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Berliner Zeitung 18.12.2018

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4* <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 295 · D ienstag, 18. Dezember 2018<br />

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Politik<br />

NACHRICHTEN<br />

UN-Vollversammlung billigt<br />

Flüchtlingspakt<br />

EineWoche nach Annahme des UN-<br />

Migrationspakts in Marokko haben<br />

sich dieVereinten Nationen auf einen<br />

weiteren Pakt zum Umgang mit<br />

Flüchtlingen geeinigt. 181 der 193<br />

Mitgliedstaaten stimmten am Montag<br />

in derVollversammlung für das<br />

Papier.Nur die USA und Ungarn<br />

stimmten dagegen. DerPakt soll<br />

Flüchtlingen unter anderem besserenZugang<br />

zu Schulen, Arbeit und<br />

Gesundheitsversorgung verschaffen.<br />

Wieder Migrationspakt ist er rechtlich<br />

nicht bindend, soll die Staaten<br />

aber politisch verpflichten. (dpa)<br />

Mehr Geld vom Bund für<br />

Erzieher-Ausbildung<br />

Bundesfamilienministerin Franziska<br />

Giffey (SPD) will den Ländernfür eine<br />

Fachkräfteoffensivefür Kitas rund<br />

300 Millionen Euro bereitstellen.„Ab<br />

dem neuen Ausbildungsjahr im Sommer<br />

2019 werden wir bis 2022 rund<br />

300 Millionen Euro als Impuls für die<br />

Länder zurVerfügung stellen“, sagte<br />

Giffey den <strong>Zeitung</strong>en der Funke Mediengruppe.Das<br />

Geld soll dem Bericht<br />

zufolge unter anderem dazu verwendet<br />

werden, die Erzieherausbildung<br />

zu vergüten. (AFP)<br />

Zwei von drei Flüchtlingen<br />

leben von Hartz IV<br />

Zwei vondreiFlüchtlingen beziehen<br />

der Bundesagentur für Arbeit (BA)<br />

zufolge HartzIV. Darunter seien aber<br />

auch Kinder und Menschen, die<br />

zwar einen Jobhaben, aber ihr Einkommen<br />

mithilfe der Grundsicherung<br />

aufstocken müssen, wie eine<br />

BA-Sprecherin am Montag erklärte.<br />

DieBAgeht von1,7 Millionen Menschen<br />

aus,die aus den acht Haupt-<br />

Asylherkunftsländernnach<br />

Deutschland gekommen sind. Zu<br />

den Länderngehören Syrien, Afghanistan,<br />

Irak, Iran, Nigeria, Pakistan,<br />

Eritrea und Somalia. (dpa)<br />

Kindertransport-Überlebende<br />

erhalten Entschädigung<br />

Denkmal für die Kindertransporte an der<br />

<strong>Berliner</strong> Friedrichstraße<br />

AP<br />

80 Jahrenach den ersten Kindertransporten<br />

jüdischer Minderjähriger ins<br />

sichereAusland erhalten die Überlebenden<br />

eine einmalige symbolische<br />

Entschädigung von2500 Euro.Darauf<br />

einigten sich das Bundesfinanzministerium<br />

und die Jewish Claims<br />

Conference (JCC), wie beide Seiten<br />

am Montag mitteilten. Mitden Transporten<br />

wurden rund 10 000 jüdische<br />

Kinder nach der Reichspogromnacht<br />

1938 aus Deutschland und von<br />

Deutschland annektierten oder besetzten<br />

Gebieten in sichereStaaten<br />

gebracht. (AFP)<br />

Zwei weitere Festnahmen<br />

in Straßburg<br />

Nach dem Anschlag vonStraßburg<br />

hat die französische Polizei zwei weitereVerdächtige<br />

festgenommen. Die<br />

Justiz legt ihnen nach eigenen Angaben<br />

vomMontagabend zur Last, eine<br />

Rolle bei der Beschaffung der Tatwaffe<br />

gespielt zu haben. Eindritter<br />

Mann, der bereits unter demselben<br />

Verdacht festgenommen worden war,<br />

sollte einem Anti-Terror-Richter in<br />

Parisvorgeführtwerden. (AFP)<br />

Das Schweigen der Chefin<br />

Annegret Kramp-Karrenbauer trifft sich mit Friedrich Merz. Es geht um seine künftige Rolle in der CDU<br />

