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28 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 58 · M ontag, 11. März 2019<br />
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Spreewild<br />
Klartext<br />
Papst Franziskus<br />
enttäuscht mich<br />
VonLaura Patz, 24 Jahre<br />
Wer,wenn nicht der Papst, sollte<br />
als gutes Beispiel vorangehen,<br />
wenn es um die Einhaltung christlicher<br />
Werte geht? Das war wohl<br />
der Gedanke hinter der Kampagne<br />
„Million Dollar Vegan“, die das<br />
Kirchenoberhaupt im Vorfeld der<br />
40-tägigen Fastenzeit zum Verzicht<br />
auf tierische Produkte aufforderte.<br />
Eine Million US-Dollar–aktuell etwa<br />
880 000 Euro –<br />
wollten die Aktivisten<br />
dem Papst<br />
im Gegenzug zur<br />
Verfügung stellen,<br />
um es an<br />
eine Wohltätigkeitsorganisation<br />
seiner Wahl zu<br />
Laura gefiel die<br />
„Million Dollar<br />
Vegan“-Kampagne.<br />
PRIVAT<br />
spenden. Doch<br />
der Papst machte<br />
leider nicht mit.<br />
Er speiste die<br />
Sprecherin der<br />
Kampagne, die zwölfjährige Genesis<br />
Butler, mit einem Dankesbrief<br />
aus seinem Sekretariat ab.<br />
Er hätteVeganer werden sollen<br />
Was für eine Enttäuschung! Denn<br />
nicht nurdie Fastenzeit sprach dafür,<br />
den Papst zur Wahrnehmung seiner<br />
Vorbildfunktion inSachen Nachhaltigkeit<br />
zu drängen: Mehr als einmal<br />
hat er öffentlich zu Problematiken<br />
wie industrieller Tierhaltung und<br />
ihren Folgen wie Artensterben oder<br />
globaler Erwärmung Stellung bezogen.<br />
Gleichzeitig hätte der Papst<br />
als Leitbild von fast 1,3 Milliarden<br />
Katholiken eine riesige Gruppe für<br />
veganes Leben begeisternkönnen.<br />
Zwar gibt auch ein Haufen internationaler<br />
und deutscher Promis<br />
wie Paul McCartney, Woody Harrelson,<br />
Nena, Dr. Mark Benecke und<br />
Unge sein Gesicht für die Kampagne<br />
her.Doch mit dem Papst an der Spitze<br />
hätte es natürlich deutlich mehr<br />
Aufmerksamkeit für die gute Sache<br />
gegeben.Wasbleibt: Es war exzellentes<br />
Marketing für einen gutenZweck.<br />
Vielleicht klappt es ja beim nächsten<br />
Malnoch besser.<br />
Leseprobe<br />
Sophie Passmann – „Alte weiße<br />
Männer: Ein Schlichtungsversuch“<br />
Der alte weiße Mann – wer ist<br />
das und wie wird erzudem, der er<br />
ist? Für ihr jüngstes Buch hat sich<br />
Polit-InfluencerinSophie Passmann<br />
mit der zu untersuchenden Spezies<br />
getroffen: Mit mächtigen Männern<br />
diskutiertdie 25-Jährige Hegemoniale<br />
Männlichkeit, die Frauenquote<br />
und die Frage, wie man den „Geschlechterkampf“<br />
beenden kann.<br />
Die trocken-sarkastische, zuweilen<br />
hämische Passmann-Sprechweise,<br />
die man sonst aus ihren<br />
Insta-Storys kennt, wirkt auch auf<br />
293 Seiten Papier. Dabei wird auch<br />
deutlich, welchem Interviewpartner<br />
Passmann gerne beim Reden<br />
zuhört(RobertHabeck) und werihr<br />
suspekt bleibt (Kai Diekmann).<br />
LauraPatz, 24 Jahre<br />
Fazit Gelungener feministischer Dialog!<br />
Von Salonika Hutidi, 21 Jahre<br />
Mit ruhigem Blick sitzt<br />
er da auf der Bank,<br />
auf einem Schulhof<br />
in Pankow. Ein kleiner<br />
Teil der Bewegung,die gerade medial<br />
die Runde macht. Mit entschlossenem<br />
Blick sagt er: „Wir lassen uns<br />
nicht ohne Widerstand unsere Zukunft<br />
ruinieren!“ Vögel singen im<br />
Hintergrund, als würden sie seine<br />
Wortebejubeln.<br />
Tommy, der seinen richtigen Namen<br />
nicht in der <strong>Zeitung</strong> lesen will,<br />
istseitdreiMonaten Mitorganisator<br />
derSchülerprotesteunter dem Motto<br />
„Fridays for Future“ in Berlin. Er<br />
will sich engagieren, aber Anfeindungen<br />
und Drohungen entgehen,<br />
wie sie Greta Thunberg erlebt. Der<br />
Aktivismus der jungen Schwedin<br />
scheint ihn dennoch zu beeindrucken.Sie<br />
istdie eine Person, die alles<br />
anstieß. DennochfindetTommy, der<br />
Fokus solle sich auf die Worte und<br />
Taten der Bewegung richten und<br />
nicht auf Einzelpersonen. Der Hass,<br />
der Greta trifft, ist für den 17-Jährigen<br />
ein Aufschrei von ängstlichen<br />
Ahnungslosen.<br />
Seine Lehrer haben Verständnis<br />
Auch über die Kritik von CDU-Generalsekretär<br />
Paul Ziemiak, Greta<br />
verlierekein Wort zu Arbeitsplätzen,<br />
Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit,<br />
die Forderungen der Bewegung<br />
wären mithin utopisch, kann<br />
