte StGB 399 strafbaren Tathandlungen kurz erläutert.<br />
Ihre Tragweite kann bei einer Umsetzung des ZP in der Schweiz von Bedeutung sein,<br />
da bei der Auslegung der Begriffe „Verbreiten“ und „Verfügbarmachen“ klar gestellt<br />
wird, welche Tathandlungen bereits nach geltendem schweizerischen Strafrecht explizit<br />
erfasst werden.<br />
398 bis bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 918; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 34; TRECHSEL, Art. 261<br />
N 31 ff.; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 47. Obschon die Aufzählung dieser Tatmittel nur in Art. 261 bis<br />
Abs. 4 StGB erfolgt, kommt sie auch für die anderen Absätze von Art. 261 bis StGB in Frage, da die<br />
fehlende Aufzählung in diesen Absätzen jede denkbare Begehungsweise zulässt, vgl. NIGGLI,<br />
Rassendiskriminierung, N 917, 1019.<br />
399 bis<br />
Die Tathandlungen von Art. 261 Abs. 1 StGB wurden im 2. Kapitel der Arbeit erläutert, und die<br />
Tathandlungen von Art. 261 bis Abs. 4 2. Satzhälfte StGB werden im Zusammenhang mit Art. 6 ZP<br />
erläutert, vgl. dazu § 8.<br />
81
2.2. Verbreiten von Ideologien<br />
Nach Art. 261 bis Abs. 2 StGB wird das Verbreiten von Ideologien verboten, die auf eine<br />
systematische Herabsetzung oder Verleumdung von Angehörigen einer Rasse, Ethnie<br />
oder Religion gerichtet sind.<br />
Die Tragweite des Begriffs „Verbreiten“ wurde im Zusammenhang mit den<br />
Ausführungen in der Ziffer II des vorliegenden Paragraphs erläutert.<br />
„Herabsetzend“ nach Art. 261 bis StGB ist als eine abschätzige Bewertung zu verstehen.<br />
Es steht dem Wort „Diskriminieren“ in seiner Bedeutung nah. 400 Auf Herabsetzung<br />
gerichtet ist eine Ideologie dann, wenn sie Aussagen enthält, dass eine Person oder eine<br />
Gruppe von Personen gegenüber anderen Gruppen minderwertig sei. 401 Durch diese<br />
Behauptung wird der Kern der Persönlichkeit der Betroffenen verletzt, weil man ihre<br />
Qualität als Mensch verneint oder zumindest in Abrede stellt, und ihnen – ausdrücklich<br />
oder stillschweigend - die Position als gleichwertige, zu respektierende und zu achtende<br />
Subjekte und Mitglieder der menschlichen Gesellschaft abgesprochen wird. 402<br />
Auf Verleumdung gerichtet sind die Ideologien dann, wenn die Vertreter der Ideologien<br />
wissen, dass die herabsetzende Ideologie nicht den Tatsachen entspricht. 403<br />
Das Merkmal der Verleumdung muss im Gegensatz zu Art. 174 Ziff. 1 StGB nicht an<br />
die Voraussetzung „wider besseren Wissens“ anknüpfen. 404 Ein Handeln wider besseres<br />
Wissen ist somit nicht erforderlich. Es genügt, dass den betreffenden Personen oder<br />
Gruppen generell ein unehrenhaftes Verhalten vorgeworfen wird. 405<br />
Auf systematische Herabsetzung und Verleumdung sind nur Ideologien gerichtet, die<br />
ein ganzes Gedankengebäude darstellen, d. h. durch einen strukturierten<br />
Zusammenhang definiert sind. 406 Davon zu unterscheiden sind einzelne,<br />
zusammenhanglose oder spontan ausgedrückte Gedanken. 407<br />
400 STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 bis StGB N 9; REHBERG, StGB, 334.<br />
401 STRAUSS, 231; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 39, mit Hinweis auf NIGGLI, Rassendiskriminierung, N<br />
810 ff. Nach Niggli sind z. B. nationalsozialistische und faschistische Ideologien immer herabsetzend,<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 815.<br />
402 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 820 ff.<br />
403 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 838; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 39; ROM, 126.<br />
404 Kassationshof, 22.3.2000, Nr. 6S.719/1999/odi, S. 9, E.2.e.aa.; STRATENWERTH, BT/2 § 39 N 33;<br />
TRECHSEL, Art. 261 bis StGB N 23; a. M. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 838.<br />
405 STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 216 bis StGB, N 9; mit Hinweis auf DONATSCH/WOHLERS, 215.<br />
406 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 853, 847; ROM, 126; TRECHSEL, Art. 261 bis N 20, 24;<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 38; anderer Meinung STRAUSS, 230 f.<br />
407 Vgl. ROM, 125 f., m. w. H.<br />
82
2.3. Propagandaaktionen<br />
Art. 261 bis Abs. 3 StGB erfasst Täter, die „mit dem gleichen Ziel “ Propagandaaktionen<br />
organisieren, fördern oder daran teilnehmen. Art. 261 bis Abs. 3 StGB erklärt somit<br />
Vorbereitungs- und Beihilfehandlungen (ohne die Anstiftung) 408 zu Handlungen gemäss<br />
Art. 261 bis Abs. 1 und 2 StGB für strafbar, und verselbständigt die Teilnahme zu<br />
Täterschaft. 409 Dies hat zur Konsequenz, dass auch eine versuchte Gehilfenschaft<br />
strafbar ist. 410 Die Tathandlungen von Art. 261 bis<br />
Abs. 3 StGB erheben zudem dank den<br />
Verhaltensweisen „Organisieren“ und „Fördern“ die Vorbereitungshandlungen zu<br />
eigenständigen Delikten. 411 Das Organisieren erfasst dabei die Vorbereitung und die<br />
Planung der Propagandaaktion, 412 während das Fördern und das Teilnehmen jede aktive<br />
Unterstützung erfassen, die die Durchführung der Propagandaaktion erleichtert<br />
(Tätigkeiten von Verlegern, Händlern, Verkäufern, Verteilen von Flugblättern, Spenden<br />
von Geld, Bereitstellung von Örtlichkeiten). 413<br />
Der Ausdruck „mit dem gleichen Ziel“ bezieht sich auf Propagandaaktionen, die zum<br />
Ziel haben, zu Hass oder Diskriminierung aufzustacheln, aufzurufen oder Ideologien zu<br />
verbreiten, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung gerichtet sind. 414<br />
Der Begriff der Propaganda selber wird in 275 bis StGB (staatsgefährliche Propaganda)<br />
verwendet, wobei ihm bei Art. 261 bis StGB die gleiche Bedeutung zukommen soll. 415<br />
Darunter wird eine Werbung, ein Kommunikationsverhalten verstanden, welches in<br />
beliebigen, von anderen wahrnehmbaren Handlungen liegen kann, wie z. B.<br />
Veröffentlichungen, Plakate, Vorträge. 416 Die Art und Weise oder der Weg der<br />
Kommunikation sind dabei unbedeutend. Adressat muss die Öffentlichkeit sein. 417<br />
408 Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 902.<br />
409 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 892, 895, 901; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 41; TRECHSEL, Art.<br />
261 bis N 27; GUYAZ, 279; ROM, 132; STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 34; CHAIX/BERTOSSA, 189 f.;<br />
REHBERG, StGB, 334.<br />
410 SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 41; CHAIX/BERTOSSA, 189 f.; GUYAZ, 279.<br />
411 STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 bis StGB N 11; DONATSCH/WOHLERS, 261, m.w.H.;<br />
CHAIX/BERTOSSA, 187 f.<br />
412 ROM , 131.<br />
413 DONATSCH/WOHLERS, 216; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 906 ff.; weitere Beispiele in NIGGLI,<br />
Gerichtspraxis, 67 ff., 293 ff.<br />
414 SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 42; ROM, 131; a. M. GUYAZ, 275 ff.<br />
415 STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 34; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 887.<br />
416 BGE 68 IV 147; TRECHSEL, Art. 275 bis N 2; DONATSCH/WOHLERS, 282; STRATENWERTH, BT/2, § 46<br />
N 12; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 872.<br />
417 Botschaft, 313.<br />
83
Dieser Begriff ist zu unterscheiden von der „Propaganda“ im Sinne der Erläuterungen<br />
zum Bundesgesetz über Massnahmen gegen Rassismus, Hooliganismus und<br />
Gewaltpropaganda, wonach zwischen Propaganda im weiteren Sinne („Einwirkung auf<br />
ein unbestimmt zahlreiches Publikum mit dem Ziel, dieses gegen bestimmte Personen<br />
oder Gruppen von Personen einzunehmen“) und Propaganda im engeren Sinne (gemäss<br />
schweizerischer Lehre und Rechtsprechung zu Art. 275 bis StGB) 418 unterschieden wird.<br />
Mit der weiten Formulierung des Propagandabegriffes will die Gesetzesvorlage<br />
erreichen, dass von Art. 13 BWIS auch Propaganda erfasst wird, die nicht unter Art.<br />
261 bis Abs. 3 StGB subsumierbar ist, sowie „alle Formen von zur Gewalt aufrufenden<br />
Propaganda“ 419 .<br />
Gemäss BGE 68 IV 147 f. kann der Begriff „Propaganda“ objektiv „in beliebigen,<br />
wahrnehmbaren Handlungen liegen, z. B. im Halten von Vorträgen, Ausleihen oder<br />
Verteilen von Schriften, Ausstellen von Bildern, Tragen von Abzeichen“, auch in<br />
blossen Gebärden. Subjektiv muss über das Bewusstsein hinaus, dass die Handlung von<br />
anderen wahrgenommen wird, auch die Absicht bestehen, dass auf das Publikum im<br />
Sinne des Werbens eingewirkt wird, so dass es für die propagierten Gedanken und<br />
Werte gewonnen oder in seinen Überzeugungen bestärkt wird. 420<br />
Auf der subjektiven Seite wird Vorsatz vorausgesetzt, wobei eine Inkaufnahme, dass<br />
durch die Handlung eine Propagandaaktion vorbereitet oder unterstützt wird, genügt. 421<br />
Ein Verfügbarmachen oder Verbreiten von Material, welches eine Propagandaaktion -<br />
die zweifelsohne immer Hass, Diskriminierung, oder Gewalt im Sinne von Art. 2 ZP<br />
fördert oder befürwortet - organisiert oder fördert sowie die Teilnahme an einer<br />
Propagandaaktion mittels Computersystemen, ist somit vom geltenden Strafrecht immer<br />
erfasst.<br />
418 Als Propagandamaterial im Sinne von Art. 13 BWIS sollen dabei Schriften, Ton- oder<br />
Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände oder Darstellungen solcher Art gelten, Erläuterungen,<br />
26.<br />
419 Erläuterungen, 27. Eine Umschreibung des in der Gesetzesvorlage oft verwendeten (so in den<br />
Erläuterungen, 3, 4, 6, 9, 10, 11, 16, 18, 20, 26) und für die Vorlage zentralen Begriffs „Gewalt“ fehlt<br />
dabei in den Erläuterungen. Zum Begriff „Gewalt“ im Sinne des StGB vgl.<br />
REHBERG/SCHMID/DONATSCH, 363 f.; STRATENWERTH/JENNY, § 5 N 6; TRECHSEL, Art. 181 N 2.<br />
420 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 888.<br />
421 Vgl. STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 bis N 12; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 43; BGE 68 IV 147 ff.<br />
Als Beispiel kann an dieser Stelle der Fall des ETH-Professors angeführt werden, dem vorgeworfen<br />
wurde, sich i. S. v. Art. 261 bis Abs. 3 StGB strafbar gemacht zu haben, indem er auf seiner Homepage<br />
84
2.4. Herabsetzen und Diskriminieren<br />
Unter die erste Satzhälfte von Art. 261 bis<br />
Abs. 4 StGB fällt, wer öffentlich durch Wort,<br />
Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine<br />
Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion in einer gegen die<br />
Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt oder diskriminiert.<br />
Auffallend bei Art. 261 bis<br />
Abs. 4 1. Satzhälfte StGB ist, dass eine umfassende<br />
Aufzählung der Tathandlungsmodalitäten vorliegt. Diese Tatsache deutet darauf hin,<br />
dass die genauen Ausführungsmodalitäten und die Kommunikationsmittel unbedeutend<br />
sind. 422 Somit ist eine Tatbegehung mittels Computersystemen zweifelsohne<br />
eingeschlossen. Es spielt ferner keine Rolle, ob die Herabsetzung oder Diskriminierung<br />
mündlich, schriftlich, mittels Bildern, Gesten, Gebärden oder Tätlichkeiten geäussert<br />
wird. 423<br />
Der Ausdruck „oder in anderer Weise“ soll die Aufzählung möglicher<br />
Begehungsweisen ergänzen. 424<br />
Ein Herabsetzen kann angenommen werden, wenn einer Person oder einer Gruppe von<br />
Personen aufgrund gewisser unbeeinflussbarer Eigenschaften die Existenzberechtigung<br />
als Mensch bzw. das Lebensrecht überhaupt abgesprochen wird. 425 Die Qualität als<br />
Mensch wird auch dann abgesprochen, wenn sich die Behauptung der Minderwertigkeit<br />
oder das Absprechen gleicher Rechte nur auf einen bestimmten Bereich bezieht. 426<br />
Regelmässig unter Art. 261 bis<br />
Abs. 4 StGB fallen auch Aussagen, in welchen die<br />
Minderwertigkeit der Angehörigen einer bestimmten Gruppe behauptet wird und somit<br />
die Gleichtstellung der Gruppe mit anderen Gruppen verneint wird. 427 Dabei muss die<br />
Äusserung eine qualifizierte Bekundung der Minderwertigkeit enthalten. Dies ist z. B.<br />
gegeben, wenn eine Gruppe uneingeschränkt abgelehnt wird. 428 Ein weiterer<br />
Anwendungsfall von Art. 261 bis<br />
Abs. 4 StGB ist die öffentliche Ankündigung,<br />
diskriminierend zu handeln. Das Bundesgericht hat eine Aussage, wonach die Juden,<br />
Links zu rassistischen Webseiten angeboten hat. Die Anklage scheiterte auf der subjektiven Seite, da<br />
ihm eine rassistische Motivation nicht nachgewiesen werden konnte.<br />
422<br />
Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 917.<br />
423 bis bis<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 N 47; STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 N 13.<br />
424<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 927.<br />
425 bis<br />
TRECHSEL, Art. 261 N 34; vgl. auch STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 36.<br />
426<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 186 ff.<br />
427 bis<br />
Vgl. SCHLEIMINGER, Art. 261 N 50 ff.<br />
428<br />
Siehe NIGGLI, Gerichtspraxis, 195.<br />
85
welche Tiere schächten, nicht besser seien, als ihre früheren Nazi-Henker, als gegen die<br />
Menschenwürde verstossende Herabsetzung bewertet. 429<br />
Dass die Menschenwürde, die das geschützte Rechtsgut der Bestimmung darstellt, in<br />
Art. 261 bis<br />
Abs. 4 StGB gesondert erwähnt wird, wird in der Lehre zum Teil so<br />
verstanden, dass von Abs. 4 1. Satzteil nur besonders schwerwiegende Fälle erfasst sein<br />
sollen. 430 Da jedoch Art. 261 bis<br />
StGB insgesamt die Menschenwürde schützt, sollte dem<br />
Passus keine strafbegrenzende Funktion zugeschrieben werden. 431<br />
Der Begriff des Diskriminierens in Art. 261 bis<br />
Abs. 4 entspricht demjenigen des Abs. 1.<br />
Dazu wird deswegen auf die Ausführungen im 2. Kapitel § 3 verwiesen.<br />
2.5. Leistungsverweigerung<br />
Nach Art. 261 bis Abs. 5 StGB macht sich strafbar, wer eine von ihm angebotene<br />
Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von<br />
Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion verweigert.<br />
Das Verb „Verweigern“ wird definiert als die Verweigerung einer Leistung zu den<br />
gleichen Bedingungen, wie sie allen anderen gewährt werden. 432<br />
Als Verweigerung kommt auch das Vorenthalten von Informationen oder die bewusste<br />
Fehlinformation in Betracht. 433<br />
Der Begriff der Leistung im Art. 261 bis<br />
Abs. 5 StGB erfasst Waren-, Sach- und<br />
Dienstleistungsangebote sowie die Vermittlung solcher Leistungen 434 , ohne dass ein<br />
öffentliches Handeln erforderlich ist. 435 Wesentlich ist, dass die Täterschaft die im<br />
konkreten Fall verweigerte Leistung grundsätzlich jedermann anbietet. 436<br />
Als eine solche Leistung ist jede Leistung zu verstehen, die nicht ausschliesslich und<br />
erkennbar für eine spezifische Person oder Gruppe von Personen bestimmt ist. 437<br />
429<br />
Urteil des Bundesgerichts, Kassationshof, 26. September 2000, 6S.367/1998, E. 4 a.<br />
430<br />
KUNZ, Rechtgut, 263; RIKLIN, Rassendiskriminierung, 41.<br />
431 bis<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 N 48; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 928 ff.<br />
432<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1195.<br />
433 bis<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 N 73.<br />
434 bis<br />
Botschaft, 314; ROM, 142 f.; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1041 ff.; SCHLEIMINGER, Art. 261 N<br />
