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Berliner Zeitung 15.12.2018

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18 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 293 · 1 5./16. Dezember 2018<br />

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Schönes Wochenende<br />

WARENKUNDE<br />

FUNDSTÜCKE<br />

von Silvia Perdoni<br />

Haben Sie auchetwas Neues in derStadtentdeckt?<br />

Bitte schreiben Sie uns an: berlin.fundstuecke@dumont.de<br />

VonBettina Cosack<br />

BETAHAUS<br />

THE BREAD STATION<br />

Der Lippenstift zum<br />

Küssen von Fröschen<br />

Ich fliege gern. Oder genauer:Ich lasse mich gernfliegen.<br />

Starten, schweben, schauen, landen –herrlich. Fliegen ist<br />

schlecht für die Umwelt, das weiß ich. Fliegen ist gut für meine<br />

Seele,das weiß ich auch. Ichsteige inzwischen seltener als früher<br />

in Flugzeuge.Aber ab und an doch. Gerade bin ich aus Budapest<br />

zurück –mit Ware aus dem Bordverkauf.<br />

Zu einem idealen Flug gehörtfür mich ein Platz am Fenster<br />

wegen des Blicks in und auf die Wolken. Undein Bordmagazin<br />

weiß ich auch zu schätzen –wegen der kuriosen Angebote.<br />

Neun Paar Ohrringe in einem Set, Cremes,die Falten glattbügeln<br />

wie eine Dampfwalze, Lipgloss mit Fanta-Geschmack.<br />

Auch auf dem Heimflug nach Berlin blätterte ich wieder<br />

einmal gespannt durch die Seiten. Undwieder einmal blieb<br />

mein Warenkunde-Blick hängen am Frog-Prince-Lipstick, einem<br />

grünen Lippenstift in einer rosafarbenen Hülle.Das Versprechen<br />

neben dem Werbe-Foto: Smaragdgrün verwandelt<br />

sich in Märchenrosa. Froschkönig-Magie –wunderbar! Im<br />

kleinen Werbetext war zu lesen, dass sich der Stift dem pH-<br />

Wert der jeweiligen Lippen und ihrer natürlichen Farbe anpasse,dass<br />

also jedes Rosa, in das sich das Grün verwandele,<br />

überaus individuell sei. Vitamin Eund Sheabutter seien obendrein<br />

enthalten. Gelesen, gekauft, ich konnte nicht widerstehen.<br />

19 Euro zahlte ich an Bord.Der zuständige Stewardüberreichte<br />

mir den Frog-Prince angemessen würdevoll in einer<br />

grün-rosa Schachtel, die ich stolz nach Hause transferierte.<br />

Lipstick Queen heißt die Firma, die den Lippenstift anbietet,<br />

ich habe daheim erst mal nachgelesen. DasUnternehmen<br />

Lipstick Queen hat seinen Sitz in London, produziertaber in Kanada.<br />

DieFrauhinter der Firmaträgt den lässigen Namen Poppy<br />

King und gilt unter Kosmetik-Kennerinnen wirklich als Lippenstift-Königin.<br />

Mit19gründete die gebürtige Australierin, eine<br />

große Freundin desVintage-Looks,ihreerste Kosmetikfirma, weil<br />

die Lippenstiftfarbe und -konsistenz, die sie schätzte,nicht im<br />

Angebot waren. PoppyKing ist inzwischen Mitte vierzig, sie lebt<br />

in NewYork, hat nach einem Intermezzobei Estée Lauder im Jahr<br />

2006 dann Lipstick Queen gegründet und bis heute über hundert<br />

Lippenstift-Kreationen, darunter diverse Farb-Verwandlungskünstler,auf<br />

den Marktgebracht. Eine Frau, die Lippenstift trage,<br />

sagt sie,signalisiere, dass sie bereit sei, sich dem Leben zu stellen.<br />

Ichwiederum stellte mich vordem heimischen Spiegel der<br />

Verwandlung, nahm die rosa-metallene Hülle in die Hand,<br />

trug den grünen Lippenstift auf –und sah, wie sich meine Lippen<br />

langsam, aber sicher rosa einfärbten. Fesch. Undhaltbar.<br />

Denfroschprinzlichen Lippenstift gibt es übrigens nicht<br />

nur in der Luft, sondernauch an Land, man kann ihn für rund<br />

31 Euro etwa bei flaconi.de oder niche-beauty.com bestellen.<br />

Oder beim nächsten Flug günstig erwerben –für den Fall der<br />

Fälle.Man weiß ja nie,wann man den perfekten Frosch trifft.<br />

Co-Working<br />

Der Gründergeist ist<br />

umgezogen<br />

Freiberufler, digitale Nomaden und kreative Köpfe haben<br />