VonDaniela Vates<br />

Annegret Kramp-Karrenbauer<br />

hat sich mit Friedrich<br />

Merz getroffen und ist<br />

danach verstummt. So<br />

sieht es zumindest aus.Denn die vor<br />

zehn Tagen gewählteVorsitzende der<br />

CDU sagt erst mal nichts zu diesem<br />

Treffen. Nicht in der Präsidiumssitzung<br />

am Montagvormittag im Adenauer-Haus,<br />

bei der sie zum ersten<br />

Mal ganz in der Mitte sitzt, weil sie<br />

jetzt die Chefin ist und nicht mehr<br />

Angela Merkel. „Merz war kein<br />

Thema“, erzählen Teilnehmer hinterher.<br />

Zueiner Pressekonferenz hat<br />

die CDU an diesem Taggar nicht erst<br />

eingeladen. Dasist eine Seltenheit.<br />

So kommt es,dass die CDU in die<br />

Weihnachtspause geht und eine zentrale<br />

Frage offen bleibt: Welche Rolle<br />

spielt Friedrich Merz künftig in der<br />

CDU? Chef hätte der gerne werden<br />

wollen, den Platz in der Mitte des<br />

CDU-Konferenzsaals besetzen. Er ist<br />

dann aber auf dem Bundesparteitag<br />

in Hamburg Kramp-Karrenbauer<br />

knapp unterlegen. Seine Anhänger<br />

fordern seitdem, Merz müsse weiter<br />

eine Rolle spielen in der Partei.<br />

Versammlung der Ehemaligen<br />

Aber wie denn nun? Einen Posten in<br />

der Parteiführung, als stellvertretender<br />

Vorsitzender oder Mitglied des<br />

Präsidiums, hat Merz noch auf dem<br />

Parteitag abgelehnt. Auf eine Kabinettsumbildung,<br />

mit der ein Ministerposten<br />

für den gescheiterten Vorsitzkandidaten<br />

frei würde, gibt es<br />

keine Hinweise: Das Finanzministerium<br />

besetzt die SPD, das Wirtschaftsministerium<br />

MerkelsVertrauter<br />

Peter Altmaier. ImGespräch ist<br />

nun in der Partei eine Beraterfunktion<br />

für Merz. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident<br />

Rainer Haseloff hat<br />

empfohlen, einen „Thinktank“, eine<br />

Denkfabrik, zu gründen und in eine<br />

solche Funktion auch noch die Ex-<br />

Regierungschefs von Hessen und<br />

Hamburg, Roland Koch und Olevon<br />

Beust, zu berufen. Gemeinsam mit<br />

Ex-Unions-Fraktionschef Merz wäre<br />

das dann eine Versammlung von<br />

Ehemaligen. Bindend wären die<br />

Empfehlungen der Berater für die<br />

CDU wohl kaum.<br />

Während der Wirtschaftsflügel<br />

drängelt, bemühen sich die CDU-<br />

Spitzen offensiv um Gelassenheit.<br />

Und jeder hat dabei seine kleine eigene<br />

Note. „Ach, das schauen wir<br />

mal“, sagt etwa der stellvertretende<br />

Parteivorsitzende und hessische Ministerpräsident<br />

Volker Bouffier. Wie<br />

Freunde? Eher Parteifreunde: Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz. GETTY IMAGES<br />

