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Matthias Schai - SCIP - Universität Bern

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Rechtswissenschaftliche Fakultätder Universität <strong>Bern</strong>Prof. Dr. Günter HeineSchengen - Raum der inneren SicherheitDiplomarbeit mit Schwergewicht zur Organisation und den Aufgaben derSIRENE Schweiz<strong>Matthias</strong> <strong>Schai</strong>Kupfergasse 16CH-4310 Rheinfelden +41 76 382 10 98 matthias.schai@fedpol.admin.chIm Februar 20081


I. Gliederung und VerzeichnisseI. Gliederung und Verzeichnisse................................................................................. III.III.IV.Abkürzungsverzeichnis..........................................................................................IIILiteraturverzeichnis ............................................................................................. VIIMaterialien- und Rechtsquellenverzeichnis............................................................XV. Persönliches Vorwort...............................................................................................11. Einführung ...............................................................................................................51.1 Inhalt und Aufbau der Arbeit .........................................................................51.2 Die Schweiz beabsichtigt den Anschluss an Schengen..................................51.3 Die Bilateralen I und II als Rahmenvertrag für die Schweiz .........................82. Rechtsgrundlagen für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit ............................112.1 Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts .........112.2 Die historische Entwicklung des Schengen-Abkommen von 1985 .............122.3 Das Schengener Durchführungsübereinkommen von 1990.........................152.3.1 Inhalt und Aufbau des SDÜ .............................................................162.3.2 Das Ratifizierungsverfahren in Bezug auf die Schweiz ...................182.4 Der Vertrag von Amsterdam 1999 ...............................................................192.4.1 Die „Tempelkonstruktion“ der EU...................................................202.4.2 Rechtsordnung und Rechtsnatur der EU ..........................................212.4.3 Die Überführung des Schengen-Besitzstandes in die EU ................222.4.4 Begriff und Umfang des Schengen-Besitzstands .............................242.5 Die Schengen-Vertragsstaaten .....................................................................252.5.1 Die Derogationen zugunsten dreier Staaten .....................................262.5.2 Neue Mitgliedsstaaten erweitern den Schengen-Raum....................283. Die SIRENE Schweiz ............................................................................................293.1 Allgemeines..................................................................................................293.2 Die organisatorische und personelle Struktur ..............................................303.3 Verkehrssprachen .........................................................................................323.4 Standardisierte Formulare ............................................................................333.5 Schengen Informationssystems (SIS)...........................................................343.5.1 Technischer Aufbau des SIS.............................................................353.5.2 Fahndungssystem der ersten Generation (SIS I) ..............................363.5.3 SISone4all.........................................................................................363.5.4 Fahndungssystem der zweiten Generation (SIS II) ..........................383.6 Aufgaben der SIRENE Schweiz im Bereich des Datenaustausches ............393.7 Die im SIS vorhandenen Datenkategorien nach dem SDÜ..........................413.8 Die Ausschreibung zur Auslieferungsfestnahme nach Art. 95 SDÜ ...........423.8.1 Die Auslieferung ..............................................................................433.8.1.1 Die Auslieferungsvoraussetzungen ......................................433.8.1.2 Das Prinzip der doppelten Strafbarkeit.................................44I


3.8.2 Der Europäische Haftbefehl (EuHb) ................................................463.8.2.1 Kritik an der Anwendung des EuHb.....................................473.8.3 An die Schweiz gerichtete Auslieferungsersuchen vor demInkrafttreten des SDÜ.......................................................................483.8.4 Von der Schweiz an das Ausland gerichtete Auslieferungsersuchenvor dem Inkrafttreten des SDÜ.........................................................493.8.5 Die Auswirkungen einer Ausschreibung nach Art. 95 SDÜ............503.8.6 Die Ausschreibung zur Auslieferungsfestnahme im SIS nach Art. 95SDÜ ..................................................................................................513.8.6.1 Inländische Fahndungsersuchen nach Art. 95 SDÜ an dasAusland.................................................................................523.8.6.2 Ausländische Fahndungsersuchen nach Art. 95 SDÜ an dieSchweiz.................................................................................533.8.7 Verfahren bei schweizerischen SIS-Treffermeldungen im Ausland 553.8.8 Verfahren bei ausländischen SIS-Treffermeldungen in der Schweiz..........................................................................................................573.8.9 Die nationale Rangfolge bei Ausschreibungen im SIS ....................583.8.10 Die internationale Rangfolge der Ausschreibungen im SIS.............594. Zusammenarbeit der Polizei und Justiz im Rahmen des SDÜ ..............................614.1 Einleitung .....................................................................................................614.2 Polizeiliche Rechtshilfe................................................................................624.3 Justizielle Rechtshilfe...................................................................................644.3.1 Fiskaldelikte .....................................................................................654.3.2 Geltende Regelung ...........................................................................654.3.3 Regelung im Rahmen des SDÜ........................................................664.3.4 Zukünftige Veränderungen...............................................................684.3.5 Fazit ..................................................................................................685. Schlussfolgerung....................................................................................................705.1 Der Mensch unter ständigem Verdacht........................................................705.2 Persönliches Fazit.........................................................................................72II


II.AbkürzungsverzeichnisAJPAPKArt.ADSAVBABankGBBlbetr.BfMBGBlBGerBJBKABKPBLBPIBSBStPbzw.C-SISCS-SISDDAPDBGd.h.DÜEAGVEDAEEAEFTAAktuelle Juristische Praxis, ZürichAussenpolitische Kommission des StänderatesArtikelAufklärungsdrohnensystemVertrag von AmsterdamBundesanwaltschaftBundesgesetz über die Banken und SparkassenBundesblattbetreffendBundesamt für MigrationBundesgesetzblattBundesgerichtBundesamt für JustizBundeskriminalamt (Deutschland)Bundeskriminalpolizei (Schweiz)Basel-LandschaftBundesgesetz über die polizeilichen InformationssystemeBasel-StadtBundesgesetz über die BundesstrafrechtspflegebeziehungsweiseCentral - Schengen Information System (Erste Generation)Central - Schengen Information System (Zweite Generation)DeutschlandDienst für Analyse und PräventionBundesgesetz über die direkte Bundessteuerdas heisstDubliner ÜbereinkommenVertrag zur Gründung der Europäischen AtomgemeinschaftEidgenössisches Departement für auswärtige AngelegenheitenEinheitliche Europäische AkteEuropean Free Trade AssociationIII


EG Europäische GemeinschaftenEGKSV Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohleund StahlEGPK Expertenkommission Grenzpolizeiliche PersonenkontrolleEGV Vertrag über die Europäischen GemeinschaftenEJPD Eidgenössisches Justiz- und PolizeidepartementEK Europäische KommissionEMRK Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte undGrundfreiheitenEndg. endgültigER Europäischer RatEU Europäische UnionEuGH Europäischer GerichtshofEuHb Europäischer HaftbefehlEUV Vertrag über die Europäische UnionEVD Eidgenössisches VolkswirtschaftsdepartementEWG Europäische WirtschaftsgemeinschaftEWGV Vertrag über die Europäische WirtschaftsgemeinschaftEWR Europäischer WirtschaftsraumEZ EinsatzzentraleEZV Eidgenössische Zollverwaltungfedpol Bundesamt für Polizeif. folgendeff. fortfolgendeFn FussnoteGASP Gemeinsame Aussen- und SicherheitspolitikGHB Gemeinsames Handbuch Schengenggf. gegebenenfallsGWK GrenzwachtkorpsHrsg. HerausgeberIItalieni.d.R. in der RegelIKPO Internationale Kriminalpolizeiliche OrganisationIV


IPAS Informatisiertes Personennachweis, Aktennachweis und Verwaltungs-SystemIRSG Bundesgesetz über die internationale Rechtshilfe in StrafsachenISA Informationssystem Ausweisschrifteni.S.v. im Sinne voni.V.m. in Verbindung mitJIJustiz und InneresKap. KapitelKPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunionlit. literam.E. meines ErachtensMROS Money Laundering Reporting Office SwitzerlandMWStG MehrwertsteuergesetzN-SIS National Schengen Information System (Erste Generation)NI-SIS National Schengen Information System (Zweite Generation)NL NiederlandeNZB Nationales Zentralpolizei BüroNZZ Neue Zürcher ZeitungPolG PolizeigesetzRbEuHb Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahrenzwischen den Mitgliedstaaten der EUresp. respektiveRIPOL Recherches Informatisées de PoliceRn RandnoteS. SeiteSAA Schengen AssoziierungsabkommenSchengenProt Schengen ProtokollSDÜ Schengener DurchführungsübereinkommenSIRENE Supplementary Information Request at the National EntrySIS I Schengen Informationssystem der ersten GenerationSIS II Schengen Informationssystem der zweiten GenerationSISone4all Schengen Informationssystem "eines für alle"sog. sogenannt(e)SPS Soziale Partei der SchweizV


SR Systematische Sammlung des BundesrechtsStGB StrafgesetzbuchStHG Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantoneund GemeindenStPO StrafprozessordnungSÜ Schengener ÜbereinkommenSVP Schweizerische Volksparteiu. undu.a. unter anderemUNO United Nations OrganisationUS United Staatesvgl. vergleicheVK Vereinigtes KönigreichVStG Bundesgesetz über die Verrechnungssteuerz. B. zum BeispielZBJI Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und InneresZEMIS Zentrales Migrations Informations SystemZiff. ZifferVI


III.LiteraturverzeichnisALTMAYER CLAUS, Auf dem Weg zur Einheitssprache?, in: SABINE PENTH/MARTINAPITZ/CHRISTINE VAN HOOF/RALF KRAUTKRÄMER (Hrsg.): Europas Grenzen, St. Ingbert2006, S. 229 ff. (ALTMAYER).BALDUS MANDFRED, Polizeirecht des Bundes mit zwischen und überstaatlichen Rechtsquellen,3. Auflage, Heidelberg 2005 (BALDUS).BEHNISCH URS R., Auswirkungen auf die Bilateralen II auf das schweizerischeSteuerrecht, in: AJP 8/2005, S. 947 ff. (BEHNISCH).BREITENMOSER STEPHAN, Amts- und Rechtshilfe im Rahmen der "Bilateralen II"-Verträge, in: AJP 8/2005, S. 929 ff. (BREITENMOSER).EPINEY ASTRID, Das zweite Schengener Abkommen: Entstehung, Konzept undEinbettung in die Europäische Union, in: ACHERMANN ALBERTO/BIEBER ROLAND/EPINEY ASTRID/WEHNER RUTH (Hrsg.) Schengen und die Folgen, Der Abbau derGrenzkontrollen in Europa, <strong>Bern</strong> 1995, S. 21 ff. (EPINEY).GERLICH PETER, Machtverfall und Machtgewinn europäischer Nationalstaaten, in:DEGER PETRA/HETTLAGE ROBERT (Hrsg.) Der europäische Raum, Die Konstruktioneuropäischer Grenzen, Wiesbaden 2007, S. 109 ff. (GERLICH).GUTMANN ANDREAS, Schnellere Auslieferung, in: BUNDESMINISTERIUM FÜR INNERES(Hrsg.) Öffentliche Sicherheit 7-8/05, Wien 2005, S. 103 ff. (GUTMANN).HÄFELIN ULRICH/HALLER WALTER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 6. starküberarbeitete Auflage, Zürich Basel Genf 2006, Rn 1905 ff. (HÄFELIN/HALLER).HEINE GÜNTER, Changes in Criminal Law and cooperation through, in particular, theSchengen Agreement and Europol: Possibilities, Problems and Influence in Statesoutside the European Union, in: HUSABO ERLING JOHANNES/STRANDBAKEN ASBJORN(Hrsg.): Harmonization of Criminal Law in Euorpe, Antwerpen 2005, S. 41 ff. (HEINE).HUMMER WALDEMAR/OBWEXER WALTER, Österreich in der Europäischen Union /Schengener Übereinkommen, Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres,Band 3, Wien 1996 (HUMMER/OBWEXER).JAMETTI GREINER MONIQUE/PFENNINGER HANSPETER, Der Schutz des schweizerischenBankgeheimnisses im Abkommen zur Assoziierung der Schweiz an Schengen, in AJP/2005, S. 159 ff. (JAMETTI/PFENNINGER).KÄMPER GREGOR, Polizeiliche Zusammenarbeit in der Europäischen Union, Frankfurtam Main 2001 (KÄMPER).KOLLER HEINRICH, Schengen/Dublin und die Bilateralen II - eine neue Dimension inder Integrationspolitik, in: AJP 8/2005, S. 909 ff. (KOLLER).VII


KUNZ KARL-LUDWIG, Kriminologie, 4. Auflage, <strong>Bern</strong> 2004 (KUNZ).LÄUFER THOMAS, in: PRESSE- UND INFORMATIONSAMT DER BUNDESREGIERUNG (Hrsg.):Vertrag von Amsterdam, 3. Auflage, Bonn 1999 (LÄUFER).LINTNER PETRA, Engmaschiges Fahndungsnetz, in: BUNDESMINISTERIUM FÜR INNERES(Hrsg.) Öffentliche Sicherheit 7-8/05, Wien 2005, S. 64 ff. (LINTNER, EngmaschigesFahndungsnetz).LINTNER PETRA, Europäischer Raum der Sicherheit: Schengen, Europol, EuropäischerHaftbefehl, Haager Programm: Das Informations- und Aktionsnetz derSicherheitsbehörden in Europa entwickelt sich weiter, in: BUNDESMINISTERIUM FÜRINNERES (Hrsg.) Öffentliche Sicherheit 12A/05, Wien 2005, S. 69 ff. (LINTNER,Europäischer Raum der Sicherheit).MÖCKLI DANIEL, Schengen und Dublin: Die Bedeutung der europäischenZusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres für die Schweiz, in: SPILLMANNKURT R./WAGNER ANDREAS (Hrsg.): Bulletin 2001 zur schweizerischen Sicherheitspolitik,Zürich 2001, S. 125 ff. (MÖCKLI).OBERLEITNER RAINER, Schengen und Europol, Kriminalitätsbekämpfung in einemEuropa der inneren Sicherheit, Wien 1998 (OBERLEITNER).OBERWEIS MICHAEL, Die Darstellung Europas, in: PENTH SABINE/ PITZ MARTINA/VANHOOF CHRISTINE/KRAUTKRÄMER RALF (Hrsg.): Europas Grenzen, St. Ingbert 2006, S.67 ff. (OBERWEIS).PFENNINGER HANSPETER, Bilaterale II: Schengen/Dublin: Vorteile für die innereSicherheit und Wirtschaft, in: DOSSIERPOLITIKSPEZIAL VERBAND DER SCHWEIZERUNTERNEHMEN (Hrsg.), Nr. 34, 5. Jahrgang, Zürich 2004 (PFENNINGER).POPP PETER, Grundzüge der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, Basel 2001(POPP).SCHAUER MARTIN, Schengen-Maastricht-Amsterdam, Auf dem Weg zu einer flexiblenUnion, Wien 2000 (SCHAUER).SCHUBERT ERNST, Arme Leute, Bettler und Gauner in Franken des 18. Jahrhunderts,Neustadt an der Aisch 1983 (SCHUBERT).UEBERSAX PIERRE , Migrationsrechtliche Auswirkungen der Bilateralen II, insbesonderevon Schengen und Dublin, in: AJP 8/2005, S. 918 ff. (UEBERSAX).VON BUBNOFF ECKHART, Der Europäische Haftbefehl: Auslieferung und Neuerungendes Gemeinschaftsinstruments: Ein Leitfaden für die Praxis, Heidelberg 2005 (VONBUBNOFF).WALDER HANS/HANSJAKOB THOMAS, Kriminalistisches Denken, 7. Auflage, Heidelberg2006 (WALDER/HANSJAKOB).VIII


WEHNER RUTH, Die polizeiliche Zusammenarbeit zwischen den Schengen-Staaten unterbesonderer Berücksichtigung des SIS, in: ACHERMANN ALBERTO/BIEBER ROLAND/EPINEY ASTRID/WEHNER RUTH (Hrsg.) Schengen und die Folgen, Der Abbau derGrenzkontrollen in Europa, <strong>Bern</strong> 1995, S. 129 ff. (WEHNER).WESTPHAL VOLKER/STOPPA EDGAR, Ausländerrecht für die Polizei, Erläuterungen zumAusländer- und Asylrecht unter Berücksichtigung des Europarechts und der SchengenRegelungen, 3. Auflage, Lübeck 2007 (WESTPHAL/STOPPA).WÜRZ KARL, Das Schengener Durchführungsübereinkommen: Einführung, Erläuterungen,Vorschriften, Stuttgart 1997 (WÜRZ).IX


IV.Materialien- und RechtsquellenverzeichnisMaterialienverzeichnis:BLÖCHLINGER KURT, in: BUNDESAMT FÜR POLIZEI (FEDPOL), HauptabteilungBundeskriminalpolizei, unter: http://www.fedpol.admin.ch, letztmals besucht am24.09.2007 (BLÖCHLINGER).BOTSCHAFT ZUR GENEHMIGUNG DER BILATERALEN ABKOMMEN ZWISCHEN DER SCHWEIZUND DER EUROPÄISCHEN UNION, EINSCHLIESSLICH DER ERLASSE ZUR UMSETZUNG DERABKOMMEN (BILATERALE II) BBl Nr. 44 vom 09.11.2004, S. 5965 ff. (BOTSCHAFTBilaterale II).BUNDESAMT FÜR POLIZEI (FEDPOL), Stellenausschreibungen vom September 2006 fürdie Stelle als Kommissariatsleiter/in und als Fahndungsleiter/innen, unter:http://www.fedpol.admin.ch, letztmals besucht am 13.09.2006.BUNDESAMT FÜR POLIZEI (FEDPOL), Stellenausschreibung vom August 2007 für dieStellen als Fahndungsspezialisten/innen, unter: http://www.fedpol.admin.ch, letztmalsbesucht am 15.08.2007.BUNDESRATSBESCHLUSS ÜBER DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTSRAUM (EWR),Resultate in den Kantonen, BBl 1993 I 168 (BESCHLUSS EWR).BUNDESRATSBESCHLUSS ÜBER DAS ERGEBNIS DER VOLKSABSTIMMUNG VOM 21. MAI2000, BBl 2000 3773 (BESCHLUSS Volksabstimmung).CYPRUS POLICE, European Union and International Police Cooperation Directorate,unter: http://www.police.gov.cy, letztmals besucht am 16.02.2008 (CYPRUS POLICE).DIE SCHWEIZERISCHEN DATENSCHUTZBEAUFTRAGTEN, Polizeiliche Zusammenarbeitohne Grenzen - aber nicht ohne Datenschutz, Medienmitteilung vom 11. Oktober 2006,unter: http://www.privatim.ch, letztmals besucht am 16.02.2008 (DATENSCHUTZ-BEAUFTRAGTE).DOSSIER POLITIK SPEZIAL, VERBAND DER SCHWEIZER UNTERNEHMEN ECONOMIESUISSE(Hrsg.) Bilaterale Abkommen Schweiz-Europäische Union (EU), Die Ausdehnung derPersonenfreizügigkeit und die neun Dossiers der Bilateralen II, Oberrieden 2004.(DOSSIER POLITIK SPEZIAL).EIDGENÖSSISCHES JUSTIZ- UND POLIZEIDEPARTEMENT, Bundesrat Blocher an Ministertreffenzum Schengener-Informationssystem, Medienmitteilung vom 05.12.2006, unter:http://www.ejpd.admin.ch, letztmals besucht am 17.02.2008 (EJPD Ministertreffen2006).EIDGENÖSSISCHES JUSTIZ- UND POLIZEIDEPARTEMENT, Schengen Informationssystem:Bundesrat legt weiteres Vorgehen fest, Medienmitteilung vom 16.05.2007, unter:http://www.ejpd.admin.ch, letztmals besucht am 17.02.2008 (EJPD SIS).X


EIDGENÖSSISCHES JUSTIZ- UND POLIZEIDEPARTEMENT, Bundesrat Blocher nahm heuteam Ministertreffen in Luxemburg teil, Medienmitteilung vom 12.06.2007 unter:http://www.ejpd.admin.ch, letztmals besucht am 17.02.2008 (EJPD Ministertreffen2007).EIDGENÖSSISCHES JUSTIZ- UND POLIZEIDEPARTEMENT, Ablauf des Auslieferungsverfahrensin der Schweiz, unter: http://www.ejpd.admin.ch, letztmals besucht am17.02.2008 (EJPD Auslieferung).ERLÄUTERUNGEN DES BUNDESRATES ZUM ABKOMMEN ZU SCHENGEN UND DUBLIN ZURVOLKSABSTIMMUNG VOM 5. JUNI 2005, Die Argumente des Referendumskomiteesunter: http://www.ejpd.admin.ch, letztmals besucht am 16.02.2008 (BUNDESRATErläuterungen).EUROPÄISCHE KOMMISSION, Many tongues, one family: Languages in the EuropeanUnions, in: OFFICE FOR OFFICIAL PUBLICATIONS OF THE EUROPEAN COMMUNITIES(Hrsg.): Europe in the move series, Luxemburg 2004 (EUROPÄISCHE KOMMISSION).FELLMANN FABIAN, „Die Mafia ist auch bei uns aktiv“, erschienen in: NEUE LUZERNERZEITUNG am 17. August 2007 (FELLMANN).GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG DER SCHWEIZERISCHEN WIRTSCHAFT, BilateraleAbkommen, Der Inhalt der sieben Dossiers sowie der flankierenden Massnahmen,2. aktualisierte Ausgabe, Zürich 1999. (GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG DERSCHWEIZERISCHEN WIRTSCHAFT).INNENMINISTERIUM DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND: Polizeiliches Informationswesen,unter: http://www.bmi.bund.de, letztmals besucht am 16.02.2008(INNENMINISTERIUM Informationswesen).INNENMINISTERIUM DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND: Letzte JI-Ratssitzung unterdeutscher Präsidentschaft in Luxemburg, Pressemitteilung vom 12.06.2007, unter:http://www.bmi.bund.de, letztmals besucht am 16.02.2008 (INNENMINISTERIUMLuxemburg).INTEGRATIONSBÜRO EDA/EVD, Die Bilateralen II: Die Dossiers im Überblick, <strong>Bern</strong>2004, unter: http://www.europa.admin.ch, letztmals besucht am 16.02.2008(INTEGRATIONSBÜRO Dossier).INTEGRATIONSBÜRO EDA/EVD, Bilaterale Abkommen II: Schweiz - EuropäischeUnion, Fact sheets, <strong>Bern</strong> 2005, unter: http://www.europa.admin.ch, letztmals besuchtam 16.02.2008 (INTEGRATIONSBÜRO Fact Sheets).INTEGRATIONSBÜRO EDA/EVD, Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit, Asyl undMigration (Schengen/Dublin), Mai 2007, unter: http://www.europa.admin.ch, letztmalsbesucht am 16.02.2008 (INTEGRATIONSBÜRO Zusammenarbeit).INTEGRATIONSBÜRO EDA/EVD, Schengen/Dublin: Häufig gestellte Fragen; Wann trittSchengen/Dublin in Kraft?, unter: http://www.europa.admin.ch, letztmals besucht am16.02.2008 (INTEGRATIONSBÜRO Fragen).XI


INTEGRATIONSBÜRO EDA/EVD, (Hrsg.): Schengen/Dublin, Sicherheit dankinternationaler Zusammenarbeit, <strong>Bern</strong> März 2005, unter: http://www.europa.admin.ch,letztmals besucht am 16.02.2008 (INTEGRATIONSBÜRO Sicherheit).KELLER HELEN/SCHNELL CHRISTINA, Von den Tücken des Ratifikationsverfahrens; Werhat das letzte Wort in der EU zu Schengen/Dublin, erschienen in: NEUE ZÜRCHERZEITUNG am 13. Mai 2005 (KELLER/SCHNELL).KETELAPPER HENK, Head of SIRENE the Netherlands, in einem persönlichen Gesprächanlässlich eines Dienstbesuches in NL-Zoetermeer am 14.06.2007.KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN, Vorschlag für einen Beschluss desRates über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des SchengenerInformationssystems der zweiten Generation (SIS II) vom 31.05.2005 KOM(2005) 237endg. 52005PC0236 unter: http://www.ec.europa.eu, letztmals besucht am 16.02.2008(KOMMISSION EG).KRÄUCHI THOMAS, in: BUNDESAMT FÜR POLIZEI (FEDPOL), Abteilung Dienste, unter:http://www.fedpol.admin.ch, letztmals besucht am 17.02.2008 (KRÄUCHI).NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, Die Schengen-Erweiterung zum Jahreswechsel praktischgesichert (WIN.), erschienen am 19. September 2007.NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, <strong>Bern</strong> peilt Schengen-Beitritt am 1. November 2008 an (WIN.),erschienen am 19. September 2007, S. 21 f.PRAZELLER MARKUS, 100-Dezibel-Kontrolle aus der Luft; Die Drohnen der Grenzwachestören die Anwohner am Schlafen, in: BASLER ZEITUNG am 25. Juli 2007(PRAZELLER).RENZ TILMAN, Schengen-Dossier für Ständerat noch unreif, in: BASLER ZEITUNG am13. Juni 2001 (RENZ).RICHTER NICOLAS, Die al-Quaida ist in Spanien präsent, erschienen im:TAGESANZEIGER am 12. März 2004 (RICHTER).SCHÄR MARKUS, Spiel ohne Grenzen, erschienen in: DIE WELTWOCHE, Ausgabe 16/04(SCHÄR).SCHWEIZERISCHE BUNDESKANZLEI, BBl 2005 2690.SCHWEIZERISCHE VOLKSPARTEI (SVP), Pressedienst vom 23.10.2006 unter:http://www.svp.ch, letztmals besucht am 06.06.2007.SCHYMIK CARSTEN in: BUNDESZENTRALE FÜR POLITISCHE BILDUNG, NordischeSonderwege nach Europa, B47/2004, unter: http://www.bpb.de/publikationen letztmalsbesucht am 16.02.2008 (SCHYMIK).SOMM MARKUS, Der Wille zum Sonderfall, erschienen in: DIE WELTWOCHE, Ausgabe18/05, S.7 f. (SOMM).XII


STATEWATCH ANALYSIS, SIS II: fait accompli? Construction of EU’s Big Brotherdatabase underway, unter: http://www.statewatch.org, letztmals besucht am 16.02.2008(STATEWATCH ANALYSIS).STATISTISCHES AMT DES KANTON BASEL-LANDSCHAFT, Statistik Baselland: Raum undUmwelt, unter: http://www.statistik.bl.ch, letztmals besucht am 16.02.2008 (STATIS-TISCHES AMT BL).SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, „Neue Grenzen: In Europa fallen weitere Schlagbäume -Fortschritt oder Gefahr?“, erschienen am 24./25. November 2007, S. 8.VONARBURG VERENA, Von der Schweiz nach Schengen, erschienen im:TAGESANZEIGER am 08. April 2005.RechtsquellenverzeichnisSchweizAbkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem EuropäischenPolizeiamt vom 24. September 2004 (SR 0.360.268.2).Assoziierungsabkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der SchweizerischenEidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft überdie Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung desSchengen-Besitzstands (BBl 2004, 6447).Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934 (SR 952.0).Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege vom 15. Juni 1934 (SR 312.0).Bundesgesetz vom über die direkte Bundessteuer 14. Dezember 1990 (SR 642.11).Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone undGemeinden vom 14. Dezember 1990 (SR 642.14).Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981(SR 351.1).Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer vom 02. September 1999 (SR 641.20).Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer vom 13. Oktober 1965 (SR 642.21).Europäisches Auslieferungsübereinkommen vom 13. April 1957 (SR 0.353.1).Polizeigesetz des Kantons Basel-Landschaft vom 28. November 1996 (GS 32.778).Staatsvertrag vom 25. Mai 1973 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft undden Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (SR0.351.933.6).XIII


Vertrag über die Europäischen Union (ABl C 191) vom 29. Juli 1992, unter:http://www.eur-lex.europa.eu.* Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (1957) unter:http://www.eur-lex.europa.eu.Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (ABl C 325) vom 24. Dezember2002 (Konsolidierte Fassung) unter: http://www.eur-lex.europa.eu.* (**) Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl(1957), unter: http://www.eur-lex.europa.eu.* Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1957), unter:http://www.eur-lex.europa.eu.* Organe der der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der EuropäischenWirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft wurden am 8. April1965 durch den sog. Fusionsvertrag zusammengelegt. Die rechtliche Selbstständigkeitder drei Gemeinschaften blieb hiervon jedoch unberührt.** Der EGKS, der für eine Dauer von 50 Jahren geschlossen wurde, lief am 23. Juli2002 aus. Er wurde nicht verlängert; seine Regelungsmaterie wurde fortan dem Vertragzur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (ABl C 325) zugerechnet.XV


