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Berliner Kurier 22.02.2019

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*<br />

SERIE<br />

Nacht.Leben.Berlin<br />

KURIER erzählt die<br />

Geschichten der Nacht<br />

Andreas Walter lenkt seinen<br />

Geländewagen an<br />

den Rand des Feldweges.<br />

„Hier, guckt mal, da sind<br />

Schweinespuren“, sagt er. Fast<br />

könnte man meinen, er spricht<br />

von Wildschweinen –doch diese<br />

Hinterlassenschaften stammen<br />

nicht von Tieren. Am Wegesrand<br />

liegen Teile alter Möbel,<br />

Spielzeug, abgenutzte Kleidung.<br />

Diese Schweine sind hier<br />

oft unterwegs und wenn Walter<br />

auf der Pirsch ist, ärgert er sich,<br />

wenn er ihre Spuren entdeckt.<br />

Denn sie schaden seinem Wild.<br />

„Ich fand kürzlich ein Reh, das<br />

nicht mehr laufen<br />

konnte, weil<br />

es mit dem Fuß<br />

in den Deckel ei-<br />

Der Himmel strahlt<br />

im schmutzigen<br />

Licht Berlins.<br />

ner Ölflasche<br />

getreten war.“<br />

Walter kümmert<br />

sich lieber um echte<br />

Schweine, um Bachen und um<br />

Keiler, um deren Nachwuchs,<br />

Frischlinge.Denn der 46-Jährige<br />

ist Jäger. Einige der Wälder<br />

und Felder von Ahrensfelde<br />

sind sein Revier, und wenn es<br />

dunkel wird, geht er auf die<br />

Pirsch, sucht im Unterholz und<br />

auf dem Feld. Und wenn er sie<br />

gefunden hat, die Schweine,<br />

geht es oft nicht gut für sie aus.<br />

Er lenkt den Wagen ans Ende<br />

eines Feldweges, der Himmel<br />

am Horizont strahlt im schmutzigen<br />

Licht der Großstadt. Walter<br />

zieht eine Lampe aus der Jackentasche<br />

und knipst sie an,<br />

ihr Licht ist rot, „weil Wildtiere<br />

das nicht sehen können“, sagt<br />

er. Er richtet sie auf den 200<br />

Meter entfernten Waldrand,<br />

greift mit der anderen Hand das<br />

Fernglas, das um seinen Hals<br />

hängt. „Dort sind Rehe“, sagt er.<br />

Ich schaue durchs Fernglas.<br />

Und tatsächlich: Mehrere Augenpaare<br />

reflektieren das Licht,<br />

sie bewegen sich, nach links,<br />

rechts, dann verschwinden sie<br />

im Unterholz. „Zum Schießen<br />

wäre das zu weit“, sagt Walter.<br />

Seit Jahren schon geht er zur<br />

Jagd –und allein die Geschichte,<br />

wie er dazu kam, ist speziell.<br />

Er hatte damals, zehn Jahre ist<br />

es her, einen Husky, einen braven<br />

Hund. Eines Tages klingelte<br />

der Jäger des Ortes bei ihm.<br />

„Er behauptete, mein Hund<br />

hätte ein Reh gerissen.“ Als er<br />

seinen Husky rief, kam der –<br />

blutverschmiert. „Ich gab dem<br />

Jäger 200 Euro als Entschädigung.“<br />

Nur zweiTage späterstand der<br />

Jäger erneut vor seiner Tür, mitteninder<br />

Nacht. Dieses Mal bat<br />

er um Hilfe. „Er wollte, dass ich<br />

ihm helfe, ein Wildschwein zu<br />

bergen. Ichsagte: Das kostet 200<br />

Euro.“ Der Jäger<br />

gab ihm dasGeld<br />

zurück, eine<br />

Freundschaft<br />

entstand. Walter<br />

half ihm, wenn<br />

der Jäger Hilfe<br />

brauchte, bis der fragte, ob er<br />

nicht selbst Jäger werden will.<br />

Walter ging zur Jagdschule,<br />

paukte die Theorie, Jagdrecht,<br />

Waffenkunde, nahm Schießunterricht.<br />

„Die Prüfung heißt<br />

,grünes Abitur‘ –und hat es in<br />

sich. 60 Prozent sind durchgefallen.“<br />

Alle Tiere, die dem<br />

Jagdrecht unterliegen, können<br />

abgefragt werden. „Da wurden<br />

Leute nach Kegelrobben gefragt,<br />

obwohl die hier keine<br />

Rolle spielen.“ Walter bestand,<br />

lernte den Oberjäger der Umgebung<br />

kennen und begann, im<br />

Revier auf die Pirsch zu gehen.<br />

Zwei Gründe hatte er dafür.<br />

„Ich bin naturverbunden, das<br />

ist der eine“, sagt er und lacht.<br />

„Und ich bin verheiratet und<br />

habe zwei Kinder –manchmal<br />

bin ich froh, wenn ich sagen<br />

kann: Süße, ich muss jagen.“<br />

Langsam läuft er durch den<br />

Wald, Zweige knacken unter<br />

den Schuhen. Vor uns liegt eine<br />

weite Lichtung, am anderen<br />

Ende ein Streifen aus Bäumen,<br />

dahinter die Straße. Und dort,<br />

im Unterholz, sind sie wieder:<br />

Die Augen, die das Licht der roten<br />

Lampe reflektieren. Schießen<br />

ist unmöglich, weil dahin-<br />

Nachts.<br />

Ein<br />

Mann.<br />

Kein<br />

Schwein<br />

Andreas Walter ist als Jäger in<br />

Wäldern und auf Feldern rund um<br />

Ahrensfelde unterwegs. Wenn er<br />

auf die Pirsch geht,nehmen sich<br />

Schweine und Rehe in Acht.Doch<br />

Schießen ist längst nicht alles<br />

Die ersten Schweine-Spuren entdeckt Andreas Walter gleich zu Beginn des Abends. Es sind Müll-<br />

Ferkel, die am Rande eines Feldwegs ihren Krempel entsorgt haben. Schädlich für Natur und Tiere.<br />

DasFernglas ist eines der wichtigsten Arbeitsgeräte –hiermit beobachtet der Jäger<br />

die Tiereinder Entfernung. Um sie zu sehen, nutzt er außerdem eine Lampe.

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