68; DONATSCH/WOHLERS, 218; STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 bis N 17.<br />
435 bis<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 N 74; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1202.<br />
436 bis<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 N 69.<br />
437<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1127.<br />
86
In der Lehre wurden verschiedene Kriterien für die Umschreibung einer für die<br />
Allgemeinheit bestimmten Leistung entwickelt. Einerseits ist eine Leistung dann für die<br />
Allgemeinheit bestimmt, wenn sie auf ein kurzlebiges Vertragsverhältnis gegründet ist,<br />
da es bei einer langen Vertragsdauer auf die Persönlichkeit des Vertragspartners<br />
ankomme. 438 GUYAZ schlägt das Kriterium des Leistungsangebots an eine<br />
Personenmehrzahl bzw. das Angebot einer Vielzahl von Leistungen vor. 439<br />
Ein weiteres Kriterium wird in der Anonymität der Kundschaft und der<br />
Standardisierung der Leistung gesehen, die z. B. bei Kinos, Theatern, Hotels und<br />
Restaurants gegeben sind. 440<br />
Diese auf einzelne Kriterien gründende Definitionen erweisen sich jedoch als<br />
unvertretbar, da ein grundsätzlicher Ausschluss von bestimmten Vertragsarten mit der<br />
RDK nicht zu vereinbaren ist. 441 Zwar will die RDK die Vertragsfreiheit nicht<br />
tangieren. So muss eine Vertragspartei die Freiheit haben, ein Vertragsangebot an eine<br />
bestimmte Person oder Gruppe von Personen zu richten oder z. B. Arbeits- oder<br />
Mietverträge mit einer frei gewählten Person abzuschliessen. Art. 261 bis<br />
Abs. 5 StGB<br />
soll jedoch immer zur Anwendung kommen, wenn die Leistungsverweigerung in einer<br />
Art und Weise erfolgt, die „mit dem im gesellschaftlichen Grundkonsens enthaltenen<br />
Verbot öffentlicher Segregation und Apartheid nicht zu vereinbaren ist“. 442<br />
Leistungsangebote sind dabei Stellen-, Wohnungs- und Heiratsinserate genauso wie<br />
Dauervertragsverhältnisse. 443<br />
In der Lehre wird zwischen positiven und negativen Diskriminierungen unterschieden.<br />
Negative Diskriminierungen bestehen, wenn ein Angebot an jedermann gerichtet ist,<br />
bestimmte Personen oder Gruppen jedoch aus rassendiskriminierenden Gründen<br />
(Zugehörigkeit zu einer Rasse, Ethnie, Religion) davon ausgenommen werden (Bsp.:<br />
Lokalverbot für Muslime). Negative Diskriminierungen fallen unter Art. 261 bis<br />
Abs. 4<br />
StGB, da sie die entsprechenden Personen als der angebotenen Leistung unwürdig<br />
erklären. 444 Positive Diskriminierungen, d.h. Fälle, in denen die Leistung von<br />
vornherein nur einer bestimmten ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe<br />
438 bis<br />
TRECHSEL, Art. 261 N 41; ROM, 142 f.<br />
439<br />
GUYAZ, 291 f.<br />
440 bis<br />
TRECHSEL, Art. 261 N 41; ROM, 142 f.; GUYAZ, 290 f., 666.<br />
441 bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1123; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 71 f.<br />
442<br />
bis<br />
DONATSCH/WOHLERS, 219; gl. M. STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 N 17.<br />
443<br />
STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 39.<br />
444<br />
Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1155 f., 1195 ff.<br />
87
angeboten werden, sind grundsätzlich zulässig, es sei denn, sie sind sachlich<br />
ungerechtfertigt und bezwecken eine negative Diskriminierung (z. B. ein<br />
Arbeitsangebot nur für „Weisse“). 445<br />
Da es für die Leistungen nach Art. 261 bis<br />
Abs. 5 StGB unbedeutend ist, worin ihr Inhalt<br />
besteht, sind auch die Internetdienste als Leistungen zu verstehen, wenn sie nicht<br />
ausschliesslich und erkennbar für eine spezifische Person oder Gruppe von Personen<br />
bestimmt sind. 446 Somit kann z. B. die Verweigerung der Errichtung einer E-Mail-<br />
Adresse, oder der Benutzung eines Informationsangebots tatbestandsmässig sein.<br />
Vom ZP ist die Tathandlung der Leistungsverweigerung im Sinne von Art. 261 bis StGB<br />
jedoch nicht erfasst.<br />
IV. Vorbehalte zu Art. 3 ZP<br />
1. Allgemeines zu den ZP-Vorbehalten<br />
Art. 12 Abs. 2 ZP hält fest, dass die Vertragsstaaten von den in Art. 3, Art. 5 und Art. 6<br />
ZP vorgesehenen Vorbehalten Gebrauch machen dürfen. Weitere Vorbehalte zum ZP<br />
sind nicht zulässig. 447<br />
Die Vorbehalte und Erklärungen müssen gemäss Art. 12 Abs. 2 ZP durch eine an den<br />
Generalsekretär des Europarats gerichtete schriftliche Notifikation bei der<br />
Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung der Ratifikations-, <strong>Anna</strong>hme-,<br />
Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde erfolgen.<br />
Jeder Unterzeichnerstaat darf ferner durch eine an den Generalsekretär des Europarates<br />
gerichtete Notifikation bei der Unterzeichnung oder der Hinterlegung seiner<br />
Ratifikations-, <strong>Anna</strong>hme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde erklären, dass er von<br />
der Möglichkeit Gebrauch macht, gemäss Artikel 5 Absatz 2 lit. a und Artikel 6 Absatz<br />
2 lit. a des ZP zusätzliche Merkmale als Voraussetzungen vorzusehen (Art. 12 Abs. 3<br />
ZP). Ferner darf er von den in Art. 22 Abs. 2 CCC 448 und Art. 41 Abs. 1 CCC<br />
vorgesehenen Vorbehalten Gebrauch machen.<br />
445 SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 72; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1158 ff.<br />
446 Vgl. zu dieser Voraussetzung NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1127.<br />
447 Vgl. Explanatory Report ZP, N 49.<br />
448 Begründen von Gerichtsbarkeit für Computerstraftaten.<br />
88
Gemäss Art. 12 Abs. 1 ZP sind schliesslich die Vorbehalte und Erklärungen zu der<br />
CCC, von denen eine Vertragspartei in der Vergangenheit Gebrauch gemacht hat, auch<br />
auf das ZP übertragbar, es sei denn, die Vertragspartei bestimmt bei der Unterzeichnung<br />
des ZP oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, <strong>Anna</strong>hme-, Genehmigungs- oder<br />
Beitrittsurkunde, 449 dass Vorbehalte, die zu Bestimmungen der CCC angebracht<br />
wurden, auf das ZP nicht zu übertragen sind. 450<br />
2. Zulässige Vorbehalte zu Art. 3 ZP<br />
Art. 3 Abs. 2 und 3 ZP sehen die Möglichkeit für die Vertragsstaaten vor, Vorbehalte in<br />
eng umschriebenen Fällen vorzusehen. Abs. 2 und Abs. 3 ZP müssen dabei im<br />
Zusammenhang zueinander ausgelegt werden. 451<br />
2.1. Fehlender Zusammenhang mit Hass oder Gewalt<br />
Gemäss Art. 3 ZP Abs. 2 darf sich ein Vertragsstaat das Recht vorbehalten, für die<br />
Handlungen gemäss Art. 3 Abs. 1 ZP keine Strafbarkeit vorzusehen, wenn das Material<br />
zwar Diskriminierung befürwortet, fördert oder dazu aufruft, jedoch nicht in<br />
Zusammenhang mit Hass oder Gewalt steht. Dabei soll jedoch der betreffende<br />
Vertragsstaat für die Bekämpfung dieses Verhaltens andere innerstaatliche Massnahmen<br />
zur Verfügung stellen, wie z. B. zivilrechtliche oder verwaltungsrechtliche<br />
Massnahmen. 452<br />
Für die Schweiz dürfte diese Vorbehaltsmöglichkeit ohne Bedeutung bleiben, da<br />
gemäss der schweizerischen Rassendiskriminierungsstrafnorm der Aufruf zu<br />
Diskriminierung, die Förderung oder Befürwortung von Diskriminierung auch dann<br />
unter Strafe gestellt sind, wenn kein Zusammenhang mit Hass oder Gewalt besteht.<br />
Auch für die Tathandlungen des ZP dürfte daher das Gleiche gelten.<br />
449 Explanatory Report ZP, N 52.<br />
450 Dies im Gegensatz zu dem in Art. 8 ZP statuierten Grundsatz, vgl. Explanatory Report ZP, N 51.<br />
451 Explanatory Report ZP, N 32.<br />
452 Explanatory Report ZP, N 32.<br />
89
2.2. Meinungsäusserungsfreiheit<br />
2.2.1. Zum Verhältnis zwischen den Bestimmungen des ZP und dem Recht auf<br />
Meinungsäusserung nach Art. 10 EMRK<br />
Gemäss Art. 3 Abs. 3 ZP darf sich ein Vertragsstaat das Recht vorbehalten, Art. 3 Abs.<br />
1 ZP in bestimmten Fällen von Diskriminierung nicht anzuwenden, wenn sie auf Grund<br />
von Prinzipien betreffend die Meinungsäusserungsfreiheit, die in ihrer nationalen<br />
Rechtsordnung verankert sind, nicht für Massnahmen gemäss Art. 3 Abs. 2 ZP sorgen<br />
kann.<br />
Bezüglich des Spannungsverhältnisses zwischen der Meinungsäusserungsfreiheit und<br />
dem Verbot rassistischer und fremdenfeindlicher Handlungen im Sinne des ZP, verweist<br />
jedoch der Explanatory Report ZP auf Art. 10 Abs. 2 EMRK, der die<br />
Meinungsäusserungsfreiheit einschränkt, wenn gewisse Meinungen und Ideen die<br />
Rechte anderer verletzen. 453 Auf Europaratsebene ist nämlich das Recht auf freie<br />
Meinungsäusserung in Art. 10 Abs. 1 EMRK enthalten, welcher die Meinungsfreiheit<br />
und die Freiheit anerkennt, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und<br />
ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben (Art. 10 Abs. 1<br />
EMRK). Gemäss Art. 10 Abs. 2 EMRK kann jedoch die Ausübung des Rechts auf freie<br />
Meinungsäusserung Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder<br />
Strafdrohungen unterworfen werden, und gestützt auf Art. 17 EMRK dürfen<br />
Missbräuche der Meinungsäusserungsfreiheit mit dem Art. 10 Abs. 2 EMRK<br />
gerechtfertigt werden.<br />
In den Materialien zum ZP wird auch die Ansicht vertreten, dass Art. 10 EMRK<br />
rassistische Äusserungen und Ideen nicht schützen darf. 454 Das ZP soll vielmehr helfen,<br />
ein Gleichgewicht zwischen der Meinungsäusserungsfreiheit nach Art. 10 EMRK und<br />
dem Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit herzustellen. 455 Dieser Ansicht<br />
ist zuzustimmen. Zwar wird durch das ZP in bestimmten Situationen das Recht auf<br />
Ausübung der Meinungsäusserung eingeschränkt. Das ZP legt jedoch gleichzeitig auch<br />
den Ausmass fest, in welchem die Meinungsäusserungsfreiheit eingeschränkt werden<br />
darf. Andererseits darf die Meinungsäusserungsfreiheit nicht dazu benutzt werden, um<br />
453 Explanatory Report ZP, N 11.<br />
454 ASSEMBLEE PARLEMENTAIRE, Internet et le droit, N 26 ff.; Explanatory Report ZP, N 11.<br />
455 PARLIAMENTARY ASSEMBLY, Doc. 9607, N 5. Vgl. auch PARLIAMENTARY ASSEMBLY,<br />
Recommendation 1543, N 1, wonach Rassismus ein Verbrechen und nicht eine Meinung darstelle.<br />
90
anderen die Menschenwürde abzusprechen und gegen das in der EMRK verankerte<br />
Diskriminierungsverbot zu verstossen. 456<br />
Diese Ausführungen gelten auch für die Regelung in Art. 261 bis StGB. Art. 261 bis StGB<br />
wurde erlassen, um der für die Schweiz aus der RDK-Unterzeichnung entstandene<br />
Verpflichtung nachzugehen. Aus Art. 4 RDK kann zwar abgeleitet werden, dass<br />
zwischen dem Diskriminierungsverbot und der Meinungsäusserungsfreiheit ein<br />
Grundrechtskonflikt besteht. 457 So geniessen in der Schweiz auch rassistische<br />
Äusserungen grundsätzlich den Schutz von Art. 16 BV.<br />
Jedoch kann ein Grundrecht Einschränkungen erfahren, die den Anforderungen von Art.<br />
36 BV entsprechen, und somit auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im<br />
öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind. 458 Da die<br />
Rassendiskriminierungsstrafnorm eine gesetzliche Grundlage darstellt (formelles<br />
Gesetz, dem das Volk zustimmte), die hinreichend bestimmt ist, 459 keine präventive<br />
Zensur im Sinne von Art. 17 BV darstellt, 460 im polizeilichen Interesse liegt, und einen<br />
verhältnismässigen Eingriff in das Recht der freien Meinungsäusserung darstellt, 461<br />
erfüllt sie diese Voraussetzungen.<br />
Die Meinungsäusserungsfreiheit von Art. 16 BV soll auch gemäss Art. 35 BV nicht<br />
schrankenlos gelten. Danach können überwiegende öffentliche Interessen eine<br />
Beschränkung dieses Grundrechts rechtfertigen. Rassistische Äusserungen bergen ein<br />
Gefährdungspotential in sich, indem sie den öffentlichen Frieden und die soziale<br />
Gerechtigkeit beeinträchtigen, und somit gegen Art. 8 Abs. 2 BV verstossen. 462<br />
Betreffend die Vereinbarkeit des Art. 261 bis<br />
StGB mit Art. 16 BV äusserte sich das<br />
Bundesgericht dahingehend, dass Art. 261 bis<br />
StGB verfassungskonform ausgelegt<br />
werden kann. 463 Im BGE 131 IV 23 ff. entschied es, dass bei der Frage nach der<br />
Zulässigkeit rassendiskriminierender Äusserungen die gleichen Voraussetzungen zu<br />
berücksichtigen seien, wie die Voraussetzungen für ehrverletzende Äusserungen. In<br />
456 bis<br />
Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 565; ROM, 101; TRECHSEL, Art. 261 N 8.<br />
457<br />
Botschaft, 304; HÄNNI, 26, 122.<br />
458<br />
Vgl. dazu PEDUZZI, 11 ff.<br />
459<br />
Vgl. nicht veröffentlichter BGE 6P 132/1999 vom 3. März 2000, E. 14.<br />
460<br />
Dazu PEDUZZI, 15.<br />
461<br />
PEDUZZI, 15 f.<br />
462<br />
Dazu ausführlich STRAUSS, 223 ff. Vgl. auch ROM, 100; sowie die RDK im Ingress.<br />
463<br />
BGE 131 IV 27 f.; Urteil des Bundesgerichts, Kassationshof, 18. März 2002, 6S.614/2001, E. 2 c/bb.<br />
Diese Ansicht wird auch in der Lehre vertreten, dazu HÄNNI, 121 ff.; RIKLIN, Rassendiskriminierung,<br />
43. Abweichend PEDUZZI, 16.<br />
91
einer politischen Diskussion verbiete es die Freiheit der Meinungsäusserung, eine<br />
Herabsetzung oder Diskriminierung im Sinne von Art. 261 bis Abs. 4 StGB leichthin zu<br />
bejahen. Den Tatbestand erfülle nicht bereits, wer über eine geschützte<br />
Bevölkerungsgruppe etwas Unvorteilhaftes äussert, solange die Kritik sachlich bleibt<br />
und sich auf objektive Umstände stützt. 464 Es sei zu berücksichtigen, dass Äusserungen<br />
zu politischen Fragen und Problemen des öffentlichen Lebens ein besonderer<br />
Stellenwert zukommt 465<br />
Die Äusserungen sind dabei nach einem älteren BGE-Entscheid nach dem Sinn zu<br />
beurteilen, den ihnen ein unbefangener Durchschnittsadressat unter den jeweiligen<br />
konkreten Umständen gibt. Handle es sich um einen Text, sei dieser nicht anhand der<br />
verwendeten Ausdrücke - je für sich allein genommen - zu würdigen, sondern nach dem<br />
Sinn, der sich als Ganzes ergibt. 466 Äusserungen, die im Rahmen politischer Debatten<br />
getätigt werden, seien nicht strikte an ihrem Wortlaut zu messen, da bei politischen<br />
Auseinandersetzungen Vereinfachungen und Übertreibungen üblich seien, 467 und es in<br />
einer Demokratie von zentraler Bedeutung sei, dass Standpunkte vertreten werden<br />
können, die für viele schockierend wirken. 468<br />
Im BGE 118 IV 153 E. 4a. wurde die Verbreitung fremder rufschädigender<br />
Äusserungen oder Handlungen, die nicht im Rahmen einer Medienarbeit erfolgen, 469 für<br />
tatbestandsmässig erklärt, auch wenn nur zitiert wird. Allenfalls könne der<br />
Rechtfertigungsgrund der Wahrung berechtigter Interessen in Frage kommen. Wenn die<br />
Verbreitung der Äusserungen oder Handlungen im Rahmen einer Medienarbeit<br />
geschehe, ist derjenige, der zitiert, vom Strafbarkeitsvorwurf zu befreien. 470<br />
464 Vgl. E. 3 des Entscheids. Im betreffenden Fall waren die folgenden Äusserungen eines Politikers zu<br />
beurteilen: „Die Freiheits-Partei weist darauf hin, dass u. a. die Einwanderer (sog. Flüchtlinge) aus<br />
dem Kosovo einen unverhältnismässig hohen Anteil an der zunehmenden Gewaltbereitschaft und<br />
Kriminalität in der Schweiz haben. Darum verlangt die Feriheitspartei die Rückschaffung sämtlicher<br />
Einwanderer aus dem Kosovo innert der ursprünglich verfügten Frist. Es hat sich mittlerweile zur<br />
ständigen Praxis entwickelt, dass aufgenommene Asylanten die Schweiz nie mehr verlassen und nach<br />
