... der Steirer land ... Ausgabe 04 2018
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te noch das einfache Volk von oben herab behandelte,<br />
konnte sich die Prinzessin nicht so recht für<br />
ihn erwärmen. Sie wusste, dass <strong>der</strong> König sich diesen<br />
Grafen zum Schwiegersohn wünschte. In ihrer<br />
Verzweiflung suchte sie eine für ihre Schläue bekannte<br />
Zauberin auf. Diese riet dem Mädchen, den<br />
Mann bei <strong>der</strong> Jagd zu beobachten, denn im Schutz<br />
des Waldes würden Männer immer ihr wahres<br />
Gesicht zeigen. Um vom Grafen nicht erkannt zu<br />
werden und gleichzeitig das Vertrauen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Waldtiere gewinnen zu können, verwandelte<br />
die Zauberin die Königstochter in einen prächtigen,<br />
weißen Hirsch. Es dauerte nicht lange und <strong>der</strong><br />
Graf entdeckte das edle Tier. „Her mit <strong>der</strong> Armbrust!“,<br />
befahl er seinem Diener in schroffem Ton.<br />
Dieser zögerte und wies seinen Herren darauf hin,<br />
einem weißen Hirsch kein Leid zuzufügen, denn es<br />
könnte auch ein verzauberter Mensch sein. Doch<br />
<strong>der</strong> Graf blieb hart, schoss ohne mit <strong>der</strong> Wimper<br />
zu zucken und traf das Tier am Hinterlauf. Trotz<br />
seiner schweren Verletzung gelang es dem Hirsch,<br />
in das angrenzende Revier zu flüchten, wo er sich<br />
im weichen Moos zur Ruhe legte.<br />
Er bat den Prinz, ihn zum Schloss des Königs zu<br />
bringen. Dieser hob das schwere Tier auf seinen<br />
Rücken und machte sich sogleich auf den Weg.<br />
Im Königreich angekommen, schickte <strong>der</strong> Hirsch<br />
den warmherzigen Prinzen um die Zauberin. Diese<br />
kam sogleich ins Schloss geeilt, wo sie <strong>der</strong> am Fuß<br />
verletzten Prinzessin ihre schöne Gestalt wie<strong>der</strong>gab.<br />
Der König staunte nicht schlecht, als er seine<br />
vermisste Tochter wie<strong>der</strong>erkannte. Nachdem die<br />
Prinzessin von ihren Erlebnissen im Wald berichtet<br />
hatte, erhielt <strong>der</strong> reiche Graf vom König die Auffor<strong>der</strong>ung,<br />
sein Reich auf dem schnellsten Wege<br />
zu verlassen. Die Prinzessin verliebte sich in den<br />
Prinzen und sie zögerte keine Sekunde, ihn zu ihrem<br />
Gemahl zu nehmen. Denn ein gutes Herz ist<br />
wertvoller als das größte Königreich.<br />
Wie<strong>der</strong>entdeckt und neu bearbeitet von Peter<br />
Stelzl, festgehalten in seinem Buch<br />
„Steirischer Märchenschatz“.<br />
www.peter-stelzl.at Tel.: 03455/596<br />
Viele Waldtiere kamen herbei, leckten ihm seine<br />
Wunde und erzählten ihre Erlebnisse mit dem<br />
hartherzigen Grafen, <strong>der</strong> noch nicht einmal davor<br />
zurückschrecken würde, seine Waffe gegen Muttertiere<br />
zu richten. Der Herr ihres Reviers sei dagegen<br />
ein wahrer Edelmann. Noch nie hätte er ihnen<br />
etwas zuleide getan. Immer wäre er um ihr Wohl<br />
besorgt. „Unser Prinz ist zwar arm, aber sein Herz<br />
ist aus purem Gold“, erzählten sie dem Hirsch,<br />
<strong>der</strong> ihren Ausführungen interessiert lauschte. Am<br />
nächsten Morgen, kaum als die Sonne aufgegangen<br />
war, entdeckte <strong>der</strong> arme Prinz das verletzte<br />
Zauberwesen. Sofort entfernte er<br />
den Pfeil, versorgte die Wunde und<br />
sprach beruhigend auf das Tier<br />
ein. Zu seiner großen Verwun<strong>der</strong>ung<br />
begann <strong>der</strong> Hirsch wie ein<br />
Mensch zu sprechen.<br />
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