V. Persönliches Vorwort„Wer im 19. Jahrhundert als Flüchtling die Moselfähre zwischen dem luxemburgischenDörfchen Schengen und dem deutschen Perl erwischte, konnte von Glück reden. DennSchengen war bekannt für sein liberales Asylrecht; es verpflichtete die Fährmänner,Verfolgte auf die andere Seite in Sicherheit zu bringen. Erst danach durften sie zurückkehrenund die Verfolger an Bord nehmen.Mittlerweile hat längst eine grosse Stahlbrücke die Fähre ersetzt, doch Fahrgastschiffeverkehren weiter. Auf einem solchen, der Princesse Marie-Astrid, geschah am 14. Juni1985 Entscheidendes für Europa: Luxemburg, Belgien, Holland, Frankreich undDeutschland einigten sich, 40 Jahre nach Kriegsende, auf ein grenzenloses Miteinander:Keine Kontrolle von Personen und Waren mehr, keine Zollhäuser, keineSchlagbäume. Mensch und Waren sollen ungehindert zirkulieren. Vom globalisiertenVerbrechen war damals noch nicht die Rede. Der Hauptfeind sass im Osten hinter derMauer, Michael Gorbatschow war eben erst zum Generalsekretär der KPdSU gewähltworden und der islamistische Terror existierte noch nicht.“Verena Vonarburg 1Sicherheit stellt in der Schweiz wie auch in der Europäischen Union (EU) einzunehmend brisantes gesellschaftspolitisches Thema dar, das auch vermehrt vonpolitischen Parteien aufgegriffen wird. Im Kontext eines steigenden Migrationsdruckesund der verstärkten Versuche von Flüchtlingen, in Europa Fuss zu fassen, wird dieÖffnung der Binnengrenzen zu einem kontrovers diskutierten und hoch emotionalenThema. Zudem sind die Bedrohungen der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft und desStaates nicht erst seit den Bombenanschlägen von Madrid 2 oder den erst kürzlichverübten Mafiamorden in Düsseldorf 3 grenzüberschreitend geworden 4 . Da Akteure derorganisierten Kriminalität schon längst über Kommunikations- und Finanznetzwerke1VONARBURG VERENA, Von der Schweiz nach Schengen, erschienen in: TAGESANZEIGER am8. April.2005.2Am 11. März 2004 wurden in Madrid bei Bombenanschlägen auf mehrere Nahverkehrszüge 191Menschen getötet und mehr als 1600 verletzt. Das Massaker, das einer Gruppe mit Verbindungen zual-Quaida angelastet wurde, ereignete sich im Vorfeld der Parlamentswahlen. Spanien galt zuvorschon als Basis für diese Terrororganisation. Nicht zwingend als Ziel von Anschlägen, sondern vorallem als Rückzugsraum, um Attentäter zu rekrutieren, Geld zu sammeln und Aktionen zu planen.Siehe hierzu auch RICHTER.3Am 15. August 2007 sind sechs Italiener im Alter zwischen 16 und 39 Jahren in der Nähe desDuisburger Hauptbahnhofes vor dem Restaurant „Da Bruno“ kaltblütig erschossen worden. Ausgelöstworden war die Tat offenbar durch einen seit 1991 in San Luca (I) schwelenden Mafiakrieg zwischenkonkurrierenden Clans.4Im Bezug auf die Wichtigkeit der grenzüberschreitenden Polizeizusammenarbeit siehe auch:FELLMANN in einem Interview mit Leimlehner Erich (DAP), der sich wie folgt äusserte: „DieNdrangheta ist auch bei uns aktiv. Sehr wichtig ist die internationale Zusammenarbeit, gerade mit denHerkunftsländern der Gruppen“.1


international verbunden und deshalb weltweit handlungsfähig sind, können sie nichtmehr im Alleingang effizient bekämpft werden 5 . Wie alle europäischen Staaten ist auchdie Schweiz auf eine internationale Kooperation angewiesen, um dengrenzüberschreitenden Risiken im Bereich der inneren Sicherheit wirksam begegnen zukönnen. Hier hat vor allem die EU in den letzten Jahren in den Bereichen Justiz undInneres eine enorme Dynamik entwickelt, die zu einer deutlichen Verengung deseigenen staatlichen Handlungsspielraums geführt hat. Die Quasi-Monopolisierurung dereuropäischen Sicherheitszusammenarbeit durch die EU hat durch das SchengenerAbkommen eine politische Realität erreicht, die es den europäischen Ländernausserhalb der EU praktisch verunmöglicht, sich dieser zu entziehen 6 . Sicher auchdeshalb hat sich die Schweiz mittlerweile dazu entschlossen, diesem Abkommenbeizutreten.Doch was jedoch bedeutet dieser Beitritt zum Schengener Abkommen für die Schweizund welche Vor- und Nachteile ergeben sich dadurch? Die Meinungen gehenauseinander. Während die einen dafür plädieren, dass es durch eine verbessertepolizeiliche Zusammenarbeit mehr Sicherheit mit sich bringe, sind die anderen derMeinung, dass dieser Beitritt in der Tat wohl eher zu einem Transfer von Souveränitätnach Brüssel führe und die Eigenständigkeit der Schweiz verkleinere 7 .Deswegen wurden bereits im Rahmen des Abstimmungskampfes über die VorlageSchengen/Dublin Stimmen laut, welche in einem Beitritt zum Abkommen den Verlustder Sicherheit sahen. So wurde etwa propagiert „Schengen heisse freie Bahn fürKriminelle“. Bereits heute würden jährlich rund 140'000 Personen umgehend an derGrenze zurückgewiesen oder der Polizei übergeben werden. Mit „Schengen“ könntennun all diese Leute ungehindert in unser Land dringen, was Zehntausenden vonKriminellen, Schwarzarbeitern, Zwangsprostituierten und sogar Terroristen, die imOsten ohne Prüfung ihre Schengen-Visa erhalten hätten, Türe und Tore öffnen würde,wie die Gegner im Rahmen des Abstimmungskampfes über die VorlageSchengen/Dublin verlauten liessen 8 .5678MÖCKLI, S. 125.MÖCKLI, S. 132.Vgl. dazu SOMM.Vgl. hierzu BUNDESRAT Erläuterungen, S. 10.2


Angesichts solcher Gegenwehr stellt sich unvermeidlich die Frage, ob eineNichtteilnahme an der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit, insbesondere amSchengen-Informationssystem (SIS), gravierende Lücken im schweizerischen Systemder inneren Sicherheit hinterlassen hätte? Wäre die Schweiz durch ihr Abseitsstehen zueiner Fahndungsinsel verkommen, der es verwehrt geblieben wäre, von einem europaweitenAustausch von Kriminalnachrichten, Lageanalysen und einem gemeinsamenFahndungsinstrument zu profitieren? Ohne über die konkreten Folgen Bescheid zuwissen, muss wohl angenommen werden, dass ein Alleingang die Gefahr einerVerlagerung der organisierten Kriminalität auf die Schweiz mit sich gebracht hätte, diehauptsächlich nur mit nationalen und deshalb beschränkt wirksamen Mitteln gegenderartige Bedrohungen hätte vorgehen können.Ich selbst habe jahrelang als Polizist der Kantonspolizei Basel-Landschaft gedient undwar danach beim Bezirksstatthalteramt Arlesheim als Untersuchungsbeamter tätig. Diegeographische Lage des Kantons - mit einer Schengen-Aussengrenze zu Deutschlandund Frankreich 9 - konfrontierte mich des Öfteren mit den Nachteilen einer erschwertengrenzüberschreitenden Polizei- und Justizzusammenarbeit. Dies hat mich in meinerMeinungsbildung über die polizeiliche Zusammenarbeit in Europa insofern bestärkt, alsdass eine solche für mich unerlässlich ist, jedoch unbedingt vereinfacht und weiterausgebaut werden sollte. In der Praxis könnte so die Verfolgung der grenzüberschreitendenKriminalität weitaus effektiver gestaltet werden.Seit Anfang 2007 arbeite ich nunmehr als einer von fünf Fahndungsleitern bei derSIRENE 10 Schweiz, welche bei der Bundeskriminalpolizei (BKP) in <strong>Bern</strong> angesiedeltist. Bevor ich diese Stelle antrat, hatte ich lediglich ein lückenhaftes Wissen über dieSchengener Abkommen und deren Auswirkungen auf die Schweiz. Als ich mich imHinblick auf die neue berufliche Herausforderung eingehender mit diesem Themabeschäftigte, wurde mir bewusst, wie komplex und geschichtlich interessant dieHintergründe rund um die Vertragswerke sind. Durch die Auseinandersetzung wuchsenmeine Neugier und Begeisterung für die Schengener Abkommen derart, dass ich michschliesslich dazu entschloss, die Auswirkungen, welche diese Abkommen auf die910Die Grenzlänge zu den Schengen-Staaten Deutschland und Frankreich beträgt rund 32.9 Kilometerund umfasst mehrere Grenzübergänge; Vgl. dazu STATISTISCHES AMT BL.Zur Bedeutung der SIRENE vgl. Kap. 3.3


internationale Polizeizusammenarbeit haben, als Hauptthema meiner Diplomarbeit zuwählen.4


1. Einführung1.1 Inhalt und Aufbau der ArbeitAls erstes wird nachzuzeichnen sein, welchen Weg die Schweiz zurücklegen musste,um als nicht EU-Staat Mitglied des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ)zu werden und damit Anschluss an das SIS zu erhalten 11 . In einem weiteren Schritt solldanach aufgezeigt werden, in welchem Kontext das SDÜ entstanden ist und wie es inden Rechtsrahmen der EU überführt wurde. Anschliessend werden die teilweisebesonderen Beziehungen der bisherigen als auch der neuen Schengen-Mitgliedsstaatenzum SDÜ thematisiert. Der Hauptteil soll sich dem Aufbau und der Organisation derSIRENE Schweiz widmen, wobei schwergewichtig die Abläufe und die zu treffendenMassnahmen im Bereich der Auslieferung gemäss Art. 95 SDÜ sowie einige besondereGebiete der polizeilichen als auch der internationalen Rechtshilfe durchleuchtet werdensollen. Abschliessend darf ein kritischer Blick in die Zukunft nicht fehlen.Das Thema rund um das Schengen-Vertragswerk ist derart umfangreich, dass nicht aufalle Aspekte eingegangen werden kann. So wurde in der vorliegenden Arbeit bewusstdie Thematik rund um das Dubliner Übereinkommen (DÜ) 12 ausgeklammert, welches inengem Zusammenhang mit dem SDÜ steht. Umso mehr sollen dafür die Inhalte undAufgaben rund um die SIRENE Schweiz, insbesondere im Zusammenhang mit demVerfahren zur Auslieferungsfestnahme sowie zur polizeilichen und justiziellenRechtshilfe, dargelegt werden.1.2 Die Schweiz beabsichtigt den Anschluss an SchengenDie Schweiz verfolgte die Entwicklung der verstärkten Polizei- und Justizzusammenarbeitim Rahmen der Schengener Übereinkommen (SÜ) von Beginn an sehraufmerksam und bekundete schon früh ein Interesse an der Beteiligung an einer solchenZusammenarbeit. Aus diesem Grund setzte der Bundesrat im Oktober 1990 die1112So besagt Art. 140 SDÜ, dass jeder Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften diesem Vertragbeitreten kann. Die Schweiz ist bekanntlich nicht Mitglied der EU. Die Bestimmungen zum SIS sindwiederum in Titel IV des SDÜ geregelt.Um die Ziele des Schengener Übereinkommens (SÜ) umsetzten zu können, wurden 1990 zweiAbkommen geschlossen. Zum einen das SDÜ und zum anderen das DÜ. Mit dem DÜ wurden dieasylrechtlichen Bestimmungen aus dem SDÜ herausgelöst. Dennoch ist der untrennbare innereZusammenhang der beiden Abkommen geblieben, welcher durch die Systemvorgabe desursprünglichen SÜ von 1985 gegeben ist. Siehe hierzu auch KOLLER, S. 911.5


Expertenkommission Grenzpolizeiliche Personenkontrolle (EGPK) ein und beauftragtesie, die Personenkontrollen im Hinblick auf die Schaffung eines EuropäischenWirtschaftsraumes (EWR) umfassend zu analysieren. Daneben erfolgten ab 1991mehrere informelle Treffen mit der jeweiligen Schengen-Präsidentschaft um dengegenseitigen Informationsaustausch zu pflegen.Nachdem die EGPK ihre Untersuchungen und Analysen abgeschlossen hatte,veröffentlichte sie ihren Abschlussbericht vom 31. Januar 1993. Darin kam sie zumSchluss, dass ein sicherheitspolitischer Alleingang nicht im Interesse der Schweiz liegenkönne und die Beteiligung an Schengen eine optimale Lösung darstellen würde 13 . Sieschlug daher vor, bei den Schengen-Mitgliedsstaaten die Möglichkeiten einerAssoziierung 14 der Schweiz zu Schengen sowie zu anderen multilateralen Verträgen 15zu prüfen. Der Wunsch um Beitritt zum Schengen-Raum beruhte in der Schweiz indesnicht auf den Überlegungen zum Ausgleich eines allfällig entstehenden Defizits derinneren Sicherheit infolge des Abbaus der Grenzkontrollen 16 , sondern gründetevielmehr auf der Angst einer eigenen Isolierung im Sicherheitsbereich. Dies deshalb, daman befürchtete, eine Hochburg der Kriminalität für international agierende Straftäterzu werden. Die damals allgemeine Befürchtung war nämlich, dass eine Nichtbeteiligungam europäischen Fahndungsraum bewirken würde, dass die Schweiz, begünstigt durchdie geographische Lage inmitten von gegenwärtigen und künftigen Schengen-Staaten,ein sicheres Ziel für Straftäter werden würde, da diese aufgrund einer Ausschreibung imSIS einer Festnahme in der Schweiz entgehen würden. Dies führte im Wesentlichendazu, dass man in der Beteiligung am SIS einen wichtigen Beitrittsgrund zumSchengener Abkommen sah 17 .Aufgrund dessen wurde im Juni 1995 die neu gegründete Arbeitsgruppe namens„Schengen“ damit beauftragt, die Auswirkungen der Inkraftsetzung des SDÜ auf dieSchweiz hin zu analysieren. In Ihrem Schlussbericht vom 15. September 1997 kam siezum Schluss, dass der Bundesrat die Möglichkeit einer partiellen Teilnahme derSchweiz an Schengen sondieren solle. Daraufhin entschloss sich der Bundesrat, die1314151617Vgl. dazu die BOTSCHAFT Bilaterale II, S. 6063.Für Nicht-EU-Staaten ist nur eine sog. Assoziierung möglich. Vgl. dazu auch Fn 12.Z.B. das Dubliner Erstasylabkommen. Vgl. dazu auch Fn 12.Grenzkontrollen finden in der Schweiz immer statt, da sie mit der EU keine Zollunion bildet. Vgl.dazu auch Fn 70.WEHNER, S. 173 ff.6


ilaterale polizeiliche Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten zu intensivieren, wobeidie Konsolidierung des geltenden Systems der vereinfachten Grenzkontrollen sowieeine vertiefte Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Polizei- undGrenzschutzbehörden im Vordergrund stand. Zwar war es möglich, über dieAbkommen mit Deutschland und Österreich Zugriff auf die nationalenPolizeidatenbanken der jeweiligen Vertragspartner zu erhalten 18 , jedoch konnte derangestrebte Direktanschluss an das SIS sowie eine Beteilung am Schengener Visa 19nicht verwirklicht werden 20 .Nichtsdestotrotz bemühte sich die Schweiz weiterhin um den Einbezug auf dieSchengener Zusammenarbeit, wobei sie auf die Unterstützung der Nachbarstaatenzählen konnte. So unterbreitete beispielsweise die deutsche Schengen-Präsidentschaftdem Schengen-Exekutivausschuss 21 im Jahre 1998 einen Vorschlag über dieschrittweise Heranführung der Schweiz an das Schengener System. DerExekutivausschuss sprach sich allerdings klar gegen eine Zusammenarbeit mit derSchweiz aus. Selbst eine informelle Zusammenarbeit lehnte der Ausschuss zumdamaligen Zeitpunkt ab. Die Ablehnung wurde insbesondere mit der bevorstehendenIntegration des Schengen-Besitzstandes in den rechtlichen Rahmen der EU sowie dieForderung der Schweiz nach einem „Schengen à la carte“ und dem damit verbundenenWunsch der Schweiz nach einem Zugang zum SIS, ohne die Bereitschaft zurAufhebung der Grenzkontrollen (sog. „Schengen light“) zu haben, begründet 22 .1819202122Siehe hierzu Art. 6 ff. des: VERTRAG ZWISCHEN DER SCHWEIZERISCHEN EIDGENOSSENSCHAFT UNDDER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND über die Grenzüberschreitende Polizeiliche und JustitielleZusammenarbeit, (SR 0.360.136.1) und Art. 5 in: VERTRAG ZWISCHEN DER SCHWEIZERISCHEN EIDGE-NOSSENSCHAFT DER REPUBLIK ÖSTERREICH UND DEM FÜRSTENTUM LICHTENSTEIN über die grenzüberschreitendeZusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden (SR 0.360.163.1).Die Erteilung von Einreisevisa wird nach einheitlichen Kriterien geregelt. Das sog. „Schengen-Visum“, welches ein typisches Touristenvisum ist, berechtigt den Inhaber zur Einreise in dieSchengen-Staaten. Langzeitvisa wie z.B. Niederlassungs- oder Arbeitsbewilligungen werden von denSchengener Bestimmungen indes nicht erfasst, weshalb die Immigrationspolitik auch unter„Schengen“ weiterhin den Vertragsstaaten überlassen wird.BOTSCHAFT Bilaterale II, S. 6064.Gemäss Art. 131 SDÜ hatten die Vertragsstaaten im Hinblick auf die Durchführung des SDÜ einensog. Exekutivausschuss eingerichtet. Mit dem Inkrafttreten des AV hat aber der Rat der EU für Justizund Inneres die Aufgaben des Exekutivausschusses übernommen. Siehe dazu auch Art. 2 I S.2SchengenProt sowie weiterführend auch WESTPHAL/STOPPA, S. 333.BOTSCHAFT Bilaterale II, S. 6065.7


1.3 Die Bilateralen I und II als Rahmenvertrag für die SchweizAusgangspunkt für die bilateralen Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EUbildete das Nein des Stimmvolkes zum EWR 23 am 6. Dezember 1992. Der Beitrittwurde damals mit 49,70 Prozent, bei einer ausserordentlich hohen Stimmbeteiligungvon 78,73 Prozent, nur knapp abgelehnt 24 . Zu gross war die Angst der allen voranbürgerlichen Parteien, der EWR würde sich als Trainingslager für einen späteren Beitrittzur EU erweisen. An dieser Haltung hat sich bis heute nichts geändert. „Das Kuschenvor Grossmächten habe seinen Anfang mit dem gewollten EWR- und EU-Beitrittgenommen 25 , wie sich eine Regierungspartei unlängst äusserte. Allerdings mag esdahingestellt bleiben, ob die Errichtung des EWR indirekt als Europäischer Warteraumkonzipiert wurde, um Beitrittsambitionen zu besänftigen. Letztlich ebnete das EWR-Abkommen aber den Weg für die Aufnahme von Verhandlungen mit einem Teil derdamaligen EFTA-Staaten 26 . Die ökonomischen Systeme der Beitrittsländer, welchejenen der Mitgliedsstaaten glichen, hatten ihre Stärken bereits im Rahmen des EWRbewiesen. Der EWR als Form differenzierter Integration ausserhalb des einheitlicheninstitutionellen Rahmens der Union, erwies sich somit als veritables Beitrittsinstrument27 .Nach diesem Votum des Souveräns Ende Dezember 1992 beschloss der Bundesrat, dienegativen Folgen einer Nichtbeteiligung der Schweiz am europäischen Binnenmarktdurch den Abschluss sektorieller Wirtschaftsabkommen zu mildern. Hierzu wurden am12. Dezember 1994 in sieben Sektoren bilaterale Verhandlungen aufgenommen. Dabeihandelte es sich um die Bereiche Landverkehr, Personenverkehr, technischeHandelshemmnisse, Luftverkehr, Landwirtschaft, Forschung und öffentliches2324252627Die im EWR vereinigten 28 Mitgliedstaaten bilden den grössten zusammenhängenden Binnenmarktder Welt, der sich von der Arktis bis zum Mittelmeer hin erstreckt und rund 456 MillionenVerbraucher umfasst. Sie haben die Binnenmarktregeln der EU und somit auch die vierGrundfreiheiten des Europäischen Binnenmarktes, nämlich den freien Waren-, Dienstleistungs-,Personen-, und Kapitalverkehr übernommen.BESCHLUSS EWR, BBl 1993 I 168.SCHWEIZERISCHE VOLKSPARTEI (SVP), Pressedienst vom 23.10.2006, S. 7 ff.Die EFTA war 1960 aus dem Zusammenschluss von sieben westeuropäischen Staaten entstanden.Gründungsmitglieder waren neben Grossbritannien, Schweden, Norwegen, Dänemark, Österreich,Portugal auch die Schweiz. Ihnen schlossen sich Island und Finnland an. Lichtenstein als Teil desSchweizer Zollgebietes erwarb 1991 die Vollmitgliedschaft. Die EFTA konnte sich demAnziehungspunkt der damaligen EG indes immer weniger entziehen. Bereits 1973 wechseltenGrossbritannien und Dänemark zur EG über. Im Jahre 1986 folgte auch Portugal und 1995 vollzogenFinnland, Österreich und Schweden den Beitritt zur EU. Siehe weiterführend auch EU-INFO.DEUTSCHLAND, Europäischer Wirtschaftsraum, unter: http://www.eu-info.de.SCHAUER, S. 44 ff.8


Verhandlungswesen. Dieses Vertragspaket - die Bilateralen I - war durch eine sog.„Guillotine-Klausel“ miteinander verknüpft, sodass die Verträge nur gemeinsam in undausser Kraft treten konnten. Wäre also in einem späteren Zeitpunkt ein Abkommengekündigt worden, so wäre dies einer automatischen Beendigung der übrigen sechsVerträge gleich gekommen. Am 21. Juni 1999 - nach rund fünfjähriger Verhandlungsdauer- wurden diese sieben Abkommen vom Bundesrat und der EU-Kommissionsowie den damals noch fünfzehn Aussenministern offiziell unterzeichnet 28 .Die Verträge der Bilateralen I wurden - nachdem das ergriffene Referendum derRechtsaussenparteien Lega dei Ticinesi und der Schweizer Demokraten zustandegekommen war - vom Schweizer Volk am 21. Mai 2000 mit einem Mehr von 67,2Prozent deutlich angenommen 29 , worauf die Verträge zwischen der Schweiz und der EUschliesslich am 1. Juni 2002 in Kraft gesetzt werden konnten.Die nach Inkrafttreten gemachten Erfahrungen mit den Bilateralen I wurden durchwegspositiv aufgefasst. Die Schweiz habe durch ein hartes Verhandeln optimale Lösungenfinden können, um ihr Verhältnis zur EU nutzbringend zu gestalten. Der Verband derSchweizer Unternehmen economiesuisse 30 hielt hierzu fest, dass der wechselseitigeMarktzugang deutlich verbessert werden konnte und die Schweiz nun übermassgeschneiderte Lösungen bei gleichzeitiger Wahrung der gesetzgeberischenAutonomie und Schweizer Stärken verfüge.Da einige Sachgebiete immer noch ungeklärt geblieben waren, wurde mit den sog.Bilateralen II 31 der pragmatische Weg der bilateralen Verhandlungen und den damitverbundenen Abschlüssen spezifischer Abkommen in konkreten Bereichen weiterbeschritten. Dies, obwohl die EU anfangs zögerte, nach Abschluss der Bilateralen Igleich wieder mit neuen Verhandlungen zu beginnen. Die Union ihrerseits entdeckteaber dringende Anliegen in Bezug auf die Schweiz und wollte mit ihr über Abkommenbetreffend die Zinsbesteuerung und Betrugsbekämpfung verhandeln. Die Schweizstimmte diesen Verhandlungen grundsätzlich zu, stellte aber folgende zweiBedingungen: So verlangte sie, dass (1.) auch über zusätzliche Bereiche, insbesondere28293031GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG DER SCHWEIZERISCHEN WIRTSCHAFT, S. 1.BESCHLUSS VOLKSABSTIMMUNG, BBl 2000 3773.DOSSIER POLITIK SPEZIAL, S. 1.Vgl. dazu die BOTSCHAFT Bilaterale II, S. 5965 ff.9


über die schweizerische Teilnahme an der Zusammenarbeit von „Schengen/Dublin“,also in den Bereichen innere Sicherheit und Asylpolitik, sowie (2.) über weitereDossiers, zu denen beide Seiten beim Abschluss der Bilateralen I schonVerhandlungsabsichten bekundet hatten, verhandelt werden sollte. Des Weiterenforderte die Schweiz, dass alle Dossiers gemeinsam und gleichzeitig verhandelt undabgeschlossen werden sollen. Sie wollte dadurch eine ausgewogene Lösunggewährleisten, die namentlich auch die schweizerischen Interessen berücksichtigte 32 .Diese Abschlüsse mündeten letztlich in neun Verhandlungsergebnisse. Bei acht vonihnen handelte es sich um Abkommen (Verarbeitete Landwirtschaftsprodukte, Statistik,Ruhegehälter, Umwelt, MEDIA, Schengen/Dublin, Betrugsbekämpfung, Zinsbesteuerung),welche zwingend vom Parlament genehmigt werden mussten. Bei dreien, nämlichden Abkommen MEDIA, Schengen/Dublin und der Zinsbesteuerung, bedurfte es zurUmsetzung sogar Anpassungen auf Gesetzesstufe. Beim neunten Verhandlungsergebnis(Bildung/Berufsbildung/Jugend) handelte es sich lediglich um eine Absichtserklärung.Im Unterschied zu den Bilateralen I konnten die Abkommen der Bilateralen II jedochgemäss den jeweiligen Bestimmungen, d.h. unabhängig voneinander in Kraft treten 33 .Da keines der neun bilateralen Abkommen eine Verfassungsänderung zur Folge hatte,unterlagen Sie lediglich dem fakultativen Referendum 34 . Ein solches wurde einziggegen den Bundesbeschluss vom 17. Dezember 2004 über die Genehmigung und dieUmsetzung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über dieAssoziierung an Schengen und Dublin ergriffen. Mit Datum vom 31. März 2005reichten zwei unterschiedliche Komitees insgesamt 86'732 gültige Unterschriften beider Bundeskanzlei ein, sodass das ergriffene Referendum zu Stande kam 35 . Die darausresultierende Volksabstimmung fand am 5. Juni 2005 statt, wobei die schweizerischenStimmberechtigten mit 54,6 Prozent Ja-Stimmen die Schengen/Dublin-Abkommendeutlich annahmen 36 .3233343536INTEGRATIONSBÜRO Dossier, S. 4.INTEGRATIONSBÜRO Fact Sheets, S. 7 ff.HÄFELIN/HALLER, Rn 1905 ff.SCHWEIZERISCHE BUNDESKANZLEI, BBl 2005, S. 2690, unter: http://www.admin.ch.INTEGRATIONSBÜRO Fragen.10


2. Rechtsgrundlagen für die zwischenstaatliche Zusammenarbeit2.1 Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des RechtsThematisiert man die polizeiliche Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EUim Bereich der inneren Sicherheit, dann darf das auf europäischer Ebene umfassendeIntegrationsvorhaben, nämlich die Schaffung eines „Raumes der Freiheit, derSicherheit und des Rechts“, nicht ausser Acht gelassen werden. Ein solcher Raumverfolgt die Förderung und Stärkung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeitund das Ziel, den Bürgern ein hohes Mass an Sicherheit zu bieten (Art. 29 EUV 37 ). DieBegriffstrilogie „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ bringt zumAusdruck, dass es sich zwar um drei verschiedene, sich jedoch funktionalüberschneidende Entwicklungslinien der künftigen europäischen Integrationsarbeithandelt 38 .Der „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ beruht auf dem ursprünglichenZiel der Europäischen Gemeinschaft (EG) einen einheitlichen Binnenmarkt zu schaffen(Art. 14 Abs. 1 EGV). Die vier Grundfreiheiten, die dadurch verwirklicht werdensollten, waren der freie Warenverkehr 39 , die Freizügigkeit der Arbeitnehmenden 40 , derfreie Dienstleistungsverkehr 41 und der freie Kapital- und Zahlungsverkehr 42 . Um dieVoraussetzungen für dieses Ziel verbessern zu können, hatte die Gemeinschaft bereitsim Rahmen des Vertrags von Amsterdam (AV) 43 von 1997 beschlossen, einen solchen„Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ zu schaffen. Damit sollten diesicherheitspolitischen Voraussetzungen einerseits für die Gewährleistung des freienPersonenverkehrs, andererseits aber auch für eine Vertiefung des einheitlicheneuropäischen Wirtschafts- und Währungsraumes geschaffen werden. Die Wurzeln desfreien Binnenmarktes reichen indes sogar viel weiter zurück, nämlich bis auf dieEinheitliche Europäische Akte (EEA) aus dem Jahre 1986, in welcher der37383940414243Darin statuiert die EU das Ziel „den Bürgern in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und desRechts ein hohes Mass an Sicherheit zu bieten, in dem sie ein gemeinsames Vorgehen der Mitgliedstaatenim Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen entwickeltsowie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verhütet und bekämpft.“ Vgl. dazu auch Fn 81.KOLLER, S. 912.Vgl. dazu Art. 23 ff. EGV.Vgl. dazu Art. 39 ff. EGV.Vgl. dazu Art. 49 ff. EGV.Vgl. dazu Art. 56 ff. EGV.MÖCKLI, S. 125. Siehe dazu auch Kap. 2.4.11


