SPORTaktiv Winterguide 2018
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Und dramatische Skigebiete an den Ausläufern<br />
der Berge von Tibet.<br />
Weite Hänge, wenig Leute<br />
Das bekannteste Skiressort Kasachstans<br />
ist zweifellos Shymbulak, das nur eine<br />
halbstündige Busfahrt von Almaty<br />
trennt. Nachdem die Busse in dem Land<br />
selten überfüllt sind, hat Temir viel Zeit,<br />
sich um seine Gäste zu kümmern. Ja, es<br />
seien in den letzten Jahren immer mehr<br />
Touristen gekommen, speziell seit der<br />
Zeit, in der dieser Film „Boat“ im Kino<br />
lief. Skifahrer seien nach wie vor selten,<br />
da kenne er sich aber nicht so aus. Dafür<br />
wisse er alles über das kasachische Bier.<br />
Die Schymkent-Brauerei zum Beispiel,<br />
die würde einem der reichsten Männer<br />
des Landes gehören. Er habe als kleiner<br />
Ingenieur im Betrieb angefangen, doch<br />
nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion<br />
schmierte er die richtigen Leute –<br />
und riss sich das Ding unter den Nagel.<br />
„Heute hat er ständig Angst, erschossen<br />
zu werden, deswegen beschäftigt er<br />
fünfzehn Bodyguards, die ihn und seine<br />
sieben Frauen beschützen. Das ist doch<br />
kein Leben, diese Reichen hier jetzt in<br />
Kasachstan. Oh, Mahatma!“<br />
Um einen Hauch vom kasachischen<br />
Grand Theft Auto genießen zu können,<br />
bestellen wir uns nach der Ankunft im<br />
Skigebiet Shymbulak erst mal ein Bier –<br />
doch herrje, an der Talstation gibt es nur<br />
lauwarmes Efes aus der Türkei. Schon<br />
jetzt wird klar, dass die Region mit den<br />
Après-Ski-Hochburgen der Alpen nicht<br />
konkurrieren kann, was zweifellos kein<br />
Nachteil ist. Die nächste positive Überraschung<br />
erlebt man an der Liftkasse,<br />
denn der Tagesskipass schlägt mit umgerechnet<br />
17 Euro zu Buche, während für<br />
das Equipment sechs Euro fällig sind.<br />
Gewiss, das Gebiet ist mit 15 Pistenkilometern<br />
und drei Skiliften nicht gerade<br />
groß. Dafür kann man auf den weiten,<br />
tiefverschneiten Hängen geradezu ungestört<br />
seine Schwünge ziehen und teilweise<br />
bekommt man das Gefühl, man hätte<br />
den ganzen Berg nur für sich alleine.<br />
Dabei sind die Pisten gut in Schuss, für<br />
die Snowboarder gibt es einen ansprechenden<br />
Fun-Park. Doch die, die es<br />
wirklich wissen wollen, verlassen ohnehin<br />
bald das gesicherte Areal oder wagen<br />
mit einem lokalen Guide eine Skitour.<br />
Oder buchen gleich einen Helikopter,<br />
um auf diesem letzten unentdeckten<br />
Fleck auf der Skilandkarte ein wirkliches<br />
Abenteuer zu erleben.<br />
Sensationelle Aussicht<br />
Die wirkliche Sensation des Skigebiets ist<br />
eine andere – nämlich die irgendwie unwirkliche,<br />
entrückte Aussicht. Im Tal tut<br />
sich die Steppe wie ein endloses Meer auf,<br />
während der Himmel in allen Schattierungen<br />
von tiefem Kobaltblau bis milchigem<br />
Silber erstrahlt. In der Ferne grüßt,<br />
fast wie ein Fremdkörper, die Skyline der<br />
Millionenstadt Almaty. Wer nicht aufpasst,<br />
kracht vor lauter Staunen gegen die<br />
nächstbeste Schneekanone. Ja, auch die<br />
gibt es hier, denn obwohl von November<br />
bis Mai üblicherweise ausreichend Neuschnee<br />
liegt, ist es trotz der durchschnittlich<br />
2500 Höhenmeter auffallend warm.<br />
Da setzt man sich am Nachmittag doch<br />
gerne noch einmal in die Terrassen-Bar,<br />
um die letzten Sonnenstrahlen und einige<br />
einheimische Leckerbissen zu genießen.<br />
Als Vorspeise gibt es Schurpa, eine<br />
kräftige Fleischbrühe, die mit Gemüse<br />
und Gewürzen zubereitet wird. Danach<br />
wird neben gegrillten Lammspießchen<br />
das Nationalgericht Besbarmak gereicht,<br />
ein extrem breiter, gekochter Nudelteig<br />
mit Hammelfleisch und gedünsteten<br />
Zwiebeln. Sehr schmackhaft sind auch<br />
Manty, handflächengroße Teigtaschen<br />
mit Fleisch und Zwiebeln, sowie die<br />
ungesäuerten Brotfladen. Alles gut also?<br />
Nicht ganz: Wer einmal am Nationalgetränk<br />
Kymis genippt hat, wünscht sich<br />
nach der vergorenen Stutenmilch das Billigbier<br />
von vorhin zurück. Entsprechend<br />
mahnend meint Temir vor der Rückfahrt:<br />
„Bitte kotzt mir nicht in den Bus, er ist<br />
doch noch ganz neu …“<br />
Von den Skibergen<br />
blickt man in die<br />
für unser Auge<br />
ungewöhnliche,<br />
weite, fast endlose<br />
Steppenlandschaft.<br />
Fotos: iStock<br />
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