ein neues Zuhause.Das berühmte Betahaus,einer derVorreiter<br />

von Co-Working in Berlin, ist umgezogen. Statt wie bisher<br />

am Moritzplatz arbeitet die Gemeinschaft nun in der Rudi-<br />

Dutschke-Straße an ihren Projekten. Der neue Standort steht<br />

in der Tradition vonQuerdenkernund Ausprobierern: Es handelt<br />

sich um das ehemalige Gebäude der Tageszeitung taz, die<br />

kürzlich wenige Hundert Meter weiter ihr neu gebautes<br />

Hauptquartier eröffnet hat.<br />

Werauf den sechs Etagen im Betahaus nicht über seinem<br />

Laptop schwitzen will, kann auf der Dachterrasse oder im<br />

neuen Café etwas Gründergeist atmen. Hier essen Hungrige<br />

mittags in internationaler Atmosphäre kleine Lunchgerichte<br />

oder schlürfen am Nachmittag einen Kaffee.Eine große Fensterfront<br />

lässt viel Licht in die neuen Räume,Gäste haben jetzt<br />

mehr Platz und sitzen über zwei Stockwerke verteilt. (sil.)<br />

Betahaus Rudi-Dutschke-Straße 23, Mo–Do 9–20 Uhr, Fr 9–18Uhr<br />

Bootsfahrt<br />

Adventliche<br />

Schiffsfahrt<br />

Allen, denen bereits der Sommer an der Spree fehlt, sei zur<br />

Überbrückung eine weihnachtliche Schiffsfahrt ans Herz<br />

gelegt. Am Sonntag bietet die Reederei Riedel zum letzten Mal<br />

in diesem Jahr ihreAdventsfahrtdurch das festlich beleuchtete<br />

Berlin an. Drei Stunden dauert die Tour entlang der Sehenswürdigkeiten<br />

im Zentrum, für Erwachsene kosten sie 28,50<br />

Euro. Gewarnt seien Weihnachtsmuffel: Einen gewissen<br />

Kitsch-Faktor kann man derTour mit Musik, Glühwein und süßen<br />

Leckereien nicht absprechen. Aber einmal im Jahr darfdas<br />

wahrscheinlich auch sein.<br />

Wernoch tiefer in die Tasche greift, kann an Bord ein ganzes<br />

Weihnachtsmenü essen. Wildrahmsuppe und Gänsekeule mit<br />

Apfelrotkraut und Klößen stehen auf der Speisekarte, zum<br />

Nachtisch wird Apfelstrudel mit Vanilleeis serviert. Allen, denen<br />

auch das keine Adventsstimmung beschert, sei gesagt:<br />

Keine Sorge, der nächste Frühling kommt bald! (mp.)<br />

Adventsfahrt der Reederei Riedel,Anleger Hansabrücke, Mitte,So15.30 Uhr<br />

REEDEREI RIEDEL<br />

Brot<br />

Backstube<br />

im Hinterzimmer<br />

Gutes Brot macht glücklich. Es ist ein Freund, der wohlig<br />

Appetit stillt. Gutes Brot, das hat eine resche Kruste und<br />

einen weichen, saftigen Teig. Es schmeckt auch nach drei bis<br />

vier Tagen intensiv frisch. Nach Sauerteig, nach Körnern, nach<br />

Getreide.Leider ist gutes Brot bekanntlich rarinBerlin: Entweder<br />

schmeckt es fahl und langweilig, oder es ist nach zwei Tagen<br />

trocken und staubt aus dem Mund.<br />

Werdie Bread Station am Maybachufer betritt, könnte fast<br />

den Eindruck gewinnen, dass Brotkunst in Berlin fest in dänischer<br />

Hand liegt. Einwirklich solides Brot gibt es hier.Die Dänen<br />

bringen 20 JahreBrotback-Erfahrung mit und bereichern<br />

seit eineinhalb Jahren Berlin. Das Brot backen sie im Hinterraum<br />

ihresLadens.DasWeizen-Roggen-Vollkornbrot mit Salzbutter,<br />

Comté und Serrano-Schinken ist ein wahrer Hochgenuss,<br />

der direkt eingepackt und mit nach Hause genommen<br />

werden will. DasBaguette ist eines der besten in Berlin. (mp.)<br />

The Bread Station Maybachufer 16, Neukölln, Mo–Fr 8–19 Uhr,Sa–So 8–16 Uhr<br />

Café<br />

Pochierte Eier<br />

auf dem Friedhof<br />

Ein Friedhof ist wohl nicht gerade der erste Ort, auf dem<br />

man ein neues Szenecafé vermuten würde. Doch in der<br />

einstigen Friedhofshalle auf dem St.-Thomas-Friedhof in Neukölln<br />

servieren drei Betreiber Pancakes mit Blaubeeren und<br />

Mascarpone.Vor einem halben Jahr eröffneten sie ihr Café 21<br />

Gramm in dem Raum mitden hohen Gewölbedecken. An den<br />

Wänden stehen noch alte Bibelzitate,alte Säulen mit Stucktragen<br />

die Decke. In mühevollster Kleinstarbeit haben Restauratoren<br />

die Gemäuer aus dem 19. Jahrhundertfreigelegt.<br />