Grundgedanke des freien Personenverkehrs als eine der vier Grundfreiheiten desBinnenmarktes verankert wurde, und welche eine umfassende zwischenstaatlicheZusammenarbeit auch im Bereich der Justiz und Polizei vorsah. Diese „EinheitlichePolitische Zusammenarbeit“ fand aber auf rein völkerrechtlicher Ebene, also ausserhalbder Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, statt 44 .Was die Umsetzung dieses freien Binnenmarktes betrifft, so ist noch zu erwähnen, dasssich diese als langwierige Angelegenheit erwies. Dies aus dem Grund, da dieGemeinschaft sich lange Zeit nicht einig war, wie umfassend der Begriff derFreizügigkeit der Arbeitnehmenden, die sog. „Personenfreizügigkeit“, zu interpretierensei. Die Diskrepanz lag vor allem darin, dass einige Staaten, wie z.B. Grossbritannien,Irland und Dänemark, einen restriktiveren Ansatz verfolgten und daraus lediglich ein„freies Aufenthaltsrecht von Arbeitenden und Studierenden“ ableiteten, während andereStaaten, wie Frankreich und Deutschland, die gänzliche Abschaffung derBinnengrenzen forderten und so einen grundsätzlich „freien Personenverkehr“anstrebten. Dies hatte zur Folge, dass fortan die Bemühungen um mehr Freiheitinnerhalb der EU parallel auf zwei Schienen vorangetrieben werden musste 45 .2.2 Die historische Entwicklung des Schengen-Abkommen von 1985Der EWG-Vertrag 46 aus dem Jahre 1957 erhielt noch keine Vorschriften zurOrganisation einer gemeinsamen Innen- und Justizpolitik. Einen ersten Ansatz einerintergouvernementalen Zusammenarbeit innerhalb der Mitgliedstaaten konnte man nurdem Art. 220 EWGV entnehmen. Dieser verpflichtete die Mitgliedstaaten untereinander,bei Bedarf Verhandlungen aufzunehmen, um die Grundfreiheiten desVertrages - etwa durch einen allfälligen Abschluss völkerrechtlicher Verträgeausserhalb des bestehenden Gemeinschaftsrechts - zugunsten ihrer Staatsangehörigenergänzen zu können. Zu wirklich konkreten Ansätzen einer Zusammenarbeit in denBereichen Justiz und Inneres kam es allerdings erst anlässlich eines Treffens in Paris 47 .44454647KOLLER, S. 911.MÖCKLI, S. 127 ff.; Vgl. dazu auch OBERLEITNER, S. 54 f.Der im Jahre 1957 in Rom von den Benelux-Staaten, Deutschland, Frankreich und Italienunterzeichnete EWG-Vertrag verfolgt das Ziel, durch die Förderung des Handels und der Integrationdie Ausweitung der Wirtschaft zu erreichen. Hierzu sieht er die Schaffung eines gemeinsamenMarktes, einer Zollunion und die Entwicklung gemeinsamer Politiken vor.Eine eingesetzte Arbeitsgruppe wurde mit der Prüfung beauftragt, unter welchen Bedingungen undinnerhalb welcher Fristen den Bürgern der Mitgliedstaaten besondere Rechte zugestanden werden12


Anlässlich dieses Treffens im Dezember 1974 hegten die Staats- und die Regierungschefsder Mitgliedsländer der EG, erstmals die Idee zur Gründung einergemeinsamen Passunion 48 . Das damalige Schlusskommuniqué kündigte eine Arbeitsgruppean, welche die Möglichkeiten zur Schaffung einer solchen gemeinsamenPassunion prüfen sollte. Kurze Zeit später folgte ein Bericht der Kommission, welcherdie Ausarbeitung eines völkerrechtlichen Vertrages oder die Änderung des bestehendenEWGV als Rechtsinstrument in Betracht zog. Die daraus folgenden Bemühungen derKommission schlugen allerdings fehl. Zu gross waren die Bedenken und derWiderstand gegen ein solches Vorhaben, sodass lediglich ein denKommissionsvorschlag verwässernder Beschluss des Rates und der im Rat vereinigtenVertreter der Regierungen der Mitgliedsstaaten, eine gewisse Bewegung in dieRegelungsmaterie brachte 49 .Bereits Anfang der Achtziger Jahre wurde also deutlich, dass noch nicht alle Staaten derdamaligen EWG bereit waren, die Grenzkontrollen abzubauen 50 . Erst als im Juni 1984der Europäische Rat von Fontainebleau den sog. Adonnino-Ausschuss einsetzte unddieser das angestrebte Ziel der „Abschaffung von innergemeinschaftlichenGrenzkontrollen“ bestätigte, setzten Deutschland und Frankreich einen erstenbilateralen Schritt, in dem sie am 13. Juni 1984 einen völkerrechtlichen Vertrag, dassog. Saarbrückener Abkommen 51 , schlossen. Dieses sah an den gemeinsamen Binnengrenzenein „Kontrollverfahren ohne Wartezeiten“, also den eigentlichen Verzichtsystematischer Kontrollen des ein- und ausreisenden Grenzverkehrs vor, was einerweitgehenden Abschaffung der Grenzkontrollen im Personenverkehr gleichkam.Sinngemäss wurde der ursprüngliche Kommissionsvorschlag somit von diesen beidenLändern bilateral wieder aufgenommen. Bereits fünf Monate später, erklärten die drei48495051könnten. Als besondere Rechte nannte die Arbeitsgruppe in ihrem Bericht u.a. das Kommunalwahlrecht,das Aufenthaltsrecht für Nichterwerbstätige sowie die Schaffung einer Passunion. Siehehierzu auch HUMMER/OBWEXER, S. 3 ff.Die Schaffung einer gemeinsamen Passunion hatte zum Ziel, die innergemeinschaftlichenGrenzkontrollen im Personenverkehr abzuschaffen. Einen ersten Schritt hierzu unternahmen dieVertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten am 23. Juni 1981. In einer Entschliessung vereinbartensie Bemühungen um Ausstellung einheitlicher Pässe bis zum 1. Januar 1985. Siehe dazu ausführlicherbei: HUMMER/OBWEXER, S. 4 Rn 3 u. 4.SCHAUER, S. 195.Vgl. hierzu Kap. 2.1.Das Abkommen trat sogleich am Tag der Unterzeichnung in Kraft. Die Vertragsparteien kamenüberein, die Formalitäten im Personenverkehr an der gemeinsamen Grenze für Angehörige der EU-Mitgliedstaaten aufzuheben. Zudem sah es die Einrichtung einer E(uro)-Spur und die Einrichtunggemeinsamer Kontrollstellen zum Zwecke der rascheren Grenzabfertigung vor. Siehe weiterführendauch: HUMMER/OBWEXER, S. 32.13


Benelux-Staaten Belgien, die Niederlande und Luxemburg im sogenannten Benelux-Manifest vom 12. Dezember 1984, sich der deutsch-französischen Initiative zurAbschaffung der Grenzformalitäten im Personenverkehr anzuschliessen 52 . Dies war dieGeburtsstunde der sog. „Gruppe der Fünf“. Im Zuge der weiteren Beratungen aufGemeinschaftsebene zeichnete sich innerhalb des Adonnino-Ausschusses die Erkenntnisab, dass den bisherigen Kontrollen an den damaligen EWG-Binnengrenzen einewichtige Sicherheitsfunktion zugekommen war, auf die im Zuge der Verwirklichungeines Binnenmarktes nicht so leicht verzichtet werden konnte. Entsprechend wies derEuropäische Rat von Brüssel am 29./30. März 1985 darauf hin, dass der Abbau derPersonenkontrollen an den Binnengrenzen mit entsprechenden Ausgleichsmassnahmen,insbesondere im Bereich der Terrorismus- und Drogenbekämpfung, einhergehen müsseund akzeptierte die dafür im Bericht des zitierten Ausschusses vorgeschlagenenMassnahmen 53 . Basierend auf dem Saarbrückener Abkommen erarbeiteten die nun fünfMitgliedstaaten das Übereinkommen zwischen den Regierungen der Staaten derBenelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der FranzösischenRepublik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamenGrenzen vom 14. Juni 1985, das nach dem Ort der Unterzeichnung - der MoselortSchengen liegt im Dreiländereck Deutschland, Frankreich und Luxemburg - fortan alsSchengener Übereinkommen (SÜ) bezeichnet wurde.Da die EWG damals noch über keine Zuständigkeiten über die im SÜ geregeltenBereiche verfügte und sich nicht alle Staaten an dem für diese Zeit visionären Vorgehenbeteiligten wollten, wurde das SÜ nicht unter dem Dach der damaligen EWG, sondernals normaler multilateraler Vertrag geschlossen 54 . Materiell betrachtet bestand das alsblosses Regierungsübereinkommen gefasste SÜ aus zwei Teilen. (1.) Aus denkurzfristig durchzuführenden Massnahmen 55 , die eine Erleichterung der Grenzkontrollen,insbesondere durch eine einfache Sichtkontrolle im Personenverkehr sowie dieErrichtung gemeinsamer Grenzkontrollen zum Ziel hatte. So war im Einzelnenbeispielsweise vorgesehen, anstelle von systematischen Kontrollen nur nochSichtkontrollen bei ein- und ausreisenden Personenwagen durchzuführen, um dadurchden kleinen Grenzverkehr zu erleichtern und (2.) bestand es aus den langfristig durchzu-52535455OBERLEITNER, S. 55.HUMMER/OBWEXER, S. 32.KOLLER, S. 911.Vgl. dazu Titel I, Art. 1 bis 16 SÜ.14


führenden Massnahmen 56 , welche den vollständigen Abbau der Grenzkontrollen ermöglichensollten 57 .Das SÜ diente später als Grundlage für das zweite Schengener Abkommen, dasSchengener Durchführungsübereinkommen von 1990, welches von weitaus grössererBedeutung ist, weil erst dieses Abkommen die Vertragsstaaten zum tatsächlichen Abbauder Grenzkontrollen 58 und zu den entsprechenden Ausgleichsmassnahmen verpflichtet,die auch Eingriffsbefugnisse gegenüber den Bürgern umfassen 59 .2.3 Das Schengener Durchführungsübereinkommen von 1990Um nun die langfristig durchzuführenden Massnahmen im Sinne des SÜ umsetzen zukönnen, wurden 1990 zwei Abkommen geschlossen, nämlich das DÜ 60 und einÜbereinkommen zur Durchführung des SÜ vom 14. Juni 1985 zwischen denRegierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der BundesrepublikDeutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau derKontrollen an den gemeinsamen Grenzen vom 19. Juni 1990, welches als SchengenerDurchführungsübereinkommen (SDÜ) bezeichnet wird. In der Tat war das SDÜ schonim Dezember 1989 vollinhaltlich abgeschlossen, die Unterzeichnung erfolgte jedocherst nach der Klärung der Lage nach dem Fall der Berliner Mauer, da Deutschlandaufgrund der neuen Situation um eine Verschiebung des vorgesehenen Unterzeichnungsterminsbat 61 .Das SDÜ als solches stellt ein höchst komplexes Vertragswerk dar. Seine 142 Artikelbeschäftigen sich mit unterschiedlichen Bereichen und weisen häufig komplizierteBestimmungen auf, da sie teilweise auch Kerne der staatlichen Souveränität enthalten.Als Beispiel sei hier die Ausübung von Hoheitsgewalt durch Polizeibeamte aufStaatsgebiet anderer Vertragsparteien erwähnt, wie dies etwa im Rahmen der grenzüber-565758596061Vgl. dazu Titel II, Art. 17 bis 27 SÜ.Siehe weiterführend auch: SCHAUER, S. 33.Vgl. dazu auch Art. 2 Abs. 1 SDÜ der besagt, dass Binnengrenzen an jeder Stelle ohne Personenkontrollenüberschritten werden dürfen.EPINEY, S. 24 ff.Das Dubliner Übereinkommen regelt die Zusammenarbeit im europäischen Asylraum. Es sollsicherstellen, das Asylsuchende nur ein Asylgesuch im Dubliner Raum stellen können. Es legt zudemdie Kriterien fest, gemäss denen der für die Behandlung des Asylgesuchs zuständige Staat bestimmtwird und sorgt so auch für eine ausgewogene Verteilung der Asylsuchenden auf die Dublin-Vertragsstaaten. Vgl. hierzu auch Fn 12.OBERLEITNER, S. 56.15


schreitenden Nacheile 62 regelmässig vorkommt. Das führt zu Folgeproblemen, diezweifelsohne Rückwirkungen auf die „traditionelle“ Form staatlicher Souveränitäthaben können 63 .2.3.1 Inhalt und Aufbau des SDÜDas Regelwerk ist systematisch aufgebaut und gliedert sich in die nachfolgendaufgeführten acht Titel 64 .- Titel I: Hier finden sich die Erklärungen aller Begriffsbestimmungen, wie sie imSinne dieses Übereinkommens angewendet werden 65 .- Titel II befasst sich mit der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzenund regelt überdies den freien Personenverkehr. Im Speziellen sei hier aufArt. 2 Abs. 1 SDÜ hingewiesen, welcher festlegt, dass „die Binnengrenzen anjeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden dürfen.“ DieserArtikel kann zweifellos als Herzstück des SDÜ angesehen werden.- Titel III: Dieser Titel umfasst die Themen Polizei und Sicherheit. Insbesonderesind hier die Bereiche Informationsaustausch 66 , Nacheile 67 und Observation 68geregelt. Des Weiteren enthält dieser Titel auch Bestimmungen zur Regelungder Rechtshilfe in Strafsachen. Art. 54 SDÜ, welcher auch zu diesem Titel zurechnen ist, regelt das Verbot der Doppelbestrafung (ne bis in idem) 69 .6263646566676869Beamte einer Vertragspartei dürfen die Verfolgung einer Person auf dem Hoheitsgebiet einer anderenVertragspartei ohne deren vorherige Zustimmung fortsetzen, wenn diese aufgrund einer besonderenDringlichkeit vorgängig nicht informiert werden konnte. Siehe dazu Art. 41 SDÜ.EPINEY, S. 29.OBERLEITNER, S. 62 ff.Siehe hierzu Art. 1 SDÜ.Siehe dazu Art. 39 und 46 SDÜ sowie auch Kap. 4.2.Siehe dazu Fn 52.Unter einer Observation verstehen wir eine länger andauernde Beobachtung von verdächtigtenPersonen durch Polizeibehörden, wobei ein Kontakt zwischen den observierten Personen und denobservierenden Beamten grundsätzlich nicht beabsichtigt ist. Siehe dazu auch Art. 40 SDÜ i.V.m. Art.42 u. 43 SDÜ.Ne bis in idem hat keine internationale Geltung und beschränkt daher die Rechtshilfe als solches nicht.Dies zeigt sich auch daran, dass ihm Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK nur innerstaatlicheBedeutung zumisst und dass die nationalen Strafrechte regelmässig auf Auslandstaten angewendetwerden. Auslandurteile werden dabei nur beschränkt berücksichtigt und begnügen sich häufig mit derblossen Anrechnung bereits vollzogener Strafen. Auf europäischer Ebene aber, haben das SDÜ unddas EG-nebis in idem-Übereinkommen den Schutz von einer Doppelverfolgung gemeinschafts-16


- Titel IV: Hier sind sämtliche Bestimmungen über die Einrichtung und denBetrieb des SIS sowie die Regelungen bezüglich der Datensicherung angesiedelt.- Titel V: Dieser befasst sich mit dem Transport und dem Warenverkehr. 70- Titel VI: Dieser Titel regelt die Bestimmungen zum allgemeinen Datenschutz,der beim Austausch von Informationen zu beachten ist.- Titel VII: Hier finden sich die Bestimmungen über den Exekutivausschuss.Dieser wacht über die richtige Anwendung des SDÜ und beschliesst diediesbezüglichen Durchführungsregelungen, wie z.B. das „Gemeinsame Handbuchzur Durchführung von Kontrollen an den Aussengrenzen“ 71 .- Titel VIII: Im letzten Titel sind die Schlussbestimmungen des SDÜ zusammengefasst.Geregelt ist u.a. die allgemeine Anwendbarkeit des SDÜ sowie auchdie Beitritts- und Aufnahmeprozedere zum SDÜ. Eine Schlussakte, ein Protokollmit mehreren gemeinsamen und einseitigen Erklärungen sowie eine Erklärungder Minister und Staatssekretäre ergänzen das Vertragswerk.Es sei in diesem Zusammenhang noch vermerkt, dass das SDÜ - im Gegensatz zumSÜ - einen ratifikationsbedürftigen Staatsvertrag darstellt, für dessen Inkrafttreten einkomplizierter, zweistufiger Mechanismus vorgesehen ist. Die Ratifizierung und dasInkrafttreten des Abkommens sind in Art. 139 SDÜ geregelt 72 .rechtlich anerkannt und zielen auf seine zwischenstaatliche Geltung. Siehe weiterführend auch: POPP,Rn 264 und VON BUBNOFF, S. 37 ff.70Hier ist anzumerken, dass die Schweiz nicht Mitglied der EU-Zollunion ist und im Bezug auf dieWarenkontrollen ein Sonderfall bleiben wird. Deshalb wird das Schweizer Grenzwachtkorps direkt ander Grenze auch weiterhin systematische Warenkontrollen durchführen können und in diesemZusammenhang auch Personen überprüfen, wenn ein polizeilicher Anfangsverdacht vorliegt.Verdachtsunabhängige und systematische Personenkontrollen sind indes nicht mehr möglich. Vgl.dazu INTEGRATIONSBÜRO Zusammenarbeit, S. 2 und Fn 16.71Das gemeinsame Handbuch Schengen (GHB) regelte Bestimmungen für die Durchführung derpolizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs der Schengen Staaten. Der GHB wurdemit Inkrafttreten des Schengener Grenzkodex per 13.10.2006 aufgehoben. Ihm folgte ein Leitfaden,das sog. „Practical Handbook“ mit empfehlendem Charakter. Siehe weiterführend auchWESTPHAL/STOPPA, S. 34. und Kap. 2.3.11, S. 60 ff. desselben.72Gemäss Art. 139 SDÜ werden hierbei die Ratifikations-, Annahme-, oder Genehmigungsurkundenimmer bei der Regierung des Grossherzogtums Luxemburg hinterlegt, welche die Hinterlegung allenVertragsparteien notifiziert. Eine erste Stufe bezieht sich auf das Inkrafttreten des Übereinkommens17


2.3.2 Das Ratifizierungsverfahren in Bezug auf die SchweizDas Verfahren zur Inkraftsetzung des Schengen-Assoziierungsabkommens (SAA) 73 istspeziell geregelt. Gemäss Art. 15 SDÜ erfolgen nach der Ratifikation zunächstKonsultationen in einem gemischten Ausschuss. Das formelle Inkrafttreten desAbkommens bedeutet also nicht automatisch auch eine sofortige operative Beteiligung.Für die Schweiz heisst dies, dass die EU vorgängig eine Evaluation im Bezug auf diekorrekte Umsetzung der Schengener Vorschriften in der Schweiz vornehmen wird.Diesbezüglich ist davon auszugehen, dass folgende Bereiche evaluiert werden: DiePolizeizusammenarbeit zwischen den Kantonen und dem Bund, das Funktionieren desSIS und die Einhaltung der damit verbundenen Bestimmungen des Datenschutzes, dieSicherung der Schengen-Aussengrenzen an den Flughäfen sowie auch dieZusammenarbeit der Visa-Behörden. Der Ausschuss wird aus Vertretern der SchweizerRegierung sowie aus Mitgliedern des EU-Ministerrates und der EuropäischenKommission bestehen. Obschon der Kommission in dieser Verfahrensstufe eingewichtiges Mitspracherecht zukommt, kann dieses allerdings nicht mit einerumfassenden Letztkompetenz gleichgesetzt werden. Verläuft die Konsultation für dieSchweiz erfolgreich, setzt der Ministerrat durch einen einstimmig gefällten Beschlussseiner am Schengen-Besitzstand partizipierenden Mitglieder den Zeitpunkt derInkraftsetzung fest. Der Ministerrat entscheidet in dieser eher technischen Frage also ineiner anderen Zusammensetzung als beim Ratifikationsbeschluss, da Art. 15 SDÜ demMinisterrat in seiner „Schengener Zusammensetzung“ das letzte Wort zur Inkraftsetzungdes Abkommens geben wird 74 .Der Bundesrat ging seinerzeit davon aus, dass die SAA von Schengen/Dublinzumindest in formeller Hinsicht in der zweiten Jahreshälfte 2007 in Kraft tretenwerden 75 . Die EU-Mitgliedsstaaten mussten die entsprechenden Abkommen nochratifizieren, wobei auf der Liste der fehlenden Staaten lange noch Belgien, Griechenland7374am ersten Tag des zweiten Monats nach Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde. Eine zweiteStufe regelt die Anwendung des Abkommens an sich, in dem zusätzlich eine gemeinsame Erklärungzu Art. 139 SDÜ hinzutritt. Diese macht das tatsächliche Inkrafttreten des SDÜ davon abhängig, oballe Voraussetzungen der Anwendung des Übereinkommens bei den Unterzeichnerstaaten gegebensind und insbesondere die Kontrollen an den Aussengrenzen auch tatsächlich durchgeführt werden,wie dies in der gemeinsamen Erklärung der Schlussakte zum SDÜ auch festgehalten ist.Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der EU und derEG über die Assoziierung bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands (SR 0.360.268.1, BBl 2004, 6447).KELLER/SCHNELL.75Vgl. dazu EJPD SIS.18


und Tschechien figurierten. Während in Brüssel und Prag technische Gründe für dieVerzögerung verantwortlich gemacht wurden, waren aus Athen politische Vorbehalte,die mit dem Schweizer Beitrag an die Strukturpolitik der EU in Zusammenhangstanden, vorgebracht worden 76 . Nachdem die Schweiz die Abkommen bereits am 20.März 2006 ratifizierte, hat nun der EU-Ministerrat, nachdem die Vorbehalte einzelnerLänder zurückgezogen wurden, am 28. Januar 2008 ebenfalls grünes Licht für dieRatifizierung gegeben, sodass die Abkommen voraussichtlich anfangs März in Krafttreten können 77 .2.4 Der Vertrag von Amsterdam 1999Damit sichergestellt werden konnte, dass die Regelungen des SDÜ auch von sämtlichenspäter beitretenden Staaten angewendet werden, wurde das Abkommen in EU-Rechtüberführt. Dies geschah durch den Vertrag von Amsterdam (AV) 78 . Dieser ist dasErgebnis der Regierungskonferenz zur Reform der europäischen Verträge, die am29. März 1996 in Turin (I) eröffnet und am 16. Juni 1997 mit der Vorlage des neuenVertragsentwurfes an den Europäischen Rat beendet worden war. Er ist am 1. Mai 1999in Kraft getreten. Während der Vertrag von Maastricht (1992) die Geburtsurkunde derEU markiert, unternimmt der AV wichtige konkrete Schritte, um die EU bürgernäher zugestalten und ihre politische Identität sowohl nach innen wie auch nach aussensichtbarer und wirksamer zu machen. Insoweit schliesst der AV unmittelbar an dieumfassende Fortentwicklung der Vertragsgrundlagen der EG und der EU an, die durchdie EEA von 1986 (Binnenmarkt) eingeleitet und durch den Vertag von Maastricht(Wirtschafts- und Währungsunion) fortgesetzt wurde, und schreibt sie weiter fort.Deshalb sind diese drei Verträge auch inhaltlich fest miteinander verbunden 79 .Die Umsetzung des AV im Bereich Justiz und Inneres erfolgte bisher in zwei Etappen.Eine erste Etappe dauerte fünf Jahre bis zum Jahre 2004 und basierte auf den Vorgabendes Europäischen Rates (ER) von Tampere, Finnland. Die zweite Etappe wurde am5. November 2005 lanciert und manifestiert sich im Haager Programm. Sie hat die76777879Vgl. dazu NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (WIN) am 19. September.2007; „<strong>Bern</strong> peilt Schengen-Beitritt am1. November 2008 an“.Siehe hierzu NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (SDA) am 28. Januar 2008, „EU gibt grünes Licht fürSchengen/Dublin“.Siehe dazu auch Kap. 2.4.3.LÄUFER, S. 9.19


Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zum Ziel und solldie Zusammenarbeit der EU in diesen Bereichen weiter vertiefen 80 .Von der Struktur des Vertragswerkes her bleibt es grundsätzlich bei der bisherigenKonstruktion der EU, die schon der Vertrag von Maastricht auf die drei nachfolgendaufgezeigten Säulen gestellt hatte.2.4.1 Die „Tempelkonstruktion“ der EUDie EU als solches wurde durch den Vertrag über die europäische Union (EUV) 81 , deram 01.11.1993 in Kraft getreten ist, errichtet. Grundlage der Union sind einerseits dieeuropäischen Gemeinschaften (EG, EGKS und EAG) und anderseits die durch diesenVertrag eingeführten Politiken und Formen der Zusammenarbeit. Demzufolge beruhtdie EU auf den drei europäischen Gemeinschaften in der durch den Unionsvertraggeänderten Fassung, ergänzt durch die in Art. J EUV vorgesehene gemeinsame AussenundSicherheitspolitik (GASP) als eingeführte Politik sowie die durch Art. K EUVeingeführte Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Polizei (PJZS) als Form derZusammenarbeit.Diese verschiedenen Elemente lassen sich am besten mit dem Bild einer„Tempelkonstruktion“ veranschaulichen. Demnach bilden die gemeinsamenBestimmungen der Art. A bis F EUV das Dach des Tempels, welches auf drei Säulenruht, die ihrerseits auf den Schlussbestimmungen der Art. L bis S EUV als Sockelstehen. Während die erste Säule die Europäischen Gemeinschaften (EG, EGKS undEAG) mitsamt ihrer Erweiterung um die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU)sowie weitere Materien wie Sozialpolitik, Gesundheitswesen, Umweltschutz unddergleichen umfasst, sind in der zweiten Säule (eingeführte Politik) die gemeinsameAussen- und Sicherheitspolitik der Union (GASP) angegliedert. In der dritten Säule(Formen der Zusammenarbeit) findet sich die Zusammenarbeit der Bereiche Justiz undStrafsachen (PJZS). Sie umfasst u.a. die Materien Asylpolitik, Vorschriften i.S.Überschreiten der Aussengrenzen, Einwanderungspolitik, polizeiliche Zusammenarbeitbei der Bekämpfung der Drogen- und Betrugskriminalität (sog. weiche Materien) sowieauch die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen, die Zusammenarbeit im8081KOLLER, S. 913.VERTRAG ÜBER DIE EUROPÄISCHEN UNION (ABl C 191) vom 29. Juli 1992.20


Zollwesen und letztlich die polizeiliche Zusammenarbeit (sog. harte Materien), welchezuvor alle als Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse behandelt wurden 82 .Gemeinsame BestimmungenArt. A – FEUV1. SäuleEuropäischenGemeinschaften(EG,EGKSundEAG)2. SäuleGemeinsameAussenundSicherheitspolitikderUnion(GASP)3. SäuleZusammenarbeitderBereicheJustiz undStrafsachen(PJZS)Schlussbestimmungen der Art. L bis S EUV2.4.2 Rechtsordnung und Rechtsnatur der EUDie verschiedenen „Bauelemente“ der EU sind von unterschiedlicher rechtlicherQualität. Während die erste Säule auf der mit den drei EG-Gründungsverträgengeschaffenen eigenen supranationalen Rechtsordnung beruht, sind die zweite wie auchdie dritte Säule strikt intergouvernemental ausgestattet. Dies gilt ebenso für diegemeinsamen Bestimmungen der Art. A bis F EUV und die Schlussbestimmungen derArt. L bis S EUV. Demzufolge zerfällt das Recht der EU in zwei getrennteRechtsordnungen. Nämlich in das supranationale Gemeinschaftsrecht der ersten Säuleund in das völkerrechtliche Unionsrecht der zweiten und dritten Säule einschliesslichder vorerwähnten Gemeinsamen Bestimmungen sowie der Schlussbestimmungen.Was die Rechtsnatur der EU anbelangt, so ist sie keine eigenständige InternationaleOrganisation und verfügt weder über eine völkerrechtliche noch über eineinnerstaatliche Rechts- und Handlungsfähigkeit. Die Europäischen Gemeinschaften(EG, EGKS und EAG) bleiben nach wie vor als drei voneinander getrennte82HUMMER/OBWEXER, S. 13 ff.21