einer 12-jährigen Aufenthaltsdauer in unserem Land die praktisch bedingungslose Einbürgerung<br />
verlangen können. Die FPS will keine neuen Schweizer, die eine kriminelle Vergangenheit<br />
aufweisen.“.<br />
465 BGE 131 IV 27. Vgl. auch BGE 124 IV 124 f.; Urteil des Bundesgerichts, Kassationshof, 16.<br />
September 2003, 6S.148/2003, E. 2; DONATSCH/WOHLERS, 216.<br />
466 Vgl. BGE 117 IV 29 f.<br />
467 BGE 128 IV 58 f.; 105 IV 196.<br />
468 Vgl. BGE 127 I 173; 101 Ia 258 sowie Urteil des EGMR i. S. Thorgeirson gegen Island vom 25. Juni<br />
1992, Serie A, Bd. 239, Ziff. 63.<br />
469 Medienarbeit ist als Berichterstattung im Rahmen einer regelmässigen Information der Öffentlichkeit<br />
zu verstehen, siehe NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 635.<br />
470 Urteil des EGMR i. S. Jersdil v. Denmark, Nr. 298, siehe ÖJZ 1995, 227.<br />
92
In der Lehre wird anerkannt, dass in der Berichterstattung über den Anteil einer<br />
Bevölkerungsgruppe an der Kriminalität keine gegen die Menschenwürde verstossende<br />
Herabsetzung liege, selbst wenn dadurch ein feindseliges Klima gegen die Gruppe<br />
geschaffen werde. 471 Anders zu beurteilen seien jedoch Pauschalurteile, die sich nicht<br />
auf sachliche Gründe stützen. 472<br />
Daraus wird ersichtlich, dass es nicht wünschenswert und notwendig ist, dass die<br />
Schweiz einen Vorbehalt zugunsten der Meinungsäusserungsfreiheit anbringt.<br />
Es genügt, dass auch die Bestimmungen des ZP verfassungskonform ausgelegt werden<br />
dürfen. Zudem will das ZP auf der Grundlage internationaler und innerstaatlicher<br />
Instrumente das Ausmass festlegen, bei welchem die Verbreitung rassistischer und<br />
fremdenfeindlicher Äusserungen und Ideen die Rechte anderer verletzt. 473 Somit sind<br />
die Bestimmungen des ZP mit Art. 10 Abs. 2 und Art. 17 EMRK vereinbar.<br />
Schliesslich tragen rassistische und fremdenfeindliche Äusserungen nicht zur<br />
Wahrheitsfindung oder zur Demokratie bei und beruhen auf wissenschaftlich<br />
unbegründeten, moralisch verwerflichen und sozial ungerechten Überzeugungen.<br />
Daher darf Verhalten, welches tatbestandsmässig im Sinne des ZP ist, nicht durch das<br />
Recht auf freie Meinungsäusserung geschützt werden. Auch kann auf Grund der<br />
Menschenwürde als Rechtsgut von Art. 261 bis<br />
StGB darauf geschlossen werden, dass<br />
ein Grundrechtskonflikt nicht in Betracht kommt, wenn eine die Menschenwürde<br />
beeinträchtigende Äusserung grundrechtlichen Schutz in Anspruch nehmen will.<br />
Wer anderen ein Grundrecht abspricht, darf sich selber nicht auf den Schutz durch<br />
dieses Grundrecht berufen. 474<br />
V. Gesetzgeberische Arbeit in der Schweiz auf Grund von<br />
Art. 3 ZP?<br />
Auch wenn das ZP den Weg wählt, statt verschiedene Handlungsvarianten aufzuzählen,<br />
auf vereinfachte Weise ein „Verbreiten“ und ein „Verfügbarmachen“ von rassistischem<br />
oder fremdenfeindlichem Material vorzusehen, können die Tathandlungen von Art. 3<br />
471 DONATSCH/WOHLERS, 213; vgl. auch SCHÖNKE /SCHRÖDER, § 130 N. 5a.<br />
472 Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N. 944.<br />
473 Explanatory Report ZP, N 11.<br />
93
ZP als von Art. 261 bis StGB erfasst angesehen werden, da keine Tathandlungsvarianten<br />
denkbar sind, die nicht schon im Art. 261 bis StGB vorkommen, insbesondere Art. 261 bis<br />
Abs. 4 1. Satzhälfte StGB.<br />
Was die Begriffsumschreibung des Verbreitens im Art. 261 bis Abs. 2 StGB betrifft,<br />
entspricht sie insofern der Umschreibung der Verbreitung im Explanatory Report ZP,<br />
als auch dort ein aktives Handeln in Bezug auf das Ansprechen von Dritten verlangt<br />
wird. 475 Im Explanatory Report ZP wird jedoch zu Recht nicht von einem möglichst<br />
grossen, zahlenmässig unbestimmten Adressatenkreis bzw. Publikum gesprochen, da<br />
die Frage nach der Grösse des Adressatenkreises unter dem Gesichtspunkt der<br />
öffentlichen Tatbegehung zu beantworten ist. 476<br />
Das in der Schweiz von der Lehre zusätzlich verlangte Vorliegen eines Werbeziels,<br />
bzw. eines Bestrebens, den Adressatenkreis werbend zu beeinflussen, 477 wird beim ZP<br />
auch nicht vorgesehen. Diese Voraussetzung dürfte auch im schweizerischen Recht<br />
fallen gelassen werden, da eine Unterscheidung zwischen dem Verbreiten eines Inhalts,<br />
welcher ein blosses Bekenntnis enthält, und dem Verbreiten eines Inhalts im Bestreben,<br />
den Adressatenkreis werbend zu beeinflussen, im Ergebnis ein kaum nachzuweisendes<br />
zusätzliches subjektives Tatbestandsmerkmal schafft, und kein notwendiges objektives<br />
Merkmal der Verbreitung zu sein scheint.<br />
Die Strafbarkeit für die Verbreitung von rassistischem und fremdenfeindlichem<br />
Material kann somit bei einer solchen Auslegung des Begriffes bereits dann gegeben<br />
sein, wenn der Täter - ohne ein Werbe- oder ein Förderungsziel verfolgen zu müssen,<br />
öffentlich direkt Dritte anspricht, indem er das Material durch aktives Handeln zur<br />
Schau stellt oder in Umlauf bringt. Dass sich dabei sein Vorsatz auf alle objektiven<br />
Tatbestandsmerkmale richten muss, darunter auch auf die Verbreitung, bedarf keiner<br />
besonderen Erläuterung.<br />
474 HÄNNI, 27; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 573 ff., 581; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 26: der<br />
gleiche Grundgedanke findet sich auch in Art. 17 EMRK; gl. M. betreffend Art. 261 bis StGB<br />
DONATSCH/WOHLERS, 220.<br />
475 „Active dissemination“, vgl. Explanatory Report ZP, N 28.<br />
476 Zur Frage der Öffentlichkeit vgl. 3. Kapitel § 3. An dieser Stelle ist auch auf die treffende Ansicht von<br />
KUNZ in Zusammenhang mit der Einführung der Rassendiskriminierungsstrafnorm in der Schweiz<br />
hinzuweisen. KUNZ führte 1990 im Arbeitspapier zur Sitzung der Projektgruppe Rassendiskriminierung<br />
aus, dass das Verb des Verbreitens bereits in der vorausgesetzten Öffentlichkeit der Handlung enthalten<br />
ist.<br />
477 SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 36, m.w.H.; STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 bis StGB N 9.<br />
94
Was das Verfügbarmachen nach Art. 3 ZP betrifft, kann darunter, wie unter Ziffer III.<br />
dargestellt wurde, jede vorsätzliche Handlung verstanden werden, die ein Zur-Schau-<br />
Stellen von rassistischem und fremdenfeindlichem Material bewirkt, damit Dritte die<br />
Möglichkeit erhalten, vom Material Kenntnis zu nehmen oder davon sonst wie<br />
Gebrauch zu machen. Dabei müssen die Drittpersonen, im Gegensatz zum Verbreiten,<br />
nicht direkt angesprochen werden. Daraus wird ersichtlich, dass diese Merkmale des<br />
ZP-Begriffs vom Begriff des Verbreitens im schweizerischen Strafrecht erfasst werden.<br />
Davon werden auch Handlungen erfasst, die das Ziel verfolgen, den Empfängern einen<br />
bestimmten Inhalt zur Kenntnis zu bringen, 478 wobei es nicht darauf ankommt, ob das<br />
Publikum die Handlungen oder Äusserungen wirklich wahrgenommen hat, 479 und ob es<br />
direkt angesprochen wurde.<br />
An dieser Stelle der Arbeit ist auch das Gesetzgebungspaket „Bundesgesetz über<br />
Massnahmen gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda“ zu nennen, 480<br />
das als aktuelle Revisionsvorlage in der Schweiz bei der Beantwortung der Frage nach<br />
der Strafbarkeit für Verbreitung oder Verfügbarmachen von rassistischen und<br />
fremdenfeindlichen Bekenntnissen Klarheit schaffen könnte. Die Gesetzesvorlage vom<br />
Jahr 2002 verfolgt das Ziel, neue straf- und verwaltungsrechtliche Massnahmen für eine<br />
bessere Bekämpfung von Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda in der<br />
Schweiz einzuführen. 481 In der Vorlage wird u.a. vorgeschlagen, das StGB durch eine<br />
Bestimmung gegen Kennzeichen mit rassendiskriminierender Bedeutung (in einem<br />
neuen Art. 261 ter StGB) und durch eine Bestimmung gegen rassendiskriminierende<br />
Vereinigungen (in einem neuen Art. 261 quater StGB) zu ergänzen. Im Art. 261 ter StGB<br />
soll dabei das öffentliche Zugänglichmachen, Anpreisen, Anbieten, Ausstellen, Tragen,<br />
Zeigen und die Einfuhr, Herstellung, Lagerung und das In-Verkehr-Bringen von<br />
Kennzeichen mit rassendiskriminierender Bedeutung für strafbar erklärt werden sowie<br />
die öffentliche Verwendung von Parolen, Gesten oder Grussformeln mit<br />
rassendiskriminierender Bedeutung. Damit wird die Strafbarkeit bei rassistischen und<br />
fremdenfeindlichen Handlungen, die mittels Computersystemen begangen werden,<br />
478 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 795 f.; SCHLEIMINGER, Art. 261 bis N 36.<br />
479 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 798.<br />
480 Die parlamentarische Diskussion ist abrufbar unter<br />
http://www.parlament.ch/afs/data/d/bericht/2004/d_bericht_s_k25_0_20043224_0_20050503.htm<br />
und unter<br />
http://search.parlament.ch/cv-geschaefte?gesch_id=20043224.<br />
95
zweifelsohne auch in Fällen gegeben sein, in denen rassendiskriminierende<br />
Bekenntnisse über Computersysteme verbreitet oder verfügbar gemacht werden.<br />
Bezüglich des Vorsatzes sieht das Explanatory Report ZP vor, dass die Verbreitung<br />
oder das Verfügbarmachen nur strafbar sind, wenn der Vorsatz auch auf den<br />
rassistischen und fremdenfeindlichen Charakter des Materials gerichtet ist. 482 Im<br />
schweizerischen Strafrecht wäre diese zusätzliche Verdeutlichung überflüssig, da sich<br />
der Vorsatz immer auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale richten muss. 483<br />
§ 6 Rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Drohung<br />
I. Objektive Tatbestandsmerkmale von Art. 4 ZP<br />
Gemäss Art. 4 ZP muss jeder Vertragsstaat die erforderlichen gesetzgeberischen und<br />
anderen Massnahmen treffen, damit gemäss seinem nationalen Recht die Drohung mit<br />
dem Begehen eines gemäss innerstaatlicher Rechtsordnung schweren Delikts, 484<br />
begangen mittels eines Computersystems, für strafbar erklärt wird.<br />
Der Begriff „Drohung” bezieht sich dabei auf ein Androhen, das bei der Person, gegen<br />
die es sich richtet, die Angst vor dem Begehen des angedrohten schweren Delikts<br />
tatsächlich hervorruft. 485<br />
Die Drohung muss vorsätzlich und unbefugt und gegen Personen oder Gruppen von<br />
Personen gerichtet sein, auf Grund von ihrer Rasse, Hautfarbe, Abstammung oder<br />
nationaler oder ethnischer Herkunft, sowie auf Grund von ihrer Religionszugehörigkeit,<br />
wenn sie als Vorwand für einen der anderen Faktoren gebraucht wird. 486<br />
481<br />
Die Gesetzesvorlage ist abrufbar unter<br />
http://www.fedpol.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/extremismus_rassismus.Par.0008.File.tmp/G<br />
esetzesentwurf_d.pdf<br />
482<br />
Explanatory Report ZP, N 27.<br />
483<br />
Vgl. zu den Voraussetzungen des Vorsatzes STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 12 N 2 ff.<br />
484<br />
Welches sich z. B. gegen das Leben, die persönliche Sicherheit oder die Integrität der Person oder<br />
ihrer Angehörigen richtet, vgl. Explanatory Report ZP, N 34.<br />
485<br />
Explanatory Report ZP, N 34.<br />
486<br />
Explanatory Report ZP, N 35.<br />
96
Die Drohung im Sinne des ZP braucht nicht öffentlich zu sein 487 , weswegen z. B. auch<br />
eine über private Kommunikation, wie z. B. über E-Mail, geäusserte Drohung erfasst<br />
wird.<br />
Gegen die Bedrohung von Personen oder Gruppen mit rassistischem oder<br />
extremistischem Hintergrund müssen alle Vertragsstaaten vorgehen, da Art. 4 ZP keine<br />
Vorbehaltsmöglichkeiten vorsieht.<br />
II. Gesetzgeberische Arbeit in der Schweiz auf Grund von<br />
Art. 4 ZP?<br />
In Art. 261 bis StGB und auch sonst im StGB ist keine mit Art. 4 ZP vergleichbare<br />
Regelung enthalten. Gemäss Explanatory Report ZP ist es jedoch den Vertragsstaaten<br />
freigestellt, die Drohung als allgemeine Strafbestimmung vorzusehen, die in ihrem<br />
Wortlaut nicht speziell auf die rassistische oder fremdenfeindliche Motivation des<br />
Täters zugeschnitten ist, jedoch in ihrer Wirkung auch Drohungen von Personen oder<br />
Gruppen von Personen aufgrund ihrer Rasse, Farbe, Abstammung, Nationalität, Ethnie<br />
oder Religion erfasst. 488<br />
Diese Voraussetzung ist im schweizerischen Strafrecht erfüllt. Von Art. 180 und 258<br />
StGB, in denen eine Drohung oder eine Androhung unter Strafe gestellt werden, können<br />
einerseits auch Täter erfasst werden, die aus rassistischen und fremdenfeindlichen<br />
Beweggründen handeln. Andererseits ist es nicht massgebend, welche Mittel der Täter<br />
verwendet, weswegen auch mittels Computersystemen geäusserte Drohungen unter die<br />
Bestimmungen fallen können. 489<br />
Ferner wird den Anforderungen von Art. 4 ZP, wonach sich das Androhen bei der<br />
Person, gegen die es sich richtet, tatsächlich Angst hervorrufen soll, 490 mit Art. 180<br />
StGB entsprochen, da danach die Drohungen schwer sein müssen, und das Opfer in<br />
Angst oder Schrecken zu versetzen. Bei der Prüfung, ob eine Drohung nach Art. 180<br />
geeignet ist, in Angst oder Schrecken zu versetzen, ist nach der Praxis des<br />
Bundesgerichts auf das Empfinden eines vernünftigen Menschen mit normaler<br />
487<br />
Explanatory Report ZP, N 35.<br />
488<br />
Explanatory Report ZP, N 33.<br />
489<br />
Vgl. zum Tatbestand der Drohung nach Art. 180 StGB REHBERG/SCHMID/DONATSCH, 337; TRECHSEL,<br />
Art. 180 N 2 ff.<br />
97
psychischer Belastbarkeit abzustellen. 491 Etwas weiter geht Art. 258 StGB, welcher das<br />
Vorliegen einer Schreckung voraussetzt. 492 Da jedoch bereits der Angstbegriff in Art.<br />
180 StGB den Unrechtsgehalt von Art. 4 ZP erfasst, kann festgehalten werden, dass in<br />
der Schweiz keine neuen Bestimmungen auf Grund von Art. 4 ZP erforderlich sind.<br />
Andererseits verlangt Art. 4 ZP eine Drohung mit einem nach nationalem Recht<br />
schweren Delikt. Auch diese Voraussetzung wird von Art. 180 StGB erfüllt, da die<br />
Drohung bereits dann als schwer einzustufen ist, wenn mit einem schweren Nachteil<br />
gedroht wird, 493 ohne dass der Nachteil ein schweres Delikt darstellen muss.<br />
§ 7 Rassistisch und fremdenfeindlich motivierte<br />
Beleidigung<br />
I. Objektive Tatbestandsmerkmale von Art. 5 ZP<br />
Gemäss Art. 5 Abs. 1 ZP muss jeder Vertragsstaat einerseits gesetzgeberische oder<br />
andere Massnahmen treffen, damit gemäss seinem nationalen Recht die öffentliche<br />
Beleidigung gegenüber Personen auf Grund von ihrer Rasse, Hautfarbe, Abstammung,<br />
nationaler oder ethnischer Herkunft, sowie auf Grund von ihrer Religionszugehörigkeit,<br />
wenn sie als Vorwand für einen der anderen Faktoren gebraucht wird, begangen mittels<br />
eines Computersystems, für strafbar erklärt wird, falls sie vorsätzlich und unbefugt<br />
begangen wird. Andererseits muss jeder Vertragsstaat gesetzgeberische oder andere<br />
Massnahmen treffen, damit gemäss seinem nationalen Recht die öffentliche<br />
Beleidigung gegenüber einer Gruppe von Personen auf Grund von ihrer Rasse,<br />
Hautfarbe, Abstammung, nationaler oder ethnischer Herkunft, sowie auf Grund von<br />
ihrer Religionszugehörigkeit, wenn sie als Vorwand für einen der anderen Faktoren<br />
490 Explanatory Report ZP, N 34.<br />
491 BGE 6B_146/2007 /hum vom 24. August 2007, BGE 99 IV 212 E. 1a; 106 IV 125 E. 2. Siehe dazu<br />
auch STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 180 N 1 f.<br />
492 Der Begriff der Schreckung wird dabei in der Rechtsprechung und im BG vom 17. Juni 1994, womit<br />
