... der Steirer land ... Ausgabe 04 2018
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Daniela Posch<br />
DIE KUNST,<br />
EINFACH ICH<br />
ZU SEIN<br />
Sei dir genug und bettle nicht um Gunst und Herrenbrot und beuge nie dein<br />
Angesicht vor Fremden in den Kot. Und wenn ein Hochgebieter spricht:<br />
das Recht soll Unrecht sein, so blick ihm fl ammend ins Gesicht<br />
und ruf ein lautes NEIN!<br />
(Johann Wolfgang von Goethe)<br />
Diese Verse bekam ich mit zehn Jahren von einer<br />
wun<strong>der</strong>vollen Frau in mein Poesie-Album geschrieben<br />
und sie begleiten mich schon durch mein<br />
ganzes Leben. Wenn wir uns die Zeit nehmen und<br />
darüber nachdenken, wie oft wir eigentlich gegen<br />
unseren Willen Dinge tun o<strong>der</strong> auf ein Gleis gedrängt<br />
werden, das wir eigentlich für uns nicht vorgesehen<br />
haben, so kann diese Erkenntnis oftmals<br />
sehr schockierend sein. Wir Kin<strong>der</strong> unserer Zeit<br />
haben es uns zur Lebensaufgabe gemacht, an<strong>der</strong>en<br />
Menschen zu gefallen. Je<strong>der</strong> ist nahezu besessen<br />
davon, geliebt, geachtet und wertgeschätzt zu<br />
werden. Man opfert sein Selbst dem Wohlgefallen<br />
an<strong>der</strong>er, sei es im privaten o<strong>der</strong> im beruflichen Leben.<br />
Wann ist für jemanden die Schmerzgrenze<br />
erreicht, wann ist man zu dem geworden, <strong>der</strong> man<br />
nie sein wollte, wann wurde das wirkliche Ich zerstört,<br />
aufgegeben o<strong>der</strong> manipuliert? Die besagte<br />
wun<strong>der</strong>volle, erfahrene Frau meint dazu: Es gibt<br />
immer jemanden, <strong>der</strong> tut, und jemanden, <strong>der</strong> zulässt!<br />
Ein einfacher, aber dennoch kluger Satz mit<br />
so viel Bedeutung und Tragweite. Kompromisse<br />
und Meinungsverschiedenheiten gehören zum Leben<br />
dazu, ja.<br />
Wenn aber dann über den Kopf des an<strong>der</strong>en hinweg<br />
entschieden o<strong>der</strong> bestimmt wird, ist man nicht<br />
nur entmündigt, son<strong>der</strong>n fühlt irgendwann nichts<br />
mehr: Gleichgültigkeit – wohl eine <strong>der</strong> schlechtesten<br />
Methoden, um Ärger aus dem Weg zu gehen.<br />
Man wird gelenkt und dirigiert, bis es irgendwann<br />
nicht mehr wahrgenommen wird, bis es „egal“ ist.<br />
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