Gemeinschaften in der ersten Säule bestehen. Die Rechtsakte der Gemeinschaftsorganein der „ersten Säule“ sind deshalb nach wie vor der jeweiligen Gemeinschaft selbst undnicht der EU zuzurechnen. Die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane in den operativenFeldern der zweiten und dritten Säule sind auch nicht als Rechtsakte der EU zuverstehen. Vielmehr stellen sie Rechtshandlungen der Gesamtheit der EU-Mitgliedstaaten dar. Über das Kohärenzgebot werden diese dazu verpflichtet, einzelneMassnahmen konzeptionell abzustimmen und konterkarierende Massnahmen zuvermeiden. Dem gegenüber enthält das Kontinuitätsgebot die Verpflichtung, bei derErreichung der Ziele der EU den gemeinschaftlichen Besitzstand zu wahren und weiterzu entwickeln 83 .2.4.3 Die Überführung des Schengen-Besitzstandes in die EUDer AV brachte die Überführung des Schengen-Aquis 84 in den ersten bzw. drittenPfeiler der EU. Unter Verwendung des neu geschaffenen Instrumentes der verstärktenZusammenarbeit (Dritte Säule) wurde ein völkerrechtlicher Aquis in den Unionsrahmeneingespeist. Titel IV EG sowie Titel VI EU bieten hierzu die Rechtsgrundlage für denzu „ventilierenden“ Schengen-Aquis. Zudem regeln umfangreiche Protokolle zum EUVund EGV die Einbeziehung des Schengen-Besitzstandes in den Rahmen der EU. DieUnterzeichner der Schengener Übereinkommen wurden dadurch ermächtigt,untereinander eine verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen des sog. Schengen-Besitzstandes zu begründen. Diese erfolgte innerhalb des institutionellen undrechtlichen Rahmens der EU, ist primärrechtlich verankert und folgt in wichtigen Teilennicht dem System der verstärkten Zusammenarbeit des AV. An die Stelle differenzierterIntegration ausserhalb der Verträge tritt eine Form differenzierter Integration innerhalbder Verträge. Diese bilden ein Sonderregime gegenüber dem neuen Statut derverstärkten Zusammenarbeit (Dritte Säule) 85 .Durch dieses Vorgehen verblieben die Bereiche der polizeilichen und justitiellenZusammenarbeit in Strafsachen in der intergouvernementalen Kooperation, sodass nunmehr die Bereiche Einwanderung (Visa), Asyl und Grenzkontrollen sowie die justitielleZusammenarbeit in Zivilsachen und die Belange des Zollwesens vergemeinschaftet838485HUMMER/OBWEXER, S. 14 ff.Vgl. dazu Kap. 2.4.4.SCHAUER, S. 204 ff.22


wurden. Durch die Überführung eines Grossteils der von gemeinsamem Interesse in dieerste Säule wurde eine Voraussetzung dafür geschaffen, die bestehenden Kompetenzüberschreitungenund Abgrenzungsprobleme, vor allem im Bereich der Visapolitik, zubeenden und die bestehenden Strukturen des Gemeinschaftsrechts in Anspruch nehmenzu können 86 . Hingegen erfolgt die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit inStrafsachen weiterhin auf Regierungsebene, also in der dritten Säule. Dabei geht esinsbesondere um die Erleichterung der Auslieferung, die Verbesserung der Zusammenarbeitvon Justiz und Polizei, die Bekämpfung von Terrorismus, der organisiertenKriminalität und des illegalen Drogenhandels. Die in diesem Zusammenhang erlassenenRechtsakte, wie etwa gemeinsame Rahmenbeschlüsse oder gemeinsame Standpunkte,entfalten ihre Rechtswirkungen für die Mitgliedsstaaten in unterschiedlicher Weise.Dennoch begründen sie kein unmittelbar geltendes Recht oder Pflichten für einzelneBürger. 87Gleichwohl wurde die erfolgte Einbeziehung des Schengen-Besitzstandes in den rechtlichenRahmen der EU damals unterschiedlich bewertet. Auf der einen Seite wurde einFortschritt im Hinblick auf die polizeiliche Zusammenarbeit innerhalb der EU erwartetund auf der anderen Seite wurde jedoch befürchtet, dass die Einbeziehung zu früherfolgt sei und die Schengen-Entwicklung fortan an Dynamik verlieren werde. Vor demHintergrund der Konsensschwierigkeiten - selbst die Schengen-Staaten gingen damalshöchst vorsichtig bei der verbindlichen Festsetzung von Regelungen zur europaweitenpolizeilichen Zusammenarbeit vor - schien diese Vermutung nicht ganz unbegründet 88 .Dennoch kann hier festgehalten werden, dass das SDÜ durchaus als Motor derIntegration unter den Mitgliedstaaten verstanden werden kann, da Entwicklungenvorgezeichnet wurden, welche später auf Unions-, respektive Gemeinschaftsebenerealisiert werden konnten. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechtsund der Anpassung des Übereinkommens im Bereich des Unionsrechts trat dasSchengener Vertragswerk, wenn Lösungen auf Gemeinschafts- bzw. auf Unionsebenegefunden wurden, immer zurück 89 .86878889OBERLEITNER, S. 50.WESTPHAL/STOPPA, S. 48.KÄMPER, S. 68 ff.SCHAUER, S. 200.23


2.4.4 Begriff und Umfang des Schengen-BesitzstandsDer Terminus „acquis communautaire“, im Deutschen als „gemeinschaftlicherBesitzstand“ wiedergegeben, umfasst im Französischen ein Bedeutungsfeld, welches inder deutschen Sprache durch das Wort „Errungenschaft“ abgedeckt wird. Darunter sinddie Primärrechtsbestimmungen sowie alle im Rahmen der EG und der EU ergangenerAkte legislativer, politischer und jurisprudentieller Natur zu subsumieren. DieRechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), als Interpretation derVerträge und Gemeinschaftsakte, zählt ebenso dazu, wie auch alle Beschlüsse undVereinbarungen, welche die im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen derMitgliedstaaten angenommen haben sowie das begleitende Gemeinschaftsrecht. DerAcquis umfasst damit den Besitzstand, welche neue Mitgliedstaaten anlässlich ihresBeitritts zu übernehmen haben 90 .Im Bezug auf den Schengen-Acquis handelt es sich hierbei um das SÜ, das SDÜ, dieBeitrittsprotokolle und Beitrittsübereinkommen der EU-Staaten, welche erst nach derUnterzeichnung beigetreten sind sowie um die Beschlüsse und Erklärungen des Exekutivausschussesgemäss dem SDÜ. Des Weiteren sind Rechtsakte zur Durchführungdes Übereinkommens zu übernehmen, welche von denjenigen Organen erlassen wordensind, denen der Exekutivausschuss Entscheidungsbefugnisse übertragen hat 91 .Die Übernahme des Schengen-Aquis durch die Schweiz beruht einerseits auf dem SAAund andererseits auf den ergänzenden staatsvertraglichen Regelungen mit Norwegenund Island 92 sowie Dänemark 93 . Im Wesentlichen wird im Abkommen auf denSchengen-Besitzstand verwiesen, wobei es einige ergänzende Bestimmungen im Bezugdarauf erhält, welche Regeln des Besitzstandes anzuwenden und welche ausgenommensind 94 ; so werden beispielsweise die Bestimmungen über den Warenzoll von derAnwendung ausgeschlossen. Derzeit noch nicht vollständig geklärt ist das Verhältniszum Fürstentum Lichtenstein. Gemäss Art. 16 SAA hat es die Möglichkeit, sich amAssoziierungsabkommen zu beteiligen. Obwohl eine staatsvertragliche Regelung immer9091929394SCHAUER, S. 41.OBERLEITNER, S. 50.Vgl. dazu Art. 13 Ziff. 2 SAA.Vgl. dazu Art. 13 Ziff. 1 SAA.Vgl. dazu Art. 2 SAA und Anhang A.24


noch ausstehend ist, gilt eine diesbezügliche Einigung in nächster Zeit alswahrscheinlich 95 .Im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands und dessenAusweitung auf weitere Rechtshilfeinstrumente sei erwähnt, dass die Schweiz bei derAusarbeitung neuer Rechtsakte de iure lediglich über ein Informations-, Konsultations-,und Mitwirkungsrecht (sog. decision shaping) verfügt und nicht über ein eigentlichesMitspracherecht (sog. decision making). Aufgrund der bisher gemachten Erfahrung mitden an Schengen assoziierten Staaten Norwegen und Island sowie des praxisgemässenKonsens- und Einstimmigkeitsprinzips unter den Beteiligten kann jedoch davonausgegangen werden, dass die Schweiz über die vertraglichen Beteiligungsrechte hinausvollumfänglich beteiligt sein wird. Dies entspricht vor allem dem Interesse derEinzelstaaten, die ein Sicherheitsloch aufgrund einer mangelhaften Umsetzung aufeinzelstaatlicher Ebene infolge einer nicht einstimmig erfolgten Beschlussfassungnatürlich vermeiden möchten 96 .2.5 Die Schengen-VertragsstaatenZu den bereits erwähnten fünf Gründerstaaten trat Italien am 27. November 1990 alserster Staat den Schengener Übereinkommen bei. Es folgten die Staaten Portugal undSpanien, welche am 25. Juni 1991 hinzukamen, und Griechenland wiederumunterzeichnete die Abkommen am 6. November 1992. Für Spanien und Portugal trat dasSDÜ nach Durchführung der nötigen Ratifikationen am 1. März 1994 in Kraft. FürItalien und Griechenland kam es hingegen zu Verzögerungen, da insbesondere dieSicherung der langen Küstengrenzen Schwierigkeiten bereitete. Zudem waren diejeweiligen Beitrittsübereinkommen noch nicht von allen Vertragsstaaten ratifiziertworden 97 . Damit waren Ende 1992 bereits neun der damals zwölf EG-Mitgliedstaaten,mit Ausnahme von Dänemark, Grossbritannien und Irland, Vertragsparteien derSchengener Übereinkommen. Die österreichische Regierung hatte sich aus Anlass zumbevorstehenden Beitritt der EU grundsätzlich auch für einen Beitritt zu den beidenSchengener Übereinkommen ausgesprochen, sodass Österreich, nachdem es am959697UEBERSAX, S. 907.BREITENMOSER, S. 933.OBERLEITNER, S. 57.25


1. Januar 1995 Mitglied der EU geworden war, die Abkommen bereits am 28. April1995 unterzeichnen konnte 98 .Wie auch Österreich, so hatte Dänemark bereits Mitte 1994 die Einräumung desBeobachterstatus beantragt, während die beiden nordischen Staaten, Finnland undSchweden, anfangs 1995 einerseits offizielle Anträge um Beitritt zu den SchengenerÜbereinkommen gestellt und andererseits auch den Beobachterstatus beantragt hatten.Im Hinblick auf einen möglichen Beitritt der drei skandinavischen EU-Staaten waranfänglich die bestehende nordische Passunion ein Problem, zu der auch die Nicht-EU-Staaten Norwegen und Island gehören. Augrund dessen wäre diesen Staaten ein Beitrittzu den Schengener Abkommen gemäss Art. 140 SDÜ 99 verwehrt geblieben. Vor allemFinnland und Schweden machten ihren Beitritt zum SDÜ von der Aufrechterhaltung desfreien Personenverkehrs innerhalb der nordischen Passunion abhängig. Da aber alle fünfStaaten den gesamten Schengen-Besitzstand übernommen haben, wurde ihnen per1. Mai 1996 der Beobachterstatus eingeräumt. Den Staaten Norwegen und Island wurdespäter das Statut eines assoziierten Mitglieds zugestanden, und es wurde zwischen denSchengen-Staaten und diesen beiden Ländern ein Kooperationsabkommenunterzeichnet 100 . Die drei nordischen EU-Mitgliedstaaten Dänemark, Schweden undFinnland wiederum, haben das SDÜ am 19. Dezember 1996 unterzeichnet.2.5.1 Die Derogationen zugunsten dreier StaatenNachdem die systematischen Grenzkontrollen zwischen den übrigen Mitgliedstaatennicht mehr existierten, gibt es seit dem 25. März 2001 auch zu den nordischen Staatenkeine solchen mehr. Einzig die Länder Grossbritannien und Irland halten bis heute anihren Kontrollen fest. Grossbritannien hält das Schengener System für nicht sichergenug und besteht deshalb weiterhin auf Kontrollen aller auf die Insel Einreisenden.Irland wäre grundsätzlich bereit, an der Teilnahme des freien Personenverkehrsteilzunehmen, ist aber wegen seiner Zugehörigkeit zur „commen travel area“ von derVorgangsweise Grossbritanniens zu stark abhängig, weil rund neunzig Prozent desPersonenverkehrs über Grossbritannien abgewickelt werden 101 . Dem Artikel 49899SCHAUER, S. 40.Vgl. Fn 11.100 OBERLEITNER, S. 61.101 OBERLEITNER, S. 61.26


SchengenProt zufolge, besteht für Irland, das Vereinigte Königreich Grossbritanniensinklusive Nordirland indes die Möglichkeit eines sog. Opt-in für Rechtsakte desüberführten und noch nicht überführten Schengen-Besitzstandes nach Beschluss desRates 102 . Die beiden Staaten erhalten damit die Möglichkeit, dieAusgleichsmassnahmen für die Öffnung der Binnengrenzen anwenden zu können. Sohat Grossbritannien bereits am 20. Mai 1999 die Teilnahme an denjenigen Massnahmendes Schengen-Besitzstandes beantragt, die sich auf die Strafverfolgung und diejustizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, einschliesslich der Nutzung des SIS,beziehen 103 .Eine weitere Sonderstellung innerhalb der EU nimmt Dänemark ein. Dänemark hatteden Maastrichter Vertrag (EUV) 104 am 2. Juni 1992 mit einer knappen Mehrheit von50,7 Prozent zurückgewiesen. Einen Ausweg aus der europapolitischen Sackgasse fandman allerdings später in Form des Edinburgh Abkommens. Obschon der MaastrichterVertrag keine Änderungen erfuhr, gestand man Dänemark im Abkommen vonEdinburgh auch im Bezug auf die Zusammenarbeit bei Inneres und der JustizAusnahmeregelungen zu. Dänemark hatte indes 1998 der Annahme des AV zugestimmt105 , was bedeutet, dass es gemäss Art. 3 SchengenProt 106 dieselben Rechte undPflichten behält, wie wenn diese nunmehr auf Titel IV EGV gestützten Rechtsakte, aufTitel VI EUV gestützt worden wären. Seine Bindung richtet sich somit nicht nachGemeinschaftsrecht, sondern nach durch Unionsrecht modifiziertem Völkerrecht, wasdazu führt, dass in den EG-Vertrag völkerrechtliche Dimensionen einfliessen.Dänemark beteiligt sich somit nicht an der Annahme von Massnahmen, die vom Ratvorgeschlagen werden. Es kann aber als Schengen-Staat nach der Annahme einesVorschlages oder einer Initiative zur Ergänzung des Schengen-Besitzstandes innerhalbder Bestimmungen des Titels IV EG während einer sechsmonatigen Frist beschliessen,ob es eine Verpflichtung nach Völkerrecht eingehen möchte 107 .102 BALDUS, (SchengenProt 81b) S. 3 und 5.103 SCHAUER, S. 215.104 Vgl. hierzu Fn 81.105 SCHYMIK.106 BALDUS, (SchengenProt 81b) S. 3.107 SCHAUER, S. 215 u. 219.27


2.5.2 Neue Mitgliedsstaaten erweitern den Schengen-RaumDer Schengen-Raum wurde zum Jahreswechsel 2007/2008 hin um acht mittel- undosteuropäische Staaten erweitert. Es sind dies: Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien,Ungarn sowie Litauen, Lettland und Estland. Als neuntes Mitglied kam derMittelmeerstaat Malta zum Schengen-Raum hinzu. Wie vorhergesehen, verlief dieseErweiterungsrunde planmässig. Dies nicht nur deshalb, weil die Vorbereitungen indiesen Staaten gewissenhaft angegangen wurden, sondern auch, weil der Beitritt dieserStaaten aneinander gekoppelt ist, da die Schengen-Aussengrenzen innerhalb so kurzerZeit gar nicht hätten verschoben werden können. Bereits in der Nacht auf den 21.Dezember 2007 sind die Kontrollen an den neuen Binnengrenzen auf dem Land- undSeeweg weggefallen. Ende März 2008 folgen dann noch jene der Luftwege 108 .Eine Ausnahme bildet Zypern, welches zeitgleich mit den neun oben erwähnten Staatenim Jahre 2004 der EU beigetreten ist, da es das SDÜ vorerst nicht umsetzen wird. Diezypriotische Regierung hat sich dazu entschlossen, erst dann an Schengenteilzunehmen, wenn das SIS II von der EU bereitgestellt wird. Trotzdem ist daszypriotische SIRENE-Büro bereits im Aufbau 109 .108 Vgl. dazu den Artikel „Die Schengen-Erweiterung zum Jahreswechsel praktisch gesichert“,erschienen in: NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (WIN.) am 19. September 2007 sowie „Neue Grenzen: InEuropa fallen weitere Schlagbäume - Fortschritt oder Gefahr?“, in: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vom24./25. November 2007, S. 8.109 CYPRUS POLICE.28


3. Die SIRENE Schweiz3.1 AllgemeinesEine der massgebenden Voraussetzungen um das SDÜ überhaupt umsetzen zu können,war, dass der Wegfall der systematischen Kontrollen an den europäischenBinnengrenzen die innere Staatssicherheit nicht schwächen dürfe. Es galt deshalb,konkrete Massnahmen auszuarbeiten, um bei Inkrafttreten des Übereinkommens dieGefahr eines Sicherheitsdefizits zu vermeiden. Aus diesen Arbeiten gingen imWesentlichen zwei Dokumente hervor. Zum einen mit dem SDÜ einrechtsverbindliches Dokument und zum anderen die Durchführbarkeitsstudie in Formeines technischen Dokuments. Neben der Ausgestaltung des Informationssystemsenthielt die Durchführbarkeitsstudie auch die wesentlichen Merkmale der für dieDurchführung zuständigen Organisation, die für das Funktionieren des Systems alsunabdingbar erachtet wurde.Diese Organisation nennt sich SIRENE. Ein Akronym, welches sich aus der englischformulierten Definition Supplementary Information REquest at the National Entrieszusammensetzt. Darunter ist die nationale Eingangsstelle zu verstehen, bei welcherzusätzliche Informationen angefordert werden können. Sinngemäss handelt es sichhierbei um die kurze Beschreibung eines Verfahrens, dass es dem Endnutzer beimFeststellen eines SIS Trefferfalls ermöglicht, zusätzliche Informationen beim ausschreibendenSchengen-Vertragsstaat anzufordern, um die für sein Einschreitenweiteren erforderlichen Massnahmen treffen zu können 110 .Um den reibungslosen Informationsaustausch sicher zu stellen, wurde der Grundsatzfestgelegt, dass jeder Schengen-Mitgliedstaat ein „nationales SIRENE-Büro“einzurichten hat, welches im Sinne eines „Single Point of Contact“ als einzige undständig verfügbare Kontaktstelle zwischen den Mitgliedstaaten dient. Über dieseInstitutionen tauschen die Mitgliedstaaten alle Informationen aus, die imZusammenhang mit der Speicherung von Ausschreibungen benötigt werden, um indiesen Fällen geeignete Massnahmen ergreifen zu können, in denen aufgrund einer110 AMTBLATT DER EUROPÄISCHEN UNION, Beschluss der Kommission vom 22.09.2006 zur Änderungdes SIRENE-Handbuchs (2006/758/EG), L317 / 47.29


Systemabfrage Daten zu Sachen oder Personen im SIS gefunden wurden (Art. 108SDÜ).Das SIS bildet das Kernstück des SDÜ. Es stellt eine unerlässliche Bedingung für dieAnwendung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstandes 111 dar, welche in denRahmen der EU integriert wurden 112 . Die Verfügbarkeit eines gemeinsamenFahndungssystems hat mitunter einen entscheidenden Anteil daran, dass die bisherigen,wie auch die neu hinzu stossenden Mitgliedsstaaten den Schengen-Besitzstandvollständig anwenden, wodurch ihre Bürger alle Vorteile eines Raumes, in demFreizügigkeit herrscht, nutzen können.Die für die Schweiz notwendige gesetzliche Grundlage zur Umsetzung des SDÜ wurdezusammen mit den SAA genehmigt. Die Regelung hinsichtlich des nationalen Teils desSIS (N-SIS) wurde mit Art. 351 decies (neuer Art. 355d) des StGB umgesetzt. DieserArtikel ist noch nicht in Kraft gesetzt. Die polizeilichen Informationssysteme werdenspäter in einem neuen Gesetz, dem Bundesgesetz über die polizeilichenInformationssysteme des Bundes (BPI) vereint werden, wobei das SIS ebenfalls Teildieses neuen Gesetzes sein wird. Art. 355d StGB wird dann durch Art. 16 BPIübernommen und mit in Kraft treten desselben aufgehoben werden. Der revidierte undim BPI integrierte Art. 355d StGB wird somit sowohl für das SISone4all als auchkünftig für das SIS II die nationale Gesetzesgrundlage bilden 113 . DiejenigenBestimmungen des SAA, welche das SIRENE-Büro betreffen, wurden in Art. 351 undecies(künftig Art. 355e oder 335d StGB nach Inkrafttreten des BPI) umgesetzt 114 .3.2 Die organisatorische und personelle StrukturDie SIRENE Schweiz ist der Einsatzzentrale der BKP 115 angegliedert. DieEinsatzzentrale des Bundesamtes für Polizei (EZ fedpol) ist der Single Point of Contactinternationaler Anfragen insbesondere in Bezug auf Interpol, Europol und die111 Vgl. dazu Kap. 2.4.4.112 WÜRZ, Rn 12.113 Siehe dazu Kap. 3.5.3 f.114 Die Verordnung über den nationalen Teil des Schengener Informationssystems (N-SIS) und dasSIRENE-Büro, welche national die Umsetzung regeln soll, befindet sich derzeit in Anhörung, welchebis zum 29. Februar 2008 andauern wird.115 BLÖCHLINGER (Chef BKP): Auf Bundesebene steht die Wahrung der inneren, d.h. der nationalenSicherheit im Vordergrund. Dabei koordiniert die BKP interkantonale und internationale Ermittlungsverfahrenund stellt hierzu den kriminalpolizeilichen Informationsaustausch sicher.30


Verbindungsbeamten 116 . Zur Koordination der Schengener Fahndungszusammenarbeitsowie zur Sicherstellung des Informationsaustausches wird zurzeit das nationaleSIRENE-Büro der Schweiz eingerichtet. Es besteht im Moment aus einemKommissariatsleiter sowie aus fünf Fahndungsleitern, deren Stellen bereits auf Januar2007 zu besetzen waren 117 . Sie sind derzeit mit der projektbezogenen Vorarbeitbeschäftigt, um den vom Bundesrat angepeilten operativen Start vom 1. November 2008zu ermöglichen. Die hauptsächliche Tätigkeit besteht im Definieren von strukturellenund technischen Anbindungen einzelner nationaler Behörden und derenKompetenzabgrenzung, des Weiteren aber auch in der Evaluation eines neuenWorkflow-Systems sowie in der Weiterbildung des bereits bestehenden Personals.Dass die Organisation des SIRENE-Büros nicht in jedem Mitgliedstaat gleich zu seinhat, zeigt sich im Vergleich mit der SIRENE Niederlande, welche eine ganz andereOrganisations- und Personalstruktur aufweist. Dort besteht kein eigentliches SIRENE-Team mehr. Infolge einer Reorganisation wurde nämlich das Personal der in denNiederlanden spezifischen Abteilungen der internationalen Polizeikooperation wieInterpol, Europol, SIRENE, Liasion Office und Foreign Liasion Office in nur einemeinzigen Team vereint. In der Praxis bedeutet dies, dass alle Mitarbeitenden 118 sämtlicheein- und ausgehenden Meldungen aller vorgenannten Informationskanäle bearbeiten.Des Weiteren sind sämtliche Bediensteten in allen Bereichen des SDÜ tätig. EigentlicheFachbereiche 119 im Sinne der Datenkategorien gibt es seither keine mehr 120 .In der Schweiz setzt man auf „Polizei Know-How“. Der Anteil an Polizisten in derSIRENE Schweiz soll sehr hoch sein, ohne dass dabei andere Kompetenzen, wieorganisatorische, betriebswirtschaftliche oder sprachliche Belange, ausser Acht gelassenwerden. Um zukünftig einen einwandfreien Ablauf garantieren zu können, soll derPersonalbestand aufgestockt werden. Dies, um den fahndungstechnischen und kriminal-116 Gemäss Art. 47 SDÜ steht es den Mitgliedstaaten offen, befristet oder unbefristet Verbindungsbeamtenzu entsenden, was die Förderung und Beschleunigung der Zusammenarbeit zum Ziel habensoll.117 BUNDESAMT FÜR POLIZEI (FEDPOL), Stellenausschreibungen für die Stelle als Kommissariatsleiter/inund als Fahndungsleiter/innen vom September 2006.118 Im Bereich des internationalen kriminalpolizeilichen Informationsaustausches arbeiten bei der niederländischenPolizei mehrheitlich Zivilangestellte, die über keine Polizeiausbildung verfügen.119 Vgl. hierzu Kap. 3.7.120 KETELAPPER HENK, Head of SIRENE The Netherlands, in einem persönlichen Gespräch anlässlicheines Dienstbesuches in NL-Zoetermeer bei Den Haag am 14.06.2007.31


polizeilichen Informationsaustausch im Bereich der internationalen Fahndungsersuchenim SIS sicherzustellen und die daraus folgenden administrativen und polizeilichenMassnahmen ergreifen und koordinieren zu können. Hierfür sind eine kriminalpolizeilicheFachausbildung, sowie auch ausgezeichnete Sprachkenntnisse einer zweitenLandessprache sowie Englisch eine unabdingbare Voraussetzung 121 .3.3 VerkehrssprachenIm Hinblick auf den Kontakt zu den anderen Mitgliedstaaten und den Kantonen werdenbei der SIRENE Schweiz die Sprachen Englisch, Französisch, Deutsch und Italienischaufgrund der schweizerischen Mehrsprachigkeit eine grössere Rolle spielen. DieVerkehrssprache im SIS ist Englisch, obwohl die offizielle Politik der EU besagt, dassdie Amtssprachen aller Mitgliedsländer automatisch auch Amtsprachen der EU sind 122 .Der Vollständigkeit halber sei hier noch erwähnt, dass jeder neue Mitgliedsstaat beiseinem Beitritt zur EU bestimmen kann, welche der Landessprachen auch EU-Amtssprache werden soll. Im Arbeitsalltag indes verwendet die EuropäischeKommission (EK) lediglich drei Arbeitssprachen. Es sind dies: Deutsch, Englisch undFranzösisch. Erst in einem abschliessenden Schritt werden diese Texte dann in diedreiundzwanzig Amtssprachen übersetzt 123 .Daneben gibt es aber auch eine Vielzahl von Regional- und Minderheitensprachen,wobei jedoch auch weit verbreitete regionale Amtssprachen, wie etwa dasKatalanische 124 , in der EU unberücksichtigt bleiben. Nichtsdestotrotz muss jedesNachdenken über die Möglichkeiten der zwischenstaatlichen Verständigung in Europaberücksichtigen, dass eine Sprache auch stets Träger kultureller Erfahrung und Identität,also nie ein kulturell neutrales, quasi „de-nationlisiertes“ Kommunikationswerkzeug ist.Eine Sprachenpolitik, die dies als historisch überwundenes Erbe des Nationalismusabtun wollte, wäre wohl von Anfang an schon zum Scheitern verurteilt. Je weiter derpolitische und ökonomische Integrationsprozess in Europa vorangetrieben wird, umso121 BUNDESAMT FÜR POLIZEI (FEDPOL), Stellenausschreibung für Fahndungsspezialisten vom August2007.122 Vgl. dazu Art. 290 EGV: „Die Regelung der Sprachenfrage für die Organe der Gemeinschaft wirdunbeschadet der Verfahrensordnung des Gerichtshofes vom Rat einstimmig getroffen.“123 EUROPÄISCHE KOMMISSION, S. 3 u. 19.124 Rund sieben Millionen Einwohner sprechen Katalanisch und umfassen so einen weit grösseren Kreisan Sprechern, als beispielsweise Dänisch mit nur fünf Millionen Sprechenden.32


mehr wird sich auch die Frage aufdrängen, wie die europäischen Behörden mit dersprachlichen Vielfalt weiter umgehen sollen 125 .Im Bezug auf die SIS-Verkehrssprache sei hier der Hinweis angebracht, dass es denschweizerischen SIRENE Mitarbeitenden ohne weiteres erlaubt sein wird, ihrefranzösischen Kollegen in Französisch anzuschreiben, wie den Schriftenverkehr mit denanderen deutschsprachigen SIRENE Bediensteten aus Deutschland und Österreich aufDeutsch zu führen. Letztlich ist aber immer diejenige Sprache zu verwenden, die beidenSeiten geläufig ist 126 .3.4 Standardisierte FormulareUm den Verkehr zwischen den SIRENE-Büros zu vereinfachen, was unter anderemauch der Problematik der Sprachenvielfalt zugute kommt, gebrauchen alleVertragsstaaten ausschliesslich dieselben standardisierten Formulare. Diese sind miteinem Zahlencode ergänzt, wodurch eine bessere Unterteilung und Erkennung dereinzeln zu übermittelnden Informationen möglich ist und dadurch keine wesentlichenInformationen vergessen gehen. Derzeit sind mehr als zehn Formulare in Gebrauch, vondenen jedes einem bestimmten Zweck dient 127 . Ein häufig verwendetes Formular istbeispielsweise der sog. Vordruck G, der in allen Schengen-Staaten dafür verwendetwird, um das ausschreibende SIRENE-Büro über einen SIS-Trefferfall 128 zuinformieren. Dieses Treffer-Formular ist unabhängig von der Fahndungskategorie beijedem Treffer zu übermitteln. Es enthält einerseits alle Informationen über dieUmstände, die zum Trefferfall führten, sowie andererseits die weiterzuführendenMassnahmen, die eingeleitet werden müssen 129 . In ähnlicher Weise funktioniert derInformationsaustausch innerhalb der nationalen SIRENE-Büros. Hier gibt es zwei Arten125 ALTMAYER, S. 235 ff.126 Dies ist insbesondere notwendig, um eine grösstmögliche Effizienz in der bilateralen Kommunikationzwischen dem SIRENE-Personal zu erlangen. Siehe hierzu auch AMTSBLATT DER EUROPÄISCHENUNION L 317 / 49, Punkt 1.4.5.127 Vgl. für eine detaillierte Aufzählung aller Formulare und deren Zweck das AMTSBLATT DEREUROPÄISCHEN UNION L 317 / 49, Punkt 1.4.5 ff.128 Gemäss Punkt 2.2 des AMTSBLATTS DER EUROPÄISCHEN UNION L 317 / 54 liegt ein Trefferfall dannvor, wenn ein Endbenutzer bei der Befragung des SIS feststellt, dass es eine Ausschreibung gibt, dieden eingegebenen Angaben entspricht.129 Wird dem ausschreibenden Staat ein Trefferfall gemeldet, wird in der Rubrik 090 des Vordrucks Gder Artikel des Durchführungsübereinkommens angegeben, der beim Trefferfall Anwendung findet.Siehe hierzu auch AMTSBLATT DER EUROPÄISCHEN UNION L 317 / 54, Punkt 2.2.33


schriftlicher Mitteilungen. Es sind dies die sog. Freitexte und Modellvordrucke(Formulare).Dem Vorteil vom Gebrauch solcher standardisierter Formulare war man sich offenbarschon früh bewusst. Im fränkischen Raum etwa, waren Steckbriefe anfangs des 18.Jahrhunderts so häufig vonnöten, dass damals schon Formulare gedruckt wurden,sodass vor einer Verbreitung nur noch das entsprechende „Signalement“, d.h. dieAngaben zu Kleidung und Erscheinung des Gesuchten, mitsamt seinen besonderenKennzeichen, und einer Beschreibung des Tathergangs eingetragen werden mussten 130 .3.5 Schengen Informationssystems (SIS)Um alle fahndungsrelevanten Zusatzinformationen unter den Schengen-Mitgliedsstaaten austauschen zu können, sind die Vertragsparteien auf ein raumübergreifendesNetzwerk angewiesen. Sie bedienen sich dabei dem sog. SIS. Dieses istein staatenübergreifendes, computergestütztes polizeiliches Fahndungssystem, das einenzeitlich unabhängigen Online-Zugriff für jeden Polizeibeamten in sämtlichenVertragsstaaten ermöglicht. Die Fahndung über das SIS hat damit den entscheidendenVorteil, dass eine von irgendeinem Terminal eingegebene Ausschreibung innerhalb vonSekunden an allen anderen Datenstellen abrufbar ist 131 . Das SIS ist die bisher einzigeund derzeit grösste, vollständig per Computer in sich vernetzte, staatenübergreifendeFahndungsdatei der nationalen Polizeibehörden. Wann immer aus polizeilicher Sichtvon Dateien gesprochen wird, so sind stets sowohl einfache Verzeichnisse, kleine undgrosse Karteien sowie auch elektronische Dateien zur elektronischen Datenverarbeitunggemeint 132 . Aufgrund der gestiegenen Anforderungen im Zusammenhang mit demBeitritt weiterer Länder und der teilweise auch veralteten Technik bedurfte es einerWeiterentwicklung. So sind mittlerweile neben dem ursprünglichen SIS I weitereVersionen entwickelt bzw. in Planung 133 .Was die technischen Eigenheiten des SIS betrifft, so kann allein in Deutschland vonmehreren tausend Terminals aus auf die Fahndungsdatei im gesamten Schengen-Raum130 SCHUBERT, S. 321.131 KÄMPER, S. 97.132 WALDER/HANSJAKOB, S. 43.133 Vgl. dazu die Kap. 3.5.3 u. 3.5.4.34


zugegriffen werden. Einer Information des Deutschen Innenministeriums 134 zufolge,umfasste das SIS per Ende 2006 ein Volumen von gegen 17,4 MillionenFahndungsdatensätzen. Diese teilen sich in rund 16,2 Millionen Sachfahndungen undungefähr 1,2 Millionen Personenfahndungen auf. Angesichts der bereits erfolgtenTeilnahme der neuen EU-Staaten 135 sowie der baldigen Anbindung Grossbritanniens,Irland und der Schweiz an das SIS, wird sich der ganze Fahndungsbereich auf etwa 450Millionen Einwohner erstrecken. Das sind mehr Einwohner als in den USA undRussischen Förderation zusammen.3.5.1 Technischer Aufbau des SISTechnisch gliedert sich das sog. SIS I in einen Zentralrechner (C-SIS) mit Standort imfranzösischen Strassburg und in derzeit noch 15 nationale Schengen-InformationsSysteme (N-SIS). Bei der Einleitung von Fahndungsmassnahmen werden Daten vonden N-SIS an das C-SIS übermittelt. Durch die Steuerung der Abfrage- undEingabedialoge sowie durch das Betreiben einer Referenzdatenbank sorgt das Systemselbstständig für die notwendige Synchronität aller Daten, die anschliessend an alle N-SIS verteilt werden. Dadurch stehen sie innerhalb kürzester Zeit gleichzeitig für alleSchengen-Vertragsstaaten zur Verfügung. Es handelt sich hier also um eineDatenspeicherung und Datennutzung. Die Befugnis zur Nutzung der Daten (d.h. zumAbruf) ist in Art. 101 Abs. 3 SDÜ normiert. Hiernach dürfen die in Art. 101 Abs. 1SDÜ genannten Berechtigten 136 die Daten abrufen, wenn dies zur Erfüllung ihrerAufgaben erforderlich ist. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sowohl dieöffentliche Sicherheit und Ordnung, einschliesslich die Sicherheit des Staates als auchdie Anwendung der SDÜ-Bestimmungen im Bereich des Personenverkehrs,gewährleistet sind.134 INNENMINISTERIUM Informationswesen, S. 2.135 Siehe dazu auch Kap. 2.5.2.136 In der Schweiz werden u.a. das Bundesamt für Polizei (fedpol), die für das nationale FahndungssystemRIPOL zuständige Dienststelle, die Sektion Ausweisschriften, die Meldestelle Geldwäscherei(MROS), die Bundesanwaltschaft (BA), das Bundesamt für Migration (BfM), die EidgenössischeZollverwaltung (EZV), das Grenzwachtkorps (GWK) sowie diverse kantonale Amtsstellen Zugriff aufdas SIS haben.35


