12.12.2018 Aufrufe

Berliner Kurier 11.12.2018

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

*<br />

SEITE5<br />

BERLINER KURIER, Dienstag, 11. Dezember 2018<br />

Fragende Gesichter:<br />

Hunderttausende<br />

Fahrgäste strandeten am<br />

Montag an den <strong>Berliner</strong><br />

Bahnhöfen. Besonders<br />

schlimm waresam<br />

Hauptbahnhof und<br />

am Alexanderplatz.<br />

U-Bahn: Werbringt<br />

die Krise zur Strecke?<br />

SPD-Fraktion lädt BVG-Chefin Sigrid Nikuttavor<br />

der letzten regulär verkehrenden<br />

S-Bahnen. Zum Streikbeginn um<br />

6Uhr stoppte der Zug an der<br />

Landsberger Allee. „Dort war<br />

niemand. Keine Auskunft und<br />

kein Bahnmitarbeiter, der mir<br />

hätte sagen können, wie ich weiterkomme“,<br />

sagt Seja. Zu allem<br />

Überfluss waren bei der S-Bahn<br />

am Morgen alle Lautsprecher<br />

ausgefallen. Seja fuhr mit der<br />

Tram zum Hauptbahnhof, dort<br />

stieg er erst in einen Bus zum Ostbahnhof,<br />

dann weiter in einen<br />

zum Ostkreuz. Mehr als 40 Kilometer<br />

Strecke hat der Auszubildende<br />

an diesem Morgen schon<br />

mitöffentlichen Verkehrsmitteln<br />

quer durch Berlin zurückgelegt.<br />

„Das ist peinlich für eine moderne<br />

Großstadt“, sagt Angelika<br />

Vogt, die um kurz vor 9Uhr am<br />

Ostkreuz auf die Stadtbahn wartet.<br />

„Im Vergleich zu anderen<br />

Städten leben wir hier in Berlin<br />

wie Hinterwäldler.“<br />

Die Doktorandin von der<br />

Humboldt-Universität hat ein<br />

Jahr in Schanghai gewohnt.<br />

„Dort läuft an den Gleisen ein<br />

Countdown bis zum Halt der<br />

nächsten Bahn. Er sagt die Ankunft<br />

des Zuges auf die Sekunde<br />

genau voraus. In Berlin hingegen<br />

gilt eine S-Bahn überhaupt<br />

erst als verspätet, wenn sie mehr<br />

Fotos: Getty Images<br />

als vier Minuten nach Fahrplan<br />

einrollt.“ Der Service der Bahn<br />

sei schlecht, die Bahnhöfe dreckig,<br />

sagt Angelika Vogt. „Deshalb<br />

habe ich als Kunde wenig<br />

Verständnis dafür, auch noch<br />

Streiks ausbaden zu müssen,<br />

weil die Bahn ihre Mitarbeiter<br />

nicht gut genug bezahlt.“<br />

Ein paar Dutzend Mitarbeiter<br />

haben es geschafft, die Region aus<br />

dem Takt zu bringen. „Künftig<br />

sollen nicht nur 80, sondern 100<br />

Prozent des S-Bahn-Netzes von<br />

der Betriebszentrale in Halensee<br />

gesteuert werden“, sagt ein S-<br />

Bahn-Fahrer.„Was das bedeutet,<br />

kann man sich ausmalen.“<br />

Von<br />

PETER NEUMANN<br />

Berlin – Endlich, heißt es<br />

beim Fahrgastverband<br />

Igeb. Endlich befasst sich<br />

nun auch die Koalition<br />

mit den Problemen bei<br />

der U-Bahn – mit vollen<br />

Zügen, Ausfällen, Verspätungen.<br />

Am heutigen Dienstag steht<br />

das Thema während der<br />

SPD-Fraktionssitzung auf<br />

der Tagesordnung. Sigrid<br />

Nikutta, Vorstandsvorsitzende<br />

der <strong>Berliner</strong> Verkehrsbetriebe<br />

(BVG), soll<br />

den Sozialdemokraten erklären,<br />

wie sie U-Bahn-Fahren<br />

wieder erträglicher gestalten<br />

will. Am Mittwoch<br />

ist die Krise bei der U-Bahn<br />

auch im Koalitionsausschuss<br />

das Hauptthema.<br />

Der gestrige Montag war<br />

kein guter Tag, um in Berlin<br />

die U-Bahn zu nutzen. Weil<br />

die Gewerkschaft EVG auch<br />

S-Bahnen und Regionalzüge<br />

bestreikte, quollen die<br />

Wagen über. Aber selbst an<br />

normalen Tagen ist das<br />

wichtigste <strong>Berliner</strong> Verkehrsmittel<br />

zur Stoßzeit<br />

voll. 2017 wurde die U-Bahn<br />

für 563 Millionen Fahrten<br />

genutzt, rund 90 Millionen<br />

mehr als 2007.<br />

Böse Zungen sagen, dass<br />

die SPD und die Linke zu<br />

dem Dilemma beigetragen<br />

haben. Als Rot-Rot von<br />

2002 bis 2011 eine Koalition<br />

bildete, wurde auch die<br />

BVG zum Sparen angehalten.<br />

Folge war, dass zu wenig<br />

in den Wagenpark investiert<br />

wurde.<br />

„Für mich sind Mobilität<br />

und die verkehrliche Infrastruktur<br />

das Aund Oineiner<br />

wachsenden Stadt“, so<br />

der SPD-Verkehrspolitiker<br />

Tino Schopf. „In fast allen<br />

Unternehmensbereichen<br />

der BVG, insbesondere der<br />

U-Bahn, gibt es massive<br />

Ausfälle und Verspätungen.“<br />

Dazu müsse Nikutta<br />

Rede und Antwort stehen.<br />

„Wir möchten wissen, welche<br />

Maßnahmen das Management<br />

ergreift, um kurz-<br />

,mittel- und langfristig das<br />

Angebot zu stabilisieren<br />

und die Mängel zu beseitigen“,<br />

sagte Schopf. An dem<br />

Gespräch nehmen Personalräte<br />

von U- und Straßenbahn<br />

sowie der Gesamtpersonalrat<br />

teil. Mitarbeiter<br />

hatten sich an die Aufsichtsratsvorsitzende<br />

Ramona<br />

Pop (Grüne) und den Vorstand<br />

gewandt.<br />

Weiterhin kommen aus<br />

BVG-Kreisen kritische<br />

Schreiben an die Öffentlichkeit.<br />

„In erster Linie ist die<br />

Personalpolitik für das Dilemma<br />

verantwortlich“,<br />

heißt es in einer Analyse,<br />

die nun bekannt wurde.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!