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Berliner Kurier 11.12.2018

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*<br />

AKTUELL<br />

Bahnstreik<br />

Wut-Start<br />

in die Woche<br />

Chaos und volle Bahnsteige: Nichts ging mehr am Montagmorgen im Berufsverkehr<br />

Von<br />

SILVIA PERDONI<br />

und<br />

PETER NEUMANN<br />

Zwei Busse hat Jörg Seja<br />

schon durchfahren lassen.<br />

Sie waren beide so<br />

voll, dass die Türen kaum<br />

schlossen. „Ich bin sowieso<br />

schon zu spät“, sagt der junge<br />

Mann, der auf dem Weg zur Berufsschule<br />

in Adlershof ist. Vor<br />

drei Stunden ist er zu Hause in<br />

Nordend, einem Ortsteil von<br />

Pankow, losgefahren. Jetzt, gegen<br />

8.30 Uhr, steht er noch immer<br />

an der zugigen Bushaltestelle<br />

am Ostkreuz. Jörg Seja ist<br />

gestrandet. So wie Hunderttausende<br />

Fahrgäste an diesem<br />

Montagmorgen, an dem der<br />

Warnstreik bei der Deutschen<br />

Bahn (DB) den Puls Berlins aus<br />

dem Takt gebracht hat.<br />

Wie viele Menschen braucht<br />

es, um große Teile der S-Bahn<br />

lahmzulegen? Nicht viele! Oliver<br />

Kaufhold von der Eisenbahn-<br />

und Verkehrsgewerkschaft<br />

EVG, die zu dem Warnstreik<br />

aufgerufen hatte, gibt die<br />

Antwort. Normalerweise arbeiten<br />

in der <strong>Berliner</strong><br />

Betriebszentrale der S-Bahn 19<br />

Fahrdienstleiter in einer<br />

Schicht, sagt er. „Davon legten<br />

18 am Montagmorgen, um<br />

6Uhr, die Arbeit nieder.“<br />

18 Menschen reichen aus, um<br />

Berlin und Brandenburg ins<br />

Chaos zu stürzen. In der<br />

Betriebszentrale in Halensee<br />

wird normalerweise der Verkehr<br />

auf rund 80 Prozent des<br />

Streckennetzes der S-Bahn gesteuert.<br />

Fällt sie aus, kann auf<br />

den meisten Routen keine S-<br />

Bahn mehr fahren –selbst wenn<br />

wie am Montag das Fahrpersonal,<br />

das nicht zum Ausstand aufgerufen<br />

war, zum Dienst erscheint.<br />

Neben der Betriebszentrale<br />

gibt es noch andere Stellwerke.<br />

Sie bleiben zum Teil in Betrieb,<br />

weil nicht alle Fahrdienstleiter<br />

streiken. „So konnten wir zumindest<br />

auf einigen Strecken<br />

fahren“, so ein S-Bahner. Doch<br />

der Ring und die Stadtbahn, die<br />

wichtigsten Strecken in der<br />

Stadt, liegen brach. „Kein Zugverkehr“,<br />

leuchtet weiß auf blau<br />

auf den Anzeigern.<br />

Jörg Seja hat Verständnis für<br />

die Forderungen der Fahrdienstleiter<br />

und Werkstattleute. „Sie<br />

verdienen einen fairen Lohn“,<br />

sagt er. „Allerdings verstehe ich<br />

nicht, warum die Bahn nicht<br />

mehrErsatzbusse zur Verfügung<br />

gestellthat.“ Fürden 26-Jährigen<br />

kam der Streik wie für die meisten<br />

Fahrgäste völlig überraschend.<br />

Am Sonntagnachmittag hatte<br />

es in EVG-Kreisen noch geheißen,<br />

dass die S-Bahn verschont<br />

werden soll. „In der Nacht hat<br />

sich aber alles sehr schnell entwickelt“,<br />

erklärte ein EVG-Mitglied.<br />

Weil sich der Ausstand so<br />

besser organisieren ließ, wurde<br />

die S-Bahn einbezogen.<br />

Jörg Seja wartet immer noch.<br />

Er hat eine wahre Odyssee hinter<br />

sich. Mit der Straßenbahn fuhr<br />

er am frühen Morgen zur Schönhauser<br />

Allee, stieg dort in eine

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