Auf der Speisekarte stehen morgens gut gefüllte Frühstücksbleche,etwa<br />

mit pochierten Eiern, Baked Beans,Salsiccia,<br />

hausgemachter Schinkenmarmelade und Ziegenkäse.<br />

Abends passen Flammkuchen, Brotzeitplatten und Salate hervorragend<br />

zu der Auswahl guter Weine. AmSonnabend lädt<br />

das 21 Gramm ab 16 UhrzuPilzpfanne und Glühwein, um die<br />

ersten sechs Monate zu feiern. (sil.)<br />

21 Gramm Hermannstraße 179,Neukölln, Do–Sa 10–0Uhr,So10–18 Uhr<br />

CAFÉ 21 GRAMM<br />

WOHIN AM WOCHENENDE?<br />

Ein Hoch<br />

auf die<br />

Freiheit<br />

In der Berlinischen Galerie<br />

sollen die Besucher nicht<br />

nur schauen, sondern auch<br />

mittun<br />

VonIda Luise Krenzlin<br />

Wundern Sie sich nicht, wenn<br />

Kinder und Jugendliche auf<br />

dem Boden der Berlinischen Galerie<br />

sitzen. Bewaffnet mit Buntstiften,<br />

Anspitzern, Radiergummis und Papierblöcken<br />

rücken sie der Kunst auf<br />

den Pelz. Angeleitet voneiner Kunstpädagogin,<br />

sollen sie die Kunstwerke<br />

verstehen, Techniken erlernen, selber<br />

Kunst machen. Möglich ist das<br />

im Rahmen der „Family Tour“, einer<br />

von vielen Veranstaltungen, die die<br />

Berlinische Galerie anbietet.<br />

DasLandesmuseum für Moderne<br />

Kunst, Fotografie und Architektur<br />

legt viel Wert auf Kunstvermittlung<br />

und Bildung. Fast täglich finden<br />

Kurse, Ateliers und Rundgänge statt.<br />

An diesem Wochenende können Sie<br />

allein oder mit der Familie dem Museum<br />

einen Besuch abstatten.<br />

Im Fokus steht dabei brandaktuelle<br />

und zeitgenössische Kunst des<br />

20. Jahrhunderts aus Berlin. Wie der<br />

diesjährige Gewinner des Gasag<br />

Leicht radioaktiv: Julian Charrières Kokosnüsse.<br />

VG BILD-KUNST, BONN 2018/JULIAN CHARRIÈRE/JENS ZIEHE<br />

Kunstpreises zum Beispiel, der in<br />

Berlin lebende Schweizer Künstler<br />

Julian Charrière. Seine multimediale<br />

Rauminstallation bringt den Pazifischen<br />

Ozean nach Kreuzberg.<br />

70 Jahre nach den ersten Kernwaffentests<br />

hat sich der Künstler auf<br />

eine gefährliche Reise begeben. Reiseberichte,<br />

Tagebuchnotizen, Expeditionsergebnisse,Videos<br />

–viele gruselige<br />

Fundstücke hat er mitgebracht<br />

und stellt sie in Berlin aus.<br />

ZumBeispiel Kokosnüsse vomBikini-Atoll,<br />

schwach radioaktiv. Um<br />

sie ausstellen zu können, hat er sie<br />

mit einer Bleihülle ummantelt. Sie<br />

liegen im Raum verteilt, auch direkt<br />

neben einer Taucherglocke, die<br />

knapp über dem Boden schwebt.<br />

Aus ihr dringen dumpfe Geräusche,<br />

das Atmen eines Tauchers vielleicht.<br />

Als Gegengewicht dient eine Installation<br />

aus Plastiktüten, die mit Meerwasser<br />

gefüllt sind. Ein Video zeigt<br />

die vermeintliche Südseeidylle,doch<br />

die Kamera fängt auch Zerstörung<br />

ein, Spuren der US-amerikanischen<br />

Atomtests unter Wasser undauf dem<br />

Land.<br />

Die Ausstellung „Freiheit. Die<br />

Kunst der Novembergruppe<br />

1918–1935“ katapultiert den Besucher<br />

passendzum Boom der ARD-Serie„Babylon<br />

Berlin“ direkt in das Berlin<br />

der Zwanzigerjahre. Diesmal sieht<br />

man die Zeit der Umbrüche und der<br />

neuen Freiheit aus der Perspektive<br />

von <strong>Berliner</strong> Künstlern. Maler, Komponisten<br />

und Schriftsteller hatten<br />

sich in der Novembergruppe zusammengeschlossen.<br />

Sie veranstalteten<br />

Ausstellungen, Konzerte, Feste. Joachim<br />

Ringelnatz dichtete auf den Einladungskarten<br />

zu einem Kostümball:<br />

„In trüber Zeit ist es das Beste. Man<br />

geht zu einem Maskenfeste. Genießt<br />

statt grauer Plempersuppe.Das Allerlei‚Novembergruppe‘.“<br />

Grau waren die beliebten Kostümbälle<br />

sicherlich nicht, auf den

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