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Berliner Kurier 04.01.2019

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6 AKTUELL BERLINER KURIER, Freitag, 4. Januar 2019<br />

KURIER-Fotograf<br />

„Ich war<br />

Marzahn-<br />

Jungpionier“<br />

Gerd Engelsmann baute an den Abwasser-<br />

Trassen und lernte seinen Helm schätzen<br />

Vordem Bau<br />

der Häuser<br />

mussten<br />

Rohreverlegt<br />

werden.<br />

Einer der ersten, die in<br />

Marzahn beim Bau der<br />

Großsiedlung dabei waren,<br />

ist der KURIER-Fotograf<br />

Gerd Engelsmann. Damals<br />

nicht mit der Kamera, sondern<br />

mit Schippe und Axt –als Praktikant<br />

in der Ausbildung zum<br />

Bild-Journalisten. Knapp einen<br />

Monat lang schubberte er Anfang<br />

1978 für das Tiefbaukombinat<br />

Berlin. Engelsmann (62)<br />

erinnert sich gern an die Zeit,<br />

auch wenn der erste „Auftritt“<br />

total danebenging.<br />

„Ich hatte gerade Helm,<br />

Wattejacke und Stiefel bekommen,<br />

ging zu dem Graben,<br />

in dem die Tiefbauer der<br />

Jugendbrigade ,Hans Kiefert‘<br />

gerade Beton gegossen<br />

hatten.“ Engelsmann wollte<br />

Eindruck machen, sprang<br />

von der halben Höhe der Leiter<br />

auf den Beton, statt hinabzuklettern.<br />

Der Beton<br />

Fotos: Uhlemann, Fuentes<br />

Jahrzehntelang warenBagger in den Neubau-<br />

Gebieten des <strong>Berliner</strong> Ostens unterwegs.<br />

war aber frisch: „Bis zu den<br />

Knien steckte ich drin, die<br />

Jungs mussten ihn neu glätten,<br />

ich musste mir Sprüche anhören.“<br />

Die Brigade, zwölf Mann<br />

stark, baute die Fundamente<br />

für die großen Abwasserrohre<br />

der künftigen Großsiedlung.<br />

Zum Glück war Engelsmann<br />

ein stabiler Handballer. Wäre<br />

der Abiturient mit bereits absolvierter<br />

Ausbildung zum<br />

Filmkopierer ein Hänfling gewesen,<br />

hätte er wohl mehr Gegenwind<br />

gespürt. Sein Hauptarbeitsmittel<br />

würde der „Universalbagger<br />

UB 1“ sein, wie<br />

ihm erklärt wurde. Der entpuppte<br />

sich als Schippe.<br />

Die Wahl des Brigadiers prägte<br />

sich ihm ein: Es gab zwei Bewerber,<br />

und die mussten Korn<br />

trinken. Chef wurde derjenige,<br />

der länger gerade sitzen konnte.<br />

Engelsmann: „Der Mann war<br />

gut. Er hat uns gesagt, wenn wir<br />

schon arbeiten müssen, sollten<br />

wir so arbeiten, dass wir<br />

die Besten sind. Dann gebe es<br />

ordentlich Extra-Geld.“<br />

Gelernt habe er in der Zeit,<br />

wie wichtig ein Bauhelm ist.<br />

„Ein Kollege und ich schlugen<br />

mit der Axt Drähte ab,<br />

die die Verschalungen für<br />

den Betonguss zusammenhielten.<br />

Wir waren so vertieft,<br />

dass wir uns nicht<br />

wahrnahmen – und schon<br />

hatte ich die Axt auf<br />

dem Kopf.“<br />

Von der künftigen<br />

Siedlung sei kaum<br />

etwas zu sehen<br />

gewesen. Engelsmann:<br />

„Aus<br />

dem Bauwagen<br />

konnten wir Fasane<br />

sehen.“<br />

Am Ende verfasste<br />

Engelsmann am 16.<br />

März 1978 einen Artikel<br />

in der Baustellenzeitung<br />

„Der Neunte“, weil Marzahn<br />

der 9. Stadtbezirk<br />

werden sollte. Engelsmann:<br />

„Ich hatte damals<br />

engagierte Kollegen.<br />

Aber ich erkannte, dass<br />

der in den DDR-Medien<br />

behauptete Enthusiasmus<br />

für Staat und Partei<br />

bei den Leuten, die ich<br />

dort traf, nicht verbreitet<br />

war.“<br />

GL

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