3.5.2 Fahndungssystem der ersten Generation (SIS I)Das SIS der ersten Generation (SIS I) hat im Jahre 2005 sein zehnjähriges Jubiläumfeiern können. Für jedes technische System bedeutet das eine lange Zeit.Dementsprechend sind die Anforderungen an das System mit der Entwicklung neuerFahndungsmethoden auch stetig angestiegen. Neue Funktionen sind jedoch nicht dereinzige Punkt, der auf der Wunschliste vieler EU-Staaten steht. Vielmehr hatte dieEinbindung der am 1. Mai 2004 beigetretenen neuen EU-Staaten höchste Priorität. Als1990 das SIS I konzipiert wurde, sahen die damaligen Ingenieure lediglich für achtzehnStaaten eine technische Anschlussmöglichkeit vor. Diese Anschlussmöglichkeitenwerden derzeit von 13 „alten“ EU-Staaten sowie von den an Schengen assoziiertenStaaten Norwegen und Island beansprucht. Deshalb ist die Weiterentwicklung des SIS Ieine unabdingbare Voraussetzung, um Binnengrenzen zukünftiger EU-Staaten aufhebenzu können. Die Arbeiten an der Entwicklung des neuen Systems sind immer noch imGange. Leiterin des Projektes SIS II ist die Europäische Kommission. Auftragnehmerist ein französisch-belgisches Konsortium 137 . Die Arbeiten der Kommission werdenunterstützt durch den so genannten „SIS-II-Komitologie-Ausschuss“ 138 in Brüssel.3.5.3 SISone4allAufgrund der technischen Komplexität des SIS II ist es zu Verzögerungen bei derEinführung gekommen, welche ursprünglich für das Jahr 2007 vorgesehen war. Damitdie neuen EU-Mitgliedstaaten sowie auch die Schweiz inskünftig den gesamtenSchengen-Besitzstand anwenden können, müssen jedoch auch die technischenVoraussetzungen erfüllt sein. Deshalb bemühten sich alle bisherigen Schengen-Teilnehmer darum, dass die neuen EU-Mitgliedstaaten das Schengener Abkommenraschmöglichst umsetzen konnten, um auch aus wirtschaftlichen Gründen dieBinnengrenzkontrollen zu und zwischen den alten und neuen EU-Staaten aufheben zukönnen. Der gemischte Schengen-Ausschuss der Justiz- und Innenminister hat sich im137 LINTNER, Engmaschiges Fahndungsnetz, S. 65 ff.138 Der EG-Vertrag sieht vor, dass die Durchführung der Rechtsvorschriften auf GemeinschaftsebeneAufgabe der Kommission ist. In jedem Rechtsakt sind die Durchführungsbefugnisse der Kommissionsowie die Modalitäten für die Ausübung dieser Befugnisse festgelegt. Häufig ist vorgesehen, dass derVertrag nach einem so genannten Komitologie-Verfahren von einem Ausschuss unterstützt wird.Dieser Ausschuss setzt sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammen und tagt unter dem Vorsitzeines Vertreters der Kommission. Er ist ein Diskussionsforum, das es der Kommission ermöglicht, vorder Annahme von Durchführungsmassnahmen einen Dialog mit den einzelstaatlichen Behördenherzustellen. Auf diese Weise vergewissert sich die Kommission, dass diese Massnahmen denGegebenheiten den betreffenden Ländern entsprechen. Rechtsgrundlage des Komitologie-Verfahrensist der „Komitologie“-Beschluss vom 13. Juli 1987 in der Fassung vom 28. Juni 1999.36


Dezember 2006 mit der Weiterentwicklung der Fahndungssysteme befasst. Die Schweizwar durch den Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementsvertreten. Hauptsächlicher Diskussionspunkt war die Weiterentwicklung des SIS II. Umdie angepeilte Öffnung der Binnengrenzen - trotz den Verzögerungen bei der Entwicklungdes SIS II - per Ende 2007 noch ermöglichen zu können, schlug Portugalbereits früher vor, den neuen EU-Ländern wie auch den assoziierten Staaten, im Sinneeiner Übergangslösung, eine Kopie des portugiesischen SIS I unter dem Titel„SISone4all“ zur Verfügung zu stellen. Die Schweiz indes, sprach sich bereits vonAnfang an für die Anbindung an das SIS II aus, weshalb sie die landesinternenUmsetzungsarbeiten auf die angekündigte Einführung per Herbst 2008 ausrichtete. Wiemittlerweile feststeht, wird sich dieser Termin um mehrere Monate verzögern, was vonder Schweizer Delegation mit Bedauern zur Kenntnis genommen wurde 139 . ImGegensatz dazu konnten die Projektarbeiten rund um das System SISone4alltermingerecht durchgeführt werden, wie der deutsche Bundesminister bereits anlässlichder letzten JI-Ratssitzung unter deutscher Präsidentschaft am 12. Juni 2007 inLuxemburg, verlauten liess 140 .Was die Schweiz betrifft, so hat sich inzwischen auch der Bundesrat am 16. Mai 2007für eine Beteiligung an der Übergangslösung SISone4all ausgesprochen. SeineEntscheidung begründete er damit, dass das vor zwei Jahren vom Volk angenommeneSchengen/Dublin-Assoziierungsabkommen, und letztlich somit auch der Volkswillerascher umgesetzt werden könne. Da weitere Verzögerungen mit der Entwicklung desSIS II nicht auszuschliessen seien, wolle man kein Risiko mit einer weiteren Verspätungbei der Inkraftsetzung von Schengen/Dublin eingehen. Mit einer sequentiellen Einführungfrühestens per 1. November 2008 sei mit anschliessender Umstellung auf das SISII, mit einer Anbindung an das Fahndungssystem der zweiten Generation, nicht vor dem1. November 2011 zu rechnen. Dieser Entscheid sei den Justiz- und Innenministern derEU am 12. Juni 2007 anlässlich einer Sitzung des Schengen-Ausschusses mitgeteiltworden 141 .139 So Alt-Bundesrat Blocher am Ministertreffen zum Schengener Informationssystem, vgl. dazu EJPDMinistertreffen 2006.140 „Wir konnten feststellen, dass wir uns im Zeitplan befinden. Das Projektmanagement für „SIS I füralle“ wird von Portugal betrieben. Ich habe daher im Rat nochmals meinen besonderen Dank anPortugal, aber auch an Frankreich für die Unterstützung beim zentralen System in Strassburgausgesprochen.“ Vgl. dazu INNENMINISTERIUM Luxemburg.141 EJPD Ministertreffen 2007.37


3.5.4 Fahndungssystem der zweiten Generation (SIS II)Obwohl die Inbetriebnahme des SIS II etwas in die Ferne gerückt ist, laufen dienationalen Vorbereitungen für eine Anbindung an das SIS II auch in anderen Staaten,wie z.B. Österreich, auf Hochtouren. Was die Systemarchitektur betrifft, so wird sichdiese im Vergleich zum alten System nicht gross ändern. Es wird auch in Zukunft ausgrundsätzlich einer von jedem Mitgliedstaat festgelegten Zugangsstelle (NI-SIS), wieauch aus einer Einheit - analog dem heutigen Zentralrechner in Strassburg (C-SIS) -dem inskünftigen Central Schengen-Information System (CS-SIS) bestehen. Inhaltlichwird es jedoch zu bedeutenden und auch weit reichenden Änderungen kommen. Essollen die Zugriffsmöglichkeiten ausgeweitet werden, so dass nicht nur die zukünftigenSchengen-Vertragsstaaten, sondern auch EUROPOL 142 und EUROJUST 143 auf Informationendes SIS II zugreifen können. So sollen die Staatsanwälte von EUROJUSTbeispielsweise direkten Zugriff auf die europäischen Haftbefehle erhalten. Dadurcherhofft man sich eine Vereinfachung und Beschleunigung der Auslieferungsverfahren,da diese Informationen zurzeit nur bilateral ausgetauscht werden. Des Weiteren sindauch Direktzugriffe von Motorfahrzeug-Zulassungsstellen sowie Kreditanstalten imRahmen der grenzüberschreitenden Betrugsbekämpfung in Diskussion 144 .Es werden jedoch nicht nur die Zugriffsmöglichkeiten ausgeweitet, sondern zusätzlichweitere wichtige und offenbar notwendige Fahndungsoptionen geschaffen. So sollen beiPersonenfahndungen zusätzliche biometrische Merkmale wie Lichtbilder,Fingerabdrücke oder genetische Daten in das System eingespeist werden können, umdie betreffenden Personen - Straftäter oder auch vermisste Personen - zuverlässigeridentifizieren zu können. Ebenso soll das SIS II das Verarbeiten von Daten vonPersonen ermöglichen, deren Identität missbraucht wurde 145 . Den Betreffenden sollen142 Das Europäische Polizeiamt (EUROPOL) mit Sitz in NL-Den Haag wurde 1992 gegründet, um Datenin Zusammenhang mit Straftaten zu erheben, zu analysieren und auszuwerten. Dadurch soll eineengere und effizientere Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten bei der Verhütung und Bekämpfungder internationalen Kriminalität ermöglicht werden. EUROPOL unterhält zudem ein computergestütztesSystem, dass die Speicherung und Analyse von Daten ermöglicht. Das Kooperationsabkommenzwischen EUROPOL und der Schweiz trat am 1. März 2006 in Kraft (SR 0.360.268.2).143 Die Europäische Einheit für justizielle Zusammenarbeit (EUROJUST) wurde im Jahre 2002gegründet. EUROJUST soll die Koordinierung der Ermittlungen und Strafverfolgungsmassnahmeninnerhalb der EU-Mitgliedsstaaten verbessern und die Zusammenarbeit bei strafrechtlichen Fällenfördern. Zwischen EUROJUST und der Schweiz besteht kein Kooperationsübereinkommen.144 LINTNER, Engmaschiges Fahndungsnetz, S. 65 ff.145 Nicht immer ist die Identität einer gesuchten Person eindeutig. Sie kann ihre wahre Identität durch dieVerwendung fiktiver oder reeller Personalien verschleiert haben. Benutzt sie die Personalien einer38


dadurch Unannehmlichkeiten aufgrund einer falschen Identifizierung erspart werden.Hierzu sind aber ausreichende Datenschutzbestimmungen vorgesehen, wie insbesonderedie Zustimmung der betroffenen Personen und eine strikte Beschränkung der Zwecke,zu denen diese persönlichen Daten rechtmässig verarbeitet werden können 146 . Eineweitere Verbesserung von der Schengen-Fahndung erhofft man sich auch durch diegeplante Verknüpfung von Sach- und Personenfahndungen. So wird es mittels SIS IIbeispielsweise möglich sein, Informationen über einen flüchtigen Straftäter und überdas von ihm benützte Fahrzeug zu verlinken, was mit den bisherigen Systemen SIS Iund SISone4all nicht möglich ist 147 . Das Fehlen dieser Kombinationsmöglichkeit kannnicht sinnvoll sein, da es nicht möglich ist, bei einer Fahndung nach einem flüchtigenGewalttäter auch dessen Fahrzeug auszuschreiben. Eine Verbindung zwischen Straftäterund Fahrzeug kann so für den kontrollierenden Polizeibeamten nicht hergestellt werdenund bedeutet zweifellos ein zusätzliches und unnötiges Sicherheitsrisiko. EineVerknüpfung zwischen Personen und Sachfahndung ist im SIS I nur in Zusammenhangmit einer Ausschreibung zur verdeckten Registrierung oder gezielten Kontrolle i.S.v.Art. 99 SDÜ 148 möglich 149 .3.6 Aufgaben der SIRENE Schweiz im Bereich des DatenaustauschesWie bereits angedeutet 150 , erfolgt die Benutzung des SIS auf der Basis eines Hit/No-Hit-Systems. Dem Anwender wird bei der Konsultation des Systems mitgeteilt, ob über eineangefragte Person oder bestimmte Sache eine Ausschreibung vorliegt und welcheweiteren Massnahmen im Trefferfall zu ergreifen sind. Um weitergehende Informationenweitergeben oder anfragen zu können, ist neben dem SIS, in welchemlediglich die Basisinformationen abgespeichert sind, ein weiteres Verfahren notwendig.Dieses wird über die nationalen SIRENE-Büros abgewickelt. Das sog. SIRENE-Verfahren ist als Unterstützung des technischen Fahndungsinstrumentariums SISkonzipiert und soll bei positiven Abfragen für die Sicherheitsdienststellen einenzusätzlichen Informationsaustausch ermöglichen sowie für die benötigten ZusatzinexistentenPerson spricht man von Misused Identiy. Die real existierende Person kann aufgrund derFahndungssausschreibung im SIS stetig Probleme im Schengenraum haben.146 Vgl. dazu AMTSBLATT DER EUROPÄISCHEN UNION, L 317 / 57, Punkt 2.8.147 KOMMISSION EG.148 Art. 99 SDÜ enthält Bestimmungen über die Ausschreibung zur verdeckten Registrierung resp.gezielten Kontrolle in Bezug auf Personen oder Fahrzeuge.149 WÜRZ, Rn 177 und Rn 200.150 Siehe dazu Fn 128.39


formationen sorgen, welche zwischen den Vertragsparteien untereinander ausgetauschtwerden 151 . Die SIRENE Schweiz hat diesbezüglich eine ähnliche Funktion wie dasheute bestehende nationale Zentralbüro Interpol (NZB) der Schweiz, das die Interpol-Zusammenarbeit betreut. Die SIRENE Schweiz richtet sich in der Bearbeitung der imSIS enthaltenen Daten nach dem SIRENE-Handbuch der EU 152 , welches den Charaktervon Verwaltungsweisungen 153 hat. Das Bundesamt für Polizei kann weitere Weisungenerlassen, um die Aufgaben der SIRENE Schweiz zusätzlich zu konkretisieren. DieAufgabengebiete unter den nationalen SIRENE-Büros unterscheiden sich nichtmassgeblich. Ähnlich der SIRENE Deutschland, die beim Bundeskriminalamt (BKA) inWiesbaden angesiedelt ist, wird auch die SIRENE Schweiz u.a. folgende Aufgabenhaben: (1.) Bereitstellen von Begleitpapieren bei Ausschreibungen nach Art. 95 SDÜ 154 ,(2.) Auszugsweise Übersetzung ausländischer Begleitpapiere im Trefferfall, (3.) Führenvon Konsultationsverhandlungen mit nicht kompatiblen Fahndungskategorien,(4.) Ansprechpartner und Kontaktdienststelle für alle nationalen SIRENE-Büros,(5.) Vermittlung sonstiger Konsultationen bei Ausschreibungshindernissen zwischennationalen Behörden wie z. B. dem BJ oder dem BfM 155 . Eine weitere Aufgabe wirdsein, die vorzunehmenden Ausschreibungen hinsichtlich der formellen Zulässigkeit, wieauch auf deren inhaltliche Vollständigkeit zu prüfen, um diese im SIS überhaupt freischalten zu können. Grundvoraussetzung für jede Ausschreibung - sei dies einePersonen- oder Sachfahndungsausschreibung - ist aber, dass diese zuerst im RIPOL 156oder für Ausschreibungen zur Einreiseverweigerung i.S.v. Art. 96 SDÜ 157 im zentralenMigrationssystem (ZEMIS) erfasst worden ist. Dies ist notwendig, um die Schnittstellenzwischen den nationalen Systemen und dem SIS abgleichen zu können und um zuverhindern, dass die Fahndung einer von der Schweiz gesuchten Person oder Sache imSIS eingestellt wurde und im nationalen Fahndungssystem indes nicht. Bei einem151 OBERLEITNER, S. 77.152 AMTSBLATT DER EUROPÄISCHEN UNION vom 16.11.2006, L/ 317/41.153 Verwaltungsweisungen (teilweise auch Verwaltungsverordnungen, Kreis- oder Rundschreiben genannt)sind Weisungen von der oberen an die untere Behörde. Obwohl die Weisungen generellabstraktformuliert sind, berechtigen und verpflichten sie nur die Behörden, nicht aber den Bürger.154 Vgl. dazu ergänzend Kap. 3.8.155 WÜRZ, Rn 163.156 Das automatisierte Fahndungssystem (RIPOL, Recherches Informatisées de Police) ist ein gesamtschweizerisches,elektronisches Fahndungssystem, das 1987 in Betrieb genommen und seitherfortlaufend ausgebaut wurde. Teilnehmer sind neben Polizei- und Grenzstellen auch die diplomatischenVertretungen im Ausland. RIPOL wird vom Bundesamt für Polizei betrieben undverwaltet. Siehe auch Art. 349 StGB und RIPOL-Verordnung vom 19. Juni 1995; SR 172.213.61.157 Diese werden ausschliesslich vom Bundesamt für Migration (BfM) vorgenommen.40


Dringlichkeitsverfahren 158 wird es der SIRENE Schweiz jedoch immer möglich sein,selbstständig Ausschreibungen im RIPOL zu erfassen, um sie von dort in das SIS zuübernehmen und anschliessend frei zu schalten.3.7 Die im SIS vorhandenen Datenkategorien nach dem SDÜDie Datenkategorien, die ausschliesslich von den nationalen Stellen in das SIS eingegebenwerden dürfen, sind genau festgelegt und umfassen gemäss Art. 94 Abs. 2 SDÜdie ausgeschriebenen Personen, die in Art. 100 SDÜ aufgezählten Sachen und die inArt. 99 SDÜ aufgeführten Fahrzeuge. Es sind folgende sechs Ausschreibungskategorienbzw. Datenbanken zu unterscheiden:- Fahndungsersuchen nach Personen, die aus Gründen der Strafverfolgung oderStrafvollstreckung zur Festnahme mit dem Ziel ihrer Auslieferung gesucht werden(Art. 95 SDÜ).- Die Ausschreibung zur Zurückweisung von unerwünschten Ausländern ausDrittstaaten oder die Ausschreibung zur Einreiseverweigerung von Ausländern ausDrittstaaten (Art. 96 SDÜ).- Die Ausschreibung zur Ingewahrsamsnahme oder Aufenthaltsermittlung vonPersonen aus Gründen ihres eigenen Schutzes bzw. der Gefahrenabwehr(Art. 97 SDÜ).- Die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung von Zeugen oder Verdächtigen,denen eine Ladung zugestellt werden soll oder von Verurteilten, die eine Haftstrafeantreten sollen (Art. 98 SDÜ).- Die Ausschreibung zur verdeckten Registrierung oder gezielten Kontrolle vonPersonen (Art. 99 SDÜ).- Die Ausschreibung von Sachen 159 , die gestohlen oder sonst abhanden gekommensind und zur Sicherstellung oder zur Beweissicherung in einem Strafverfahrengesucht werden (Art. 100 SDÜ).158 Gemäss Art. 95 Abs. 4 SDÜ ist eine Sofortfahndung dann möglich, wenn eine besondereDringlichkeit vorliegt. Eine solche ist regelmässig dann gegeben, wenn sich die Täterschaftunmittelbar nach einer begangenen Straftat durch Flucht in das Ausland einer Verhaftung zu entziehenversucht und dadurch Fahndungsmassnahmen auf europäischer Stufe unverzüglich eingeleitet werdenmüssen. Selbst in diesem Fall ist aber die vorherige Übermittlung der Begleitpapiere, die von derJustiz auszufüllen sind und die Einleitung einer nationalen Fahndung unerlässlich. Die Schengen-Vertragsstaaten stellen in diesem Fall jedoch ihren Prüfvorbehalt kurzfristig zurück, damit dieAusschreibung sofort wirksam werden kann.41


3.8 Die Ausschreibung zur Auslieferungsfestnahme nach Art. 95 SDÜAngesichts der verschiedenen Ausschreibungskategorien würde es den Rahmen dieserArbeit sprengen, wenn auf sämtliche formellen und operativen Vorgehensweisen derSIRENE Schweiz näher eingegangen würde. Zur Darstellung der Abläufe soll jedochdie Vorgehensweise im Zusammenhang mit der Ausschreibung zur Auslieferungsfestnahmegemäss Art. 95 SDÜ als Beispiel herangezogen werden. DieVerfahrensabläufe im Zusammenhang mit dem Informationsaustausch bezüglich deranderen oben erwähnten Datenkategorien entsprechen jedoch weitgehend denjenigen,welche im Rahmen des Art. 95 SDÜ Anwendung finden und nachfolgend dargelegtwerden.Bei einer strafprozessualen Fahndung mit dem Ziel der Festnahme einer Person, derenAufenthalt nicht bekannt ist, ist regelmässig eine SIS-Fahndung einzuleiten. Auf eineAusschreibung im SIS soll nur dann verzichtet werden, wenn Erkenntnisse vorliegen,dass sich die gesuchte Person im Inland befindet. Zudem ist der Grundsatz zu beachten,dass eine Ausschreibung im SIS auch immer eine Ausschreibung im nationalenFahndungssystem RIPOL voraussetzt 160 . Des Weiteren dürfen die im SIS gespeichertenFahndungsdaten regelmässig nur zu dem Zweck genutzt werden, zu dem sie gespeichertwurden. Eine Weitergabe von Daten zu anderen Zwecken ist daher nur inAusnahmefällen zulässig. Die diesbezüglichen Regelungen des Datenschutzes sind imTitel VI, d.h. Art. 126 ff. SDÜ enthalten.Die Fahndungen aller Staaten, die nicht dem SDÜ beigetreten sind, werden auch nachder Umsetzung von Schengen durch das BJ geprüft und anschliessend in den nationalenFahndungsbestand, d. h. in das RIPOL, übernommen und entsprechend gekennzeichnet.Unabhängig von der Fahndungskategorie ist eine Aufnahme von Fahndungen vonNicht-Schengenstaaten in das SIS nicht möglich 161 .159 Die Sachausschreibung ist beschränkt auf: Kraftfahrzeuge vom mehr als 50ccm, Anhänger mit Leergewichtvon mehr als 750 Kg und Wohnwagen, Feuerwaffen, Blankdokumente, ausgefüllteIdentitätspapiere, Banknoten und Wertpapiere sowie Zahlungsmittel wie z.B. Checks; vgl. dazu auchArt. 100 Abs. 3 SDÜ für die vollständige Aufzählung.160 Vgl. hierzu auch Fn 156.161 WÜRZ 1997, Rn 168.42


3.8.1 Die AuslieferungUnter der Auslieferung wird die zwangsweise Übergabe einer gesuchten Person durchden ersuchten Staat an den ersuchenden Staat verstanden. Dabei steht die Verfügungüber den Beschuldigten im Vordergrund. Was die Hilfeleistungen betrifft, so könnendiese von unterschiedlicher Art sein. Sie können gemäss dem Bundesgesetz überinternationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRSG) darin bestehen, den Beschuldigteneinem anderen Staat in Gewahrsam zu geben, was sinngemäss die Auslieferungdarstellt 162 oder andererseits, an dessen Transport von einem in den anderen Staatbeteiligt zu sein (sog. Durchlieferung) 163 . Von Rücklieferung spricht man, wenn diePerson in den Gewahrsam eines anderen Staates zurückgegeben wird. In diesemZusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Massnahmen, welche etwa nicht denGewahrsam eines anderen Staates begründen - wie etwa die Ausweisung - nicht dazugehören, obwohl sie es dem anderen Staat erleichtern, den Beschuldigten zu ergreifen.Rechtshilfe liegt aber dann vor, wenn der Beschuldigte nur vorübergehend inausländischen Gewahrsam gegeben wird 164 . Letztlich kann sie auch in denVorbereitungen bestehen, damit ausländischer Gewahrsam begründet werden kann, wiedies bei der Festnahme gemäss Art. 44 IRSG oder der Verhaftung nach Art. 47 ff. IRSGder Fall wäre. Dieselben Unterstützungshandlungen werden in Betracht gezogen, wenndas Ausland einer Verfügung über einen Verurteilten bedarf, um ein Urteil, sei dies eineFreiheits- oder Todesstrafe 165 , an seiner Person vollziehen zu können 166 .3.8.1.1 Die AuslieferungsvoraussetzungenUm in ein Auslieferungsersuchen überhaupt einwilligen zu können, müssengrundsätzlich fünf Voraussetzungen erfüllt sein. Es sind dies die Gegenseitigkeit, diebeidseitige Strafbarkeit, die Verfolgbarkeit, weiter die Beachtung der Spezialität und dieEliminierung von Bagatellfällen, vor allem durch Mindestsanktionsgrenzen.162 Art. 32 ff. IRSG.163 Art. 21a IRSG.164 Sog. Überstellung nach Art. 58 ff. IRSG.165 Was die Todesstrafe betrifft, so ist eine solche nicht als Verletzung von Menschenrechten (Art. 2 Abs.1 EMRK; Art. 6 Abs. 2 UNO-Pakt II), zu werten. Nur die Art des Vollzuges kann eine inhumaneStrafe darstellen. Die Ausnahme ist grotesk, besonders auch angesichts der Regel von Art. 10 Abs. 3UNO-Pakt II, wonach der Strafvollzug in erster Linie „Besserung und gesellschaftlicherWiedereingliederung“ dienen muss. Siehe weiterführend auch POPP 2001, Rn 361.166 POPP, Rn 81.43