Zustimmung: Die neue<br />

CDU-Vorsitzende Annegret<br />

Kramp-Karrenbauer erzielt<br />

laut einer aktuellen Umfrage<br />

weit höhere Zustimmungswerteinder<br />

Bevölkerung als<br />

SPD-Spitzenpolitiker.Mit<br />

48:12 Prozent liegt sie vor<br />

SPD-Chefin Andrea Nahles,<br />

mit 43:20 Prozent vorFinanzminister<br />

Olaf Scholz.<br />

SPITZENPOSITION<br />

Bundestagswahl: CDU und<br />

CSU lägen bei einer Bundestagswahl<br />

laut Forsa unverändertbei<br />

32 Prozent. Die SPD<br />

käme auf 15, die FDP auf 8<br />

Prozent. Die Grünen verlieren<br />

mit 19 Prozent leicht. 12 Prozent<br />

würden dieAfD,8Prozent<br />

die Linkewählen. 24 Prozent<br />

seien unentschlossen oder<br />

würden nicht wählen.<br />

Ostdeutschland: Im Osten<br />

landet die SPD laut Forsa-<br />

Umfragemit 8Prozent nur<br />

noch auf Platz fünf –noch<br />

hinter den Grünen. Stärkste<br />

Kraft wäre aktuell die CDU<br />

mit 32 Prozent vorder AfD<br />

mit 26 Prozent. Dahinter<br />

kommen die Linkemit 16<br />

Prozent und die Grünen mit 9<br />

Prozent.<br />

Der nächste Versuch<br />

es weitergehe, sei „Sache der Vorsitzenden<br />

und von Herrn Merz“, sagt<br />

Bouffier und es ist, als schwinge da<br />

nicht nur Tiefenentspannung, sondern<br />

auch ein klein wenig Erleichterung<br />

mit.<br />

UndzuMerz’ Verzicht auf Parteiämter<br />

bemerkt Niedersachsens<br />

CDU-Chef Bernd Althusmann großzügig:<br />

„Würde ich ihm jetzt nicht als<br />

Makel anrechnen.“ Mag sein, dass<br />

dabei die Überlegung mitschwingt,<br />

dass er seinen Präsidiumssitz bei einer<br />

Kandidatur vonMerzmöglicherweise<br />

nicht bekommen hätte. Der<br />

nordrhein-westfälische Ministerpräsident<br />

Armin Laschet befindet über<br />

Merz’ Entscheidung sehr nüchtern:<br />

„Das haben wir zu respektieren.“ Ein<br />

bisschen hörtessich so an, als könne<br />

er auch auf Merz verzichten. „Ich<br />

wünsche mir, dass er sichtbar<br />

bleibt“, sagt Laschet zwar. Aber er<br />

sagt auch: „Es ist wichtig, dass die<br />

Gedanken, die Ideen, die Friedrich<br />

Merz vorgetragen hat, in der Programmatik<br />

der CDU stattfinden“,<br />

sagt er.Klingt, als gebe es Merz nicht<br />

nur als Person, sondern auch als<br />

praktisches Ideenpäckchen.<br />

Parteivize Julia Klöckner reicht<br />

das aber dann doch nicht. Es sei ein<br />

großer Gewinn, wenn die Flügel der<br />

CDU „durch prominente Personen<br />

vertreten sind“, findet sie. Thüringens<br />

CDU-Chef Mike Mohring, der<br />

im kommenden Jahr Ministerpräsident<br />

werden möchte, empfiehlt<br />

Merz als Helfer für die Landtagswahlen<br />

in Thüringen, Sachsen und Brandenburg<br />

sowie für die Europawahl:<br />

„Wir freuen uns auf ihn.“<br />

Eine Steuer-App? Prima Idee!<br />

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident<br />

Daniel Günther hat vorsorglich<br />

bei tagesschau.de auf die Einsatzmöglichkeiten<br />

hingewiesen: „Im<br />

Wahlkampf ist er bestimmt eine<br />

Hilfe.Oberaber der beste Flugblattverteiler<br />

ist, da hätte ich jetzt auch<br />

meine Zweifel.“<br />

Zu Beginn des Kandidatenwettkampfs<br />

hatte Kramp-Karrenbauer<br />

mit leichtem Spott erklärt, Merz<br />

könne sich unter ihr gerne mit Finanzpolitik<br />

beschäftigen. Eine<br />

Steuer-App zu entwickeln, das sei<br />

zum Beispiel eine prima Idee. ImJanuar<br />

will sie das Gespräch mit Merz<br />

fortsetzen.<br />

Daniela Vates<br />

erwartet eine unruhige<br />

Weihnachtszeit für die CDU.<br />

Zweite Runde im Rechtsstreit Birte Meier gegen das ZDF: Die Journalistin verlangt Auskunft über die Bezahlung der Kollegen<br />

