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SERIE<br />
Nacht.Leben.Berlin<br />
KURIER erzählt die<br />
Geschichten der Nacht<br />
Andreas Walter lenkt seinen<br />
Geländewagen an<br />
den Rand des Feldweges.<br />
„Hier, guckt mal, da sind<br />
Schweinespuren“, sagt er. Fast<br />
könnte man meinen, er spricht<br />
von Wildschweinen –doch diese<br />
Hinterlassenschaften stammen<br />
nicht von Tieren. Am Wegesrand<br />
liegen Teile alter Möbel,<br />
Spielzeug, abgenutzte Kleidung.<br />
Diese Schweine sind hier<br />
oft unterwegs und wenn Walter<br />
auf der Pirsch ist, ärgert er sich,<br />
wenn er ihre Spuren entdeckt.<br />
Denn sie schaden seinem Wild.<br />
„Ich fand kürzlich ein Reh, das<br />
nicht mehr laufen<br />
konnte, weil<br />
es mit dem Fuß<br />
in den Deckel ei-<br />
Der Himmel strahlt<br />
im schmutzigen<br />
Licht Berlins.<br />
ner Ölflasche<br />
getreten war.“<br />
Walter kümmert<br />
sich lieber um echte<br />
Schweine, um Bachen und um<br />
Keiler, um deren Nachwuchs,<br />
Frischlinge.Denn der 46-Jährige<br />
ist Jäger. Einige der Wälder<br />
und Felder von Ahrensfelde<br />
sind sein Revier, und wenn es<br />
dunkel wird, geht er auf die<br />
Pirsch, sucht im Unterholz und<br />
auf dem Feld. Und wenn er sie<br />
gefunden hat, die Schweine,<br />
geht es oft nicht gut für sie aus.<br />
Er lenkt den Wagen ans Ende<br />
eines Feldweges, der Himmel<br />
am Horizont strahlt im schmutzigen<br />
Licht der Großstadt. Walter<br />
zieht eine Lampe aus der Jackentasche<br />
und knipst sie an,<br />
ihr Licht ist rot, „weil Wildtiere<br />
das nicht sehen können“, sagt<br />
er. Er richtet sie auf den 200<br />
Meter entfernten Waldrand,<br />
greift mit der anderen Hand das<br />
Fernglas, das um seinen Hals<br />
hängt. „Dort sind Rehe“, sagt er.<br />
Ich schaue durchs Fernglas.<br />
Und tatsächlich: Mehrere Augenpaare<br />
reflektieren das Licht,<br />
sie bewegen sich, nach links,<br />
rechts, dann verschwinden sie<br />
im Unterholz. „Zum Schießen<br />
wäre das zu weit“, sagt Walter.<br />
Seit Jahren schon geht er zur<br />
Jagd –und allein die Geschichte,<br />
wie er dazu kam, ist speziell.<br />
Er hatte damals, zehn Jahre ist<br />
es her, einen Husky, einen braven<br />
Hund. Eines Tages klingelte<br />
der Jäger des Ortes bei ihm.<br />
„Er behauptete, mein Hund<br />
hätte ein Reh gerissen.“ Als er<br />
seinen Husky rief, kam der –<br />
blutverschmiert. „Ich gab dem<br />
Jäger 200 Euro als Entschädigung.“<br />
Nur zweiTage späterstand der<br />
Jäger erneut vor seiner Tür, mitteninder<br />
Nacht. Dieses Mal bat<br />
er um Hilfe. „Er wollte, dass ich<br />
ihm helfe, ein Wildschwein zu<br />
bergen. Ichsagte: Das kostet 200<br />
Euro.“ Der Jäger<br />
gab ihm dasGeld<br />
zurück, eine<br />
Freundschaft<br />
entstand. Walter<br />
half ihm, wenn<br />
der Jäger Hilfe<br />
brauchte, bis der fragte, ob er<br />
nicht selbst Jäger werden will.<br />
Walter ging zur Jagdschule,<br />
paukte die Theorie, Jagdrecht,<br />
Waffenkunde, nahm Schießunterricht.<br />
„Die Prüfung heißt<br />
,grünes Abitur‘ –und hat es in<br />
sich. 60 Prozent sind durchgefallen.“<br />
Alle Tiere, die dem<br />
Jagdrecht unterliegen, können<br />
abgefragt werden. „Da wurden<br />
Leute nach Kegelrobben gefragt,<br />
obwohl die hier keine<br />
Rolle spielen.“ Walter bestand,<br />
lernte den Oberjäger der Umgebung<br />
kennen und begann, im<br />
Revier auf die Pirsch zu gehen.<br />
Zwei Gründe hatte er dafür.<br />
„Ich bin naturverbunden, das<br />
ist der eine“, sagt er und lacht.<br />
„Und ich bin verheiratet und<br />
habe zwei Kinder –manchmal<br />
bin ich froh, wenn ich sagen<br />
kann: Süße, ich muss jagen.“<br />
Langsam läuft er durch den<br />
Wald, Zweige knacken unter<br />
den Schuhen. Vor uns liegt eine<br />
weite Lichtung, am anderen<br />
Ende ein Streifen aus Bäumen,<br />
dahinter die Straße. Und dort,<br />
im Unterholz, sind sie wieder:<br />
Die Augen, die das Licht der roten<br />
Lampe reflektieren. Schießen<br />
ist unmöglich, weil dahin-<br />
Nachts.<br />
Ein<br />
Mann.<br />
Kein<br />
Schwein<br />
Andreas Walter ist als Jäger in<br />
Wäldern und auf Feldern rund um<br />
Ahrensfelde unterwegs. Wenn er<br />
auf die Pirsch geht,nehmen sich<br />
Schweine und Rehe in Acht.Doch<br />
Schießen ist längst nicht alles<br />
Die ersten Schweine-Spuren entdeckt Andreas Walter gleich zu Beginn des Abends. Es sind Müll-<br />
Ferkel, die am Rande eines Feldwegs ihren Krempel entsorgt haben. Schädlich für Natur und Tiere.<br />
DasFernglas ist eines der wichtigsten Arbeitsgeräte –hiermit beobachtet der Jäger<br />
die Tiereinder Entfernung. Um sie zu sehen, nutzt er außerdem eine Lampe.