Das im IRSG verankerte Gegenseitigkeitsprinzip setzt eine entsprechende Zusicherungvoraus, der ersuchende Staat werde in einem vergleichbaren Fall einem Auslieferungsersuchenebenfalls nachkommen. Der Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit macht dieZulässigkeit einer Auslieferung davon abhängig, dass die dem Auslieferungsersuchenzugrunde liegende Straftat im ersuchten, wie auch im ersuchenden Staat strafbar ist.Dieses Prinzip wird durch den Grundsatz der beidseitigen Verfolgbarkeit undVollstreckbarkeit flankiert. Hier können Verjährung, Amnestie oder das Prinzip des „nebis in idem“ 167 als Hindernisse in Betracht kommen. Die Spezialitätsbindung soll zudemzusichern, dass die geleistete Rechtshilfe im Umfang des Ersuchens zweckgebunden ist,was auch eine Schutzwirkung zugunsten des Verfolgten 168 entfaltet. Das Bagatellprinzipwird sichtbar im Erfordernis der Auslieferungsfähigkeit, die durch bestimmteMindestsanktionsgrenzen eingeschränkt wird 169 .3.8.1.2 Das Prinzip der doppelten StrafbarkeitDamit eine Straftat überhaupt als auslieferungsfähiges Delikt gilt, muss die Handlungdes Täters im ersuchten wie auch im ersuchenden Staat strafbar sein. Dies bedeutet aberkeineswegs, dass die Bezeichnung der Straftat in beiden Ländern identisch sein muss.Eine in der Schweiz als „Diebstahl“ bezeichnete Straftat kann nach deutschemStrafrecht durchaus als „Veruntreuung“ bezeichnet sein. Eine unterschiedliche tatbestandlicheBezeichnung oder Zuordnung des auslieferungsrechtlich relevantenSachverhalts nach dem Recht des ersuchenden und ersuchten Staates lässt daher dieZulässigkeit einer Auslieferung unberührt.Das Prinzip der beidseitigen Strafbarkeit wird zwar allgemein anerkannt, aber nicht alsvölkerrechtlich bindend erachtet. Die Bedeutung und Tragweite, und in jüngerer Zeitsogar ihre Berechtigung der Regel, wonach Rechtshilfe zwecks Verfolgung einerStraftat nur dann gewährt wird, wenn die Tat sowohl nach dem Recht des ersuchendenStaates als auch nach dem Recht des ersuchten Staates, strafbar ist, sind allerdings weitweniger klar, als ihr nominaler Gehalt vermuten liesse 170 .167 Siehe Fn 69.168 Zur Definition vgl. Art. 11 Abs. 1 IRSG.169 VON BUBNOFF, S. 26 ff.170 POPP, Rn 196.44


Die Voraussetzung der doppelten Strafbarkeit wurde ursprünglich im Recht derAuslieferung entwickelt. Für Verbrechen, die nach naturrechtlichem Verständnis 171länderübergreifend strafwürdig erschienen, galt das Gebot des aut punire aut dedere.Dies bedeutet, dass der Verbrecher an dem Ort bestraft werden sollte, wo er geradeaufgegriffen werden konnte oder ihn eben dorthin zu schaffen, wo ihn eine Strafeerwarten würde. Die früheren Auslieferungsverträge fassten die strafrechtlichenÜbereinstimmungen positiv in Deliktskataloge, die eine abschliessende Aufzählungderjenigen Straftatbestände umfasste, für welche Rechtshilfe gewährt wurde. DieseAufzählungen beinhalteten meist schwerwiegende Taten, vor allem gegenIndividualrechtsgüter, wie z.B. Leib oder Leben. Das Prinzip der doppelten Strafbarkeitwar jedoch nur indirekt relevant und diente hauptsächlich der Frage, nach welchemRecht die Katalogsstraftat auszulegen war 172 .Solche Katalogstraftaten finden sich heute auch in Form einer Positivliste 173 imZusammenhang mit dem europäischen Haftbefehl (EuHb) wieder. Die katalogmässigerfassten Deliktsgruppen wurden unionsweit verbindlich festgelegt und dienen alsÜberstellungsgrundlage. Die dem EuHb zugrunde liegende Tat erlangt dadurch einebestimmte Straftatqualität und indiziert somit eine Auslieferungsverbindlichkeit, soweitnicht eingegrenzte Ausschluss- oder Verweigerungsgründe erkennbar sind. Entscheidendfür die Zuordnung zu einer listenmässig erfassten Deliktsgruppe ist alleine dieDefinition des ersuchenden Staates, der auch diesbezügliche Unklarheiten auszuräumenhat. Auf eine Überprüfung des Vorliegens beidseitiger Strafbarkeit durch den ersuchtenStaat wird bei der Anwendung des EuHb verzichtet. Die einschränkende Regelung zumPrinzip der beidseitigen Strafbarkeit, das teilweise Entfallen der Prüfungspflicht und dieso genannte Positivliste stellen für diejenigen Staaten, die den EuHb anwenden,wesentliche Neuerungen im Zusammenhang mit dem Auslieferungsprozedere dar 174 .171 Das naturrechtliche Verständnis beruht auf dem Gedanken, dass Grundsätze einer allgemeinen Ordnungunabhängig von menschlicher Zustimmung und von vom Menschen gesetztem (positivem)Recht stets gelten.172 POPP, Rn 199.173 Siehe Fn 176.174 VON BUBNOFF, S. 67.45


3.8.2 Der Europäische Haftbefehl (EuHb)Mit dem Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 des Rates über den europäischenHaftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, hat dereuropäische Gesetzgeber zumindest für die Europäische Union das System des EuHbvorgegeben. Dieser hat die traditionellen Auslieferungsverfahren in den europäischenStaaten und somit auch im Schengen-Raum weitgehend abgelöst. Der Anerkennungsgrundsatzzielt darauf ab, die traditionelle internationale Rechtshilfe schrittweise - aufgegenseitiger Anerkennung und wechselseitigem Vertrauen fussend - in eineweitgehend justiziell ausgestaltete Form grenzüberschreitender Zusammenarbeit zuüberführen 175 . Dadurch verlagert sich der Kontakt von einem völkerrechtlichzwischenstaatlichen Charakter einer Auslieferung auf eine unmittelbare justizielleEbene der Mitgliedstaaten. Als neues und selbstständiges Instrument schafft der EuHbdaher ein vereinfachtes und abgestuftes europäisches System der Personenübergabe. Zuunterscheiden sind dabei die Vollstreckungsverbindlichkeit, ohne Rücksicht auf einePrüfung der beidseitigen Strafbarkeit, die fakultativen Ablehnungsgründe sowie eineVerknüpfung der Vollstreckung mit bestimmten Garantien. Eine bestimmte Deliktsqualitätnach der Positivliste 176 - welche zusätzlich einer hinreichenden und schlüssigenSachverhaltskonkretisierung bedarf - indiziert weiter eine Verbindlichkeit, das Auslieferungsersuchenauch zu vollstrecken 177 .Beim EuHb handelt es sich jedoch nicht um einen neuen oder weiteren Haftbefehl, derinnerhalb der EU-Staaten zur Anwendung kommt. Das eigentliche Gewicht liegtvielmehr auf einer unionsweiten Ausrichtung mit einer mitgliedstaatlichen justiziellenEntscheidung mit dem Ziel einer Festnahme und Personenübergabe an den ersuchendenStaat. Der EuHb entspricht demnach einem Festnahme-, Haft- und Übergabeersuchen.Die diesbezüglichen Auslieferungsverfahren werden auf der Grundlage eines Formularsdurchgeführt, welches europaweit dasselbe sein soll. Kein Erfordernis ist aber, dassformal ein EuHb vorliegt und dieser als solcher ausdrücklich gekennzeichnet sein muss.Entscheidend ist nur, dass die inhaltlichen Erfordernisse eingehalten werden. Des175 Vgl. hierzu die Art. 6 und 7 RbEuHb.176 Zu den 32 Listenstraftaten - die Mindeststrafandrohung im Tatortstaat beträgt mindestens 3 Jahre -zählen u.a.: Mord, schwere Körperverletzung, bewaffneter Raub, räuberische Erpressung, Betrug,Korruption, Geldwäsche, Geldfälschung, illegaler Handel mit Drogen und Waffen, die Zugehörigkeitzu einer kriminellen Vereinigung, Terrorismus, Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung von Kindernund Kinderpornographie.177 VON BUBNOFF, S. 45 ff.46


Weiteren ist es nicht Zulässigkeitsvoraussetzung, dass der EuHb in die Landessprachedes ersuchten Staates übersetzt wird. Der Grund dafür liegt in der Vermeidung negativerRückwirkungen auf den Vereinfachungseffekt 178 .Obwohl der betreffende Rahmenbeschluss rund um den EuHb nicht Teil des Schengen-Besitzstandes ist, trägt er gleichwohl zu einer Vereinfachung der SchengenerZusammenarbeit bei 179 . Dies, obschon die an Schengen assoziierten Staaten Norwegen,Island sowie die Schweiz und das Fürstentum Lichtenstein eine Sonderstellungeinnehmen und den EuHb nicht anwenden. Der EuHb wird in diesen Staaten aber alsErsuchen um Verhängung der vorläufigen Auslieferungshaft im Sinne des EuropäischenAuslieferungsübereinkommens 180 gedeutet. Dies bringt den Vorteil mit sich, dass fürdie erwähnten Staaten kein separater Haftbefehl mehr ausgestellt werden muss 181 .3.8.2.1 Kritik an der Anwendung des EuHbÜber die Auswirkungen des EuHb ist die Lehre geteilter Meinung. So wird von denBefürwortern dargelegt 182 , dass die Anwendung des EuHb durchwegs positiveAuswirkungen auf die Sicherheit der Bevölkerung habe. Durch den Wegfall derGrenzen innerhalb des Strafverfolgungsraumes würde es den verurteilten Straftäternund strafrechtlich verfolgten Personen nicht mehr möglich sein, die Unterschiedezwischen den einzelstaatlichen Rechtssystemen auszunutzen, um in einem anderen EU-Staat einen sicheren Zufluchtsort finden zu können. Der europäische Haftbefehl tragedadurch zu einer wirksameren Strafverfolgung in der EU bei. Sogenannte„Schlupflöcher“ für Straftäter würde es keine mehr geben, wodurch derRechtsstaatlichkeit grenzüberschreitend Geltung verschafft würde.Die Gegner bringen indes vor 183 , dass es trotz dieser Vereinfachung und erheblichenBeschleunigung der Auslieferungsverfahren zu bedenken gilt, dass die Akzeptanzfremder justizieller Entscheidungen, die ausschliessliche Massgeblichkeit des Rechtsdes für den EuHb verantwortlichen Ausstellungsstaates sowie die mangelnde Kontrolle178 VON BUBNOFF, S. 54 ff.179 BBl Nr. 44 vom 09.11.2004, S. 6085.180 EUROPÄISCHES AUSLIEFERUNGSÜBEREINKOMMEN VOM 13. DEZEMBER 1957 (SR 0.353.1).181 GUTMANN, S. 103.182 GUTMANN, S. 103.183 Vgl. dazu unter anderem VON BUBNOFF, S. 50.47


der Beweismittel und Beweismittelerlangung in anderen Mitgliedstaaten die derzeitigeAchillesferse des EuHb darstelle. Deshalb sei es wichtig, auch in Zukunft noch weiterevertrauensschaffende Massnahmen zu ergreifen, um ein reibungsloses Funktionierendieses Systems garantieren zu können. Vor allem seien dabei aber solche Massnahmennotwendig, die die Schutzrechte der Betroffenen und die europaweite Verkehrsfähigkeitvon Beweisen betreffen. Dies sei umso notwendiger, weil eine Tat- und Schuldverdachtsprüfungi.d.R. im Auslieferungsverfahren nicht stattfinde.3.8.3 An die Schweiz gerichtete Auslieferungsersuchen vor dem Inkrafttreten desSDÜIn der Schweiz beginnt ein Auslieferungsverfahren in aller Regel mit einemausländischen Festnahme- und/oder Fahndungsbegehren, welches der ersuchende Staatan das Bundesamt für Justiz (BJ) richtet. Die Übermittlung des Ersuchens kannpostalisch oder über IKPO-Interpol erfolgen. Nach dessen Eingang nimmt das BJ dieformelle wie auch materielle Prüfung des Ersuchens vor 184 . Gelangt das BJ zumSchluss, dass einem Fahndungs- und/oder Festnahmeersuchen entsprochen werdenkann, wird zunächst die Frage geklärt, ob die gesuchte Person einen Bezug zur Schweizhat und/oder ob gegebenenfalls bereits ein Dossier zur Person vorhanden ist. Hierzukönnen verschiedene Datenbanken, beispielsweise solche wie das automatisiertePersonennachweis-, Aktennachweis- und Verwaltungssystem (IPAS) 185 Auskunft überAnhaltspunkte eines allfälligen Aufenthaltes der gesuchten Person geben. Ist der Aufenthaltder gesuchten Person bekannt, wird die zuständige kantonale Behörde - zumeist184 Gemäss Art. 12 Abs. 2 des Europäischen Auslieferungsübereinkommen sind dem Ersuchenbeizulegen: a) die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift eines vollstreckbaren verurteilendenErkenntnisses, eines Haftbefehls oder jeder anderen, nach den Formvorschriften des ersuchendenStaates ausgestellten Urkunde mit gleicher Rechtswirkung; b) eine Darstellung der Handlung,derentwegen um Auslieferung ersucht wird. Zeit und Ort ihrer Begegnung sowie ihre rechtlicheWürdigung unter Bezugnahme auf die anwendbaren Gesetzesbestimmungen sind so genau wiemöglich anzugeben oder; c) sofern nicht möglich, eine Erklärung über das anwendbare Recht sowieeine möglichst genaue Beschreibung des Verfolgten und alle anderen zur Feststellung seiner Identitätund Staatsangehörigkeit geeigneten Angaben.185 Gemäss Art. 2 IPAS-Verordnung dient dieses System um: a) festzustellen, ob das Bundesamt Datenüber eine bestimmte Person bearbeitet; b) im Nachrichtenaustausch mit Interpol erhaltene Daten zubearbeiten, die sich auf bestimmte Personen, Geschäfte und Dossiers des Bundesamtes beziehensowie Daten zu bearbeiten, die die Personenidentifikation, die Nachforschung nach vermisstenPersonen und Ausweise betreffen; c) Dossiers nachzuführen, den Arbeitsablauf zu organisieren undStatistiken zu erstellen.48


das Untersuchungsrichteramt oder die Staatsanwaltschaft - um Mitwirkung beim Vollzugdes Auslieferungsverfahrens ersucht 186 .Kann der Aufenthaltsort hingegen nicht ausfindig gemacht werden, hat zwingend eineAusschreibung im nationalen Fahndungssystem RIPOL 187 zu erfolgen. Hierbei ist diemassgebliche Unterscheidung zu treffen, ob der Verfolgte zur Verhaftung zum Zweckder Auslieferung ausgeschrieben oder lediglich eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung188 erfolgen soll. 189 Diese Entscheidung trifft das BJ und richtet sichdabei nach dem Grundsatz, ob das dem Angeschuldigten angelastete Deliktauslieferungsfähig ist oder die Voraussetzungen zur Verbüssung einer Reststrafe imAusland als gegeben zu betrachten sind. Im Gegensatz dazu wird die Ausschreibung imnationalen Fahndungssystem RIPOL indes immer durch die Sektion RIPOL, welchebeim Bundesamt für Polizei (fedpol) angegliedert ist, vorgenommen 190 .Kann der Verfolgte im Zuge einer Fahndung festgestellt werden oder war derAufenthaltsort der gesuchten Person bereits bekannt, ohne dass eine Einstellung in dasnationale Fahndungsregister RIPOL je notwendig wurde, muss vom ersuchenden Staatein formelles Auslieferungsersuchen gestellt werden. Liegt ein solches binnen 18 Tagennach der Verhaftung nicht vor, kann die vorläufige Haft aufgehoben werden. Die Fristkann jedoch um 40 Tage, ab dem Tag der Verhaftung, verlängert werden. Vorgesehenist zudem die vorsorgliche Freilassung, welcher das BJ zuzustimmen hat. Dies bedingtaber, dass der ersuchte Staat alle Massnahmen treffen muss, die er zur Verhinderungeiner Flucht des Verfolgten für notwendig hält 191 .3.8.4 Von der Schweiz an das Ausland gerichtete Auslieferungsersuchen vor demInkrafttreten des SDÜIm Gegenzug dazu kann auch die Schweiz einen ausländischen Staat um Auslieferungeiner gesuchten Person ersuchen. Zuständig ist auch hier das BJ, welches normalerweise186 Vgl. hierzu Art. 16 IRSG.187 Siehe Fn 156.188 Wird eine Person polizeilich festgestellt, die zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben ist, wird dergegenwärtige Wohnort der gesuchten Person schriftlich festgehalten und lediglich diese Informationder ausschreibenden Behörde weitergeleitet. Eine Festnahme erfolgt in diesem Fall nicht.189 EJPD Auslieferung.190KRÄUCHI.191 Vgl. hierzu auch Art. 16 Europäisches Auslieferungsübereinkommen und Art. 50 IRSG.49


die schweizerischen wie auch die kantonalen Ersuchen stellt 192 . Die Kantoneübersenden ihre Anträge zumeist postalisch. Das BJ entscheidet danach gemässArt. 43 IRSG, ob und unter welchen Bedingungen auf die Ersuchen eingetreten werdenkann. Kann auf ein Fahndungsersuchen zum Zweck der Verhaftung und Auslieferungeingetreten werden, übermittelt es dieses nach Art. 29 IRSG selbstständig via IKPO-Interpol an den ersuchten Staat, der die Fahndung in sein nationales Fahndungssystemeinstellt, nachdem er die rechtlichen Voraussetzungen geprüft hat. Gleichzeitig mit demErsuchen an das Ausland ergeht eine Kopie an die Sektion RIPOL, welche den Vermerkder internationalen Personenfahndung im nationalen Fahndungssystem vornimmt.Den jeweiligen Auslieferungsgesuchen haftet allerdings der gewichtige Nachteil an,dass von Seiten der schweizerischen Behörden weder mitverfolgt noch beeinflusstwerden kann, ob und vor allem innerhalb welcher Frist diese internationalenFahndungsersuchen in den jeweiligen nationalen Datenbanken tatsächlich Eingangfinden.Zu erwähnen bleibt, dass diese Verfahren in denjenigen Staaten, die nicht amSchengener System teilnehmen und somit nicht über das SIS verfügen können,weiterhin Fortbestand haben.3.8.5 Die Auswirkungen einer Ausschreibung nach Art. 95 SDÜDie im SIS eingestellten Fahndungen bringen Auswirkungen und Veränderungengegenüber dem derzeitigen und vorgängig beschriebenen Ablauf mit sich. Im Bezug aufdie Ausschreibung zur Auslieferungsfestnahme gemäss Art. 95 SDÜ sind dies u.a. diefolgenden:- Die Entscheidung, ob eine Ausschreibung zur Festnahme zwecks Auslieferungzulässig ist, wird auf den ersuchenden Staat delegiert. Dessen Ausschreibung erfolgtunmittelbar fahndungsrelevant und führt in einem EuHb-Staat automatisch zu einerFestnahme. Deren Rechtmässigkeit wird also vom ersuchten Staat zuvor nichtüberprüft. In der Schweiz erfolgt eine entsprechende Überprüfung vor der192 Siehe Art. 17 und Art. 30 IRSG.50


Einstellung in das SIS durch das BJ. Dieses entscheidet fallbezogen, ob eineallfällige Kennzeichnung notwendig ist 193 .- Die betreffende Ausschreibung ist einem Ersuchen um vorläufige Festnahmegleichgestellt, weshalb es kein gesondertes Ersuchen der ausschreibendenVertragspartei mehr bedarf 194 .- Nach der Festnahme sind dem Verfolgten unverzüglich die Begleitpapiere mitallen notwendigen Informationen zur Person, der Haftbefehl und der Tatvorwurfvorzulegen. Die Übermittlung erfolgt durch die nationalen SIRENE-Büros. Dies hatzur Folge, dass dem Betroffenen gegenüber die Mitteilungspflicht erfüllt wird undandererseits durch die Anwendung des Rechts des ersuchten Staates allfällige Fehlerdes ersuchenden Staates zusätzlich noch korrigiert werden können.Abschliessend sei darauf hingewiesen, dass die Auslieferungsmodalitäten in Kapitel 4des SDÜ, Artikel 59 bis 66 geregelt sind. Mit der Umsetzung des EuHB und mit dessenauslieferungsfreundlicheren Bestimmungen verliert Kapitel 4 für die EU-Mitgliedstaaten jedoch weitgehend an Bedeutung. Diese Vorschriften sind abereinstweilen noch relevant im Auslieferungsverkehr mit den an Schengen assoziiertenStaaten Norwegen, Island und auch der Schweiz, die das System des EuHb nichtanwenden 195 .3.8.6 Die Ausschreibung zur Auslieferungsfestnahme im SIS nach Art. 95 SDÜIm Zusammenhang mit der Ausschreibung der Auslieferungsfestnahme gilt es folgendeUnterscheidung zu machen: (1.) Kann es sich um ein inländisches Ersuchen einerkantonalen bzw. eidgenössischen Behörde um Einleitung einer internationalenFahndung handeln, welche in das SIS eingestellt werden soll. (2.) Kann es um diePrüfung der Frage gehen, ob bei einer im SIS eingestellten Fahndung zurAuslieferungsfestnahme durch einen anderen Schengen-Vertragsstaat, eine Auslieferungdurch die Schweiz aufgrund der schweizerischen Rechtssprechung vollzogen193 Siehe hierzu Kap. 3.8.6.2.194 Vgl. dazu auch Art. 64 SDÜ.195 VON BUBNOFF, S. 7.51


werden kann. Ein Ersuchen um Auslieferung kann zum Zwecke der Strafverfolgungoder der Strafvollstreckung erfolgen 196 .Ungeachtet dieser Unterscheidung sei an dieser Stelle erwähnt, dass gemässArt. 59 SDÜ die Bestimmungen von Kapitel 4 des SDÜ das Europäische Auslieferungsübereinkommenergänzen und dessen Anwendung erleichtern sollen. Weitergehendebilaterale Bestimmungen, welche die Vertragsparteien untereinander geschlossen haben,bleiben von diesem Abkommen indes unberührt. Im Grundsatz bedeutet dies, dass jedeim SIS zur Auslieferungsfestnahme eingestellte Person mindestens im Sinne desEuropäischen Auslieferungsübereinkommens auslieferungsfähig 197 sein muss.3.8.6.1 Inländische Fahndungsersuchen nach Art. 95 SDÜ an das AuslandVorgesehen ist, dass die kantonalen sowie die eidgenössischen Behörden auch nach derUmsetzung von Schengen ihre Ersuchen um internationale Ausschreibung zwecksVerhaftung und anschliessender Auslieferung wie bis anhin dem BJ zukommen lassen.Dieses überprüft die materiellen Voraussetzungen der Ersuchen.Die formelle wie auch die materielle Prüfung der inländischen Ausschreibungsersuchenwerden nach den bisherigen Grundsätzen erfolgen. Jedoch werden anstelle einerVerbreitung via IKPO-Interpol durch das BJ wie bisher, die inländischenFahndungsersuchen zum Zwecke der Auslieferungsfestnahme in Zukunft der SIRENESchweiz zugänglich gemacht werden müssen. Diese überprüft dann, ob die formellenVoraussetzungen zur Einstellung in das SIS gegeben sind und ob dieAusschreibungsersuchen vollständig sind. Hier ist insbesondere wichtig, dass die, demSachverhalt zugrunde liegenden Informationen i.S.v. Art. 95 Abs. 2 SDÜ im inländi-196 WÜRZ, Rn 170.197 Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Abkommens handelt es sich dann um auslieferungsfähige strafbareHandlungen, wenn diese sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach dem des ersuchtenStaates mit einer Freiheitsstrafe oder die Freiheit beschränkenden sichernden Massnahmen imHöchstmass von mindestens einem Jahr oder mit einer schwereren Strafe bedroht sind. Ist im Hoheitsgebietdes ersuchenden Staates eine Verurteilung zu einer Strafe erfolgt oder eine sicherndeMassnahme angeordnet worden, so muss deren Mass mindestens vier Monate betragen.Nach Art. 2 Abs. 2 kann eine Auslieferung auch dann bewilligt werden, wenn das Auslieferungsersuchenmehrere verschiedene Handlungen umfasst, von denen jede sowohl nach dem Recht desersuchenden als auch nach dem des ersuchten Staates mit einer Freiheitsstrafe oder die Freiheitbeschränkenden sichernden Massnahmen bedroht ist, einige aber die Bedingungen hinsichtlich desStrafmasses nicht erfüllen.52


schen Ersuchen enthalten sind 198 . Sind die Ersuchen mangelhaft oder fehlen die für dieAusschreibung notwendigen Angaben, wird die SIRENE Schweiz direkt mit denzuständigen kantonalen bzw. eidgenössischen Behörden in Kontakt treten, um diefehlenden Informationen erhältlich zu machen. Erst wenn die formellen und diemateriellen Voraussetzungen erfüllt sind, kann die SIRENE Schweiz die Ausschreibungim SIS für alle Vertragsstaaten frei schalten.Im Unterschied zum heutigen Vorgehen, wird die Fahndung danach für alleVertragsstaaten innerhalb kürzester Zeit einsehbar sein. Die zeitverzögerndeÜbermittlung via IKPO-Interpol und die daraus folgende einzelne Einstellung in diejeweiligen nationalen Fahndungs-Systeme wird sich demnach für die Schengen-Vertragsstaaten erübrigen.Ist die Freischaltung der Fahndung durch die SIRENE Schweiz erfolgt, verbleibensämtliche Originaldokumente beim BJ. Der SIRENE Schweiz muss es indes möglichsein, jederzeit auf die fahndungsrelevanten Dokumente zugreifen zu können, damit derAustausch von Zusatzinformationen im Falle einer Verhaftung in einem Schengen-Vertragsstaat während und auch ausserhalb der ordentlichen Bürozeiten gewährleistetwerden kann 199 . Hierzu sind die Prozessabläufe zwischen dem BJ und der SIRENESchweiz derzeit noch nicht abschliessend definiert. Mögliche Lösungsansätze sind dieSicherstellung über den Pikettdienst des BJ oder die Einrichtung eines elektronischenFremdzugriffes der SIRENE Schweiz auf die fahndungsrelevanten Dokumente des BJ,die in diesem Fall jedoch elektronisch archiviert sein müssten.3.8.6.2 Ausländische Fahndungsersuchen nach Art. 95 SDÜ an die SchweizMit der Umsetzung des Schengen-Vertrages werden auch die ausländischen Ersuchenim Hinblick auf eine Auslieferung aus der Schweiz über das SIS erfolgen. Innerhalb desSystems, werden die neu zu bearbeitenden Fahndungen direkt ersichtlich sein. Zudem198 Nach Art. 95 Abs. 2 SDÜ sind gleichzeitig mit der Ausschreibung die folgenden Informationen zuübermitteln: a) die um die Festnahme ersuchende Behörde, b) das Bestehen eines Haftbefehls odereiner Urkunde mit gleicher Rechtswirkung oder eines rechtskräftigen Urteils, c) die Bezeichnung unddie rechtliche Würdigung der strafbaren Handlung, d) die Beschreibung der Umstände, unter denendie Straftat begangen wurde, einschliesslich der Zeit, des Orts und der Art der Täterschaft, e) soweitmöglich die Folgen der Straftat.199 Dies ergibt sich aus Punkt 1.4.5 des AMTSBLATTS DER EUROPÄISCHEN UNION L 317 / 49, gemässwelchem es den SIRENE-Büros möglich sein muss, innerhalb von spätestens 12 Stunden eineAntwort auf alle Informationsanfragen zu geben.53


werden die dem Sachverhalt zu Grunde liegenden wesentlichen Informationen gemässArt. 95 Abs. 2 SDÜ über einheitliche Formulare (Vordrucke A und M) 200 allennationalen SIRENE-Büros gleichzeitig übermittelt werden. Die einzelnenVertragsstaaten überprüfen anhand dieser vorliegenden Informationen, ob eineAuslieferung aus nationalen Rechtsgründen durchführbar ist.Da die Schweiz auch nach der Umsetzung des Schengen-Vertrages das System desEuHb - dessen Rahmenbeschluss wurde nicht in den Schengen-Besitzstandintegriert 201 - nicht anwendet, hat dies zur Folge, dass alle durch die Schengen-Vertragsstaaten im SIS eingestellten Verhaftungsausschreibungen nach Art. 95 SDÜeine zusätzliche Schlaufe über das BJ nehmen müssen, damit dieses dieRechtmässigkeit der Ersuchen im Einzelfall überprüfen kann. Erst danach haben dieseauch für die Schweiz Gültigkeit und können im SIS für die inländischen Behördenfreigeschaltet werden 202 .Im Rahmen einer im SIS eingestellten Fahndung ist es immer auch möglich, dass eineinzelner Vertragsstaat aus nationalen Rechtsgründen eine erbetene Verhaftung zumZwecke der Auslieferung ablehnt. Gedacht sei hier beispielsweise an die für dieSchweiz wichtige Unterscheidung von verschiedenen Deliktskategorien 203 , welche auchim Fiskalbereich 204 angewendet wird. Es wird dabei zwischen der Steuerhinterziehung205 sowie dem Steuer- und Abgabebetrug unterschieden, was sich bei derLeistung von Rechtshilfe, insbesondere auf ausländische Auslieferungsersuchen,200 Siehe hierzu AMTBLATT DER EUROPÄISCHEN UNION, L317 / 64, Punkt 3.4.1.201 Der Rechtsdienst des EU-Rates hat die Schengen-Relevanz des EuHb in seiner Mitteilung vom 8.Oktober 2001 ausdrücklich verneint. Dies mit der Folge, dass der Rat eine Subsumierung unter denSchengen-Besitzstand abgelehnt hat. Siehe hierzu BREITENMOSER, S. 933 ff.202 Dennoch hat der ausschreibende Staat im Vorfeld einer Ausschreibung zu prüfen, ob eine Personauslieferungsfähig ist, da eine Ausschreibung von Beginn weg keinen Sinn machen würde, wenn diebeabsichtigte Auslieferung bereits an den formellen wie auch materiellen Voraussetzungen scheiternwürde. Sollte die ausschreibende Partei hierüber Zweifel haben, ist sie verpflichtet, die betroffenenVertragsparteien vorgängig zu konsultieren, wie dies in Art. 95 Abs. 2 SDÜ festgeschrieben ist.203 So wird im Strafgesetzbuch zwischen der Übertretung (Art. 103 StGB), dem Vergehen undVerbrechen (Art. 10 Abs. 2 und 3 StGB) unterschieden, welche sich durch die Strafzumessungdefinieren. Diese Bestimmungen finden über Art. 333 StGB auch auf andere Bundesgesetze Anwendung.204 Die Differenzierung zwischen einem Übertretungs- und Vergehensstraftatbestand im Fiskalbereich istein rein schweizerischer Sonderfall. Im internationalen Umfeld wird diese Unterscheidung nämlichnicht vorgenommen.205 Eine Auslieferung kommt nur dann in Betracht, wenn das Delikt mit mindestens sechs MonatenFreiheitsstrafe bedroht ist. Damit scheidet beispielsweise die einfache Steuerhinterziehung alsAuslieferungsdelikt aus. Siehe dazu auch BEHNISCH, S. 950 und HEINE, S. 47. Die Leistung vonjustizieller Rechtshilfe bei Fiskaldelikten wird unter dem Kap. 4.3.1 ausführlich thematisiert.54