Art. 258 StGB geändert wurde, nicht näher definiert, vgl. BG vom 17. Juni, in Kraft seit 1. Jan. 1995, AS<br />
1994 2290 2307; BBl 1991 II 969, 1082.<br />
493 BGE 81 IV 1906, 99 IV 215.<br />
98
gebraucht wird, für strafbar erklärt wird, falls sie vorsätzlich und unbefugt und mittels<br />
eines Computersystems begangen wird.<br />
Der Begriff „Beleidigung“ bezieht sich auf jeden offensiven, verachtenden oder<br />
beschimpfenden Ausdruck, welcher die Ehre oder die Würde beeinträchtigt.<br />
Es soll vom Ausdruck her klar sein, dass die Beleidigung direkt damit zusammenhängt,<br />
dass die beleidigte Person einem der Schutzobjekte angehört oder zu ihm zu gehören<br />
scheint.<br />
Eine Beleidigung in privaten Mitteilungen wird jedoch, anders als bei Art. 4 ZP, nicht<br />
erfasst. 494<br />
II. Zulässige Vorbehalte zu Art. 5 ZP<br />
Jeder unterzeichnende Staat darf gemäss Art. 5 Abs. 2 lit. a ZP bestimmen, dass die in<br />
Art. 5 Abs. 1 ZP erwähnten Personen oder Personengruppen durch ein solches<br />
Vorgehen auch tatsächlich, und nicht nur potentiell, Hass, Verachtung oder Verspottung<br />
ausgesetzt worden sind. Er darf sich ferner das Recht vorbehalten, auf Abs. 1 der<br />
Bestimmung ganz oder teilweise zu verzichten (Art. 5 Abs. 2 lit. b ZP).<br />
III. Gesetzgeberische Arbeit in der Schweiz auf Grund von<br />
Art. 5 ZP?<br />
Da unter „Beleidigung“ im Sinne von Art. 5 ZP jeder beleidigende oder verächtliche<br />
Ausdruck verstanden werden kann, der die Ehre und die Würde eines Menschen<br />
beeinträchtigt, 495 können die Handlungen nach Art. 5 ZP (je nach Sachverhalt) von Art.<br />
261 bis Abs. 4 1. Satzhälfte, Art. 173, 174 oder 177 StGB erfasst werden.<br />
Art. 261 bis Abs. 4 1. Satzhälfte StGB stellt eine gegen die Menschenwürde verstossende<br />
Herabsetzung und Diskriminierung unter Strafe. Die Menschenwürde ist immer dann<br />
verletzt, wenn durch eine Herabsetzung die essentiell gleichwertige und<br />
gleichberechtigte Position als Mensch abgesprochen wird. 496 Von Art. 261 bis Abs. 4 1.<br />
494 Explanatory Report ZP, N 36.<br />
495 Explanatory Report ZP, N 36.<br />
496 NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 937.<br />
99
Satzhälfte StGB könnten somit Beleidigungen erfasst werden, in denen einer Person<br />
oder einer Gruppe von Personen aufgrund gewisser unbeeinflussbarer Eigenschaften die<br />
Existenzberechtigung als Mensch abgesprochen wird. 497 Unter Art. 261 bis<br />
Abs. 4 StGB<br />
können auch Aussagen fallen, in welchen die Minderwertigkeit der Angehörigen einer<br />
bestimmten Gruppe behauptet wird, und somit die Gleichstellung der Gruppe mit<br />
anderen Gruppen verneint wird, da die betreffende Gruppe uneingeschränkt abgelehnt<br />
wird. 498 Ein weiterer Anwendungsfall wäre z. B. die öffentliche Äusserung,<br />
diskriminierend zu handeln. 499<br />
Eine an objektive Tatsachen anknüpfende Kritik gegen eine Person oder eine Gruppe<br />
von Personen wird von Art. 261 bis<br />
Abs. 4 nicht erfasst, selbst dann, wenn sie mit einem<br />
negativen Werturteil verbunden ist. 500 Die Zuschreibung einzelner Verhaltensweisen<br />
und Eigenschaften oder die Kritik einzelner Bräuche, Einstellungen, und<br />
Verhaltensnormen verletzt in der Regel die Menschenwürde nicht, es sei denn, sie<br />
impliziere eine Minderberechtigung bzw. die umfassende Minderwertigkeit einer<br />
Gruppe. 501 Rassistische Beschimpfungen werden in der Praxis als Verletzungen der<br />
Menschenwürde angesehen. 502 Uneinheitlich beurteilt wird in der Praxis die<br />
Behauptung, dass die Angehörigen einer bestimmten Gruppe besonders kriminell seien.<br />
Soweit einer solchen Aussage zu entnehmen ist, dass diese Personen nicht das gleiche<br />
Anrecht auf persönliche Freiheit hätten wie andere Menschen, wird die Menschenwürde<br />
angegriffen, und das Verhalten ist als strafbar zu beurteilen. 503<br />
Beleidigungen, die nicht unter Art. 261 bis<br />
Abs. 4 1. Satzhälfte StGB fallen, können die<br />
Voraussetzungen von Art. 173 oder 174 StGB (wenn es sich bei den Behauptungen um<br />
Tatsachenbehauptungen handelt 504 ) oder von Art. 177 StGB (wenn es sich bei den<br />
497 bis<br />
TRECHSEL, Art. 261 N 34; vgl. auch STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 36.<br />
498 bis<br />
Vgl. SCHLEIMINGER, Art. 261 N 50 ff.; NIGGLI, Gerichtspraxis, 195.<br />
499<br />
So hat das Bundesgericht die Aussage, wonach die Juden, welche Tiere schächten, nicht besser seien,<br />
als ihre früheren Nazi-Henker, als gegen die Menschenwürde verstossende Herabsetzung bewertet,<br />
vgl. Urteil des Bundesgerichts, Kassationshof, 26. September 2000, 6S.367/1998, E. 4 a.<br />
500 bis<br />
BGE 131 IV 28; STRATENWERTH/WOHLERS, Art. 261 N 13; DONATSCH/WOHLERS, 213. Vgl. auch<br />
REHBERG, StGB, 335, der als Beispiel die herabsetzende Äusserung „ gehören an die Wand gestellt“<br />
nennt, im Gegensatz zu einer Kritik, wie z. B. „faul“, die unter Umständen nur als Beschimpfung<br />
qualifiziert werden könnte.<br />
501 bis<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 N 52; DONATSCH/WOHLERS, 261; RIKLIN, Rassendiskriminierung, 41.<br />
502 bis<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 N 54 f.<br />
503<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 944.<br />
504<br />
Unter Tatsachenbehauptungen sind Äusserungen über Ereignisse oder Zustände der Gegenwart oder<br />
der Vergangenheit zu verstehen, die äusserlich in Erscheinung treten und dadurch wahrnehmbar und<br />
beweisbar sind, vgl. BGE 118 IV 44; 121 IV 81 ff.<br />
100
Behauptungen um Werturteile handelt 505 ), erfüllen. Bei rassistischen oder<br />
fremdenfeindlichen Beleidigungen, die einen offensiven, verachtenden oder<br />
beschimpfenden Ausdruck darstellen, welcher die Ehre oder Würde einer Person<br />
beeinträchtigt, dürfte es sich nämlich regelmässig um nach schweizerischem Recht<br />
ehrenrührige Aussagen handeln. Als ehrenrührige Tatsachen gelten nach der<br />
Rechtsprechung Äusserungen, bei denen ein Mangel an Pflichtgefühl,<br />
Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit vorgeworfen wird, oder bei denen eine<br />
Person einer Eigenschaft bezichtigt wird, die geeignet wäre, sie als Mensch verächtlich<br />
zu machen oder ihren Charakter in ein ungünstiges Licht zu rücken. 506<br />
Es kann somit festgehalten werden, dass jeder nach Art. 5 ZP beleidigende oder<br />
verächtliche Ausdruck, der die Ehre und die Würde eines Menschen beeinträchtigt,<br />
nach Art. 261 bis<br />
Abs. 4 1. Satzhälfte, Art. 173, Art. 174 oder Art. 177 StGB geahndet<br />
werden kann.<br />
§ 8 Leugnen, grobes Verharmlosen, Billigen,<br />
Rechtfertigung von Völkermord oder Verbrechen gegen<br />
die Menschlichkeit<br />
I. Objektive Tatbestandsmerkmale von Art. 6 ZP<br />
Artikel 6 ZP befasst sich mit der Leugnung, der groben Verharmlosung, der Billigung<br />
und der Rechtfertigung von Völkermord oder anderen Verbrechen gegen die<br />
Menschlichkeit. Die Unterzeichnerstaaten übernehmen die Verpflichtung, Äusserungen,<br />
welche Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Abrede stellen,<br />
gröblich verharmlosen, billigen oder rechtfertigen, unter Strafe zu stellen. 507<br />
505<br />
Ein Werturteil ist eine Kundgabe von Geringschätzung oder Missachtung, die sich nicht erkennbar<br />
auf Fakten bezieht, vgl. BGE 121 IV 82 ff.; 116 IV 154 f.; 93 IV 23.<br />
506<br />
BGE 105 IV 113; 93 IV 21.<br />
507<br />
Explanatory Report ZP, N 40.<br />
101
Art. 6 ZP soll klarstellen, dass historisch klare Tatsachen nicht geleugnet, verharmlost<br />
oder gerechtfertigt werden dürfen, um rassistisches und fremdenfeindliches<br />
Gedankengut oder Theorien zu unterstützen. 508 Gemäss Explanatory Report ZP<br />
beleidigt der Ausdruck solcher Ideen die Personen, welche Opfer von solchen Taten<br />
waren und deren Angehörige. Erfasst sollen auch Handlungen sein, die unter dem<br />
Vorwand wissenschaftlicher Forschung erfolgen. 509<br />
Der Begriff „Völkermord“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ soll sich nicht<br />
nur auf den Holocaust beziehen, sondern auch auf andere Verbrechen, die<br />
völkerrechtlich umschrieben und auch von anderen internationalen Gerichtshöfen als<br />
das Nürnberger Tribunal anerkannt wurden. Als Beispiele werden der Internationale<br />
Strafgerichtshof und das Internationale Straftribunal für Ex-Jugoslawien genannt. 510<br />
Erfasst werden sollen auch zukünftige Tribunale, sobald die betreffenden ZP-<br />
Vertragsstaaten ihre Gerichtsbarkeit anerkannt haben. 511<br />
II. Leugnen von Völkermord gemäss Art. 261 bis Abs. 4 2.<br />
Satzhälfte StGB<br />
In seinem zweiten Satzteil hält Art. 261 bis Abs. 4 StGB fest, dass derjenige bestraft<br />
werden soll, der aus einem der in der ersten Satzhälfte genannten Gründe Völkermord<br />
oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder<br />
zu rechtfertigen sucht. Erfasst werden Täter, die die Folgen von früher begangenen,<br />
historisch belegten schlimmsten Rassendiskriminierungsformen öffentlich leugnen,<br />
gröblich verharmlosen oder zu rechtfertigen versuchen. 512<br />
Der Unrechtgehalt der Tathandlungen des Leugnens, des Verharmlosens und des<br />
Rechtfertigens, wird als gleich angesehen. 513 Bei der Interpretation einer Äusserung<br />
wird auf das Verständnis eines Durchschnittslesers abgestellt. 514 Es kommt nicht darauf<br />
an, ob die Äusserung direkt gegenüber Angehörigen der betroffenen Gruppe erfolgt. 515<br />
508<br />
Explanatory Report ZP, N 41.<br />
509<br />
Explanatory Report ZP, N 39.<br />
510<br />
Explanatory Report ZP, N 40.<br />
511<br />
Explanatory Report ZP, N 40.<br />
512<br />
STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 37; BGE 126 IV 26.<br />
513<br />
VEST, N 96.<br />
514<br />
VEST, N 97; BGE 6S.614/2001 vom 18. März 2002, E. 3 b/cc.<br />
515 BGE 126 IV 25.<br />
102
Als Völkermord gelten die in Art. II der Internationalen Konvention über die Verhütung<br />
und Bestrafung des Verbrechens des Völkermordes aufgezählten Handlungen,<br />
namentlich das Töten, das Zufügen von schweren körperlichen und geistigen<br />
Schädigungen, das vorsätzliche Unterwerfen von Gruppen unter Lebensbedingungen,<br />
die auf deren gänzliche oder teilweise Vernichtung ausgerichtet sind, die unfreiwillige<br />
Geburtenkontrolle und das Verschleppen von Kindern einer Gruppe in eine andere. 516<br />
Gemäss der Legaldefinition im Art. 6 des Römer Statuts des Internationalen<br />
Strafgerichtshofs stellen Völkermord ferner alle Handlungen dar, die geeignet sind, und<br />
in der Absicht begangen werden, ein Volk physisch auszurotten, wie z. B.<br />
Massenmorde, Geburtenverhinderungen und Vertreibungen in Gebiete, wo sich die<br />
Betroffenen nicht mehr genügend ernähren können.<br />
Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind laut Art. 5 des Statutes des Nürnberger<br />
Militärgerichts vom 10. Dezember 1945 die Verbrechen Mord, Ausrottung,<br />
Versklavung, Deportation, Gefangenhaltung, Folter, Vergewaltigung, Verfolgung,<br />
sowie andere unmenschliche Handlungen, sofern sie im Rahmen eines bewaffneten<br />
Konfliktes (egal, ob international oder intern) begangen wurden. Gemäss Art. 7 des<br />
Römer Statuts gelten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit Angriffe gegen die<br />
körperliche Integrität wie z. B. vorsätzliche Tötung, Versklavung oder Folter, die im<br />
Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffes auf die Zivilbevölkerung<br />
begangen werden. 517<br />
Als Hauptanwendungsfall von Art. 261 bis Abs. 4 1. Satzhälfte StGB wird die<br />
„Auschwitzlüge“ hervorgehoben, da die Tatsache dieses Völkermordes durch unzählige<br />
Augenzeugen und Berichte festgestellt worden ist. 518<br />
Dieses Verbrechen gilt als eine historisch nachgewiesene Tatsache, weswegen im<br />
konkreten Strafverfahren keine Gegenbeweismittel zugelassen werden dürften. 519<br />
So vertritt das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung die Meinung, dass eine<br />
Leugnung des Holocausts angesichts der Offenkundigkeit der historischen Tatsachen<br />
ein Handeln wider besseren Wissens darstellt. 520 So stellt das Bestreiten der Existenz<br />
der Gaskammern zur Massenvernichtung für das Bundesgericht eine gröbliche<br />
516<br />
Vgl. VEST, N 89; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 971; CHAIX/BERTOSSA, 183.<br />
517<br />
Vgl. VEST, N 90.<br />
518<br />
Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 973; STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 37; BGE 121 IV 85, E.<br />
2b.cc; Kassationshof, 22.3.2000, Nr. 6S.719/1999/6, E. 2a, 2d, 8.<br />
519 bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1013; REHBERG, StGB, 335; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 58, 60.<br />
520<br />
BGE 6S.719/1999/odi vom 22 März 2000; vgl. auch BGE 121 IV 85; 127 IV 205 f.<br />
103
Verharmlosung des Holocausts dar, „weil gerade auch die (historisch einmalige)<br />
systematische Vergasung von Juden in Gaskammern die nationalsozialistische von<br />
anderen Terror-Herrschaften unterscheidet und die Gaskammern nicht zuletzt aus<br />
diesem Grunde von gewissen Kreisen u.a. zum Zwecke der Beleidigung der Juden<br />
bestritten wurden“. 521 Als gröbliche Verharmlosung erachtet das Bundesgericht die<br />
Aussage, wonach jemand in einem angeblich ausschliesslich zur Vernichtung der Juden<br />
dienenden Konzentrationslager Auschwitz überlebte, bis er von den Russen befreit<br />
wurde, und seither markerschütternde Holocaust-Geschichten erzählt, 522 nicht jedoch<br />
den Ausdruck „Holocaust-Hysterie“ an sich. 523 In der Lehre wird unter „gröblich<br />
verharmlosen“ verstanden, dass die Wirklichkeit und die Wahrhaftigkeit des<br />
Völkermords oder der Verbrechen gegen die Menschlichkeit zwar nicht bestritten<br />
werden, jedoch behauptet wird, dass das Leid der Betroffenen wesentlich geringer<br />
gewesen sei, als allgemein angenommen. 524<br />
Unter „Leugnen“ wird das Bestreiten verstanden, dass das Ereignis stattgefunden habe,<br />
auch dann, wenn es in einer Frageform formuliert ist. 525 Bestritten wird die Wirklichkeit<br />
und die Wahrheit des Ereignisses. 526 Ein Leugnen kann auch gegeben sein, wenn das<br />
Ereignis als unbewiesen präsentiert wird, etwa mit der Formulierung „behauptete<br />
Massenvernichtung“. 527 Auch die Bezeichnung als „Glaube“, „Mythos“, „Sage“ oder<br />
„gesetzlich geschützte Staatsreligion“ stellt ein Leugnen dar. 528<br />
Mit dem Begriff „zu rechtfertigen suchen“ werden keine Fakten bestritten und die<br />
begangenen Verbrechen nicht in Abrede gestellt. Vielmehr wird das begangene Unrecht<br />
legitimiert. 529<br />
Der Ausdruck „aus einem dieser Gründe“ ist umstritten. Während die Botschaft damit<br />
Opfer rassistischer oder religiös motivierter Tat erfassen wollte 530 , wird in der Lehre auf<br />
die Tatmotive von Art. 261 bis<br />
Abs. 4 1. Satzhälfte StGB („wegen ihrer Rasse, Ethnie<br />
521<br />
BGE 6P.132/1999 und 6S.488/1999 E. II/9d vom 3. März 2000; BGE 6S.719/1999/odi vom 22. März<br />
2000, E. 2e/cc; BGE 6S.614/2001/pai vom 18. März 2002, E. 3b/cc.<br />
522<br />
BGE 6P.132/1999 vom 3. März 2000, E. 10 f.<br />
523<br />
BGE 6P.132/1999 vom 3. März 2000, E. 11 c. Weitere Beispiele im BGE 6S.719/1999/odi vom 22.<br />
März 2000.<br />
524 bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 996 ff.; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 62.<br />
525<br />
VEST, N 98, m.w.H.<br />
526<br />
