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TEXT: BRUNO WÜTHRICH<br />

FOTOS: SHUTTERSTOCK.COM/BABAROGA/VCHAL<br />

Sie leben in einer Beziehung. Ihr<br />

Partner oder Ihre Partnerin<br />

kontrolliert Sie, will über jede<br />

Unregelmässigkeit genau Auskunft,<br />

ist misstrauisch. Und<br />

wenn Sie sich einmal nicht genau erklären<br />

können, haben Sie ein Problem. Wie<br />

frei fühlen Sie sich?<br />

Klar ist, dass Sie die Freiheit haben,<br />

ihn oder sie zu verlassen. Schliesslich haben<br />

wir ja die freie Partnerwahl. Oder Sie<br />

kümmern sich einfach nicht darum, wenn<br />

Ihnen lästige Fragen gestellt werden. Sie<br />

können einfach davonlaufen, statt eine<br />

berechtigte oder unberechtigte Standpauke<br />

entgegenzunehmen. Doch dann<br />

müssen Sie mit den Konsequenzen leben.<br />

Im schlimmsten Fall gilt: Nicht nur Sie<br />

können Ihre/n Partner/in verlassen. Umgekehrt<br />

geht auch. Die Angst vor Konsequenzen<br />

oder vor Verlusten führt zu einer<br />

gefühlten Unfreiheit. Je weniger Angst,<br />

desto mehr Freiheit.<br />

JEDE MENGE FREIHEITEN<br />

Wir Schweizer sind bezüglich Freiheiten<br />

wahrlich gesegnet. Nicht nur können wir<br />

wählen und uns wählen lassen; wir können<br />

auch über politische Sachvorlagen<br />

abstimmen. Kein anderes Land der Welt<br />

gesteht seinen Bürgern mehr politische<br />

Mitbestimmung und Freiheit zu. Wir<br />

können uns aussuchen, wo wir leben,<br />

und wir können reisen, wohin wir wollen.<br />

Für grosse Teile der Weltbevölkerung<br />

ist dies reine Utopie. Wir kennen die<br />

Meinungsfreiheit und haben freien Zugang<br />

zu Informationen. Wir dürfen uns<br />

aussuchen, ob, wie viel und was wir arbeiten.<br />

Wir haben Zugang zu unserem<br />

Rechtssystem, das rechtliche Gehör ist<br />

gewährleistet. Wir dürfen Eigentum erwerben<br />

und veräussern und unsre Partner<br />

und Partnerinnen frei wählen.<br />

Die Freiheit kennt also viele Aspekte.<br />

Deshalb zuerst etwas Definition: «Freiheit<br />

bezeichnet die Fähigkeit des Menschen,<br />

aus eigenem Willen Entscheidungen zu<br />

treffen» oder «Die Möglichkeit, ohne<br />

Zwang zwischen verschiedenen Möglichkeiten<br />

auswählen zu können».<br />

Freiheit bedeutet auch, «nein» zu Zwängen<br />

und «ja» zu Möglichkeiten sagen zu<br />

können. Doch was hat es mit Freiheit zu<br />

tun, wenn wir Rauchern verbieten, beispielsweise<br />

in Restaurants und Bars zu<br />

rauchen? Die Antwort: Auf den ersten<br />

Blick gar nichts. Ein Verbot kann nicht<br />

Rauchverbot:<br />

Einschränkung oder<br />

Erweiterung der<br />

Freiheit?<br />

Freiheit bedeuten. Doch wenn es stimmt,<br />

dass meine Freiheit da endet, wo die Freiheit<br />

meines Nächsten beginnt, ist das<br />

Rauchverbot lediglich eine Verschiebung<br />

einer Grenze. Bereits vor dem Inkrafttreten<br />

des Rauchverbots hatten Nichtraucher<br />

die Freiheit, Restaurants und Bars zu besuchen.<br />

Aber sie bezahlten diese Freiheit<br />

mit der Gefährdung ihrer Gesundheit. Der<br />

Rauch war zudem unangenehm und oft<br />

Gesetze beschränken<br />

unsere individuelle Freiheit.<br />

Wie viele Menschen<br />

würde die Erde vertragen,<br />

wenn wir alle<br />

schrankenlos frei wären?<br />

Wohl nicht viele.<br />

rochen die Kleider nach einem Barbesuch<br />

nach kaltem Rauch. Nichtraucher mussten<br />

also abwägen, ob sie die Konsequenzen<br />

akzeptieren oder die Gaststätte lieber meiden.<br />

Der Gesetzgeber verschob also die<br />

Grenze der Freiheit der Raucher zu deren<br />

Ungunsten in Richtung mehr Freiheit für<br />

Nichtraucher. Das Recht, überall ungehindert<br />

rauchen zu dürfen, wurde gekippt<br />

zugunsten der Freiheit, überall saubere,<br />

rauchfreie Luft atmen zu dürfen.<br />

Dieses Beispiel zeigt gleich noch den Unterschied<br />

zwischen individueller und kollektiver<br />

Freiheit auf. Das Rauchverbot ist<br />

eine Ausweitung der Freiheit zum Gemeinwohl.<br />

Die Aufhebung der individuellen<br />

Freiheiten des Rauchens bringt eine<br />

Ausdehnung der Freiheitsrechte der Allgemeinheit.<br />

Niemand ist mehr gezwungen,<br />

zwischen dem Wunsch, im Restaurant<br />

zu essen und den rauchbedingten<br />

negativen Konsequenzen abzuwägen.<br />

Das Rauchen ist nur eines von vielen Beispielen,<br />

in welchen die Freiheitsrechte<br />

bestimmter Gruppen von Menschen zu<br />

Gunsten der Mehrheit eingeschränkt werden.<br />

Freiheit heisst eben auch, anderen<br />

ihre Freiheiten zuzugestehen.<br />

FREIHEIT UND SICHERHEIT<br />

In der westlichen Welt und damit auch in<br />

der Schweiz steht die Wahrung der Freiheitsrechte<br />

im Vordergrund. Mehr Freiheit,<br />

weniger Staat schliesst auch die Gesetze<br />

mit ein. Denn Gesetze beschränken<br />

unsere individuelle Freiheit. Oder doch<br />

nicht? Wie viele Menschen würde unsere<br />

Erde vertragen, ohne dass diese sich gegenseitig<br />

ins Gehege geraten, wenn wir<br />

alle schrankenlos frei wären? Vermutlich<br />

nicht viele. Stellen wir uns unsere Gesellschaft<br />

ohne Gesetze vor, wenn jeder und<br />

jede machen dürfte, was er oder sie will.<br />

Von heute auf morgen hätten wir das Gesetz<br />

des Stärkeren. Was sich die Starken<br />

nehmen, bezahlen die Schwachen.<br />

s’Positive <strong>11</strong> / 2018 15

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