ahoi! norderney Magazin #28
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Jeder kennt wohl diese wenigen Momente, von denen man später glaubt, dass sie einen<br />
Hebel umgelegt haben und damit Weichen gestellt für den weiteren Verlauf. Sofern man ein<br />
paar Wenns und Abers und einige Umwege zulässt, gäbe es beispielsweise dieses <strong>Magazin</strong> mit<br />
großer Wahrscheinlichkeit nicht ohne die Begegnung mit dem Bild „Claudius (603)“ von Gerhard<br />
Richter auf der Kunstschau documenta 8 in Kassel. 2018 hat der inzwischen 86-jährige<br />
Maler und Bildhauer in der barocken Dominikanerkirche in Münster mit „Zwei Graue Doppelspiegel<br />
für ein Pendel“ ein Kunstwerk geschaffen, das sich zu einem neuen Anziehungspunkt<br />
für Kulturinteressierte aus aller Welt entwickeln kann.<br />
Zwei Graue Doppelspiegel<br />
für ein Pendel<br />
Gerhard Richters Geschenk an die Stadt Münster<br />
outro. <strong>ahoi</strong>! <strong>norderney</strong><br />
296<br />
Im jährlich erscheinenden „Kunstkompass“,<br />
einem anerkannten Ranking der gefragtesten<br />
zeitgenössischen Künstler, belegt Gerhard<br />
Richter - mit einer Ausnahme - seit 2004 den<br />
ersten Platz. Sein Gemälde „Abstraktes Bild<br />
(599)“ zum Beispiel ist 2015 in London zu<br />
einem Rekordpreis von umgerechnet 41 Millionen<br />
Euro versteigert worden. Angesichts<br />
der jetzt erfolgten Schenkung des Künstlers<br />
formuliert Münsters Kulturdezernentin Cornelia<br />
Wilkens, was in der Stadt viele empfinden:<br />
„Ich bin verzaubert.“ Oberbürgermeister<br />
Markus Lewe redet sogar von einem „Wunder<br />
von Münster“ angesichts eines Kunstwerkes<br />
„mit internationaler Strahlkraft“. In solchen<br />
Aussagen mag eine Spur Lokalpatriotismus<br />
mitschwingen, doch das Werk spricht für sich.<br />
Die Installation „Zwei Graue Doppelspiegel für<br />
ein Pendel“ besteht aus einem Foucault‘schen<br />
Pendel mit einer 48 Kilogramm schweren Metallkugel,<br />
die an einem langen Edelstahlseil<br />
unter der Kuppel der entweihten und weitgehend<br />
geräumten Dominikanerkirche über<br />
einer kreisförmigen Ebene aus 380 Millionen<br />
Jahre altem Sedimentgestein schwingt. An<br />
den gegenüberliegenden Seitenschiffwänden<br />
des monumentalen Bauwerks sind vier<br />
zu Paaren gruppierte Glasbahnen angebracht,<br />
die das Pendel rahmen und auf vielschichtige<br />
Weise den Raum spiegeln. Vor Ort sind<br />
ausführliche, auch für Laien verständliche<br />
und spannende Hintergrundinformation zur<br />
Vorgeschichte, Planung und Installation sowie<br />
zur Wirkung und Wahrnehmung der Arbeit<br />
erhältlich. Man muss sich nicht mit Kunst auskennen,<br />
um in dieser einzigartigen Konstellation<br />
einen Reiz zu verspüren - ob als Inspiration<br />
oder Irritation.<br />
Ganz im Sinne des Künstlers soll der neue<br />
Kunstort keinen musealen Charakter bekommen.<br />
Der Zutritt zur Richter-Installation in der<br />
im Zentrum von Münster gelegenen Dominikanerkirche<br />
bleibt kostenlos. Ein Ort der<br />
Begegnung für Gäste und Stadtgesellschaft,<br />
an dem zukünftig auch vielfältige künstlerische<br />
und kulturelle Veranstaltungen stattfinden<br />
können. Wenn der Weg bei der Ab- und<br />
Anreise von und nach Norderney über Münster<br />
führt, ist ein Besuch in der Dominikanerkirche<br />
unbedingt zu empfehlen.<br />
DOMINIKANERKIRCHE MÜNSTER<br />
Di-So. 11-18 Uhr (kostenlos) - Salzstraße 10 - 48143 Münster - (0251) 4924191 - muenster.de