Sog. „tatsächlicher Aspekt“, vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 988.<br />
527<br />
BGE 6P.132/1999 vom 3. März 2000, E. 9 d; vgl. auch BGE 126 IV 27.<br />
528<br />
BGE 6S.614/2001 vom 18. März 2002, E. 3b/cc.<br />
529<br />
„Moralisch-ethischer Aspekt“, NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1003 ff.<br />
530<br />
Botschaft, 313 f.<br />
104
oder Religion“) abgestellt. 531 Die Erwähnung dieser Tatmotive lässt sich sachlich kaum<br />
rechtfertigen, da es besonders in den Fällen, in denen der Täter aus Gewinnstreben<br />
handelt, zu stossenden Resultaten führt. 532 Gegen diese zusätzliche Voraussetzung im<br />
Art. 261 bis Abs. 4 2. Satzhälfte StGB spricht auch die Tatsache, dass ein Leugnen von<br />
Völkermord ohne rassendiskriminierende Motive nicht denkbar ist. 533<br />
Wie im 3. Kapitel § 1 dargestellt wurde, schliesst sich daher die vorliegende Arbeit der<br />
Lehrmeinung an, wonach der Passus “aus einem dieser Gründe“ in Art. 261 bis Abs. 4 2.<br />
Satzhälfte StGB im Gesamtkontext des Art. 261 bis StGB als überflüssig erscheint, und<br />
ein gesetzgeberisches Missgeschick beim Erlass der Norm darstellt. 534<br />
III. Zulässige Vorbehalte zu Art. 6 ZP<br />
Gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. a ZP darf sich ein Unterzeichnerstaat das Recht vorbehalten,<br />
dass die in Art. 6 Abs. 1 ZP beschriebenen Vorgehensweisen von der Absicht geprägt<br />
sein müssen, zu Hass, Diskriminierung oder Gewalt gegenüber Personen oder<br />
Personengruppen aufzurufen.<br />
Gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. b ZP darf ein Vertragsstaat ferner ganz oder teilweise auf den<br />
Erlass einer entsprechenden Bestimmung verzichten.<br />
IV. Gesetzgeberische Arbeit in der Schweiz auf Grund von<br />
Art. 6 ZP?<br />
Die Schweiz erfüllt grundsätzlich die Anforderungen von Art. 6 ZP, da seine<br />
Tatbestandsmerkmale mit Art. 261 bis Abs. 4 2. Satzhälfte StGB weitgehend<br />
übereinstimmen. Deswegen erübrigt es sich auch, dass die Schweiz einen Vorbehalt<br />
nach Art. 6 Abs. 2 lit. b ZP anbringt.<br />
Ein Vorbehalt gemäss Art. 6 Abs. 2 lit. a ZP ist auch nicht notwendig, da Art. 261 bis<br />
Abs. 4 2. Satzhälfte StGB keine besondere Absicht voraussetzt. Nach einem Teil der<br />
531 bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1223 ff.; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 65; STRATENWERTH, BT/2,<br />
§ 39 N 37.<br />
532<br />
Vgl. DONATSCH/WOHLERS, 217.<br />
533 bis<br />
NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1228; SCHLEIMINGER, Art. 261 N 65.<br />
105
Lehre soll ferner der Täter öffentlich „aus rassistischen oder religiösen Gründen“ 535<br />
Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnen, gröblich<br />
verharmlosen oder zu rechtfertigen suchen. Somit kann ein Vorhandensein eines<br />
rassistischen Beweggrundes auch nach geltendem Recht verlangt werden.<br />
Im Zusammenhang mit der ZP-Einführung in der Schweiz wäre es jedoch<br />
wünschenswert, dass in der Schweiz als Völkermord oder als Verbrechen gegen die<br />
Menschlichkeit ausdrücklich alle Verbrechen, die von einem Internationalen<br />
Gerichtshof anerkannt wurden, auch anerkannt werden. Dies sollte auch für in Zukunft<br />
geschaffene Tribunale gelten. 536 Diese Verdeutlichung würde im schweizerischen<br />
Strafrecht für mehr Klarheit bei der Definition der Begriffe „Völkermord und<br />
Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ sorgen.<br />
Im Zusammenhang mit der Einführung von Art. 6 ZP in der Schweiz werden ferner auf<br />
Grund von Art. 2 ZP die Abstammung und die nationale Herkunft als neue<br />
Schutzobjekte von Bedeutung sein. 537<br />
534 bis<br />
SCHLEIMINGER, Art. 261 N 65; NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1226 mit Hinweis auf die nicht<br />
konsequent beachteten Vorschläge von KUNZ, dazu auch KUNZ, Bemerkungen Botschaft, 167.<br />
535<br />
Vgl. NIGGLI, Rassendiskriminierung, N 1124 ff.; STRATENWERTH, BT/2, § 39 N 37; TRECHSEL, Art.<br />
261 bis N 38.<br />
536<br />
Dies würde den Ausführungen im Explanatory Report ZP, N 40, entsprechen.<br />
537<br />
Näheres dazu im 2. Kapitel § 6.<br />
106
5. Kapitel Schlussbetrachtung und Ausblick<br />
Das ZP stellt eine Lösung dar, um den Umgang mit den Strafbestimmungen gegen<br />
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in den Vertragsstaaten des ZP zu vereinheitlichen,<br />
und zu mehr Rechtssicherheit bezüglich der Ahndung rassistischer und<br />
fremdenfeindlicher Handlungen, begangen mittels Computersystemen, beizutragen.<br />
Die Unterzeichnung und die Umsetzung des ZP in die innerstaatlichen<br />
Rechtsordnungen können jedoch Jahrzehnte dauern.<br />
Das ZP kann ferner seinen Zweck nur dann wirksam erfüllen, wenn möglichst viele<br />
Staaten beitreten, und sich auch Staaten wie die USA bereit erklären, die rechtlich<br />
garantierte Meinungsäusserungsfreiheit in bestimmten Fällen einzuschränken. Auf diese<br />
Weise könnten die Täter nicht auf Computersysteme in Staaten ausweichen, in denen<br />
ihre Handlungen nicht strafbar sind. 538<br />
Private Organisationen versuchen daher auch, zur Bekämpfung von Rassismus und<br />
Fremdenfeindlichkeit im Internet beizutragen, indem sie Webseiten mit verbotenen<br />
Inhalten aufspüren und Kontakt mit ihren Betreibern aufnehmen. In solchen Fällen<br />
können sich gemäss der Ansicht der schweizerischen Bundespolizei 539 die Host-<br />
Provider strafbar machen, wenn sie einer Sperrungsaufforderung durch Private nicht<br />
nachgehen. 540 Auch die Expertenkommission Netzwerkkriminalität kommt zum<br />
Schluss, dass ein Host-Provider strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann,<br />
wenn er Hinweise auf strafbare Inhalte missachtet, obschon ihm die Verhinderung der<br />
Nutzung der Inhalte zumutbar wäre. 541<br />
Eine Möglichkeit, um der Verbreitung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit über<br />
Computersysteme entgegenzuwirken, stellt ferner eine internationale Zusammenarbeit<br />
von ISP, indem sie Druck auf andere ISP ausüben, bestimmte Inhalte nicht auf ihren<br />
Servern zu dulden. 542 Es ergeben sich technische Möglichkeiten, durch welche z. B. ISP<br />
in den USA verschiedene Inhalte für Nutzer in Europa nicht sichtbar machen können. 543<br />
538<br />
Vgl. PARLIAMENTARY ASSEMBLY, Racism and xenophobia, N 4; PARLIAMENTARY ASSEMBLY,<br />
Recommendation 1543, N 4; TIMOFEEVA, 267; JONES, 11 f.<br />
539<br />
Heute „Bundesamt für Polizei“.<br />
540<br />
Vgl. Bundespolizei, Positionspapier, 12.<br />
541<br />
Bericht Expertenkommission Netzwerkkriminalität, 145.<br />
542<br />
Vgl. PARLIAMENTARY ASSEMBLY, Doc. 9607, N 6; Bundespolizei, Positionspapier, 10, 16.<br />
543 Bundespolizei, Positionspapier, 10, 6.<br />
107
Eine sog. Selbstregulierung der ISP ist jedoch rechtsstaatlich bedenklich, da auf diese<br />
Weise private Unternehmen und Organisationen eine zu umfassende<br />
Entscheidungsbefugnis erhalten. 544<br />
Dem Problem einer straflosen Verbreitung von rassistischen und fremdenfeindlichen<br />
Inhalten kann auch damit begegnet werden, dass in Anlehnung an das Urteil des BGH<br />
vom 12. Dezember 2000 545 die abstrakte Gefahr bei Rassendiskriminierungsdelikten im<br />
Sinne des StGB unter bestimmten Voraussetzungen als Erfolg im strafrechtlichen Sinne<br />
anerkannt wird. 546 Auf diese Weise dürfte eine im Ausland mittels Computersystemen<br />
begangene rassistische oder fremdenfeindliche Handlung in der Schweiz strafrechtlich<br />
verfolgt werden, da ein schweizerischer Erfolgsort trotz dem abstrakten<br />
Gefährdungsdelikt vorliegen würde.<br />
Auf die Strafbarkeit von rassistischen und fremdenfeindlichen Handlungen, die über<br />
Computersysteme begangen werden, werden sich auch verschiedene gegenwärtige<br />
Gesetzgebungsprojekte in der Schweiz auswirken. In erster Linie ist die<br />
parlamentarische Motion für eine rechtssichere, international möglichst harmonisierte<br />
und praktikable Regelung betreffend die strafrechtliche Verantwortlichkeit der an der<br />
Internetkommunikation Beteiligten zu nennen, 547 und der im Zusammenhang damit<br />
ausgearbeitete Bericht der Expertenkommission Netzwerkkriminalität, der die Fragen<br />
der Täterschaft und der Teilnahme ausführlich behandelt. 548<br />
An dieser Stelle muss jedoch auch auf die Initiativen und die Motionen betreffend die<br />
Abschaffung von Art. 261 bis StGB und Art. 171c MStG hingewiesen werden. 549<br />
Sollte Art. 261 bis StGB abgeschafft werden, würde einerseits das Verständnis der<br />
abstrakten Gefahr als Erfolg bei den rassendiskriminierenden Handlungen keine<br />
praktikable Lösung mehr bieten. Andererseits ist es fraglich, ob die Schweiz nach einer<br />
Abschaffung von Art. 261 bis StGB das ZP überhaupt ratifizieren, und die<br />
völkerrechtliche Verpflichtung eingehen wird, andere Normen für eine<br />
544<br />
Vgl. PARLIAMENTARY ASSEMBLY, Doc. 9607, N 7 f.;<br />
www.nzz.ch/netzstoff/2000/nzz000303rosenthal.html;<br />
www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/4953.html.<br />
545<br />
BGH-Urteil vom 12. Dezember 2000 1 StR 184/00.<br />
546<br />
Dazu ausführlich SCHWARZENEGGER, Abstrakte Gefahr.<br />
ferner als konkretes Beispiel<br />
547<br />
Motion Pfisterer, abrufbar unter www.parlament.ch/afs/data/d/gesch/2000/d_gesch_20003714.htm.<br />
548<br />
Vgl. dazu 4. Kapitel § 4 Ziffer II. und III.<br />
549<br />
Gemäss parlamentarischer Initiative eines Schweizer Demokraten vom 6. Oktober 2007,<br />
Geschäftsnummer 06.472 (abrufbar unter http://search.parlament.ch/cv-geschaefte?gesch_id=20060472).<br />
Vgl. ferner die Motion der Schweizer Demokraten vom 4. Oktober 2004, Geschäftsnummer 04.3607<br />
(abrufbar unter http://search.parlament.ch/cv-geschaefte?gesch_id=20043607).<br />
108
Kriminalisierung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu erlassen. Eine<br />
Abschaffung des Art. 261 bis StGB würde auch die schweizerische Kündigung der RDK<br />
bedeuten.<br />
Am 23. Mai 2007 fand ein Hearing zur Abschaffung, teilweiser Streichung oder<br />
Änderung von Art. 261 bis StGB, statt. Gemäss dem Arbeitspapier BJ betreffend das<br />
Hearing werden neun Varianten dargestellt, die für eine Gesetzesrevision in Frage<br />
kommen, und die von der Streichung von Art. 261 bis StGB und Art. 171c MStG<br />
(Variante 1), 550 über die Streichung von Art. 261 bis Abs. 4 2. Satzteil StGB (Variante<br />
2), 551 die Streichung von Art. 261 bis Abs. 4 2. Satzteil StGB zusammen mit Art. 261 bis<br />
Abs. 5 StGB (Variante 3) 552 und die Beschränkung auf bestimmte Völkermorde und<br />
Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Variante 4, mit 5 Untervarianten) 553 bis zur<br />
Streichung des Passus „aus einem dieser Gründe“ im Art. 261 bis Abs. 4 2. Satzteil StGB<br />
(Variante 5) 554 reichen.<br />
Die im Arbeitspapier vorgeschlagenen Gesetzesrevisionsvarianten führen somit zu ganz<br />
unterschiedlichen Ergebnissen. Deswegen entsteht der Eindruck, dass das Arbeitspapier<br />
eine klare Zielsetzung vermisst. Während z. B. die Variante 4c, wonach Art. 261 bis Abs.<br />
4 2. Satzteil StGB nur auf Völkermorde und Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />
anwendbar sein sollte, die von einem internationalen Gericht anerkannt worden sind,<br />
auch den Anforderungen des ZP entspricht, und, wie die Variante 5 (wonach der Passus<br />
„aus einem dieser Gründe“ im Art. 261 bis Abs. 4 2. Satzteil StGB zu streichen ist), zu<br />
mehr Klarheit bei der Anwendung der Bestimmung führen kann, führen die Varianten<br />
1-3 und die Variante 4a zu einer eindeutigen Einschränkung der rechtlichen Grundlagen<br />
für die Bekämpfung von Rassendiskriminierung. Dabei bestehen keine rechtlich<br />
gebotenen Gründe, die für eine Abschaffung oder für eine Streichung von Teilen des<br />
Art. 261 bis StGB sprechen. So zeigen einerseits die Lehre und die Rechsprechung zu<br />
Art. 261 bis StGB, dass die Rechtsbegriffe von Art. 261 bis StGB, genauso wie andere<br />
Rechtsbegriffe des StGB, durch Auslegung konkretisiert werden können. 555<br />
Andererseits ist, wie im 4. Kapitel § 5 IV. dargestellt wurde, eine Einschränkung des<br />
Rechts auf freie Meinungsäusserung im Fall einer rassendiskriminierenden Äusserung<br />
550 Arbeitspapier BJ, 12 f.<br />
551 Arbeitspapier BJ, 13 f.<br />
552 Arbeitspapier BJ, 14 f.<br />
553 Arbeitspapier BJ, 15 ff.<br />
554 Arbeitspapier BJ, 20.<br />
555 PEDUZZI, 17, m.w.H.; gleicher Meinung auch NAGUIB/ZANNOL.<br />
109
gerechtfertigt. Es ist daher zu hoffen, dass die Abschaffung der schweizerischen<br />
Rassendiskriminierungsstrafnorm und ein Ausbleiben der Ratifikation des ZP nicht zur<br />
Realität werden.<br />
Als aktuelle Revisionsvorlage in der Schweiz, die für die Kriminalisierung von<br />
rassistischen und fremdenfeindlichen Handlungen, begangen mittels Computersystemen<br />
von Bedeutung ist, ist schliesslich das Gesetzgebungspaket „Bundesgesetz über<br />
Massnahmen gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda“ zu nennen. 556<br />
Wie im 4. Kapitel § 5 III. dargestellt, verfolgt die Gesetzesvorlage, im Gegensatz zu den<br />
Bestrebungen für eine Abschaffung von Art. 261 bis StGB, das Ziel, neue straf- und<br />
verwaltungsrechtliche Massnahmen für eine bessere Bekämpfung von Rassismus,<br />
Hooliganismus und Gewaltpropaganda in der Schweiz einzuführen. 557<br />
Angesichts der Fülle der aktuellen Gesetzgebungsprojekte, die zumindest teilweise auch<br />
die Strafbarkeit von rassistischen und fremdenfeindlichen Handlungen, begangen über<br />
Computersysteme, betreffen, ist zu hoffen, dass im Zuge der gesetzgeberischen<br />
Arbeiten und im Vorfeld der Ratifikation des ZP eine einheitliche und praktikable<br />
Lösung gefunden wird, die auch die Handlungsaspekte der mittels<br />
Computersystemen begangenen Taten berücksichtigt.<br />
556 Die parlamentarische Diskussion ist abrufbar unter<br />
http://www.parlament.ch/afs/data/d/bericht/2004/d_bericht_s_k25_0_20043224_0_20050503.htm und<br />
unter http://search.parlament.ch/cv-geschaefte?gesch_id=20043224.<br />
557 Die Gesetzesvorlage ist abrufbar unter<br />
http://www.fedpol.admin.ch/etc/medialib/data/kriminalitaet/extremismus_rassismus.Par.0008.File.tmp/G<br />
esetzesentwurf_d.pdf.<br />
110
Anhang I<br />
Bestimmungen des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über<br />
Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels<br />
Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und<br />
fremdenfeindlicher Art (Amtliche Übersetzung in die Deutsche<br />
Sprache)<br />
Präambel...<br />
Kapitel I – Allgemeine Bestimmungen<br />
Artikel 1 – Zweck<br />
Dieses Protokoll hat zum Zweck, das am 23. November 2001 in Budapest zur<br />
Unterzeichnung aufgelegte Übereinkommen über Computerkriminalität (im folgenden<br />
als „Übereinkommen“ bezeichnet) für die Vertragsparteien des Protokolls durch die<br />
Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und<br />
fremdenfeindlicher Art zu ergänzen.<br />
Artikel 2 – Begriffsbestimmung<br />
1. Im Sinne dieses Protokolls<br />
bedeutet „rassistisches und fremdenfeindliches Material“ jedes schriftliche Material,<br />
jedes Bild oder jede andere Darstellung von Ideen oder Theorien, das beziehungsweise<br />
die Hass, Diskriminierung oder Gewalt aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der<br />
Abstammung, der nationalen oder ethnischen Herkunft oder der Religion, wenn<br />
