Berliner Kurier 22.11.2018
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HINTERGRUND<br />
Der Zoff um das<br />
Riesen-Bordell<br />
Im Frühjahr 2016 enterten<br />
900 Polizisten, Staatsanwälte<br />
und Zöllner Berlins<br />
größtes Bordell, das Artemis.<br />
Die Vorwürfe lauteten<br />
unter anderem auf ausbeuterische<br />
Zuhälterei<br />
und Beihilfe zum schwerenMenschenhandel.<br />
Dochdiese und weitere<br />
Vorwürfe sind verpufft.<br />
DasKammergericht lehnte<br />
es jetzt ab, ein Verfahrengegen<br />
die Beschuldigten<br />
zu eröffnen.<br />
BordellArtemis<br />
Der peinliche Schluss-Strich<br />
Kammergericht eröffnet doch kein Verfahren gegen die Betreiber –eine Ohrfeige für die Staatsanwaltschaft<br />
Von<br />
P. DEBIONNE<br />
Berlins größtes Bordell, der<br />
FKK-Club Artemis, hat die<br />
entscheidende Schlacht gegen<br />
die Staatsanwaltschaft<br />
gewonnen, womöglich ist<br />
dies das Ende einer jahrelangen<br />
Auseinandersetzung.<br />
Wie das Landgericht Berlin<br />
bestätigte, wurde es von den<br />
zuständigen Richtern abgelehnt,<br />
nach einer riesigen<br />
Razzia mit 900 Einsatzkräften<br />
von Polizei, Zoll und<br />
Staatsanwaltschaft (<strong>Berliner</strong><br />
KURIER berichtete) ein<br />
Verfahren gegen das Artemis<br />
zu eröffnen.<br />
Unter anderem sei die Anklage<br />
der Staatsanwaltschaft<br />
„ungenau“ und „missverständlich“<br />
formuliert, so<br />
das Gericht. Für die <strong>Berliner</strong><br />
Ermittlungsbehörden rund<br />
um den zuständigen Oberstaatsanwalt<br />
Sjors Kamstra<br />
ist die aktuelle Gerichtsentscheidung<br />
mehr als peinlich.<br />
Die Artemis-Betreiber hingegen<br />
feiern. Und bekommen<br />
nach derzeitigem<br />
juristischen<br />
Stand sogar<br />
Schadensersatz<br />
aus der Staatskasse,<br />
sagt das Landgericht.<br />
Steuerhinterziehung,<br />
ausbeuterische Zuhälterei<br />
und Beihilfe zum<br />
schweren Menschenhandel<br />
–das waren die ursprünglichen<br />
Vorwürfe der Staatsanwaltschaft<br />
gegen die Betreiber<br />
des Sex-Clubs. Ein Richter<br />
stellte aufgrund der in<br />
seinen Augen vertretbaren<br />
Verdächtigungeneinen Haftbefehl<br />
aus, die Maschinerie<br />
kamins Rollen.<br />
Vorwurfdes<br />
Menschenhandels<br />
und der<br />
Zuhälterei<br />
Am Abend des 13. April<br />
2016 marschierten Polizei,<br />
Staatsanwaltschaft,Zoll und<br />
Steuerfahndung dann mit<br />
900 Einsatzkräften in dem<br />
Edel-Puff an der Halenseestraße<br />
ein, für die<br />
beiden Betreiber Kenan<br />
und Ismail S. sowie<br />
vier Bardamen<br />
klickten die Handschellen.<br />
Die Vorwürfe<br />
basierten auf<br />
den Aussageneiner Ex-Hure,<br />
die im Artemis gearbeitet<br />
hatte. Doch deren Vorwürfe<br />
wurden vorGericht nicht annähernd<br />
so belastend eingestuft,<br />
wie es sich die Staatsanwaltschaft<br />
erhofft hatte.<br />
Bereits nach wenigen Wochen<br />
waren alle Festgenommenen<br />
wieder auf freiem<br />
Fuß. Das Kammergericht habe<br />
die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft<br />
als „nicht stichhaltig“<br />
erachtet, hieß es damals<br />
offiziell.<br />
Dennoch wurde weiter wegen<br />
gemeinschaftlicher<br />
Steuerhinterziehung sowie<br />
Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen<br />
ermittelt.<br />
Auf diese Weise wollte<br />
die Staatsanwaltschaft, die<br />
die Brüder S. mit dem berüchtigten<br />
Verbrecher Al Capone<br />
verglich, doch noch vor<br />
Gericht bringen.<br />
Doch auch daraus wird nun<br />
nichts. Denn die zuständige<br />
„Die Staatsanwaltschaft<br />
hat<br />
großen Schaden<br />
angerichtet“<br />
Wirtschaftsstrafkammer<br />
des Landgerichts<br />
ließ die<br />
Anklage nicht zu.<br />
Damit wird nach<br />
derzeitigem Stand<br />
auch kein Verfahren<br />
eröffnet. „Die Kammer<br />
wertet die Tätigkeit von<br />
Prostituierten und Masseurenindem<br />
Bordell als Selbstständigkeit“,<br />
sagte die zuständige<br />
Gerichtssprecherin<br />
Lisa Jani dem KURIER. So<br />
müssen die im Artemis arbeitenden<br />
Frauen wie die Freier<br />
Eintritt bezahlen und arbeiten<br />
danach auf eigene Rechnung<br />
– für das Gericht ein<br />
ganz klares Zeichen dafür,<br />
dass die Huren nicht als Angestellte<br />
anzusehen sind.<br />
Die Staatsanwaltschaft habe<br />
versucht, „einen Betrieb<br />
zu zerstören, der vonFrauen,<br />
die als Prostituierte arbeiten,<br />
als vorbildlich angesehen<br />
wird“, so die<br />
Rechtsanwältin Dr.<br />
Margarete Gräfin<br />
von Galen, die einen<br />
der Artemis-Betreiber<br />
vertritt. Ihr Kollege<br />
Dr. Ulrich Wehner, der<br />
einen weiteren Betreiber<br />
vertritt,teilte zudem mit: „Ich<br />
hoffe, dass die Ermittlungs-