Berliner Kurier 07.01.2019
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14 BERLIN BERLINER KURIER, Montag, 7. Januar 2019<br />
DasMärchen<br />
vombösenWolf<br />
In Brandenburgleben bundesweit die meisten Rudel. DasInformations- und<br />
Herdenschutzzentrum will mit Vorurteilen aufräumen, aber auch Landwirten helfen<br />
Imschattigen Wald fällt fahles<br />
Mondlicht durch die Baumkronen.<br />
Schemenhaft bewegt<br />
sich ein rätselhaftes Wesen<br />
durchs Unterholz. Dann richtet es<br />
sich zu einem großen Ungetüm<br />
auf. Es schleppt seinen haarigen,<br />
monströsen Körper in Richtung<br />
eines Kindes, das durch den Wald<br />
schlendert und mit seinem Kopftuch<br />
und dem Körbchen unschwer<br />
als Rotkäppchen zu erkennen<br />
ist.<br />
Kein Klischee haben die Ausstellungsmacher<br />
im neuen Brandenburger<br />
Wolfsinformationsund<br />
Herdenschutzzentrum in der<br />
Schorfheide (Barnim) ausgelassen,<br />
um die Besucher zu Beginn<br />
des Rundgangs erst einmal mit lebensgroßen<br />
Schattenspiel-Animationen<br />
emotional hineinzuziehen<br />
–indas Thema „Mensch und<br />
Wolf“. Dabei haben sie auf das<br />
Know-how von Computerspiel-<br />
Entwicklern zurückgegriffen, um<br />
die Grenzen zwischen imaginärer<br />
und realer Welt scheinbar aufzulösen.<br />
„Das haben wir ganz bewusst so<br />
gemacht“, sagt Imke Heyter, die<br />
Geschäftsführerin des Wildparks<br />
Schorfheide, auf dessen Gelände<br />
sich das Besucher- und Weiterbildungszentrum<br />
befindet. „Wir<br />
wissen, die Märchen vom bösen<br />
Wolf haben auch im Brandenburg<br />
des 21. Jahrhunderts noch immer<br />
ihre Strahlkraft. Da setzen wir an,<br />
aber wir begegnen den Mythen<br />
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Am<br />
Samstag im<br />
<strong>Berliner</strong><strong>Kurier</strong><br />
Der von hier<br />
natürlich mit Fakten und fundiertem<br />
Wissen.“<br />
Brandenburg ist wieder Wolfsland<br />
–zumindest diese Feststellung<br />
ist unbestritten. Für Naturund<br />
Artenschützer ist es ein<br />
Glück. Für viele Landwirte, Tierhalter<br />
und einen Teil der Bevölkerung<br />
ist die Wiederkehr des Wolfs<br />
ein Gräuel. Seit rund 20 Jahren<br />
siedeln sich die Tiere vor allem in<br />
den Weiten einstiger Truppenübungsplätze<br />
an.<br />
Nach aktuellen Zählungen leben<br />
in der Region derzeit 37 Rudel<br />
und ein einzelnes Wolfspaar<br />
in freier Natur. Das ist etwa die<br />
Hälfte aller in Deutschland registrierten<br />
Wölfe. Ihre Rückkehr in<br />
ihr einstmals angestammtes Gebiet<br />
ist zu einem emotional hoch<br />
aufgeladenen Dauerstreitthema<br />
geworden. Denn immer wieder<br />
reißt der Wolf Tiere, insbesondere<br />
Schafe. Meldungen von<br />
vermeintlichen Bissattacken<br />
auf Menschen gibt es immer<br />
wieder. Bestätigt haben sie sich<br />
bislang nie.<br />
„Es gibt Interessenkonflikte.<br />
Daraus mache auch ich keinen<br />
Hehl“, sagt Imke Heyter, die im<br />
Wildpark seit über 20 Jahren<br />
Wölfe hält. Dochesgibt auf dem<br />
Gelände auchSchafe, Pferde,Ziegen,<br />
Rinder, einheimische Wildtiere<br />
und viele weitere einstmals<br />
in derRegion beheimateteTierarten.<br />
„Ich bin Wolfsfreund, Tierhalterund<br />
