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TRAUMINSELN VORGESTELLT<br />
Martinique – Sehnsuchtsort der Maler und Segler<br />
Wenn man jemanden einen Stift<br />
in die Hand drückt und sagt, er<br />
solle seine Trauminsel zeichnen,<br />
kann man davon ausgehen, dass<br />
die Zeichnung auf jeden Fall drei<br />
Elemente enthalten wird, von denen<br />
eines nicht in Deutschland<br />
zu finden ist, nämlich außer<br />
Wasser und Sand die Palmen.<br />
Nun gibt es ja jede Menge Palmeninseln<br />
auf der Welt, aber wir<br />
stellen in einer Mini-Serie in dieser<br />
und den folgenden Ausgaben<br />
ein paar von ihnen etwas genauer<br />
vor. All das ist natürlich knallhart<br />
persönlich recherchiert –<br />
wobei man doch zugeben muss,<br />
dass diese Recherche nicht allzu<br />
hart war…<br />
Traumziel Gauguins<br />
Schwer zu sagen, wieviel Einfluss<br />
die Kunst auf das generelle Bewusstsein<br />
hat, doch ich könnte<br />
mir schon vorstellen, dass der<br />
Maler Paul Gauguin zumindest<br />
der Nerv vieler seiner Zeitgenossen<br />
getroffen hat. Der Technisierung<br />
und der Prüderie des<br />
ausklingenden 19. Jahrhunderts<br />
setzte er Bilder von glücklichen<br />
Menschen in tropischer Umgebung<br />
entgegen, die leicht bekleidet<br />
dem einfachen Leben frönten.<br />
Malte Gauguin zunächst im<br />
Stil des Impressionismus’, kreierte<br />
er nach seinem Aufenthalt auf<br />
Martinique seinen ganz eigenen<br />
Stil, der als Nachimpressionismus<br />
oder wohl treffender als<br />
Primitivismus bezeichnet wird.<br />
1887 schrieb er von der Insel an<br />
einen Freund » ein schönes Land<br />
mit einem leichten und billigen<br />
Leben – das ist Martinique«.<br />
Mit dem billigen Leben – das<br />
ist heute so eine Sache. Gerade<br />
die Hotels an den zahlreichen<br />
Traumstränden wissen schon,<br />
dass die meisten Touristen, die<br />
es nach Martinique verschlägt,<br />
nicht am Hungertuche nagen.<br />
Doch schön ist die Insel nach<br />
wie vor und die Einwohner<br />
scheinen das Leben auch<br />
leicht zu nehmen und sich<br />
auf die positiven Aspekte<br />
zu konzentrieren. Es fällt<br />
auf, dass im Alltag viel gelacht<br />
wird – bekanntlich<br />
eine gute Medizin!<br />
Kein einfaches Erbe<br />
Dabei ist das Schicksal der<br />
Inselbewohner keineswegs immer<br />
durch sonnige Aussichten<br />
gekennzeichnet gewesen. Erste<br />
Besiedlungsspuren führen nicht<br />
weniger als 6.000 Jahre zurück,<br />
doch die Arawak, die aus dem<br />
Gebiet des Orinoko stammten,<br />
und die Kariben, die später kamen,<br />
hatten keine Chance gegen<br />
die Europäer. Auf seiner vierten<br />
und letzten Reise entdeckte Columbus<br />
im Juni 1502 Martinique<br />
für Europa. Anderthalb Jahrhunderte<br />
später gab es faktisch keine<br />
indigenen Bewohner mehr,<br />
wer nicht direkt durch die Hand<br />
des weißen Mannes starb, verendete<br />
an den eingeschleppten<br />
Krankheiten. Mitte des 17. Jahrhunderts<br />
beanspruchte Frankreich<br />
im Wettlauf der europäischen<br />
Mächte um die Kolonien<br />
die Insel für sich. 1685 wurde der<br />
Code Noir verabschiedet, der die<br />
Sklaverei<br />
in den<br />
französischen<br />
Kolonien rechtfertigte.<br />
Im 18. Jahrhundert sorgten<br />
die rund 60.000 Sklaven durch<br />
ihre kostenlose Arbeitskraft<br />
für den wirtschaftlichen Aufschwung<br />
der Insel, auf der das<br />
in Europa so begehrte Zuckerrohr<br />
angebaut wurde. Im Zuge<br />
der Französischen Revolution<br />
wurde die Sklaverei 1794 abgeschafft<br />
– passte sie doch nicht<br />
zu den Prinzipien der Freiheit,<br />
Gleichheit und Brüderlichkeit.<br />
Die Freiheit hielt jedoch nur bis<br />
1802. Dann führte Napoleon die<br />
Da braucht es kein Photoshop<br />
Sklaverei wieder<br />
ein, unterstützt von seiner<br />
Gattin Josephine, die zufällig<br />
die Tochter eines Plantagenbesitzers<br />
auf Martinique war. Die<br />
kleine Statue der Josephine, die<br />
man in der Hauptstadt Fort-de-<br />
France findet, ist nicht zufällig<br />
kopflos – die Einwohner schätzen<br />
sie noch heute nicht besonders.<br />
Die sind nämlich zu mehr<br />
als 80 Prozent afrikanischer Herkunft<br />
und legen großen Wert auf<br />
die Bewahrung ihrer Traditionen.