Letztere für eines dieser Merkmale vorgeschoben wird, gegen eine Person oder eine<br />
Personengruppe befürwortet oder fördert oder dazu aufstachelt.<br />
2. Die in diesem Protokoll verwendeten Wörter und Ausdrücke werden in derselben<br />
Weise wie im Übereinkommen ausgelegt.<br />
111
Kapitel II – Massnahmen auf innerstaatlicher Ebene<br />
Artikel 3 – Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Materials über<br />
Computersysteme<br />
1. Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen<br />
Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich und unbefugt begangen, nach<br />
ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben:<br />
das Verbreiten oder anderweitige Öffentlich-verfügbar-Machen rassistischen und<br />
fremdenfeindlichen Materials über ein Computersystem.<br />
2. Eine Vertragspartei kann sich das Recht vorbehalten, die in Absatz 1 genannten<br />
Handlungen nicht unter Strafe zu stellen, wenn das Material nach Artikel 2 Absatz 1<br />
eine Diskriminierung, die nicht mit Hass oder Gewalt einhergeht, befürwortet oder<br />
fördert oder dazu aufstachelt, vorausgesetzt, dass andere wirksame Mittel zur<br />
Verfügung stehen.<br />
3. Unbeschadet des Absatzes 2 kann sich eine Vertragspartei das Recht vorbehalten,<br />
Absatz 1 auf Fälle von Diskriminierung nicht anzuwenden, für die sie wegen<br />
feststehender Grundsätze ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung in Bezug auf die<br />
Freiheit der Meinungsäußerung wirksame Mittel nach Absatz 2 nicht vorsehen kann.<br />
Artikel 4 – Rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Drohung<br />
1. Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen<br />
Maßnahmen, um folgende Handlung, wenn vorsätzlich und unbefugt begangen, nach<br />
ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben:<br />
die Drohung, eine schwere Straftat im Sinne des innerstaatlichen Rechts zu begehen,<br />
gerichtet mittels eines Computersystems i) gegen eine Person wegen ihrer<br />
Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch die Rasse, die Hautfarbe, die Abstammung,<br />
die nationale oder ethnische Herkunft oder die Religion, wenn Letztere für eines dieser<br />
Merkmale vorgeschoben wird, gekennzeichnet ist, oder ii) gegen eine Personengruppe,<br />
die durch eines dieser Merkmale gekennzeichnet ist.<br />
112
Artikel 5 – Rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Beleidigung<br />
1. Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen<br />
Maßnahmen, um folgende Handlung, wenn vorsätzlich und unbefugt begangen, nach<br />
ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben:<br />
die öffentliche Beleidigung i) einer Person wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe,<br />
die durch die Rasse, die Hautfarbe, die Abstammung, die nationale oder ethnische<br />
Herkunft oder die Religion, wenn Letztere für eines dieser Merkmale vorgeschoben<br />
wird, gekennzeichnet ist, oder ii) einer Personengruppe, die durch eines dieser<br />
Merkmale gekennzeichnet ist, mittels eines Computersystems.<br />
2. Eine Vertragspartei kann<br />
a. entweder verlangen, dass die Straftat nach Absatz 1 zur Folge hat, dass die in Absatz<br />
1 genannte Person oder Personengruppe Hass oder Verachtung ausgesetzt oder der<br />
Lächerlichkeit preisgegeben wird,<br />
b. oder sich das Recht vorbehalten, Absatz 1 insgesamt oder teilweise nicht<br />
anzuwenden.<br />
Artikel 6 – Leugnung, grobe Verharmlosung, Billigung oder Rechtfertigung von<br />
Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit<br />
1. Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen, um<br />
folgende Handlungen, wenn vorsätzlich und unbefugt begangen, nach ihrem<br />
innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben:<br />
das Verbreiten oder anderweitige Öffentlich-verfügbar-Machen von Material folgender<br />
Art über ein Computersystem: Material, das Handlungen leugnet, grob verharmlost,<br />
billigt oder rechtfertigt, die den Tatbestand des Völkermords oder von Verbrechen<br />
gegen die Menschlichkeit im Sinne des Völkerrechts erfüllen und die als solche<br />
festgestellt wurden in rechtskräftigen Endentscheidungen des durch das Londoner<br />
Abkommen vom 8. April 1945 errichteten Internationalen Militärgerichtshofs oder<br />
eines anderen internationalen Gerichts, das durch einschlägige internationale<br />
Übereinkünfte errichtet wurde und dessen Zuständigkeit von der betreffenden<br />
Vertragspartei anerkannt worden ist.<br />
113
2. Eine Vertragspartei kann<br />
a. entweder verlangen, dass die Leugnung oder grobe Verharmlosung nach Absatz 1 in<br />
der Absicht begangen wird, zu Hass, Diskriminierung oder Gewalt aufgrund der Rasse,<br />
der Hautfarbe, der Abstammung, der nationalen oder ethnischen Herkunft oder der<br />
Religion, wenn Letztere für eines dieser Merkmale vorgeschoben wird, gegen eine<br />
Person oder Personengruppe aufzustacheln,<br />
b. oder sich das Recht vorbehalten, Absatz 1 insgesamt oder teilweise nicht<br />
anzuwenden.<br />
Artikel 7 – Beihilfe und Anstiftung<br />
Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen<br />
Maßnahmen, um die Beihilfe oder Anstiftung, wenn vorsätzlich und unbefugt<br />
begangen, zur Begehung einer nach diesem Protokoll umschriebenen Straftat mit dem<br />
Vorsatz, dass eine solche Straftat begangen werde, nach ihrem innerstaatlichen Recht<br />
als Straftat zu umschreiben.<br />
Kapitel III – Verhältnis zwischen dem Übereinkommen und diesem Protokoll<br />
Artikel 8 – Verhältnis zwischen dem Übereinkommen und diesem Protokoll<br />
1. Die Artikel 1, 12, 13, 22, 41, 44, 45 und 46 des Übereinkommens finden<br />
entsprechend auf dieses Protokoll Anwendung.<br />
2. Die Vertragsparteien erstrecken den Geltungsbereich der Maßnahmen nach den<br />
Artikeln 14 bis 21 und 23 bis 35 des Übereinkommens auf die Artikel 2 bis 7 dieses<br />
Protokolls.<br />
114
Kapitel IV – Schlussbestimmungen<br />
Artikel 9 – Zustimmung, gebunden zu sein<br />
1. Dieses Protokoll liegt für die Staaten, die das Übereinkommen unterzeichnet haben,<br />
zur Unterzeichnung auf; sie können ihre Zustimmung, gebunden zu sein, ausdrücken,<br />
a. indem sie es ohne Vorbehalt der Ratifikation, <strong>Anna</strong>hme oder Genehmigung<br />
unterzeichnen oder<br />
b. indem sie es vorbehaltlich der Ratifikation, <strong>Anna</strong>hme oder Genehmigung<br />
unterzeichnen und später ratifizieren, annehmen oder genehmigen.<br />
2. Ein Staat kann dieses Protokoll nur dann ohne Vorbehalt der Ratifikation, <strong>Anna</strong>hme<br />
oder Genehmigung unterzeichnen oder eine Ratifikations-, <strong>Anna</strong>hme- oder<br />
Genehmigungsurkunde hinterlegen, wenn er eine Ratifikations-, <strong>Anna</strong>hme- oder<br />
Genehmigungsurkunde zum Übereinkommen bereits hinterlegt hat oder gleichzeitig<br />
hinterlegt.<br />
3. Die Ratifikations-, <strong>Anna</strong>hme- oder Genehmigungsurkunden werden beim<br />
Generalsekretär des Europarats hinterlegt.<br />
Artikel 10 – Inkrafttreten<br />
1. Dieses Protokoll tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt<br />
von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem fünf Staaten nach Artikel 9 ihre<br />
Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Protokoll gebunden zu sein.<br />
2. Für jeden Staat, der später seine Zustimmung ausdrückt, durch dieses Protokoll<br />
gebunden zu sein, tritt es am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen<br />
Zeitabschnitt von drei Monaten nach der Unterzeichnung ohne Vorbehalt der<br />
Ratifikation, <strong>Anna</strong>hme oder Genehmigung oder der Hinterlegung seiner Ratifikations-,<br />
<strong>Anna</strong>hme- oder Genehmigungsurkunde folgt.<br />
115
Artikel 11 – Beitritt<br />
1. Nach Inkrafttreten dieses Protokolls kann jeder Staat, der dem Übereinkommen<br />
beigetreten ist, auch diesem Protokoll beitreten.<br />
2. Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generalsekretär<br />
des Europarats; diese wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen<br />
Zeitabschnitt von drei Monaten nach der Hinterlegung folgt.<br />
Artikel 12 – Vorbehalte und Erklärungen<br />
1. Vorbehalte und Erklärungen einer Vertragspartei zu einer Bestimmung des<br />
Übereinkommens finden auch auf dieses Protokoll Anwendung, sofern die betreffende<br />
Vertragspartei bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-,<br />
<strong>Anna</strong>hme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde nicht ihre gegenteilige Absicht zum<br />
Ausdruck bringt.<br />
2. Jede Vertragspartei kann durch eine an den Generalsekretär des Europarats<br />
gerichtete schriftliche Notifikation bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung<br />
ihrer Ratifikations-, <strong>Anna</strong>hme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde erklären, dass<br />
sie von einem oder mehreren der in den Artikeln 3, 5 und 6 dieses Protokolls<br />
vorgesehenen Vorbehalte Gebrauch macht. Zugleich kann eine Vertragspartei von<br />
einem oder mehreren der in Artikel 22 Absatz 2 und Artikel 41 Absatz 1 des<br />
Übereinkommens vorgesehenen Vorbehalte in Bezug auf dieses Protokoll Gebrauch<br />
machen, unabhängig davon, wie sie jene Bestimmungen in Bezug auf das<br />
Übereinkommen durchführt. Weitere Vorbehalte sind nicht zulässig.<br />
3. Jeder Staat kann durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete<br />
schriftliche Notifikation bei der Unterzeichnung oder der Hinterlegung seiner<br />
Ratifikations-, <strong>Anna</strong>hme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde erklären, dass er von<br />
der Möglichkeit nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a und Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe<br />
a dieses Protokolls Gebrauch macht, ergänzende Merkmale zu verlangen.<br />
116
Artikel 13 – Status und Rücknahme von Vorbehalten<br />
1. Eine Vertragspartei, die einen Vorbehalt nach Artikel 12 gemacht hat, nimmt diesen<br />
Vorbehalt ganz oder teilweise zurück, sobald die Umstände es erlauben. Diese<br />
Rücknahme wird mit Eingang einer Notifikation über die Rücknahme beim<br />
Generalsekretär des Europarats wirksam. Wird in der Notifikation angegeben, dass die<br />
Rücknahme eines Vorbehalts zu einem bestimmten Zeitpunkt wirksam werden soll,<br />
und liegt dieser nach dem Eingang der Notifikation beim Generalsekretär, so wird die<br />
Rücknahme zu diesem späteren Zeitpunkt wirksam.<br />
2. Der Generalsekretär des Europarats kann sich in regelmäßigen Zeitabständen bei den<br />
Vertragsparteien, die einen oder mehrere Vorbehalte nach Artikel 12 gemacht haben,<br />
nach den Aussichten für eine etwaige Rücknahme erkundigen.<br />
Artikel 14 – Räumlicher Geltungsbereich<br />
1. Jede Vertragspartei kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung ihrer<br />
Ratifikations-, <strong>Anna</strong>hme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde einzelne oder mehrere<br />
Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses Protokoll Anwendung findet.<br />
2. Jede Vertragspartei kann jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des<br />
Europarats gerichtete Erklärung die Anwendung dieses Protokolls auf jedes weitere in<br />
der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken. Das Protokoll tritt für dieses<br />
Hoheitsgebiet am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei<br />
Monaten nach Eingang der Erklärung beim Generalsekretär folgt.<br />
3. Jede nach den Absätzen 1 und 2 abgegebene Erklärung kann in Bezug auf jedes<br />
darin bezeichnete Hoheitsgebiet durch eine an den Generalsekretär des Europarats<br />
gerichtete Notifikation zurückgenommen werden. Die Rücknahme wird am ersten Tag<br />
des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der<br />
Notifikation beim Generalsekretär folgt.<br />
117
Artikel 15 – Kündigung<br />
1. Jede Vertragspartei kann dieses Protokoll jederzeit durch eine an den<br />
Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation kündigen.<br />
2. Die Kündigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt<br />
von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.<br />
Artikel 16 – Notifikation<br />
Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Europarats, den<br />
Nichtmitgliedstaaten, die sich an der Ausarbeitung dieses Protokolls beteiligt haben,<br />
sowie jedem Staat, der diesem Protokoll beigetreten oder zum Beitritt eingeladen<br />
worden ist,<br />
a. jede Unterzeichnung;<br />
b. jede Hinterlegung einer Ratifikations-, <strong>Anna</strong>hme-, Genehmigungs- oder<br />
Beitrittsurkunde;<br />
c. jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach den Artikeln 9, 10 und 11;<br />
d. jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit diesem<br />
Protokoll.<br />
Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll<br />
unterschrieben.<br />
Geschehen zu Straßburg am 28. Januar 2003 in englischer und französischer Sprache,<br />
wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv<br />
des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen<br />
Mitgliedstaaten des Europarats, den Nichtmitgliedstaaten, die sich an der Ausarbeitung<br />
des Protokolls beteiligt haben, sowie allen zum Beitritt zu diesem Protokoll<br />
eingeladenen Staaten beglaubigte Abschriften.<br />
118
Anhang II<br />
Additional Protocol to the Convention on cybercrime, concerning the<br />
criminalisation of acts of a racist and xenophobic nature committed<br />
through computer systems<br />
Explanatory Report<br />
The text of this Explanatory Report does not constitute an instrument providing an<br />
authoritative interpretation of the Protocol, although it might be of such a nature as to<br />
facilitate the application of the provisions contained therein. This Protocol will be<br />
opened for signature in Strasbourg, on 28 January 2003, on the occasion of the First<br />
Part or the 2003 Session of the Parliamentary Assembly.<br />
Introduction<br />
1. Since the adoption in 1948 of the Universal Declaration of Human Rights, the<br />
international community has made important progress in the fight against racism, racial<br />
discrimination, xenophobia and related intolerance. National and international laws<br />
have been enacted and a number of international human rights instruments have been<br />
adopted, in particular, the International Convention of New York of 1966 on the<br />
Elimination of All Forms of Racial Discrimination, concluded in the framework of the<br />
United Nations needs to be mentioned (CERD). Although progress has been made, yet,<br />
the desire for a world free of racial hatred and bias remains only partly fulfilled.<br />
2. As technological, commercial and economic developments bring the peoples of the<br />
world closer together, racial discrimination, xenophobia and other forms of intolerance<br />
continue to exist in our societies. Globalisation carries risks that can lead to exclusion<br />
and increased inequality, very often along racial and ethnic lines.<br />
3. In particular, the emergence of international communication networks like the<br />
Internet provide certain persons with modern and powerful means to support racism and<br />
xenophobia and enables them to disseminate easily and widely expressions containing<br />
such ideas. In order to investigate and prosecute such persons, international co-<br />
operation is vital. The Convention on Cybercrime (ETS 185) hereinafter referred to as<br />