Jägerineiner Person“,<br />
sagtdie46-jährigeParkchefin,die<br />
auf dem 105 Hektar großen Gelände<br />
das Erbe ihres Vaters fortführt.„Ich<br />
stehe sozusagen in der<br />
Mitte des Für und Wider undwill<br />
die Seiten mit meinen Möglichkeiten<br />
zusammenführen.“<br />
Fotos: dpa<br />
Die Ausstellung im Wolfsinformations- und<br />
Herdenschutzzentrum in Groß Schönebeck beginnt<br />
mit einem Märchen. DasSchattenspiel<br />
vonRotkäppchen und dem bösen Wolf führtin<br />
das Thema „Mensch und Wolf“ ein.<br />
Genau dafür gibt es das neue<br />
Wolfszentrum. Gut eine Million<br />
Euro Fördermittel aus europäischen<br />
Fonds hat das Land Brandenburg<br />
für das Wolfszentrum<br />
bewilligt, weil es auch Anliegen<br />
des Landes ist, die verhärteten<br />
Fronten zwischen Wolfsschützern<br />
und Wolfsgegnern aufzubrechen.<br />
„Der Mensch hat nicht das<br />
Recht, ein Tier auszurotten“,<br />
sagt Brandenburgs Umweltminister<br />
Jörg Vogelsänger bei einem<br />
Besuch des Zentrums. „Wir<br />
wollen ihm die Angst vor dem<br />
Tier nehmen und bei wirtschaftlichen<br />
Schäden für Unterstützung<br />
sorgen.“<br />
So lädt die Ausstellung in der<br />
neuen Begegnungs- und Beratungsstätte<br />
zum einen auf multimediale,<br />
populäre Weise zum<br />
Sehen, Hören und Fühlen ein.<br />
Sie macht unter der Überschrift<br />
„Wo der Wolf läuft, wächst der<br />
Wald“ auf anschauliche Art den<br />
Kreislauf des Lebens, den Zusammenhang<br />
von Artenvielfalt<br />
und intakter Natur deutlich,<br />
wovon auch der Mensch profitiert.<br />
Zum anderen wendet sich<br />
das Kompetenzzentrum aber<br />
nicht nur an den Laien, sondern<br />
auch an Fachbesucher. Auf dem<br />
Außengelände wird ab diesem<br />
Frühjahr Herdenschutz demonstriert.<br />
Schutzzäune verschiedenster<br />
Art sind dort zu sehen.<br />
Zudem wird ein Training<br />
mit Herdenhunden offeriert.<br />
„Wir bieten mit Fachleuten zu<br />
allen relevanten Fragen Seminare<br />
und praktische Schulungen<br />
an“, sagt Imke Heyter. So wolle<br />
man auch besorgte Landwirte<br />
und Viehzüchter erreichen.<br />
„Ich bin mir bewusst,<br />
dass wir die eingefleischten<br />
Wolfshasser<br />
damit auch nicht umstimmen<br />
werden. Aber<br />
wir hoffen, die ansprechen<br />
zu können, die<br />
sich informieren und<br />
auf Kompromisse einlassen<br />
wollen.“<br />
Denn das Brandenburger<br />
Wolfs- und Herdenschutzzentrum<br />
ist<br />
auch ein Ort, an dem es<br />
aus erster Hand Informationen<br />
zu Förderund<br />
Ausgleichsmaßnahmen<br />
für Schäfer<br />
und andere Tierhalter<br />
gibt. Dafür stellt das Land im<br />
kommenden Jahr insgesamt<br />
rund eine Million Euro zur Verfügung.<br />
Auch die EU hat grünes<br />
Licht gegeben, sodass entsprechende<br />
Fördermittel nicht als<br />
unzulässige Subventionen gelten.<br />
Torsten Müller<br />
DasBrandenburger Wolfsinformations-<br />
und Herdenschutzzentrum<br />
befindet sich im Wildpark Schorfheide<br />
im Ortsteil Groß Schönebeck der<br />
Gemeinde Schorfheide (Prenzlauer<br />
Straße 16, 16244 Schorfheide).<br />
Geöffnet ist es täglich von 9bis<br />
18 Uhr.Einritt acht Euro, Kinder<br />
ab vier Jahren 5,50 Euro.<br />
WeitereInformationen unter:<br />
www.wildpark-schorfheide.de