Tassilo, Ausgabe März/April 2019 - Das Magazin rund um Weilheim und die Seen
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Armin Rempe über <strong>die</strong> Renaturierung der Ammer<br />
Zurück z<strong>um</strong> Ursprung<br />
<strong>Tassilo</strong>land | Es ist sein „fischereiliches<br />
Lebenswerk“, wie Armin<br />
Rempe es selbst beschreibt. Der<br />
77-Jährige spricht von seinem<br />
jüngst erschienenen Buch „Wie<br />
ein Fluss (fast) wieder jungfräulich<br />
wird: Die Renaturierung der Ammer“.<br />
Der Begriff Renaturierung<br />
beschreibt <strong>die</strong> Wiederherstellung<br />
von naturnahen Lebensrä<strong>um</strong>en,<br />
seit mehr als drei Jahrzehnten<br />
kämpft Rempe mittlerweile für<br />
<strong>die</strong>se „Wiedergeburt der Ammer<br />
mit jugendlichem Aussehen“, wie<br />
er es nennt.<br />
1973 wurde Armin Rempe, seit<br />
frühester Kindheit passionierter<br />
Fischer, erster Vorsitzender der<br />
zwei Jahre zuvor gegründeten<br />
Anglergemeinschaft Lech-Ammer,<br />
einem Interessensverb<strong>und</strong><br />
von sechs regionalen Fischereivereinen,<br />
alle mit Sitz entlang<br />
des Lechs zwischen Epfach <strong>und</strong><br />
Trauchgau-Buching. 1984 erhielt<br />
<strong>die</strong> Gemeinschaft nach einigen<br />
Anläufen eine fünf Kilometer lange<br />
Fischereipachtstrecke an der Ammer<br />
unterhalb von Rottenbuch bis<br />
z<strong>um</strong> Peitinger Wehr, gemeinhin als<br />
Schnalz-Wehr bekannt. In <strong>die</strong>ser<br />
Zeit wurden Rempe <strong>und</strong> seinen<br />
Mitstreitern erstmals das Ausmaß<br />
der „Natur-Vergewaltigung“, wie<br />
er es rückblickend bezeichnet, bewusst.<br />
Begradigungen <strong>und</strong><br />
Verkürzungen<br />
Die Schleierfälle bei Bad Bayersoien.<br />
Bei einer <strong>um</strong>fangreichen Bestandsaufnahme<br />
Ende der 1980er<br />
Jahre wurden in der Ammer zehn<br />
im Laufe der Jahrh<strong>und</strong>erte entstandene<br />
Querbauwerke in Form von<br />
Wehren gezählt. Begonnen hatte<br />
alles mit dem Bau des Rottenbucher<br />
Wehrs <strong>und</strong> zwei von Wasserrädern<br />
angetriebenen Sägen durch<br />
das 1073 gegründete Augustiner-<br />
Chorherrenstift Rottenbuch an der<br />
Verbindungsstraße zwischen Rottenbuch<br />
<strong>und</strong> Böbing <strong>um</strong> das Jahr<br />
1500. Es folgten <strong>die</strong> Errichtung des<br />
Wasserkraftwerks Ettaler Mühle in<br />
den Jahren 1700 bis 1701 durch <strong>die</strong><br />
Benediktiner-Abtei Ettal sowie <strong>die</strong><br />
des Wasserkraftwerks Kammerl bei<br />
Saulgrub von 1897 bis 1899 durch<br />
<strong>die</strong> Elektrizitätswerke AG Dresden.<br />
Parallel z<strong>um</strong> Bau der Kraftwerke<br />
wurde Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
mit Regulierungen, Begradigungen<br />
<strong>und</strong> Verkürzungen der Ammer<br />
begonnen – nichts Außergewöhnliches<br />
für <strong>die</strong> Zeit. Kurioserweise<br />
mussten genau aus <strong>die</strong>sem G<strong>r<strong>und</strong></strong><br />
weitere sechs Wehre zur Sicherung<br />
der Flusssohle gebaut werden. Natürliche<br />
Kurven im Flusslauf wurden<br />
beseitigt, <strong>die</strong> Geschwindigkeit<br />
der Strömung nahm dadurch zu,<br />
was <strong>die</strong> Ufer beschädigte <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />
Flusssohle tiefer <strong>und</strong> tiefer legte.<br />
„Es kamen bis Ende der Achtzigerjahre<br />
immer mehr Probleme<br />
hinzu“, erklärt Armin Rempe. Ergebnis<br />
waren letztlich elf getrennte<br />
Ammer-Abschnitte, <strong>die</strong> jeder<br />
für sich betrachtet einen eigenen<br />
Lebensra<strong>um</strong> darstellten <strong>und</strong> jegliche<br />
natürliche Fischwanderung<br />
unmöglich machten. Diesem massiven<br />
Eingriff lagen jedoch keineswegs<br />
boshafte Absichten zu G<strong>r<strong>und</strong></strong>e.<br />
Ganz im Gegenteil: Sie <strong>die</strong>nten<br />
unter anderem der Schaffung<br />
zusätzlicher landwirtschaftlicher<br />
Nutzflächen <strong>und</strong> der Erleichterungen<br />
deren Bewirtschaftung sowie<br />
der Steigerung der Produktivität<br />
<strong>und</strong> damit der Verbesserung der<br />
Volksernährung. „Außerdem darf<br />
man nicht vergessen, dass <strong>um</strong> 1900<br />
das Wissen <strong>um</strong> Wanderfische <strong>und</strong><br />
den Bau von Fischwanderhilfen –<br />
wenn überhaupt – noch in den<br />
kleinsten Kinderschuhen steckten“,<br />
Foto: Fotografi e Werner Schubert<br />
so Rempe. „Heute kann man nur<br />
noch den Kopf darüber schütteln,<br />
wie viel Geld damals für <strong>die</strong> Verstümmelung<br />
der Ammer <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />
Zerstörung der Natur ausgegeben<br />
wurde.“<br />
Durchgängigkeit als<br />
oberstes Ziel<br />
„Die Wehre sind Gift für <strong>die</strong> Fische“,<br />
sagt Armin Rempe, dem es<br />
bei der Renaturierung stets <strong>um</strong> <strong>die</strong><br />
uneingeschränkte Durchgängigkeit<br />
geht, waren Ammersee <strong>und</strong> Staffelsee<br />
doch einst durch <strong>die</strong> Ammer<br />
verb<strong>und</strong>en. In <strong>die</strong>sem ökologischen<br />
<strong>und</strong> für <strong>die</strong> Fische nach allen<br />
Richtungen nutzbaren Gewässerverb<strong>und</strong><br />
mit 54 Nebenbächen<br />
Foto: Fotografi e Werner Schubert<br />
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