“the Convention”, was drafted to enable mutual assistance concerning computer related<br />
crimes in the broadest sense in a flexible and modern way. The purpose of this Protocol<br />
is twofold: firstly, harmonising substantive criminal law in the fight against racism and<br />
119
xenophobia on the Internet and, secondly, improving international co-operation in this<br />
area. This kind of harmonisation alleviates the fight against such crimes on the national<br />
and on the international level. Corresponding offences in domestic laws may prevent<br />
misuse of computer systems for a racist purpose by Parties whose laws in this area are<br />
less well defined. As a consequence, the exchange of useful common experiences in the<br />
practical handling of cases may be enhanced too. International co-operation (especially<br />
extradition and mutual legal assistance) is facilitated, e.g. regarding requirements of<br />
double criminality.<br />
4. The committee drafting the Convention discussed the possibility of including other<br />
content-related offences, such as the distribution of racist propaganda through computer<br />
systems. However, the committee was not in a position to reach consensus on the<br />
criminalisation of such conduct. While there was significant support in favour of<br />
including this as a criminal offence, some delegations expressed strong concern about<br />
including such a provision on freedom of expression grounds. Noting the complexity of<br />
the issue, it was decided that the committee would refer to the European Committee on<br />
Crime Problems (CDPC) the issue of drawing up an additional Protocol to the<br />
Convention.<br />
5. The Parliamentary Assembly, in its Opinion 226(2001) concerning the Convention,<br />
recommended immediately drawing up a protocol to the Convention under the title<br />
“Broadening the scope of the convention to include new forms of offence”, with the<br />
purpose of defining and criminalising, inter alia, the dissemination of racist propaganda.<br />
6. The Committee of Ministers therefore entrusted the European Committee on Crime<br />
Problems (CDPC) and, in particular, its Committee of Experts on the Criminalisation of<br />
Acts of a Racist and xenophobic Nature committed through Computer Systems (PC-<br />
RX), with the task of preparing a draft additional Protocol, a binding legal instrument<br />
open to the signature and ratification of Contracting Parties to the Convention, dealing<br />
in particular with the following:<br />
i. the definition and scope of elements for the criminalisation of acts of a racist and<br />
xenophobic nature committed through computer networks, including the production,<br />
offering, dissemination or other forms of distribution of materials or messages with such<br />
content through computer networks;<br />
ii. the extent of the application of substantive, procedural and international co-operation<br />
provisions in the Convention on Cybercrime to the investigation and prosecution of the<br />
offences to be defined under the additional Protocol.<br />
120
7. This Protocol entails an extension of the Convention’s scope, including its<br />
substantive, procedural and international cooperation provisions, so as to cover also<br />
offences of racist and xenophobic propaganda. Thus, apart from harmonising the<br />
substantive law elements of such behaviour, the Protocol aims at improving the ability<br />
of the Parties to make use of the means and avenues of international cooperation set out<br />
in the Convention in this area.<br />
Commentary on the articles of the Protocol<br />
Chapter I – Common provisions<br />
Article 1 – Purpose<br />
8. The purpose of this Protocol is to supplement, as between the Parties to the Protocol,<br />
the provisions of the Convention as regards the criminalisation of acts of a racist and<br />
xenophobic nature committed through computer systems.<br />
9. The provisions of the Protocol are of a mandatory character. To satisfy these<br />
obligations, States Parties have not only to enact appropriate legislation but also to<br />
ensure that it is effectively enforced.<br />
Article 2 – Definition<br />
Paragraph 1 – "Racist and xenophobic material"<br />
10. Several legal instruments have been elaborated at an international and national level<br />
to combat racism or xenophobia. The drafters of this Protocol took account in particular<br />
of (i) the International Convention on the Elimination of All Forms of Racial<br />
Discrimination (CERD), (ii) Protocol No. 12 (ETS 177) to the Convention for the<br />
Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms (ECHR), (iii) the Joint Action<br />
of 15 July 1996 of the European Union adopted by the Council on the basis of Article<br />
K.3 of the Treaty on the European Union, concerning action to combat racism and<br />
xenophobia, (iv) the World Conference against Racism, Racial Discrimination,<br />
Xenophobia and Related Intolerance (Durban, 31 August-8 September 2001), (v) the<br />
conclusions of the European Conference against racism (Strasbourg, 13 October 2000)<br />
(vi) the comprehensive study published by the Council of Europe Commission against<br />
Racism and Xenophobia (ECRI) published in August 2000 (CRI(2000)27) and (vii) the<br />
November 2001 Proposal by the European Commission for a Council Framework<br />
Decision on combating racism and xenophobia (in the framework of the European<br />
Union).<br />
121
11. Article 10 of the ECHR recognises the right to freedom of expression, which<br />
includes the freedom to hold opinions and to receive and impart information and ideas.<br />
Article 10 of the ECHR is applicable not only to information and ideas that are<br />
favourably received or regarded as inoffensive or as a matter of indifference, but also to<br />
those that offend, shock or disturb the State or any sector of the population. However,<br />
the European Court of Human Rights held that the State’s actions to restrict the right to<br />
freedom of expression were properly justified under the restrictions of paragraph 2 of<br />
Article 10 of the ECHR, in particular when such ideas or expressions violated the rights<br />
of others. This Protocol, on the basis of national and international instruments,<br />
establishes the extent to which the dissemination of racist and xenophobic expressions<br />
and ideas violates the rights of others.<br />
12. The definition contained in Article 2 refers to written material (e.g. texts, books,<br />
magazines, statements, messages, etc.), images (e.g. pictures, photos, drawings, etc.) or<br />
any other representation of thoughts or theories, of a racist and xenophobic nature, in<br />
such a format that it can be stored, processed and transmitted by means of a computer<br />
system.<br />
13. The definition contained in Article 2 of this Protocol refers to certain conduct to<br />
which the content of the material may lead, rather than to the expression of<br />
feelings/belief/aversion as contained in the material concerned. The definition builds<br />
upon existing national and international (UN, EU) definitions and documents as far as<br />
possible.<br />
14. The definition requires that such material advocates, promotes, incites hatred,<br />
discrimination or violence. “Advocates” refers to a plea in favour of hatred,<br />
discrimination or violence, “promotes” refers to an encouragement to or advancing<br />
hatred, discrimination or violence and “incites” refers to urging others to hatred,<br />
discrimination or violence.<br />
15. The term “violence” refers to the unlawful use of force, while the term “hatred”<br />
refers to intense dislike or enmity.<br />
16. When interpreting the term “discrimination”, account should be taken of the ECHR<br />
(Article 14 and Protocol 12), and of the relevant case-law, as well as of Article 1 of the<br />
CERD. The prohibition of discrimination contained in the ECHR guarantees to<br />
everyone within the jurisdiction of a State Party equality in the enjoyment of the rights<br />
and freedoms protected by the ECHR itself. Article 14 of the ECHR provides for a<br />
general obligation for States, accessory to the rights and freedoms provided for by the<br />
ECHR. In this context, the term “discrimination” used in the Protocol refers to a<br />
122
different unjustified treatment given to persons or to a group of persons on the basis of<br />
certain characteristics. In the several judgments (such as the Belgian Linguistic case, the<br />
Abdulaziz, Cabales and Balkandali judgment the European Court of Human Rights<br />
stated that "a difference of treatment is discriminatory if it ‘has no objective and<br />
reasonable justification’, that is, if it does not pursue a ‘legitimate aim’ or if there is not<br />
a ‘reasonable relationship of proportionality between the means employed and the aim<br />
sought to be realised’". Whether the treatment is discriminatory or not has to be<br />
considered in the light of the specific circumstances of the case. Guidance for<br />
interpreting the term “discrimination” can also be found in Article 1 of the CERD,<br />
where the term "racial discrimination" means “any distinction, exclusion, restriction or<br />
preference based on race, colour, descent, or national or ethnic origin which has the<br />
purpose or effect of nullifying or impairing the recognition, enjoyment or exercise, on<br />
an equal footing, of human rights and fundamental freedoms in the political, economic,<br />
social, cultural or any other field of public life”.<br />
17. Hatred, discrimination or violence, have to be directed against any individual or<br />
group of individuals, for the reason that they belong to a group distinguished by “race,<br />
colour, descent or national or ethnic origin, as well as religion, if used as a pretext for<br />
any of these factors”.<br />
18. It should be noted that these grounds are not exactly the same as the grounds<br />
contained, for instance, in Article 1 of Protocol No. 12 to the ECHR, as some of those<br />
contained in the latter are alien to the concept of racism or xenophobia. The grounds<br />
contained in Article 2 of this Protocol are also not identical to those contained in the<br />
CERD, as the latter deals with “racial discrimination” in general and not “racism” as<br />
such. In general, these grounds are to be interpreted within their meaning in established<br />
national and international law and practice. However, some of them require further<br />
explanation as to their specific meaning in the context of this Protocol.<br />
19. “Descent” refers mainly to persons or groups of persons who descend from persons<br />
who could be identified by certain characteristics (such as race or colour), but not<br />
necessarily all of these characteristics still exist. In spite of that, because of their<br />
descent, such persons or groups of persons may be subject to hatred, discrimination or<br />
violence. “Descent” does not refer to social origin.<br />
20. The notion of “national origin” is to be understood in a broad factual sense. It may<br />
refer to individuals’ histories, not only with regard to the nationality or origin of their<br />
ancestors but also to their own national belonging, irrespective of whether from a legal<br />
point of view they still possess it. When persons possess more than one nationality or<br />
123
are stateless, the broad interpretation of this notion intends to protect them if they are<br />
discriminated on any of these grounds. Moreover, the notion of “national origin” may<br />
not only refer to the belonging to one of the countries that is internationally recognised<br />
as such, but also to minorities or other groups of persons, with similar characteristics.<br />
21. The notion of “religion” often occurs in international instruments and national<br />
legislation. The term refers to conviction and beliefs. The inclusion of this term as such<br />
in the definition would carry the risk of going beyond the ambit of this Protocol.<br />
However, religion may be used as a pretext, an alibi or a substitute for other factors,<br />
enumerated in the definition. “Religion” should therefore be interpreted in this<br />
restricted sense.<br />
Paragraph 2<br />
22. By providing that the terms and expressions used in the Protocol shall be interpreted<br />
in the same manner as they are interpreted under the Convention, this Article ensures<br />
uniform interpretation of both. This means that the terms and expressions used in this<br />
Explanatory Report are to be interpreted in the same manner as such terms and<br />
expressions are interpreted in the Explanatory Report to the Convention.<br />
124
Chapter II – Measures to be taken at national level<br />
General considerations<br />
23. The offences, as established in this Protocol, contain a number of common elements<br />
which were taken from the Convention. For the sake of clarity, the relating paragraphs<br />
of the Explanatory Report to the Convention are included hereafter.<br />
24. A specificity of the offences included is the express requirement that the conduct<br />
involved is done “without right”. It reflects the insight that the conduct described is not<br />
always punishable per se, but may be legal or justified not only in cases where classical<br />
legal defences are applicable, like consent, self defence or necessity, but where other<br />
principles or interests lead to the exclusion of criminal liability (e.g. for law<br />
enforcement purposes, for academic or research purposes). The expression ‘without<br />
right’ derives its meaning from the context in which it is used. Thus, without restricting<br />
how Parties may implement the concept in their domestic law, it may refer to conduct<br />
undertaken without authority (whether legislative, executive, administrative, judicial,<br />
contractual or consensual) or conduct that is otherwise not covered by established legal<br />
defences, excuses, justifications or relevant principles under domestic law. The<br />
Protocol, therefore, leaves unaffected conduct undertaken pursuant to lawful<br />
government authority (for example, where the Party’s government acts to maintain<br />
public order, protect national security or investigate criminal offences). Furthermore,<br />
legitimate and common activities inherent in the design of networks, or legitimate and<br />
common operating or commercial practices should not be criminalized. It is left to the<br />
Parties to determine how such exemptions are implemented within their domestic legal<br />
systems (under criminal law or otherwise).<br />
25. All the offences contained in the Protocol must be committed “intentionally” for<br />
criminal liability to apply. In certain cases an additional specific intentional element<br />
forms part of the offence. The drafters of the Protocol, as those of the Convention,<br />
agreed that the exact meaning of ‘intentionally’ should be left to national interpretation.<br />
Persons cannot be held criminally liable for any of the offences in this Protocol, if they<br />
have not the required intent. It is not sufficient, for example, for a service provider to be<br />
held criminally liable under this provision, that such a service provider served as a<br />
conduit for, or hosted a website or newsroom containing such material, without the<br />
required intent under domestic law in the particular case. Moreover, a service provider<br />