VonChristine Dankbar<br />

Sie hat sich nicht einschüchtern<br />

lassen. Weil sie sich bei der Bezahlung<br />

diskriminiert sieht, hat die<br />

ZDF-Reporterin Birte Meier ihren<br />

Arbeitgeber verklagt. Im Februar<br />

2017 unterlag sie vor dem <strong>Berliner</strong><br />

Arbeitsgericht. Doch nun geht der<br />

Fall in die zweite Instanz. An diesem<br />

Dienstag heißt es vordem Landesarbeitsgericht<br />

erneut „Birte Meier gegen<br />

das ZDF“. Die Journalistin<br />

möchte erreichen, dass der Sender<br />

ihr Auskunft über die Gehälter und<br />

Honorare der männlichen Kollegen<br />

gibt, die eine vergleichbareTätigkeit<br />

ausüben. Ihre Chancen, sich durchzusetzen,<br />

sind besser als vor zwei<br />

Jahren, denn mittlerweile hat sich<br />

die Rechtslage geändert.<br />

Kurz nach Meiers Niederlage vor<br />

Gericht hat der Bundestag das „Gesetz<br />

zur Förderung der Transparenz<br />

von Entgeltstrukturen“ verabschiedet.<br />

Es soll genau das ermöglichen,<br />

was der Reporterin bisher verwehrt<br />

war: Den Anspruch „des gleichen<br />

Entgelts für Frauen und Männer bei<br />

gleicher oder gleichwertiger Arbeit<br />

heitsrechte (GFF) hinter sich, die sie<br />

juristisch und bei der Öffentlichkeitsarbeit<br />

unterstützt. Das ist ein<br />

gemeinnütziger Verein, der die Prozesse<br />

von Einzelpersonen finanziell<br />

und mit Öffentlichkeitsarbeit unterstützt,<br />

wenn es darin um Grund- und<br />

Menschenrechte geht.<br />

Kritik am Richter<br />

Die Reporterin selbst gibt keine Interviews.Sie<br />

arbeitet immer noch bei<br />

Frontal 21, was nach der mündlichen<br />

Verhandlung in der ersten Instanz<br />

keineswegs gesicherterschien.<br />

Da hatte der Anwalt des ZDF ziemlich<br />

unverblümt klargemacht, dass<br />

man sich von der Klage derart düpiert<br />

sehe, dass man das Arbeitsverhältnis<br />

gerne beenden würde.<br />

Kritik hatte es auch am Richter<br />

der ersten Instanz gegeben, der die<br />

ungleiche Bezahlung auf die Tatsache<br />

zurückführte, dass die männlichen<br />

Kollegen ihr Gehalt besser verhandelt<br />

haben könnten. „Das nennt<br />

man Kapitalismus“, hielt er Meier<br />

damals entgegen. Ihre Klage wies er<br />

ab, weil sie die Diskriminierung<br />

nicht beweisen konnte.Deshalb ver-<br />

durchzusetzen.“ So steht es im Gesetz,<br />

das am 6. Juli 2017 in Kraft getreten<br />

ist.<br />

In Deutschland ist seitdem noch<br />

keine Frau vor Gericht gezogen. Für<br />

die Kritiker des Gesetzes ist das allerdings<br />

keine Überraschung. Der ehemalige<br />

Vorsitzende Richter am<br />

Frankfurter Verwaltungsgericht und<br />

Gleichstellungsexperte, Torsten von<br />

Roetteken, hatte es bereits vor zwei<br />

Jahren als„Placebo-Gesetz“ bezeichnet,<br />

das hinter die Standards der Europäischen<br />

Union zurückfalle.<br />

Kritiker bemängeln, dass erst ab<br />

einer Unternehmensgröße von 200<br />

Mitarbeitern überhaupt ein Auskunftsanspruch<br />

entsteht. Außerdem<br />

müssen mindestens sechs Beschäftigte<br />

„des jeweiligen anderen Geschlechts“<br />

in der zu vergleichenden<br />

Tätigkeit beschäftigt sein. Einblick in<br />

die Entgeltlisten darf außerdem nur<br />

der Betriebsrat des Unternehmens<br />

nehmen, ein individuelles Auskunftsrecht<br />

besteht ebenso wenig<br />

wie die Möglichkeit der Verbandsklage.<br />

Die Frauen sind also Einzelkämpferinnen.<br />

Birte Meier hat aber<br />

mittlerweile die Gesellschaft für Freiklagt<br />

Meier nun in der zweiten Instanz<br />

das ZDF vorallem auf die Herausgabe<br />

dieser Informationen.<br />

Allerdings ist unklar, obsie damit<br />

Erfolg hat. DasEntgelttransparenzgesetz<br />

gilt nämlich nur für „Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmer“. Meier<br />