auswirkt. Ein anderes Beispiel sind etwa die unterschiedlichen innereuropäischenRegelungen betreffend die Auslieferung eigener Staatsangehöriger 206 .Tritt also das BJ auf ein ausländisches Festnahmeersuchen zum Zwecke derAuslieferung zwar ein, lehnt eine Auslieferung aus nationalen Rechtsgründen indes ab,gelangt dieses an die SIRENE Schweiz. Diese wiederum konsultiert unter Verwendungdes Vordruckes F 207 den ausschreibenden Vertragsstaat und ersucht diesen unterAngabe der Gründe um eine Kennzeichnung (sog. Flag setzen) der betreffendenAusschreibung. In der Praxis wird dies zur Folge haben, dass die landesintern zutreffende Massnahme der lokalen Polizei in der Schweiz dann keine Festnahme zumZwecke der Auslieferung mehr ist, sondern lediglich eine Aufenthaltsermittlung zuerfolgen hat. Deren Ergebnis wird an den ausschreibenden Staat zu übermitteln sein 208 .Eine solche Kennzeichnung bleibt in diesem Fall für die ganze Dauer der Fahndungaufrechterhalten 209 .3.8.7 Verfahren bei schweizerischen SIS-Treffermeldungen im AuslandWird eine von der Schweiz zur Auslieferungsfestnahme im SIS eingestellte Personaufgrund eines SIS-Trefferfalls 210 im Ausland verhaftet, hat die lokale Polizeibehördeunverzüglich an ihr nationales SIRENE-Büro zu gelangen und es über denvorangegangenen Trefferfall zu unterrichten. In Deutschland beispielsweise, erfolgt imFahndungssystem in der Regel ein automatischer Hinweis auf die zu ergreifendeMassnahme und der Zusatz: „Nachricht an BKA/SIRENE“ 211 . Die SIRENE desMitgliedstaats, in dem der Treffer festgestellt wurde, wird der SIRENE Schweiz206 Vgl. dazu Art. 7 IRSG, gemäss welchem in der Schweiz die Auslieferung eigener Staatsangehörigernur nach deren erfolgter Zustimmung zulässig ist, während dem die Einschränkung des Auslieferungshindernissesder deutschen Staatsangehörigkeit eine wesentliche Neuerung darstellt, insofern deutscheStaatangehörige grundsätzlich immer an einen anderen EU-Mitgliedstaat überstellt werden können.Siehe hier auch weiterführend VON BUBNOFF, S. 33 ff. und 74 ff.207 Siehe ergänzend dazu AMTSBLATT DER EUROPÄISCHEN UNION L 317 / 62, Punkt 2.14 ff.208 Vgl. Art. 95 Abs. 3 SDÜ.209 Was die Kennzeichnung angeht, so hält Art. 95 Abs. 3 SDÜ fest, dass eine solche grundsätzlich nurwährend der Prüffrist aufrechterhalten bleiben darf und spätestens 24 Stunden nach der Speicherungder Ausschreibung zu löschen ist. Es sei denn, der Sachverhalt erweise sich als so komplex, dass einelängere Prüffrist in Anspruch genommen werden muss. Dann besteht die Möglichkeit, dieKennzeichnung für die maximale Dauer von einer Woche zu verlängern.210 Um einen Trefferfall im Sinne des SIS handelt es sich dann, wenn ein Endbenutzer bei der Befragungdes SIS feststellt, dass es eine Ausschreibung gibt, die den eingegebenen Angaben entspricht. Siehehierzu AMTSBLATT DER EUROPÄISCHEN UNION L 317 / 54, Punkt 2.2.211 WÜRZ, Rn 210.55


daraufhin den Vordruck G 212 übermitteln. In diesem müssen alle die im Zusammenhangmit der Personenfeststellung verfügbaren Daten enthalten sein. Insbesondere diePersonalien, der Zeitpunkt und die Umstände der Abfrage sowie eine Zusammenstellungder damit im Zusammenhang ergriffenen Massnahmen, welche dieausländische Behörde im Zusammenhang mit der Personenfeststellung getroffen hat.Nach der Übermittlung der Informationen nimmt das jeweilige SIRENE-Büro, in demder Treffer festgestellt wurde, zusätzlich telefonischen Kontakt mit dem SIRENE-Bürodes ausschreibenden Vertragsstaats (in diesem Fall die SIRENE Schweiz) auf, umEinzelheiten der weiteren Vorgehensweise direkt besprechen zu können 213 . Zudem wirddas ausländische SIRENE-Büro bei der SIRENE Schweiz die Begleitpapiere nachArt. 95 Abs. 2 SDÜ anfordern müssen, um diese dem Verfolgten anlässlich derrichterlichen Anhörung beim nächsten Amtsbezirk zur Kenntnis und Stellungsnahmevorlegen zu können. Die SIRENE Schweiz wird dazu verpflichtet sein, dieeinverlangten Begleitpapiere so rasch als möglich zu übermitteln. Da die erforderlichenDokumente in jedem Fall ohnehin vor der Einstellung der Fahndung in das SIS formellzu überprüfen sind 214 , wird hier kein zusätzlicher Zeitverlust beim Auslieferungsverfahrenentstehen. Stimmt die zwecks der Auslieferung verhaftete Person nach demrichterlichen Vorhalt einer vereinfachten Auslieferung zu, kann diese wie bis anhinauch im vereinfachten Verfahren 215 bewilligt und vollzogen werden. Zeigt sich derVerfolgte mit einer vereinfachten Auslieferung indes nicht einverstanden, erfolgt dasordentliche Auslieferungsverfahren wie bis anhin nach den Grundsätzen des IRSG 216resp. des Europäischen Auslieferungsübereinkommens.Das eigentliche Auslieferungsverfahren als solches wird gegenüber der heutigen Praxiskeine grossen Änderungen erfahren. Anstelle einer Übermittlung der Information viaIKPO-Interpol wird es die SIRENE Schweiz sein, welche vom SIRENE-Büro desMitgliedstaats, in welchem der Trefferfall festgestellt wurde, via das SIS über dieweitere Vorgehensweise der Auslieferung informiert werden wird. Diese Informationenwerden dem BJ zwecks Koordination der Auslieferung und der Weitergabe an die212 Vgl. dazu Kap. 3.4.213 AMTSBLATT DER EUROPÄISCHEN UNION L 317 / 69, Punkt 3.7.1.214 Siehe dazu Kap. 3.8.6.1.215 Die Vorgehensweise der vereinfachten Auslieferung richtet sich nach Art. 66 Abs. 1 und 2 SDÜ undbezieht sich auch auf den Schutz des Spezialitätsprinzips. Die nicht ordnungsgemässe Belehrung kannjedoch die Unwirksamkeit der Erklärungen des Verfolgten zur Folge haben. Die Erklärung auf Verzichtdes zustehenden Schutzes aufgrund des Spezialitätsgrundsatzes kann nicht widerrufen werden.216 Vgl. dazu Art. 32 ff. IRSG.56


ersuchende kantonale bzw. eidgenössische Untersuchungsbehörde weitergeleitetwerden.Erwähnt sei hier auch die Wichtigkeit, dass nach der erfolgten Festnahme unverzüglichdie Löschung im SIS zu veranlassen ist, da die zur Personenfahndung gespeichertenDaten nicht länger, als für den verfolgten Zweck notwendig, gespeichert werden dürfen.Kann eine zur Auslieferungsfestnahme im SIS eingestellte Peron innerhalb der Frist vondrei Jahren seit der Ausschreibung im SIS indes nicht verhaftet werden, ist spätestensdann die Erforderlichkeit einer weiteren Speicherung zu prüfen 217 . Grundsätzlich isteine Fristenverlängerung um die jeweilige Laufzeit zulässig. Die Erforderlichkeitsprüfungwird beispielsweise in Deutschland von der für das betreffendeAusschreibungsersuchen zuständigen Staatsanwaltschaft übernommen 218 . In derSchweiz hingegen wird diese Aufgabe dem BJ zukommen, da dieses für dieschweizerischen resp. auch kantonalen Ersuchen zuständig ist 219 .3.8.8 Verfahren bei ausländischen SIS-Treffermeldungen in der SchweizWird sich im Gegenzug aufgrund einer Ausschreibung eines Schengen-Vertragsstaatseine Treffermeldung in der Schweiz ergeben, wird für die abfragende kantonale odereidgenössische Behörde die dahingehende Verpflichtung bestehen, sich umgehend mitder SIRENE Schweiz in Verbindung zu setzen 220 . Was das örtliche Vorgehen aufKantonsgebiet, etwa die Identitätsabklärung, die polizeiliche Anhaltung sowie eineallfällige Durchsuchung des Verfolgten und weitere Zwangsmassnahmen betrifft, sorichtet sich das Vorgehen auch im Fall einer SIS-Treffermeldung nach dementsprechenden nationalen Recht 221 .Alle im Zusammenhang mit der Personenfeststellung verfügbaren Daten, insbesonderedie Personalien, der Zeitpunkt und die Umstände der Abfrage sowie die damit im217 Vgl. dazu Art. 112 Abs. 1 SDÜ.218 WÜRZ, Rn 176.219 Vgl. dazu Fn 192.220 Die SIRENE Schweiz dient als einzige und ständig verfügbare Kontaktstelle zwischen den Mitgliedstaaten.Über sie müssen alle Anträge auf Zusatzinformationen abgehandelt werden. Deshalb ist esnotwendig, dass die kantonalen wie auch die nationalen Behörden im Trefferfall unverzüglich an dieSIRENE Schweiz gelangen, damit diese die weiteren fallbezogenen Zusatzinformationen erhältlichmachen kann. Siehe dazu Kap. 3.1.221 Dies bedeutet, dass hier die kantonalen Gesetze, resp. die BStP zur Anwendung gelangen. AlsBeispiel für die Anhaltung vgl. etwa § 21 PolG BL (GS 32.778) und für die Verhaftung § 81 i.V.m.§ 26 StPO BL (GS 33.0825).57


Zusammenhang ergriffenen Massnahmen, welche die lokale Polizeibehörde getroffenhat, müssen der SIRENE Schweiz mitgeteilt werden. Die SIRENE Schweiz wiederumübermittelt diese Informationen unter Verwendung des Vordruckes G dem SIRENE-Büro des ausschreibenden Schengen-Vertragsstaats und nimmt im Anschluss zusätzlichtelefonischen Kontakt mit diesem auf, um die weitere Vorgehensweise der Auslieferungbesprechen zu können. Danach werden von der SIRENE Schweiz die vom SIRENE-Büro des ausschreibenden Schengen-Vertragsstaates zuvor übermittelten Vordrucke Aund M 222 mit den zusätzlichen Begleitpapieren nach Art. 95 Abs. 2 SDÜ der für dieVollstreckung zuständigen kantonalen resp. eidgenössischen Behörde weitergeleitet.Der Original-Haftbefehl sollte hingegen bei Bedarf direkt von der ausstellenden an dievollstreckende Justizbehörde übermittelt werden, sofern keine anderen Weisungenvorliegen 223 .Diese betreffenden Begleitpapiere, welche ergänzende Informationen zur Ausschreibungim SIS enthalten, sind nach der Festnahme des Verfolgten anlässlich derVorführung beim Richter des nächsten Amtsbezirkes 224 vorzulegen. Aus diesen ergibtsich die um Festnahme ersuchende Behörde, das Bestehen eines Haftbefehls, die Artund die rechtliche Würdigung einer strafbaren Handlung und die ausführlicheBeschreibung der Umstände, unter denen die Straftat begangen wurde, einschliesslichder Zeit, des Orts und der Art der Täterschaft. Was die Art und den Ablauf derAuslieferung betrifft, so verhält es sich gleich wie bei einem Trefferfall aufgrund einerschweizerischen SIS-Ausschreibung in einem anderen Schengen-Vertragsstaat. Es wirddeshalb auf die Ausführungen im Kapitel 3.8.7 verwiesen.3.8.9 Die nationale Rangfolge bei Ausschreibungen im SISGrundsätzlich kann jeder Schengen-Vertragsstaat auf nationaler Ebene nur eineAusschreibung zur gleichen Person in das SIS einstellen. Diese Regelung erlangt dannbesondere Bedeutung, wenn mehrere - jedoch verschiedenartige 225 - Ausschreibungenzur gleichen Person innerhalb desselben Vertragsstaates vorliegen. In diesen Fällen gilt222 Vgl. hierzu Kap. 3.8.6.2.223 Vgl. hierzu AMTSBLATT DER EUROPÄISCHEN UNION L 317 / 68, Punkt 3.6.224 Zu Bedenken gilt hier, dass sich dieses Vorgehen zumeist nach der kantonalen Gesetzgebung, resp.der BStP richtet. Während beispielsweise im Kanton BL die Anhörung den örtlich zuständigenBezirksstatthaltern obliegt § 76 i.V.m. § 26 StPO BL (GS 33.0825), kennt der Kanton BS imUnterschied die Institution eines Haftrichters § 71 StPO BS (SGS 257.100).225 Vgl. Kap. 3.7.58


es zu bestimmen, welchem Ausschreibungsersuchen Vorrang zur Einstellung in das SISzukommt. In Deutschland beispielsweise hat sich hierzu die folgende Praxis eingestellt:An erster Stelle liegen die Ausschreibungen zur Auslieferungsfestnahme nachArt. 95 SDÜ. Danach folgen die Ausschreibungen zur Einreiseverweigerung nachArt. 96 SDÜ. An dritter Stelle stehen die Ausschreibungen zur vorläufigen Ingewahrsamsnahmenach Art. 97 SDÜ, während die Ausschreibungen zur Wohnsitz- undAufenthaltsermittlung und die Ausschreibung zur verdeckten Registrierung odergezielten Kontrolle (Art. 98 SDÜ und Art. 99 SDÜ) an letzter Stelle gleichgestellt sind.Bei gleichrangigen internationalen Ausschreibungen aus zwei Bundesländern oderStaatsanwaltschaften wird nur diejenige Fahndung eingestellt, die zeitlich zuerst erfasstwurde. Die zweite Fahndung, die nicht eingestellt werden konnte, verbleibt bei derSIRENE Deutschland vorerst in Wartestellung und kann erst dann nachrücken, wenndie erste Fahndung - sei dies aufgrund einer Treffermeldung oder einer eingetretenenVerjährung - gelöscht wurde. Zu beachten ist, dass Fristverlängerungen jederzeitüberwacht und nachgeführt werden 226 .Es kann derzeit davon ausgegangen werden, dass die Schweiz die Thematik rund umdie nationale Rangfolge der Ausschreibungen und die Überwachung der Fristen in ihrennationalen Systemen in ähnlicher Weise handhaben wird.3.8.10 Die internationale Rangfolge der Ausschreibungen im SISWährend in einem Mitgliedstaat nur eine Ausschreibung pro Person eingestellt werdendarf, können auf internationaler Ebene hingegen mehrere Mitgliedstaaten eineAusschreibung zu derselben Person im SIS eingeben, solange die Ausschreibungenvereinbar sind oder nebeneinander bestehen können. Dabei ist darauf zu achten, dasskeine Verwirrung entsteht. Es wurde deshalb notwendig, die Verfahren zur Auffindungvon Mehrfachausschreibungen sowie eine Rangfolge für die Eingabe in das SISfestzulegen. Die hat zur Folge, dass die Eingabe einer Ausschreibung im Hinblick aufeine im SIS schon bestehende Einstellung systembedingt geprüft wird. Zudem hat eineKonsultation mit den Mitgliedstaaten zu erfolgen, welche dieselbe Person bereits imSIS eingestellt haben und die Neueingabe einer Ausschreibung zu unvereinbaren226 WÜRZ, Rn 209.59


Mehrfachausschreibungen führen würde 227 . Die Prüfung der Vereinbarkeit und dieEinleitung der damit in Zusammenhang stehenden Konsultationsverhandlungenzwischen den einzelnen Behörden obliegen den beteiligten nationalen SIRENE-Büros.Die Behandlung von solchen Mehrfachausschreibungen kann zwischen denVertragsparteien i.S.v. Art. 107 SDÜ generell geregelt werden 228 . Hiervon haben dieSchengen-Vertragsstaaten Gebrauch gemacht und die diesbezüglichen Einzelheitenbetreffend die Mehrfachausschreibungen im SIRENE-Handbuch ausdrücklichfestgehalten 229 . Sollte es aber aufgrund wesentlicher nationaler Belange erforderlichsein, so kann nach Konsultation zwischen den Mitgliedstaaten von der Rangfolgeabgewichen werden 230 .227 AMTSBLATT DER EUROPÄISCHEN UNION L 317 / 52 ff., Punkt 2.1.228 WÜRZ, Rn 207.229 Siehe hierzu AMTSBLATT DER EUROPÄISCHEN UNION L 317 / 52, Punkt 2.1.1. lit. a: Ausschreibungennach Art. 95 SDÜ sind vereinbar mit Ausschreibungen nach Art. 97 und Art. 98 SDÜ. Sie könnenauch neben Ausschreibungen nach Art. 96 SDÜ bestehen, obwohl in diesen Fällen die Verfahren nachArt. 95 SDÜ Vorrang vor denen nach Art. 96 SDÜ haben. Ausschreibungen nach Art. 96 und Art. 99SDÜ sind indes nicht miteinander oder mit Ausschreibungen nach Art. 95, Art. 97 oder Art. 98 SDÜvereinbar, unbeschadet der Tatsache, dass Ausschreibungen nach Art 95 und Art. 96 SDÜnebeneinander bestehen können.230 Siehe hierzu AMTSBLATT DER EUROPÄISCHEN UNION L 317 / 52, Punkt 2.1.1. lit. d: Die Rangliste derAusschreibungen ist die folgende: a) Festnahme zum Zweck der Übergabe oder Auslieferung gemässArt. 95 SDÜ; b) Verweigerung der Einreise in die Schengen-Staaten gemäss Art. 96 SDÜ; c) Ingewahrsamnahmenach Art. 97 SDÜ; d) verdeckte Registrierung und gezielte Kontrolle gemässArt. 99 SDÜ; e) Mitteilung des Aufenthalts nach Art. 97 und Art. 98 SDÜ.60


4. Zusammenarbeit der Polizei und Justiz im Rahmen des SDÜ4.1 EinleitungNebst den Regelungen über die Fahndungsausschreibungen mittels des SIS im Rahmenvon Kapitel IV enthält das SDÜ weitere Bestimmungen über die Rechtshilfe. So sinddarin ergänzende Bestimmungen zu den bisherigen völkerrechtlichen Regelungen überdie Rechtshilfe in Strafsachen enthalten 231 . Im Vergleich zu bisherigen Übereinkommenenthält das SDÜ erstmals aber auch völkerrechtlich verbindliche Regelungen über diepolizeiliche Rechtshilfe ausserhalb von Strafsachen, d.h. im Bereich der polizeilichenVorermittlung.Wenn man in der Vergangenheit von „internationaler Rechtshilfe in Strafsachen“sprach, verstand man darunter in der Regel die Vornahme von Massnahmen durchGerichte, Justizbehörden und Polizei in Zusammenhang mit der Verfolgung vonStraftaten. Regelungen über die internationale Zusammenarbeit im präventivpolizeilichenBereich fanden sich bisher nur vereinzelt, wie etwa in bilateralenVerträgen, wie dem deutsch-österreichischen Vertrag über Amts- und Rechtshilfe inVerwaltungssachen von 1988 232 . In der Schweiz hat die bisherige grenzüberschreitendeweltweite Zusammenarbeit der Polizeiorgane ihre rechtliche Grundlage betreffendINTERPOL in den Art. 350 ff. StGB. Hier handelt es sich nicht etwa um denZusammenschluss von Staaten, sondern von nationalen Polizeibehörden. Die Ziele sindkriminalpolizeilicher Natur und umfassen die Verhütung und Bekämpfung dergemeinen Straftaten. Einerseits dient sie der Prophylaxe bestimmter Handlungen, derenAusführung in hohem Masse wahrscheinlich ist und als kriminelle Handlung betrachtetwird, während das zweite Ziel in der polizeilichen Ermittlung von Straftaten imHinblick auf ihre Verfolgung durch die Strafjustiz liegt. Die für diese Zweckedienenden Mittel sind nicht genau definiert, beziehen sich aber mehrheitlich auf denlandesrechtlich vorgegebenen Rahmen und umfassen dadurch vorwiegend dengegenseitigen Informationsaustausch 233 . Die Ermittlungstätigkeit der Polizei, welche231 Diese wie auch die bilateralen Verträge, welche die Schweiz mit anderen Staaten abgeschlossen hat,werden durch das SDÜ nicht verdrängt. Vielmehr ergänzen die Bestimmungen der Art. 48 ff. SDÜ diebestehenden Abkommen. Vlg. dazu auch WÜRZ, Rn 64.232 WÜRZ, Rn 224.233 VERORDNUNG ÜBER DAS NATIONALE ZENTRALBÜRO INTERPOL BERN VOM 1. DEZEMBER 1986 (SR351.21).61


mit ihren materiellen und personellen Mitteln weit mehr als nur eine Gehilfin derjustiziellen Behörde ist und weitgehend selbstständig operiert, verlangt nach einerKlärung des Verhältnisses zur Strafrechtshilfe, weil im Strafprozess zunehmendBeweismittel zur Anwendung gelangen, die anstelle der Untersuchungsbehörde von derPolizei beschafft werden. Als problematisch erweist sich hier, dass die praktischeDurchsetzung der Rechtshilfevoraussetzungen i.S. des IRSG erschwert wird, weil diebetroffene Person keinen effektiven Rechtsschutz gegen die internationale Polizeikooperationhat 234 .Die Schweiz wird also inskünftig verpflichtet sein, auch im Rahmen des Schengen-Vertragswerkes polizeiliche Rechtshilfe sowie Rechtshilfe in Strafsachen zu leisten.Was die Zuständigkeit für den polizeilichen Rechthilfeverkehr zwischen den Schengen-Vertragsstaaten betrifft, so wird die SIRENE Schweiz für den Informationsaustauschbesorgt sein. Dies aufgrund der Tatsache, dass ein Teil des polizeilichenRechtshilfeverkehrs nicht mehr wie bis anhin über den IKPO-Interpol Kanal, sondernaufgrund der Bestimmungen des SDÜ über die SIRENE Schweiz abgewickelt werdenwird. Gerade deshalb ist es für die Bediensteten der SIRENE Schweiz umso wichtiger,die Unterscheidung zwischen polizeilicher und justizieller Rechtshilfe zu kennen, umdie Informationen an die dafür zuständigen Stellen weiterleiten zu können. ImFolgenden soll deshalb auf diese beiden Gebiete näher eingegangen werden.4.2 Polizeiliche RechtshilfeAls Rechtsgrundlage für die polizeiliche Rechtshilfe zwischen den Vertragsstaaten istArt. 39 Abs. 1 SDÜ massgebend, wobei zu beachten ist, dass die erbetenen Massnahmenallerdings nur nach Massgabe des nationalen Rechts zulässig sind. AlsEingriffsermächtigung für die aufgrund des ausländischen Ersuchens getroffeneninnerschweizerischen Massnahmen sind deshalb auch die kantonalen Polizeigesetzeresp. die kantonalen Strafprozessordnungen verbindlich. Zu berücksichtigen ist jedoch,dass grundsätzlich keine polizeiliche Rechtshilfe zu leisten ist, sofern ein Ersuchen oderdessen Erledigung nach nationalem Recht ausdrücklich den Justizbehörden vorbehaltenund/oder für die Erledigung des Ersuchens die Ergreifung von Zwangsmassnahmennotwendig wird.234 POPP, Rn 104 ff.62


Im Besonderen sei an dieser Stelle Art. 39 SDÜ Abs. 2 erwähnt. Dieser hält nämlichfest, dass eine Verwertung der gemäss Art. 39 Abs. 1 SDÜ erlangten Beweismittel ineinem späteren Strafverfahren nur dann gestattet ist, wenn die Justizbehörde desübermittelnden Staates dieser vorgängig zugestimmt hat. Für die SIRENE Schweiz wirdes darum also ratsam sein, die schweizerischen Polizei- sowie die zuständigenjustiziellen Behörden darauf aufmerksam zu machen, dass vor der Übermittlung derInformation eine Einverständniserklärung der örtlich zuständigen justiziellen Behördeum Übermittlung nach Art. 39 Abs. 2 SDÜ eingeholt wird, um den ersuchten Staat nichtGefahr laufen zu lassen, die Informationen justiziell nicht verwenden zu können.Umgekehrt ist natürlich auch bei der Einholung von Informationen aus dem Auslanddarauf zu achten, dass eine ebensolche Zustimmung der Justizbehörde vorliegt, da dieeinverlangten Informationen ansonsten im schweizerischen Strafverfahren genausowenig verwendbar sein werden 235 .Ersuchen um polizeiliche Rechtshilfe nach Art. 39 Abs. 1 SDÜ werden im Regelfallzwischen den in den Vertragsstaaten bezeichneten Zentralstellen 236 übermittelt.Ausnahmsweise ist der direkte Geschäftsverkehr zwischen einzelnen nationalenPolizeidienststellen jedoch dann erlaubt, wenn eine besondere Dringlichkeit vorliegt.Die nachträgliche Benachrichtigung der Zentralstelle sollte dann aber gemässArt. 39 Abs. 3 SDÜ möglichst ohne Verzug erfolgen.Faktisch wird damit im Fall der Dringlichkeit auch eine direkte Zuständigkeit derlokalen Polizeidienststellen geschaffen. Dies bedeutet, dass für einfache Ermittlungshandlungendie Prüfungs- und Bewilligungsbefugnisse für die ein- und ausgehendenErsuchen auf die Polizeidienststellen übertragen werden. Dennoch stellt sich die Frage,wer für die Bearbeitung der Rechtshilfeersuchen als berechtigt und verpflichtetangesehen werden kann. Im deutschen Bundesland Baden-Württemberg etwa, hat mandiese Problematik mit einem sog. „Delegationserlass“ 237 geregelt. Demnach sind zweiVorraussetzungen notwendig, damit die örtliche Polizeidienststelle für die Bewilligungder Rechtshilfemassnahmen bei strafprozessualen Ermittlungen nach Art. 39 SDÜ als235 WÜRZ, Rn 243.236 Beispielsweise ist die Zentralstelle für Deutschland das BKA in Wiesbaden. Für die Schweiz wird esvoraussichtlich das Bundesamt für Polizei fedpol sein.237 Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Justiz- und Innenministeriums Baden-Württemberg über dieAusübung der Befugnisse im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheitenvom 9. Dezember 1994, S.835, zitiert in: WÜRZ 1997, Rn 233.63


zuständig erachtet wird. (1.) Setzt das Ersuchen eine Eilbedürftigkeit i.S.v. Art. 39Abs. 3 SDÜ voraus, und (2.) muss es sich bei der ersuchten Ermittlungshandlung umein einfaches Ersuchen handeln, welches in einem Katalog 238 erfasst ist. Die direkteZuständigkeit gilt nicht für den Fall, wenn das Ersuchen ausdrücklich der Justizvorbehalten ist und/oder Zwangsmassnahmen zur Erfüllung der Rechtshilfe angewendetwerden müssen 239 .4.3 Justizielle RechtshilfeWas die Schweiz betrifft, so leistete sie bereits bisher im Rahmen des IRSG sowieanderen zwischenstaatlichen Abkommen justizielle Rechtshilfe. Im Gegensatz zu dengeltenden Gesetzesbestimmungen bezüglich der Rechtshilfe, bringt das SDÜ imBereich der Fiskalität 240 einen für die Schweiz gravierenden Ausbau derselben mit sich.Dies hat hier zu Lande zu weit reichenden politischen als auch wirtschaftlichen Diskussionengeführt, da insbesondere eine Aushöhlung des Bankgeheimnisses 241 befürchtetwurde 242 .Was die Abgrenzung zwischen der polizeilichen und justiziellen Rechtshilfe betrifft, sosei hier erwähnt, dass die Zusammenarbeit in steuerrechtlichen Angelegenheiten unterdie justizielle und nicht unter die polizeiliche Rechtshilfe fällt 243 , wodurch die PrüfungsundBewilligungspflicht zwingend von einer justiziellen Behörde vorgenommen werdenmuss.238 Als Katalogsersuchen gelten etwa Fahrzeughalterfeststellungen, Führerscheinanfragen, Aufenthaltsfeststellungen,Feststellung von Telefonanschlussinhabern, Verkaufsweganfragen betr. Waffen undAbstimmung von Fahndungsmassnahmen. Für eine abschliessende Aufzählung siehe auch WÜRZ, Rn233.239 WÜRZ, Rn 233.240 Vgl. dazu Art. 48 ff. SDÜ, welche auch auf Steuerdelikte Anwendung finden. Siehe weiterführendauch BEHNISCH, S. 949.241 Siehe hierzu Art. 47 BankG (SR 952.0).242 So warnte etwa der damalige Präsident der APK davor, das durch das Abkommen von Schengenfaktisch das ganze Bankkundengeheimnis eliminiert würde. Des Weiteren stellte die damaligeJustizministerin klar, dass Regelungen, welche die direkte Fiskalität beträfen, für die Schweiz nichtannehmbar seien und in den Verhandlungen entsprechend geregelt werden müssten. Siehe hierzuRENZ.243 Siehe dazu Kap. 4.2.64


