GESELLSCHAFT DIVERSITY FRAU OBERSTLEUTNANT ANASTASIA BIEFANG Kommandeurin, Offizier und Trans*
GESELLSCHAFT Lange Zeit galt die Bundeswehr als reiner heterosexueller Männerbund, bis 2001 waren Homo- und Transsexualität sogar ein Hindernis, Zeit- oder Berufssoldat zu werden. Inzwischen hat sich dies fundamental geändert: Heute ist die Bundeswehr in Diversity-Hinsicht einer der fortschrittlichsten Arbeitgeber Deutschlands. Wir sprachen mit Frau Oberstleutnant Anastasia Biefang, der ersten transsexuellen Bataillonskommandeurin der Bundeswehr, die wir im Auslandseinsatz in Afghanistan erreichten. *ck/sea Sie sind zurzeit in Afghanistan im Einsatz. Wie ist die Stimmung bei Ihnen und in der Truppe dort? Ich persönlich empfinde die Stimmung als gut. Es ist nach sechs Jahren der zweite Einsatz für mich in Afghanistan. Ich freue mich darüber, dass sich in den Jahren dazwischen viel Positives entwickelt hat. Zum Beispiel haben in diesem Jahr erstmalig eigenständig von Afghanen organisierte Parlamentswahlen stattgefunden. Warum sind Sie im Alter von 20 Jahren zur Bundeswehr gegangen? Die einfache Antwort: Ich wurde damals als Wehrpflichtiger eingezogen. Ich kam gerade mit meinen Eltern aus den USA zurück, wo wir die letzten fünf Jahre gelebt hatten – mit Abitur in der Tasche und einem Einberufungsbescheid. Und daraus wurden dann mal eben 24 Jahre erfülltes Berufsleben. Ich habe mich bewusst für die Bundeswehr entschieden, weil mich das Berufsbild des Soldaten und Offiziers angesprochen hat. Die Herausforderungen, die dieser Beruf mit sich bringt, die Möglichkeit, früh Verantwortung übernehmen zu können, und die vielen Facetten, die der Dienst in den Streitkräften bietet. Die Bundeswehr war mir auch nicht unbekannt. Mein Vater war selber Offizier in der Luftwaffe. Empfanden Sie damals schon, dass Ihr Äußeres nicht zu Ihrem Geschlecht passt? Meine Transsexualität trieb mich schon seit den späten Teenagerjahren um, auch wenn ich es damals nicht mit diesem Begriff bezeichnete. Ich fühlte mich anders, konnte es aber nicht beschreiben, deuten und auch nicht damit umgehen. Meine sexuelle Orientierung als bisexueller Mensch, also die Bestimmung meiner geschlechtlich-sexuellen Orientierung, war mein erstes geschlechtliches Thema. Bis ich kapierte, dass ich Frauen und Männer gleichermaßen sexuell attraktiv und begehrenswert empfinde, dauerte es schon einige Zeit. Die Frau in mir rauszulassen war schwierig. Ich empfand es zunächst als falsch und schämte mich. Ich konnte meine Gefühle nicht richtig einordnen und kannte niemanden, mit dem ich darüber reden konnte oder auch wollte. In mir sagte alles nur: verbergen, verstecken, nicht darüber reden. Wann haben Sie dies endgültig für sich akzeptiert? Das ist nicht so einfach zu beantworten. In letzter Konsequenz erst mit meinem Coming-out in 2015. Der Prozess bis dahin verlief nicht linear. Aber in den zwei Jahren davor hat mich die Frage meiner Geschlechtsidentität sehr stark und hochemotional beschäftigt. Die Akzeptanz reifte dadurch heran und irgendwann platzte dann für mich sprichwörtlich die Seifenblase, in der ich lebte. Dieses „Platzen“ war ein tief befreiender Moment. Mir wurde schlagartig vieles klar. Ich glaube, dass ich damit tatsächlich erstmalig meine seelische Balance gefunden hatte und mit mir im Reinen war. Ich fühlte mich frei und richtig glücklich. Es ist einfach schwer zu beschreiben. Ich fühlte mich erstmalig ganz als Frau, ohne Scham, Angst, Selbstzweifel und Hass auf mich. Meine davor gefühlte innere Zerrissenheit war wie vom Winde verweht, auf einmal weg. „Die Frau in mir rauslassen“ Bis zu diesem Punkt hatte ich aber über zwanzig Jahre gebraucht. Zuvor führte ich ein geschlechtliches Doppelleben. Ich versuchte, mich mit mir zu arrangieren, meine Beziehung zu meiner ersten Frau nicht zu gefährden, Freiräume für mich – die Frau in mir – zu finden, zu halten und zu erweitern. Ständig stieß ich an Grenzen, erstickte innerlich. Meine Ehe zerbrach unter anderem, weil ich unfähig war, mit diesem Thema umzugehen und meiner Frau „mich“ zu erklären. Über die Jahre hinweg entwickelte ich aber auch Mut, in Teilen bewusster zu mir – als Frau – zu stehen oder mich in einer „sicheren Öffentlichkeit“ zu zeigen. Je mehr ich als Frau sichtbarer wurde, desto schwerer wurde es zugleich, in meinem Doppelleben zu verweilen. Das Ganze kulminierte dann in den Jahren 2013 und 2014, bis ich am Ende nicht mehr konnte. Ohne Rücksicht auf irgendwelche Konsequenzen – privat und beruflich – traf ich dann den Entschluss für mein Coming-out. Ich hatte und habe eine wunderbare Freundin, die mich unterstützte und mir half, meine geschlechtliche Identität zu akzeptieren. Den Weg zu mir zu finden. Ich war endlich „ich“ – eine Frau. Wie sind Sie bei ihrem Coming-out im Job 2015 vorgegangen? Das Coming-out im Berufsleben ging dann total einfach. Da ich mir persönlich sicher war, konnte ich mich auch selbstbewusst outen. Gespräche mit meinen Vorgesetzten verliefen positiv. Sie zeigten Verständnis für mich und meine Situation und unterstützten mich. Ich wurde nicht zur Seite geschoben, verdrängt oder versteckt. Meine Kameraden haben mich in Teilen auf meinem Weg begleitet. Aufgeschlossenheit, Offenheit und unzählig viele positive Reaktionen haben mich auch stark gemacht. Sofern nötig, wurde nach Lösungen gesucht und nicht über mögliche Probleme nachgedacht. Der Rückhalt war wirk-