is not required to monitor conduct to avoid criminal liability.<br />
26. As regards the notion of “computer system”, this is the same as contained in the<br />
Convention and explained in paragraphs 23 and 24 of its Explanatory Report. This<br />
125
constitutes an application of Article 2 of this Protocol (see also the explanation of<br />
Article 2 above).<br />
Article 3 – Dissemination of racist and xenophobic material in a computer system<br />
27. This article requires States Parties to criminalize distributing or otherwise making<br />
available racist and xenophobic material to the public through a computer system. The<br />
act of distributing or making available is only criminal if the intent is also directed to<br />
the racist and xenophobic character of the material.<br />
28. “Distribution” refers to the active dissemination of racist and xenophobic material,<br />
as defined in Article 2 of the Protocol, to others, while “making available” refers to the<br />
placing on line of racist and xenophobic material for the use of others. This term also<br />
intends to cover the creation or compilation of hyperlinks in order to facilitate access to<br />
such material.<br />
29. The term “to the public” used in Article 3 makes it clear that private<br />
communications or expressions communicated or transmitted through a computer<br />
system fall outside the scope of this provision. Indeed, such communications or<br />
expressions, like traditional forms of correspondence, are protected by Article 8 of the<br />
ECHR.<br />
30. Whether a communication of racist and xenophobic material is considered as a<br />
private communication or as a dissemination to the public, has to be determined on the<br />
basis of the circumstances of the case. Primarily, what counts is the intent of the sender<br />
that the message concerned will only be received by the pre-determined receiver. The<br />
presence of this subjective intent can be established on the basis of a number of<br />
objective factors, such as the content of the message, the technology used, applied<br />
security measures, and the context in which the message is sent. Where such messages<br />
are sent at the same time to more than one recipient, the number of the receivers and the<br />
nature of the relationship between the sender and the receiver/s is a factor to determine<br />
whether such a communication may be considered as private.<br />
31. Exchanging racist and xenophobic material in chat rooms, posting similar messages<br />
in newsgroups or discussion fora, are examples of making such material available to the<br />
public. In these cases the material is accessible to any person. Even when access to the<br />
material would require authorisation by means of a password, the material is accessible<br />
to the public where such authorisation would be given to anyone or to any person who<br />
meets certain criteria. In order to determine whether the making available or distributing<br />
126
was to the public or not, the nature of the relationship between the persons concerned<br />
should be taken into account.<br />
32. Paragraphs 2 and 3 are included to provide for a reservation possibility in very<br />
limited circumstances. They should be read in conjunction and in sequence. Therefore,<br />
a Party, firstly, has the possibility not to attach criminal liability to the conduct<br />
contained in this Article where the material advocates, promotes or incites<br />
discrimination that is not associated with hatred or violence, provided that other<br />
effective remedies are available. For instance, those remedies may be civil or<br />
administrative. Where a Party cannot, due to established principles of its legal system<br />
concerning freedom of expression, provide for such remedies, it may reserve the right<br />
not to implement the obligation under paragraph 1 of this Article, provided that it<br />
concerns only the advocating, promoting or inciting to discrimination, which is not<br />
associated to hatred or violence. A Party may further restrict the scope of the<br />
reservation by requiring that the discrimination is, for instance, insulting, degrading, or<br />
threatening a group of persons.<br />
Article 4 – Racist and xenophobic motivated threat<br />
33. Most legislation provide for the criminalisation of threat in general. The drafters<br />
agreed to stress in the Protocol that, beyond any doubt, threats for racist and xenophobic<br />
motives are to be criminalized.<br />
34. The notion of “threat” may refer to a menace which creates fear in the persons to<br />
whom the menace is directed, that they will suffer the commission of a serious criminal<br />
offence (e.g. affecting the life, personal security or integrity, serious damage to<br />
properties, etc., of the victim or their relatives). It is left to the States Parties to<br />
determine what is a serious criminal offence.<br />
35. According to this article, the threat has to be addressed either to (i) a person for the<br />
reason that he or she belongs to a group, distinguished by race, colour, descent or<br />
national or ethnic origin, as well as religion, if used as a pretext for any of these factors,<br />
or to (ii) a group of persons which is distinguished by any of these characteristics. There<br />
is a no restriction that the threat should be public. This article also covers threats by<br />
private communications.<br />
Article 5 – Racist and xenophobic motivated insult<br />
36. Article 5 deals with the question of insulting publicly a person or a group of persons<br />
because they belong or are thought to belong to a group distinguished by specific<br />
127
characteristics. The notion of “insult” refers to any offensive, contemptuous or invective<br />
expression which prejudices the honour or the dignity of a person. It should be clear<br />
from the expression itself that the insult is directly connected with the insulted person’s<br />
belonging to the group. Unlike in the case of threat, an insult expressed in private<br />
communications is not covered by this provision.<br />
37. Paragraph 2(i) allows Parties to require that the conduct must also have the effect<br />
that the person or group of persons, not only potentially, but are also actually exposed to<br />
hatred, contempt or ridicule.<br />
38. Paragraph 2(ii) allows Parties to enter reservations which go further, even to the<br />
effect that paragraph 1 does not apply to them.<br />
Article 6 – Denial, gross minimisation, approval or justification of genocide or<br />
crimes against humanity<br />
39. In recent years, various cases have been dealt with by national courts where persons<br />
(in public, in the media, etc.) have expressed ideas or theories which aim at denying,<br />
grossly minimising, approving or justifying the serious crimes which occurred in<br />
particular during the second World War (in particular the Holocaust).The motivation for<br />
such behaviours is often presented with the pretext of scientific research, while they<br />
really aim at supporting and promoting the political motivation which gave rise to the<br />
Holocaust. Moreover, these behaviours have also inspired or, even, stimulated and<br />
encouraged, racist and xenophobic groups in their action, including through computer<br />
systems. The expression of such ideas insults (the memory of) those persons who have<br />
been victims of such evil, as well as their relatives. Finally, it threatens the dignity of<br />
the human community.<br />
40. Article 6, which has a similar structure as Article 3, addresses this problem. The<br />
drafters agreed that it was important to criminalize expressions which deny, grossly<br />
minimise, approve or justify acts constituting genocide or crimes against humanity, as<br />
defined by international law and recognised as such by final and binding decisions of<br />
the International Military Tribunal, established by the London Agreement of 8 April<br />
1945. This owing to the fact that the most important and established conducts, which<br />
had given rise to genocide and crimes against humanity, occurred during the period<br />
1940-1945. However, the drafters recognised that, since then, other cases of genocide<br />
and crimes against humanity occurred, which were strongly motivated by theories and<br />
ideas of a racist and xenophobic nature. Therefore, the drafters considered it necessary<br />
not to limit the scope of this provision only to the crimes committed by the Nazi regime<br />
128
during the 2 nd World War and established as such by the Nuremberg Tribunal, but also<br />
to genocides and crimes against humanity established by other international courts set<br />
up since 1945 by relevant international legal instruments (such as UN Security Council<br />
Resolutions, multilateral treaties, etc.). Such courts may be, for instance, the<br />
International Criminal Tribunals for the former Yugoslavia, for Rwanda, the Permanent<br />
International Criminal Court. This Article allows to refer to final and binding decisions<br />
of future international courts, to the extent that the jurisdiction of such a court is<br />
recognised by the Party signatory to this Protocol.<br />
41. The provision is intended to make it clear that facts of which the historical<br />
correctness has been established may not be denied, grossly minimised, approved or<br />
justified in order to support these detestable theories and ideas.<br />
42. The European Court of Human Rights has made it clear that the denial or revision of<br />
“clearly established historical facts – such as the Holocaust – […] would be removed<br />
from the protection of Article 10 by Article 17” of the ECHR (see in this context the<br />
Lehideux and Isorni judgment of 23 September 1998).<br />
43. Paragraph 2 of Article 6 allows a Party either (i) to require, through a declaration,<br />
that the denial or the gross minimisation referred to in paragraph 1 of Article 6, is<br />
committed with the intent to incite hatred, discrimination or violence against any<br />
individual or group of individuals, based on race, colour, descent or national or ethnic<br />
origin, as well as religion if used as a pretext for any of these factors. or (ii) to make use<br />
of a reservation, by allowing a Party not to apply – in whole or in part – this provision.<br />
129
Article 7 – Aiding and abetting<br />
44. The purpose of this article is to establish as criminal offences aiding or abetting the<br />
commission of any of the offences under Articles 3-6. Contrary to the Convention, the<br />
Protocol does not contain the criminalisation of the attempt to commit the offences<br />
contained in it, as many of the criminalized conducts have a preparatory nature.<br />
45. Liability arises for aiding or abetting where the person who commits a crime<br />
established in the Protocol is aided by another person who also intends that the crime be<br />
committed. For example, although the transmission of racist and xenophobic material<br />
through the Internet requires the assistance of service providers as a conduit, a service<br />
provider that does not have the criminal intent cannot incur liability under this section.<br />
Thus, there is no duty on a service provider to actively monitor content to avoid<br />
criminal liability under this provision.<br />
46. As with all the offences established in accordance with the Protocol, aiding or<br />
abetting must be committed intentionally.<br />
Chapter III – Relations between the Convention and this Protocol<br />
Article 8 – Relations between the Convention and this Protocol<br />
47. Article 8 deals with the relationship between the Convention and this Protocol. This<br />
provision avoids the inclusion of a number of provisions of the Convention in this<br />
Protocol. It indicates that some of the provisions of the Convention apply, mutatis<br />
mutandis, to this Protocol (e.g. concerning ancillary liability and sanctions, jurisdictions<br />
and a part of the final provisions). Paragraph 2 reminds the Parties that the meaning as<br />
defined in the Convention should apply to the offences of the Protocol. For the sake of<br />
clarity, the relating articles are specified.<br />
Chapter IV – Final provisions<br />
48. The provisions contained in this Chapter are, for the most part, based on the ‘Model<br />
final clauses for conventions and agreements concluded within the Council of Europe’<br />
which were approved by the Committee of Ministers at the 315th meeting of the<br />
Deputies in February 1980. As most of the Articles 9 through 16 either use the standard<br />
language of the model clauses or are based on long-standing treaty-making practice at<br />
the Council of Europe, they do not call for specific comments. However, certain<br />
modifications of the standard model clauses or some new provisions require further<br />
explanation. It is noted in this context that the model clauses have been adopted as a<br />
non-binding set of provisions. As the introduction to the model clauses pointed out<br />
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“these model final clauses are only intended to facilitate the task of committees of<br />
experts and avoid textual divergences which would not have any real justification. The<br />
model is in no way binding and different clauses may be adopted to fit particular cases”<br />
(see also in this context paragraphs 304-330 of the Explanatory Report to the<br />
Convention).<br />
49. Paragraph 2 of Article 12 specifies that the Parties may make use of the reservation<br />
as defined in Articles 3, 5 and 6 of this Protocol. No other reservation may be made.<br />
50. This Protocol is opened to signature only to the signatories to the Convention. The<br />
Protocol will enter into force three month after five Parties to the Convention have<br />
expressed their consent to be bound by it (Articles 9-10).<br />
51. The Convention allows reservations concerning certain provisions which, through<br />
the connecting clause of Article 8 of the Protocol, may have an effect on the obligations<br />
of a Party under the Protocol as well. Nevertheless, a Party may notify the Secretary<br />
General that it will not apply this reservation in respect of the content of the Protocol.<br />
This is expressed in paragraph 2 of Article 12 of the Protocol.<br />
52. However, where a Party did not make use of such reservation possibility under the<br />
Convention, it may have a need to restrict its obligations in relation with the offences of<br />
the Protocol. Paragraph 2 of Article 12 enables Parties to do so in relation to Article 22,<br />
paragraph 2, and Article 41, paragraph 1, of the Convention.<br />
131
132
Selbständigkeitserklärung<br />
Ich erkläre hiermit, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die<br />
angegebenen Quellen benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäss aus<br />
Quellen entnommen wurden, habe ich als solche gekennzeichnet. Mir ist bekannt, dass<br />
andernfalls der Senat gemäss Art. 36 Abs. 1, lit. c des Gesetzes über die <strong>Universität</strong><br />
vom 5. September 1996 und Artikel 20 des <strong>Universität</strong>sstatuts vom 17. Dezember 1997<br />
zum Entzug des aufgrund dieser Arbeit verliehenen Titels berechtigt ist.<br />
Muntelier, 6. November 2007<br />
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