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... der Steirer land ... Ausgabe 04 2018

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WEISUNG<br />

von ganz oben<br />

Der Weihnachtsgottesdienst ist zu Ende. Der Pfarrer hat über das Wun<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Weihnacht gepredigt, in dem Gott sich ganz klein macht,<br />

obwohl er <strong>der</strong> „König <strong>der</strong> Welt“ sei.<br />

Mit meiner Tochter gehe ich nach <strong>der</strong> Messe noch<br />

zum Kripperl. Mit staunenden Augen betrachtet sie<br />

das Geschehen: die an Nylonfäden fliegenden Engel,<br />

den großen Stern über dem Stall, jede Menge<br />

Fußvolk – teilweise noch unterwegs, an<strong>der</strong>e schon<br />

angekommen: Schafe, Hirten, Bauersleute, Knechte,<br />

Mägde, die Heiligen Drei Könige. Ochs und Esel<br />

hinten in <strong>der</strong> Ecke, Josef und Maria mit seligem<br />

Blick auf das Jesuskindlein in <strong>der</strong> Futterkrippe.<br />

Plötzlich fragt mich meine Tochter: „Du, Papa, wie<br />

kommt es eigentlich, dass <strong>der</strong> ‚König <strong>der</strong> Welt‘ in einer<br />

Futterkrippe liegt? Wenn er ein König ist, müsste<br />

er ja eigentlich in einem Himmelbett schlafen.“<br />

Zuhause erzähle ich ihr folgende Geschichte: Vor<br />

über 2.000 Jahren hat Gott beschlossen, dass er<br />

den Menschen endgültig ganz nah sein möchte. Er<br />

will nicht mehr, dass die Menschen glauben, <strong>der</strong><br />

Abstand zwischen ihm und ihnen sei unendlich<br />

und seine Liebe könne nur über die Vermittlung<br />

von Priestern und durch Opfergaben erreicht werden.<br />

Nein, er wollte unmittelbar bei den Menschen<br />

sein. Er wollte bei ihnen wohnen. Deshalb wollte er<br />

Mensch werden. Er beauftragte den Engel Gabriel,<br />

mit einem Trupp Engel einen geeigneten Platz zu<br />

suchen. Der Engel Gabriel machte ein ratloses Gesicht,<br />

weil er nicht wusste, wo er mit <strong>der</strong> Suche<br />

beginnen sollte. Da nahm in Gott beiseite und erklärte<br />

ihm in ein paar Sätzen, was er vorhatte. Der<br />

Engel Gabriel staunte nicht schlecht, aber wenn <strong>der</strong><br />

Chef es so sagte, dann sollte es wohl so sein.<br />

Sie machten sich also am 23. Dezember auf den<br />

Weg zur Erde. Die Engel waren froh, einmal etwas<br />

An<strong>der</strong>es zu erleben, und freuten sich auf den Ausflug<br />

in eine <strong>der</strong> großen und wichtigen Städte <strong>der</strong> damaligen<br />

Zeit – denn wenn <strong>der</strong> große Gott Mensch<br />

wird, dann würde er wohl angemessen residieren.<br />

Als sie nun angekommen waren und die Ortstafel<br />

sahen, trauten sie ihren Augen nicht. Sie waren<br />

nicht in Rom, nicht in Alexandria, nicht in Athen<br />

o<strong>der</strong> einer an<strong>der</strong>en <strong>der</strong> großen Städte. Nein, sie<br />

waren in Bethlehem – ein kleines Kaff südlich von<br />

Jerusalem, das sie kaum buchstabieren konnten. Bis<br />

zu diesem Tag hatten sie gar nicht gewusst, dass<br />

es diesen Ort überhaupt gab. Noch mehr staunten<br />

sie, als Gabriel nicht in den Ort hineinging, son<strong>der</strong>n<br />

am Ortsrand entlang ins freie Feld, bis er vor<br />

einem leeren Stall stehenblieb. „Wir sind da. Hier<br />

soll <strong>der</strong> König <strong>der</strong> Welt Mensch werden. Also, an<br />

die Arbeit! Bringen wir den Schuppen ein bisschen<br />

auf Vor<strong>der</strong>mann. Wenn es schon kein Schlosszimmer<br />

ist, soll es doch sauber sein.“ Und die Engel<br />

begannen zu fegen, zu wischen, zu blasen und zu<br />

räumen. Keine Spinnwebe entging ihren peniblen<br />

Blicken, kein Mäusepiepsen ihren feinen Ohren.<br />

Der Ochse musste – unter Protest – während <strong>der</strong><br />

Putzarbeiten den Stall verlassen. Er stand nur im<br />

Weg herum. Als sich <strong>der</strong> Tag dem Abend zuneigte,<br />

war die Arbeit beinahe getan: Das Strohlager für<br />

die Muttergottes war gerichtet, frisches Heu für<br />

Ochs und Esel in die Futterkrippe gegeben, ein Eimer<br />

frisches, handwarmes Wasser für die Geburt<br />

hingestellt und ein paar weiße Tücher dazugelegt.<br />

Für Josef gab es noch einen einfachen Hocker zum<br />

Ausruhen und an <strong>der</strong> Decke einen ordentlichen Haken<br />

zum Aufhängen <strong>der</strong> Laterne.<br />

Nun fehlte nur noch eines: die Liegestatt für das<br />

neugeborene Kind. Bei allem Hang zur Einfachheit<br />

weigerten sich die Engel, nur einen Haufen Stroh<br />

in die Mitte des Stalls zu geben, auf dem das Kind<br />

dann ruhen könnte. Sie durchstöberten nochmals<br />

den ganzen Stall und die Umgebung, doch fanden<br />

sie nichts in ihren Augen Passendes. Schließlich<br />

meinte einer <strong>der</strong> Engel: „Immerhin kommt ein Kö-<br />

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