wird als feste-freie Mitarbeiterin des<br />

ZDF als „arbeitnehmerähnlich“ definiert.<br />

Ob sich das Gericht dieser<br />

Sichtweise anschließt, wird sich zeigen.<br />

Im Vorfeldwar nicht zu erfahren,<br />

ob das Entgelttransparenzgesetz hier<br />

Anwendung findet.<br />

Birte Meier hatte vor einigen Jahrennur<br />

zufällig erfahren, dass sie viel<br />

weniger verdient als ihre Kollegen.<br />

Im Gespräch mit einem mittlerweile<br />

pensionierten Redakteur des ZDF<br />

stellte sich heraus, dass sie sogar<br />

brutto weniger verdient als er netto.<br />

Meier fragte herum und erhielt<br />

mündliche Auskünfte, die sie dazu<br />

veranlassten, beim Arbeitgeber ihr<br />

Gehalt nachzuverhandeln. Als sie<br />

damit scheiterte,zog sie vorGericht.<br />

Schriftlich lag ihr aber nur die Gehaltsabrechnung<br />

des pensionierten<br />

Kollegen vor. Vielleicht hat sie demnächst<br />

mehr in der Hand.<br />

Sarrazin soll die<br />

SPD verlassen –<br />

wieder einmal<br />

Kommission prüfte neues<br />

Buch des Ex-Bundesbankers<br />

VonAndreas Niesmann<br />

Zweimal schon ist die SPD daran<br />

gescheitert, den früheren <strong>Berliner</strong><br />

Finanzsenator, späteren Bundesbankvorstand<br />

und heutigen Buchautor<br />

Thilo Sarrazin aus der Partei<br />

auszuschließen. Jetzt wagt der Vorstand<br />

einen dritten Anlauf, wie Generalsekretär<br />

Lars Klingbeil am Montag<br />

bekannt gab. Grundlage sei der Bericht<br />

einer parteiinternen Untersuchungskommission,<br />

der zu dem<br />

Schluss komme,dassSarrazinThesen<br />

propagiere, die mit den Grundsätzen<br />

der SPD unvereinbar seien und der<br />

Partei schweren Schaden zufügt hätten,<br />

sagte Klingbeil. „Der Parteivorstand<br />

hat auf dieser Grundlage heute<br />

beschlossen, ein erneutes Parteiordnungsverfahren<br />

einzuleiten“, so der<br />

Generalsekretär weiter und fügte<br />

hinzu: „Unser Ziel ist es, Thilo Sarrazin<br />

aus der SPD auszuschließen.“<br />

Erst im Sommer hatte die SPD-<br />

Spitze Sarrazin aufgefordert, die Parteifreiwillig<br />

zu verlassen. Anlass war<br />

die Präsentation seines damals neu<br />

erschienenen islamkritischen Buches<br />

„Feindliche Übernahme“. Da Sarrazinder<br />

Forderung nicht Folgeleistete,<br />

beauftragte die Parteiführung eine<br />

Arbeitsgruppe damit, das Buch zu<br />

prüfen und die Möglichkeit eines Parteiausschlussverfahrens<br />

auszuloten.<br />

Der Abschlussbericht dieser Arbeitsgruppe<br />

liegt nun offenbar vor. Die<br />

Untersuchungsergebnisse veröffentlichen<br />

will die SPD allerdings vorerst<br />

nicht. „Der Bericht ist Gegenstand<br />

des laufenden Verfahrens und wird<br />

entsprechend nicht veröffentlicht“,<br />

sagte eine Parteisprecherin. Darüber<br />

hinaus gelte im Rahmen eines Parteiordnungsverfahrens<br />

die Verschwiegenheitspflicht.<br />

Thilo Sarrazin hat mit „Feindliche Übernahme“<br />

einen Bestseller geschrieben. DPA<br />

Sarrazin selbst wies die Vorwürfe<br />

zurück. „Ich weiß, dass ich in meinem<br />

neuen Buch ,Feindliche Übernahme‘<br />

keine sozialdemokratischen<br />

Grundsätze verletzt habe“, sagte er<br />

der Passauer Neuen Presse. Die SPD<br />

ist bereits zweimal mit dem Versuch<br />

gescheitert, Sarrazin aus der Partei<br />

zu werfen. Nach einer Abrechnung<br />

mit der Wirtschafts- und Migrationspolitik<br />

der Stadt Berlin, die Sarrazin<br />

2009 in der Zeitschrift LettreInternational<br />

veröffentlicht hatte, leiteten<br />

zwei <strong>Berliner</strong> Kreisverbände ein Parteiordnungsverfahren<br />

gegen ihn ein.<br />

Im März2010 entschied ein Schiedsgericht<br />

der <strong>Berliner</strong> SPD, dass Sarrazin<br />

in der Partei bleiben dürfe.<br />

DerAppell hielt Sarrazin nicht davon<br />

ab, Mitte 2010 sein Buch<br />

„Deutschland schafft sich ab“ zu veröffentlichen,<br />

in dem er auf zweifelhafter<br />

Datenbasis über Geburtenrückgänge<br />

unter Deutschstämmigen<br />

und wachsende Zuwanderung aus islamisch<br />

geprägten Ländern schwadronierte.Indiesem<br />

Zusammenhang<br />

leitete der SPD-Vorstand ein zweites<br />

Parteiordnungsverfahren in dieWege.<br />

Beim Verfahren vor der Schiedskommission<br />

des Kreises Charlottenburg-<br />

Wilmersdorf wurde er vom ehemaligen<br />

Hamburger Ersten Bürgermeister<br />

Klaus von Dohnanyi verteidigt.<br />

Nach einer Anhörung und einer persönlichen<br />

Erklärung Sarrazins wurde<br />

dasVerfahreneingestellt.

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