05.01.2019 Aufrufe

Berliner Kurier 04.01.2019

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

12 BERLIN BERLINER KURIER, Freitag, 4. Januar 2019*<br />

Begräbnis-AutomatimSeniorenheim:<br />

Geschmacklos oder praktisch?<br />

DasComputerterminal, an dem man seinen Todorganisieren kann, wird vor allem von der Kirche kritisiert<br />

VonC.GEHRKE<br />

und M. WILMS<br />

Grunewald – Der Automat<br />

steht auf dem Flur im Seniorenheim<br />

in der Koenigsallee,<br />

direkt neben dem Büro der<br />

Heimleitung. Mit ihm können<br />

die Bewohner ihre eigene<br />

Beerdigung übers Internet<br />

organisieren, zwischen Erdbestattung<br />

oder Seebestattung<br />

auswählen. Sagen, ob sie<br />

eine Trauerfeier wollen oder<br />

nicht. Heftige Reaktionen<br />

bleiben nicht aus.<br />

Im Seniorenheim<br />

in der<br />

Koenigsallee<br />

findet sich das<br />

erste Gerät<br />

überhaupt in<br />

Deutschland.<br />

Der Computer, der ein bisschen<br />

aussieht wie ein Fahrscheinautomat,<br />

stammt von der Firma<br />

„mymoria“. Das <strong>Berliner</strong> Unternehmen<br />

hat vor gut zwei<br />

Jahren ein gleichnamiges Online-Portal<br />

ins Leben gerufen.<br />

Mit diesem kann eine Bestattung<br />

schon im Vorfeld geregelt<br />

werden. Auch die Organisation<br />

des Begräbnisses von Verwandten<br />

und Freunden ist über die<br />

Internetseite möglich. Der Tod<br />

eines geliebten Menschen ist eine<br />

belastende Erfahrung. Da<br />

klingt so eine Internetseite erst<br />

mal nicht schlecht.<br />

Doch ist es okay, diesen Service<br />

auf einem Automaten in einem<br />

Seniorenheim anzubieten?<br />

Auf KURIER-Anfrage teilt<br />

„mymoria“ mit, dass es sich nur<br />

um ein iPad handele, das derzeit<br />

nur in dem Seniorenheim<br />

in der Koenigsallee getestet<br />

werde. Nirgendwo sonst in<br />

Deutschland. Andere Heime in<br />

Berlin haben Interesse gezeigt,<br />

so „mymoria“-Geschäftsführer<br />

Björn Wolff. „Das ist nicht geschmacklos,<br />

sondern eine große<br />

Hilfe. Damit können Betroffene<br />

die Angehörigen entlasten<br />

und diesen wichtigen Punkt in<br />

ihrem Leben erledigen. Der<br />

Tod kommt in einem Seniorenheim<br />

nun mal vor“, so der Geschäftsführer.<br />

Nach Auskunft der Heimleitung<br />

steht der Automat seit<br />

zwei Wochen zum Test auf<br />

dem Flur. In zwei Wochen soll<br />

er abmontiert werden. „Reaktionen<br />

von Bewohnern oder<br />

Angehörigen haben wir bisher<br />

nicht“, so Heimleiter Walter<br />

Janik. Er ergänzt: „Zu 95 Prozent<br />

ist unser Haus die letzte<br />

Station. Und die Bestattung<br />

muss geklärt werden. Wir<br />

haben keine Kühlräume.“<br />

Rüdiger Kußerow von der Bestatter-Innung<br />

in Berlin ärgert<br />

sich: „Noch unpersönlicher<br />

geht es nicht! Eine Bestattung<br />

an einem Automaten zu planen,<br />

ist ein völlig anonymer Vorgang.<br />

Aber es kommt in unserem<br />

Beruf gerade auf das persönliche<br />

Gespräch an.“ Wenn<br />

jemand einen Angehörigen verloren<br />

hat oder seine eigene Bestattung<br />

planen möchte, dann<br />

müsse man sich einige Stunden<br />

persönlich zusammensetzen<br />

und gemeinsam nachdenken,<br />

ergänzt Kußerow. „All<br />

dies kann ein Automat<br />

nicht ersetzen. Und ein<br />

solches Gerät in einem Se-<br />

niorenheim aufzustellen:<br />

Das finde ich noch zusätz-<br />

und hoffe, dass sich dieses<br />

Automaten-Konzept nicht<br />

durchsetzen wird“, sagt er.<br />

lich unschön. Ich glaube<br />

Ähnlich äußert sich Heike<br />

Krohn-Bräuer, Sprecherin<br />

der Evangelischen Kirche<br />

Berlin-Brandenburg: „Jeder<br />

entscheidet für sich, wann<br />

und wie er das Thema des<br />

Sterbens an sich heranlässt<br />

und sollte nicht gedrängt wermit<br />

dem<br />

den. Weil der Umgang Tod in unserem Alltag<br />

unge-<br />

umso größer, wenn uns der Tod<br />

wohnt ist, ist die Unsicherheit<br />

wirklich zu Leibe rückt. Dann<br />

sind menschliche Nähe und<br />

sensible Gespräche wichtig, in<br />

denen Menschen herausfinden,<br />

was sie sich wünschen und wie<br />

eine Bestattung aussehen<br />

kann,<br />

die ihren Lebensumständen ge-<br />

über Bestattung darf nicht zu<br />

recht wird. Das Nachdenken<br />

einer reinen Computerbedie-<br />

nung werden.“<br />

Die Geschichtsprofessorin<br />

BarbaraStollberg-Rilinger (63)<br />

ist vonsoeiner Service-Station<br />

überhaupt nicht begeistert: „Das<br />

ist in so einer Situation eines<br />

Menschen einfach makaber“,<br />

sagt sie. Und so ein Gerät auf<br />

dem Flur eines Seniorenheims<br />

aufzustellen, wirkt pietätlos,<br />

findet die Wissenschaftlerin.<br />

„Wenn man sehr alt ist,muss<br />

man sich als Senior mit dem Tod<br />

auseinandersetzten. Dasbleibt<br />

nicht aus und ist nun mal so“,<br />

sagt Jörn Sander(52), Koch aus<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf.<br />

Doch er schränkt ein: „Die<br />

Beerdigung am Computer zu<br />

organisieren, ist einfach sehr<br />

unpersönlich.“<br />

„Ist den älteren Menschen übertun,<br />

haupt bewusst,was sie da<br />

wenn sie an so einem Computer<br />

über ihren Todentscheiden?“,<br />

fragt die Malerin Olivia Asafu-<br />

Adjaye aus Charlottenburg-<br />

Wilmersdorf. Die 63-Jährige<br />

findet klareWorte: „Soetwas<br />

im Seniorenheim anzubieten,<br />

ist grotesk und perfide.“<br />

Fotos: Uhlemann. privat

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!