4.3.1 FiskaldelikteEinleitend ist zu bemerken, dass in der Schweiz bei den Fiskaldelikten grundsätzlichzwischen den drei folgenden Straftatbeständen unterschieden wird 244 : (1.) DemStraftatbestand der Steuerhinterziehung i.S.v. Art. 175 DBG, Art. 56 StHG, Art. 61VStG und Art. 85 MWStG als Übertretungsstraftatbestand, (2.) dem Straftatbestand desSteuerbetruges i.S.v. Art. 186 DBG und Art. 59 StHG als Vergehensstraftatbestand beiEinkommens- und Gewinnsteuern als Mischung von Betrugs- und Urkundendelikt und(3.) dem Straftatbestand des Abgabebetruges bei der Verrechnungssteuer, derMehrwertsteuer und den Stempelabgaben i.S.v. Art. 14 VStrR als Betrugsdelikt - auchein Vergehen - mit einer arglistigen Täuschung als zentralem Tatbestandselement 245 .4.3.2 Geltende RegelungAufgrund der bisherigen Gesetzesgrundlage 246 und Praxis leistet die Schweiz nur dannRechtshilfe, wenn die ausländischen Steuer- oder Strafverfolgungsbehörden einenSteuer- oder Abgabebetrug glaubhaft machen können 247 . Im Vergleich zumAbgabebetrug - also im Bereich der indirekten Steuern - leistet die Schweiz beimSteuerbetrug bei den direkten Steuern bloss die sog. kleine Rechtshilfe 248 . Dazu gehörenZwangsmassnahmen, wie beispielsweise die Durchsuchung und Beschlagnahme, dieEinvernahme von Zeugen und Auskunftspersonen sowie die Herausgabe von Akten undZustellung von Verfahrensurkunden. Eine Auslieferung ist dagegen gänzlichausgeschlossen 249 , wie auch die stellvertretende Strafverfolgung und die Vollstreckungvon Strafentscheiden. Grundsätzlich keine Amts- und Rechtshilfe werden zurFestsetzung ausländischer Steuerforderungen sowie zur Verfolgung von Steuerhinterziehungen250 geleistet.244 Siehe dazu Kap. 3.8.6.2.245 Diese Differenzierung in einen Übertretungs- und Vergehensstraftatbestand ist ein echterschweizerischer Sonderfall, welcher im internationalen Umfeld nicht vorgenommen wird (vgl. Fn.203); Siehe dazu auch BEHNISCH, S. 947 f.246 Es handelt sich dabei um verschiedene völkerrechtliche Abkommen sowie um das innerstaatlicheIRSG. Für eine genaue Übersicht der gesetzlichen Grundlagen siehe JAMETTI/PFENNINGER, S. 159 ff.247 BEHNISCH, S. 949 und JAMETTI/PFENNINGER, S. 162 ff.248 Vgl. dazu Art. 3 Abs. 3 IRSG.249 Dies bestätigte auch das Bundesgericht in seinem Entscheid vom 18.10.2007 (2C_223/2007), inwelchem es festhielt, dass ein von den britischen Behörden wegen Steuerhinterziehung gesuchterBrite aufgrund der schweizerischen Gesetzesgebung nicht ausgeliefert werden könne. Es führte weiteraus, dass die Tatsache, dass er nicht ausgeliefert werde, jedoch nicht automatisch ein Aufenthaltsrechtim Sinne des Freizügigkeitsabkommens begründe. Somit muss der Betroffene die Schweiz verlassen.250 Eine eigentliche Ausnahme bildet indes der Rechtshilfevertrag mit den USA, wenn es um dieVerfolgung der organisierten Kriminalität geht. Vgl. hierzu Art. 2 Ziff. 1 Abs. 5 i.V.m. Ziff. 2 lit.a des65


4.3.3 Regelung im Rahmen des SDÜMit dem Beitritt der Schweiz zu den Schengen-Abkommen erlangen die Bestimmungendes SDÜ Geltung für die Schweiz, insbesondere die Art. 48 ff. SDÜ. Die Erledigungvon justiziellen Rechtshilfeersuchen erfolgt dann aufgrund von Art. 51 lit. a SDÜ, derdie Voraussetzungen für die Rechtshilfe zwischen den Staaten bestimmt, welche imÜbrigen auch mit dem Recht der ersuchten Vertragspartei vereinbar sein muss (Art. 51lit. b SDÜ). Rechtshilfe ist also dann zu gewähren, wenn „die dem Rechtshilfeersuchenzugrunde liegende Tat nach dem Recht beider Vertragsparteien mit einer Freiheitsstrafeoder die Freiheit beschränkende Massregel der Sicherung und Besserung imHöchstmass von mindestens sechs Monaten bedroht ist, oder nach dem Recht einer derbeiden Vertragsparteien mit einer Sanktion des gleichen Höchstmasses bedroht ist undnach dem Recht der anderen Vertragspartei als Zuwiderhandlung gegen Ordnungsvorschriftendurch Behörden geahndet wird, gegen deren Entscheidung ein auch inStrafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann.“Vor allem die Interpretation des Wortes „oder“ hat für eine Erhitzung der Gemütergesorgt. Während die EU-Kommission den Standpunkt vertrat, dass es sich dabei umeine kumulative Voraussetzung handelt, wies die schweizerische Regierung darauf hin,dass dies eine Frage des Ermessens darstellt. Diese Meinungsverschiedenheit hat weitreichende praktische Konsequenzen: Die schweizerische Interpretation führt dazu, dassauf dem Gebiet der Steuerhinterziehungen, worunter auch die Nichtangabe von Steuernund Zöllen fallen, weiterhin keine gegenseitige Rechtshilfe geleistet würde, womit auchdas Bankgeheimnis geschützt wäre. Die EU-Kommission wollte dies so nicht geltenlassen und gab zu bedenken, dass der schweizerische Standpunkt zu zwei separatenGesetzesbereichen, einem schweizerischen und einem europäischen, führe 251 .Um grössere Streitigkeiten zu vermeiden und den Bestand der bisherigen geltendenRegelung, dass keine Rechtshilfe bei Steuerhinterziehung im Rahmen des SDÜ geleistetwerden muss, weiterhin gewährleisten zu können, machte sich die Schweiz den Passuszu Nutze, dass „ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann“.Nach schweizerischem Recht sind nämlich auch bei Steuerhinterziehungen nicht dieStaatsvertrages vom 25. Mai 1973 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und denVereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen (SR 0.351.933.6).251 HEINE, S. 47.66


ordentlichen Strafverfolgungsbehörden, sondern ausschliesslich die Steuerbehörden fürdie Verfolgung zuständig. Gegen Entscheide der Steuerverwaltungen ist – mit Blick aufdirekten Steuern – regelmässig aber nur der Weiterzug an ein Verwaltungsgerichtvorgesehen, welches nicht als ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht im Sinne vonArt. 51 lit. a SDÜ gilt. Eine Rechtshilfeverpflichtung der Schweiz ist somitausgeschlossen 252 . Die Schweiz hatte diesbezüglich eine Erklärung abzugeben, welchein der Schlussakte des SAA aufgeführt wird. Dieser Weg hatte zwar zur Folge, dasseinige Gesetzesänderungen notwendig wurden, jedoch führte er zur Beibehaltung desSchutzes des Bankgeheimnisses. Was die Änderungen der gesetzlichen Regelungbetrifft, so mussten in diesem Zusammenhang Art. 182 DBG und Art. 57 bis StHG leichtan die Art. 50 SDÜ und Art. 51 SDÜ angepasst werden, indem die Strafgerichtsbarkeitfür Steuerhinterziehungsdelikte ausgeschlossen wurde. Des Weiteren hatte dies auchAuswirkungen auf die Kantone <strong>Bern</strong> und Jura, die ihre Steuergesetze ebenfalls ändernmussten, da die Überweisung renitenter Steuerhinterzieher an die Strafjustiz nicht mehrzulässig sein wird 253 . Was die Auslieferung betrifft, so wird diese bei den direktenSteuern auch weiterhin nicht möglich sein.Im Bereich der indirekten Steuern wird die Rechtshilfe beim Abgabebetrug ausgeweitet.Neben der bereits erwähnten kleinen Rechtshilfe 254 wird gemäss SDÜ auch dieAuslieferung möglich sein. Da das Bundesgericht diesen Weg jedoch schon früherdurch seine Rechtsprechung 255 geebnet hatte, wird sich in der Praxis zwar wenigändern, aber es wird damit immerhin eine gesetzliche Grundlage geschaffen. Weil dieAuslieferung nur zulässig ist bei einem Freiheitsentzug von mindestens sechs Monaten,wird sie bei den einfachen Steuerhinterziehungen auch zukünftig nicht in Fragekommen 256 , anders dürfte es jedoch bei den qualifizierten Tatbeständen aussehen.252 Siehe dazu JAMETTI/PFENNINGER, S. 165 f.253 BEHNISCH, S. 949 f.254 Vgl. dazu Kap. 4.3.2, insbesondere Fn 248.255 BGer vom 22.2.2002 (1A. 189/2201).256 Für die Rechtshilfe im Bereich der indirekten Steuern siehe auch BEHNISCH, S. 950. Im Rahmen derBilateralen II ist gemäss dem Betrugsbekämpfungsübereinkommen (der Zeitpunkt des Inkrafttretensist noch nicht bekannt) weitergehende Amts- und Rechtshilfe zu leisten, so auch für dieSteuerhinterziehungsdelikte. Diese Regelungen werden regelmässig Unternehmen treffen, die Bücherführen müssen, da nach bisherigem internem Recht zumeist ein Abgabebetrug und nicht bloss eineSteuerhinterziehung vorliegt, welcher die Durchbrechung des Bankgeheimnisses bereits heute schonrechtfertigt. Die Bestimmungen des Betrugsdossiers werden wohl keine grossen Änderungen mit sichbringen, da keine Amts- oder Rechtshilfe bei Bagatellfällen geleistet wird (Strafandrohung unter sechsMonate Freiheitsentzug, mutmasslich hinterzogener Betrag geringer als Euro 25'000 bzw. Warenwertunter Euro 100'000).67


4.3.4 Zukünftige VeränderungenAuch wenn der Schutz des Bankgeheimnisses im Bereich der direkten Steuern somitvorläufig weiterhin gewahrt wird, so werden die Bestimmungen des SchengenerAbkommens früher oder später Änderungen unterworfen sein. Somit ist der Schengen-Besitzstand nicht als starres Element zu betrachten, sondern vielmehr als dynamischesSystem, welches stetig durch neue Rechtsakte und Massnahmen ergänzt undmodernisiert werden wird. Dies zeigt sich anhand der Tatsache, dass der derzeitgeltende Schengen-Acquis lediglich die Rechtshilfe im Bereich der indirekten Steuernnach Art. 50 SDÜ 257 vorsieht. Dadurch soll vor allem dem Kampf gegen dieorganisierte Kriminalität, insbesondere im Bereich des Zigarettenschmuggels, besserRechnung getragen werden 258 .Um den Schutz des Bankgeheimnisses nicht preisgeben bzw. andere unerwünschteÄnderungen des Schengen-Acquis nicht übernehmen zu müssen, hat die Schweiz einsog. „opt-out“ Recht ausgehandelt, welches es ihr erlaubt, bei jeder Weiterentwicklungdes Schengen-Besitzstandes souverän zu entscheiden, ob es einen neuen Erlassübernehmen will 259 . Des Weiteren wurden ihr lange Fristen zur Übernahme neuerErlasse zugestanden, sodass die normalen schweizerischen Verfahren wie z. B. parlamentarischeGenehmigungsverfahren und Referenden eingehalten werden können.Kann eine Weiterentwicklung dennoch nicht übernommen werden, sind die Parteienverpflichtet, nach pragmatischen Lösungen zu suchen. Im äussersten Fall hätte dieAblehnung der Übernahme eines neuen Erlasses die Kündigung des Abkommens zurFolge. Von diesem Grundsatz wurde der Schweiz allerdings eine unbefristeteAusnahme gewährt und zwar für den Fall, dass die EU bei der Rechtshilfe im Bereichder direkten Steuern das Erfordernis der doppelten Strafbarkeit abschaffen sollte, wasmit dem Schutz des schweizerischen Bankgeheimnisses indes unvereinbar wäre 260 .4.3.5 FazitIm Hinblick auf die gesamteuropäische Entwicklung kann aufgrund der obigenAusführungen festgehalten werden, dass an der bisherigen schweizerischen Tradition257 In den Bereich der indirekten Steuern fallen insbesondere: Verbrauchssteuern auf Alkohol, Tabak,Mineralöl, usw. sowie Mehrwertsteuern und Zollabgaben.258 PFENNINGER, S. 3.259 PFENNINGER, S. 4, JAMETTI/PFENNINGER, S. 166 f.260 BEHNISCH, S. 950, siehe auch Art. 7 Abs. 5 SAA.68


(vgl. Art. 3 des IRSG), welche eine Auslieferung in sämtlichen Fällen von Steuern- undZollangelegenheiten ausschliesst sowie gegenseitige Hilfe in straf- und verwaltungsrechtlichenAngelegenheiten nur bei speziellen Fällen des Abgabebetrugs gewährt,sicherlich nicht festgehalten werden kann. Von Seiten der Schweiz wurde aber deutlichgemacht, dass sie auch in Zukunft unter keinen Umständen Regelungen des Schengen-Abkommens anwenden wird, welche die Auslieferung und Amtshilfe 261 in allen Artenvon Steuerbetrug einschliesslich der Nichtangabe des Einkommens vorsehe.Zusammenfassend seien hier noch einmal die zukünftigen Regelungen aufgeführt: (1)Die Auslieferung wird gewährt in Fällen von indirekten Steuern, wie z.B. Zollabgabenund Verbrauchersteuern, vorausgesetzt aber, dass ein strafrechtlicher Steuerbetrug undnicht bloss eine einfache Übertretung vorliegt. (2) Keine Auslieferung erfolgt in Fällenvon direkten Steuern. (3) Hingegen wird gemäss SDÜ volle Amtshilfe in straf- undverwaltungsrechtlichen Angelegenheiten im Bereich der indirekten Steuern geleistet. (4)Bei den direkten Steuern wird lediglich beschränkt Amtshilfe geleistet 262 .Die herrschende Lehre geht allgemein davon aus, dass die schweizerische Handelsdelegationein sehr gutes Verhandlungsergebnis erreicht hat, da das Bankkundengeheimnisim Bereich der direkten Steuern auch bei Hinterziehungen gewahrt werdenkonnte 263 . Die Schweiz habe eine Lösung mit der EU gefunden, die nicht nur dasBankgeheimnis in zentralen Bereichen wahrt und damit stärkt, sondern letztlich auchdem Ruf des Finanzplatzes Schweiz zugute komme 264 .261 “Weil der Begriff der Amtshilfe in erster Linie zur Abgrenzung von der Rechtshilfe in Straf- undZivilsachen dient, kann er negativ gefasst werden als Kooperation zur Unterstützung ausländischenhoheitlichen Handelns, das nicht Gesetzgebung, Streiterledigung oder Bestrafung ist”; siehe POPP,Rn 101 ff. für ergänzende Ausführungen.262 HEINE, S. 45 ff., JAMETTI/PFENNINGER, S. 171.263 BEHNISCH, S. 950.264 PFENNINGER, S. 3 ff.69


5. Schlussfolgerung5.1 Der Mensch unter ständigem VerdachtOb sich die innere Sicherheit der Schweiz durch die Zugehörigkeit zum Schengen-Raum verbessern wird, und ob eine allfällige positive Veränderung für den einzelnenBürger im Bezug auf sein Sicherheitsempfindens auch spürbar sein wird, lässt sichderzeit noch nicht abschliessend beurteilen. Das Bundesamt für Polizei (fedpol) vertrittzumindest hier die Meinung, dass die Schnelligkeit, mit der Fahndungsinformationen indas SIS eingestellt und abgefragt werden können, es erlauben würde, mit der immermobiler werdenden Kriminalität Schritt zu halten. Zudem habe sich die AnzahlFestnahmen international gesuchter Straftäter, beispielsweise im NachbarlandDeutschland, durch den Beitritt zum Schengener Raum um ein Vielfaches erhöht 265 .Dass in einer Zeit der internationalen Kriminalität die Polizei- und Strafverfolgungsbehördengrenzüberschreitend zusammenarbeiten müssen, ist sich auch die Vereinigungder Schweizerischen Datenschutzbeauftragten der Schweiz bewusst. Gleichzeitigäussert die Vereinigung aber auch die Besorgnis, dass sich die Schweiz - etwa imVergleich zu anderen Schengen-Staaten - nur ungenügend vor den Risiken desmächtigen SIS schützen wird, wie eine diesbezüglich durchgeführte Umfrage aufgezeigthabe. Sie gaben zu bedenken, dass, obwohl die Kantone die erforderlichen gesetzlichenAnpassungen im Bereich des Datenschutzes vorgenommen hätten, weder genügendfinanzielle Mittel noch die personellen Ressourcen zur Verfügung stehen würden, umdie notwendigen datenschützerischen Kontrollaufgaben wahrnehmen zu können 266 .Dass solche Bedenken der Datenschützer nicht unbegründet scheinen, zeigt ein Blick inden Bericht der britischen Bürgerrechtsorganisation „Statewatch“. In einer Analysewarnt diese etwa davor, dass SIS II hinter dem Rücken der europäischen Parlamente zueiner regelrechten „Big Brother-Datenbank“ ausgebaut werden würde. Ihrer Meinungnach, soll das zukünftige System auch dazu benutzt werden, „um eine absoluteÜberwachung und Kontrolle über die verdächtigte Bevölkerung ausüben zu können“.So sei beispielsweise auch beabsichtigt, ein biometrisches Register aller Einreisenden in265 Siehe dazu auch INTEGRATIONSBÜRO Sicherheit, S. 9.266 DATENSCHUTZBEAUFTRAGTE, S. 1 ff.70


die EU, nach Vorbild des US-Visit-Programm 267 , zu schaffen, so die Ergebnisse einereingehenden Untersuchung. Weiteren Bürgerrechtlern zufolge, seien sich die EU-Staaten auch bereits dahingehend einig, die Biometrie-Datenbank mit einer ausgefeiltenSuchfunktion bestücken zu wollen, um schnellstmöglich Fingerabdrücke von Verdächtigenmit der Datenbank abgleichen zu können. Aus dem gegenwärtigenVerifizierungssystem werde mit dem SIS II ein Fahndungswerkzeug geschaffen,welches auch spekulative Suchanfragen unter allen Registrierten erlauben werde.Bedenklicherweise käme zusätzlich hinzu, dass auch Warnsignale miteinanderverknüpft werden könnten, wodurch es beispielsweise möglich sein soll, Begriffe wie„Familienmitglieder“ mit dem Begriff der „verdächtigen Angehörigen einer kriminellenOrganisation“ oder der Bezeichnung „Terroristennetzwerke“ zusammenzuführen. Hierzeige sich, dass das zukünftige SIS II vermehrt auch als Fahndungs- und Geheimdienstwerkzeugeingesetzt werden soll. Dies umso mehr, da auch EUROPOL undEUROJUST für „andere Zwecke“ Zugang zu den massiven Datenbeständen erhaltensollen. Für „Statewatch“ kommt dieser Umstand einem ungeheuerlichen Bruchfundamentaler Datenschutzprinzipien gleich 268 . Gelassener sieht man dieser Thematikjedoch bei der Sozialen Partei der Schweiz (SPS) entgegen, welche die Meinungvertritt, dass „die Schengener Abkommen nicht zu einem europäischen Polizeistaatführen würde“. Mit flankierenden Massnahmen, wie etwa dem Verzicht auf verdachtsunabhängigeKontrollen und der Verstärkung des Datenschutzes, würde der„Zielkonflikt zwischen dem Bedürfnis der Menschen auf Schutz ihrer Privatsphäre unddem polizeilichen Handeln“ aufgelöst werden 269 .Es ist jedoch, trotz zahlreicher „Wenn und Aber“, davon auszugehen, dass mit demweiteren Zusammenwachsen von Europa zu einem Raum der Freiheit, Sicherheit unddes Rechts die Begehrlichkeiten wachsen werden, eine derart umfangreicheDatensammlung vielseitig nutzen zu wollen.267 Das US-Visit Programm ist ein Ein- und Ausreisesystem zur Überwachung der US-Grenzen, um dasUS-Einwanderungsgesetz besser kontrollieren zu können. Dieses System wurde zum Schutz derVereinigten Staaten, dessen Bürgern und den internationalen Besuchern entwickelt. Es hat zur Folge,dass am ersten Einreiseort in die USA a) der Reisepass eingescannt wird; b) die Fingerabdrücke dereinreisenden Person eingescannt werden und c) ein Foto von der einreisenden Person gemacht wird.Das US-Visit Ein- und Ausreiseverfahren existiert seit dem 05.01.2004 und gilt an allen US-Flug- undSeehäfen für alle Länder ohne Visa-Waiver Abkommen. Siehe weiterführend auchhttp://www.dhs.gov.268 Siehe ausführlich auch STATEWATCH ANALYSIS.269 Siehe dazu SCHÄR.71


5.2 Persönliches FazitGerade aufgrund dieses Zusammenwachsens von Europa und dem dadurchnotwendigen gegenseitigen Austausch von Informationen wird die elektronischeDatenverarbeitung auch in Zukunft ein unverzichtbares Instrument der modernenKriminalitätsbekämpfung darstellen. Nur so wird es möglich sein, eine grosse Anzahlvon Personen- und Sachdaten zu speichern, miteinander abgleichen und analysieren zukönnen. Damit dieses Vorhaben stetig ausgebaut und weiterentwickelt werden kann,werden innerhalb der EU auch in den nächsten Jahren zunehmend Bestrebungenunternommen, weitere Datenbanken untereinander zu verknüpfen, um so dieFahndungs- und Strafverfolgungsmöglichkeiten weiter verbessern zu können. Ein ersterSchritt in diese Richtung wird mit der Einbindung der beiden PartnerorganisationenEUROPOL und EUROJUST in das SIS II vollzogen.Gerade die EU hat in den letzten Jahren ihre Rolle bei der Gewährleistung undVerbesserung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit im Polizei- undJustizbereich, wie auch in den Bereichen der koordinierten Einwanderungs- undGrenzsicherungspolitik stetig und spürbar ausgebaut. Die inmitten von Europa gelegeneSchweiz kann sich dieser Entwicklung nicht einfach entziehen. Zu Recht erwarten auchihre Bürgerinnen und Bürger, dass ihr Staat bei der Bekämpfung der grenzüberschreitendenKriminalität, wie der illegalen Einwanderung, dem Menschenhandel,Terrorismus und der organisierten Kriminalität 270 , gemeinsam mit anderen Staaten nochwirksamer vorgeht. Manche Personen mögen durchaus den Eindruck haben, dieZugehörigkeit zum Schengen-Raum führe vor allem zu einem Souveränitätstransfernach Brüssel. Dieser Einwand ist zwar nicht ganz unbegründet, entscheidend ist aber,dass alle Vertragsstaaten in alle Phasen des Politikprozesses involviert sind und ihreMitsprachemöglichkeiten wahrnehmen können. Für postmoderne Souveränität gibt esimmer einen Platz, auch wenn sich dieser auf den Verhandlungstisch beschränkt.Verglichen mit dem Verlust an politischer Kontrolle entsteht bisweilen auch derEindruck, dass die Regierungen der Mitgliedsstaaten der EU in Brüssel mehr Spielraum270 Vgl. dazu KUNZ, S. 10, Rn 16, gemäss welchem Begriffe wie „Organisierte Kriminalität“ oder„Ausländerkriminalität“ nicht allemal Phänomene beschreiben würden. Vielmehr seien dies Redeweisen,welche den gesellschaftlichen Wahrnehmungs- und Akzentuierungsbedürfnissen Ausdruckgeben würden. Die Massgeblichkeit der Ausdrucksweise und des Deutungsrahmens zeige sich an denUnterschieden der scheinbar ähnliche Phänomene bezeichnenden Begriffe wie „Wirtschaftskriminalität“und „Kriminalität der weissen Kragen“. Während es sich beim ersten Begriff um einenkriminaltaktischen handle und der Koordinierung von Verfolgungsaktivitäten diene, verweise derzweite Begriff auf Machenschaften in den Führungsetagen in der Gesellschaft.72


haben als im eigenen Land und über Brüssel vieles durchsetzen können, was im eigenenStaat kaum möglich gewesen wäre. Dies kann auch als Machtgewinn bei derDurchsetzung nationaler Eigeninteressen gedeutet werden 271 .Es darf allgemein nicht vergessen gehen, dass die Schweiz auch nach der Übernahmedes Schengen-Besitzstandes ihre bestehende föderalistische Polizeistruktur uneingeschränktbeibehalten kann. Sie koordiniert ihre nationale Zuständigkeit nur in denBereichen mit der EU, wo dies ein wirksames Instrument zur Wahrung der innerenSicherheit darstellt. Das SIS als Fahndungsinstrument sowie die in dieser Arbeit imBereich der polizeilichen Rechtshilfe thematisierten Möglichkeiten stellen m.E. einedeutliche Verbesserung der internationalen Polizeikooperation dar. Das SIS wirdmassgeblich dazu beitragen, die Verurteilungswahrscheinlichkeit durch eine koordinierteund europaweite Fahndung wesentlich zu erhöhen. Natürlich verlangt dies auch einekostspielige Aufstockung der Mittel bei Polizei und Justiz. Dass dabei die Versuchungbesteht, Defizite der Verurteilungswahrscheinlichkeit mit um so grösserer Strafhärte zukompensieren, liegt auf der Hand, zumal deren Kosten weniger sichtbar und erst nochzeitversetzt eintreten 272 .Auch wenn die letzten Schlagbäume an den Binnengrenzen weggeräumt sein werden,die Grenzen werden deshalb nicht polizeifrei sein. Stattdessen werden die Kontrollen indas Hinterland verlegt werden. Diese Vorgehensweise lässt sich derweil im GrenzraumBasel eindrücklich beobachten, wo zahlreiche Kontrollen des Grenzwachtkorps (GWK)im Hinblick auf die Umsetzung von Schengen bereits heute im rückwärtigen Raumgetätigt werden. Weitere Unterstützung wird das GWK auch aus der Luft erhalten.Effizient, aber nicht ganz leise ist die Drohne „ADS 95 Ranger“, welche des Nachtsüber dem Grenzraum zu Frankreich kreist und aufgenommene Bilder an eineBodenstation übermittelt, die bei der Feststellung von „ungewöhnlichen Aktivitäten“unverzüglich eine am Boden befindliche Equipe zum auffälligen Objekt dirigieren kann.Durch diese Vorgehensweise erhofft man sich ein „wirksames Hilfsmittel in derBekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität, der illegalen Migration und desorganisierten Schmuggels“ 273 . Es ist durchaus möglich, dass die durchgeführte Testserie271 GERLICH, S.119.272 KUNZ, S. 197, Rn 23.273 PRAZELLER.73


is zur angepeilten Umsetzung von Schengen am 1. Novembers 2008 erfolgreichabgeschlossen sein wird.Dabei sei an dieser Stelle vermerkt, dass es doch viel weniger der Verzicht aufsouveräne Entscheide über die Dichte der sichtbaren und systematischen Grenzkontrollenist, der uns diese Instrumente aus der Hand genommen hat und uns zwingt,nach Kompensationsmassnahmen zu suchen. Es geht doch hier vielmehr um die Machtder sich wandelnden Verhältnisse und vor allem das Bedürfnis nach grenzenloserMobilität. Was an der gemeinsamen Grenze zu Frankreich und Deutschland als„Kontrollverfahren ohne Wartezeiten“ begonnen hat, ist zu einem Europa ohne Grenzengeworden und hat viele Menschen mit freudiger Genugtuung erfüllt.Niemand darf sich der Illusion hingeben, die innere Sicherheit würde sich nur an denLandesgrenzen abspielen. Unerlässlich und in erster Linie massgebend hierfür ist undbleibt die Effizienz der lokalen Polizei, die im Bereich der internationalen Fahndungszusammenarbeitin Zukunft auf die Unterstützung der SIRENE Schweiz zählen kann.*****************************************Hinweis gemäss Art. 18 Abs. 2 des Reglements für das Nachdiplomstudium an derRechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität <strong>Bern</strong> vom 24. Juni 2004:„Ich erkläre hiermit, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine anderen alsdie angegebenen Quellen benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäss ausQuellen entnommen wurden, habe ich als solche gekennzeichnet. Mir ist bekannt, dassandernfalls die Fakultät zum Entzug des aufgrund dieser Arbeit verliehenen Titelsberechtigt ist.“Rheinfelden, 25. Februar 2008<strong>Matthias</strong> <strong>Schai</strong>74

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