derAbiturientnur lachen.„Das ist so<br />
das Standardargument, das immer<br />
kommt“, schmunzelt er. Natürlich<br />
würden durch einen Kohleausstieg<br />
viele Arbeitsplätze verschwinden.<br />
Allerdings würden genauso viele<br />
neue geschaffen werden, ist ersich<br />
sicher:Windkraftwerke müssten gewartet<br />
werden. Solaranlagen müsse<br />
jemand anbringen. Wasserkraftwerke<br />
bedürften der Beaufsichtigung.<br />
Um den Protest von Schülerinnen,<br />
Schülern undStudierendenaus<br />
ganz Berlin voranzutreiben, organisiert<br />
Tommy inseiner Freizeit Redner,<br />
Verpflegung und Bildungsangebote<br />
an Schulen. Und geht freitags<br />
nicht zum Unterricht. Sagt seine<br />
eigene Schule etwas dazu? Keinen<br />
Ton. Die Lehrer, bei denen er seine<br />
Mehr als nur Greta<br />
Hinter „Fridays for Future“ stehen viele Jugendliche. In Berlin ist Tommy einer von ihnen<br />
VonYara Ellsäßer, 12Jahre<br />
Indem Theaterstück „Genau wie<br />
immer: Alles anders“ spielen drei<br />
Schauspieler und zwei Schauspielerinnen<br />
das Leben des Zwillingspaars<br />
Mona und Theo, das sich in der Pubertät<br />
befindet. Besonders gut zeigt<br />
das Stück, wie die Gefühle durcheinandergeraten<br />
und wie verwirrend<br />
und schwierig die Pubertät sein<br />
kann. Heute noch beste Freunde<br />
und morgen schon die schlimmsten<br />
Feinde.Das Stück läuft noch bis zum<br />
18. Juni im Theater DieWeiße Rose.<br />
Inda Buschmann, die Regisseurin<br />
des Bühnenspiels, wollte, dass<br />
das Stück nicht zu realistisch wirkt.<br />
Daher wollte sie auch auf keinen Fall<br />
ein Bett oder ein Teenie-Zimmer als<br />
Bühnenbild haben. Am Ende wurden<br />
es dann eine Rampe und rosa<br />
Laken. Das Stück ist immer wieder<br />
durch Tänze unterbrochen, denn<br />
durch Tanz kann man Gefühle sehr<br />
viel besser ausdrücken als mit Worten,<br />
meint die Regisseurin.<br />
Nicht allein: Im Januar demonstrierten Tausende im <strong>Berliner</strong> Regierungsviertel.<br />
„Fridays for Future“ ist<br />
eine unabhängige Bewegung<br />
von Schüler_innen<br />
und Student_innen, die<br />
jeden Freitag für eine<br />
konsequentere Klimapolitik<br />
demonstrieren.<br />
DieTänzemachen das Stück aber<br />
auch sehr abwechslungsreich und<br />
lebendig. Außerdem wird esdurch<br />
die Tänze auch unterhaltsamer und<br />
man kann besser zuhören. Und obwohl<br />
das Thema mit diesen großen<br />
Gefühlen und der Sprunghaftigkeit<br />
sehr kompliziert darzustellen ist, ist<br />
SCHULSTREIKS FÜR DAS KLIMA<br />
Vorbild der Bewegung<br />
ist Greta Thunberg,<br />
16. Sie setzt sich aus<br />
Protest seit August 2018<br />
freitags vor das schwedische<br />
Parlamentsgebäude<br />
in Stockholm.<br />
In Deutschland nahmen<br />
die Proteste unter anderem<br />
wegen des Engagements<br />
der Studentin<br />
Luisa Neubauer und des<br />
Schülers Jakob Blasel<br />
Fahrt auf.<br />
Zeit der Veränderung<br />
Jeder kennt es: das Gefühlschaos in der Pubertät. Jetzt ist es auch auf der Bühne zu sehen<br />
Die Pubertät (hier: vorn imBild) spielt sich bekanntlich viel in Unterwäsche ab.<br />
JOERG FARYS<br />
JÖRG METZNER<br />
Stunden absitzen müsste,ließen ihn<br />
streiken, sagt er. Für ihr Verständnis<br />
sei er ihnen sehr dankbar.<br />
Eine gute Fee ermöglicht dir<br />
die uneingeschränkte Möglichkeit,<br />
einen wichtigen Meilenstein in<br />
Deutschlands Klimapolitik zu setzen<br />
–was tust du, Tommy? „Agrarsubventionen<br />
an Bio-Bauern, Plastikreduktion,<br />
Ausbau von erneuerbaren<br />
Energien und hohe Steuern<br />
für umweltbelastende Industrieproduktionen“,<br />
verkündet er ohne Zögern.„Vorallem<br />
aber möchte ich die<br />
Schuldigen zur Rechenschaft ziehen.“<br />
Alle Autohändler, die zu hohe<br />
Abgaswerte unter den Tisch kehren.<br />
Alle Politikerinnen und Politiker,die<br />
ihre Wahlversprechen nicht halten<br />
und nurlustlos agieren.<br />
Tommy ist kein Influencer<br />
„Wer tut was?“, fragt Tommy –rhetorisch.<br />
Alibi-Bekenntnisse zum<br />
Klimaschutz hängen ihm zum Hals<br />
raus.DieVerbindung zwischenWirtschaft<br />
und Politik würdeder Schüler<br />
am liebsten auflösen, Wirtschaftslobbyismus<br />
bekämpfen. Vor allem<br />
aber möchte er<br />
gerne der Gesellschaft<br />
einen<br />
Spiegel vors Antlitz<br />
halten und<br />
allen zeigen, wie<br />
sie sich grün verhalten<br />
können.<br />
Müsste er da-<br />
Tommy möchte<br />
lieber nicht im<br />
Mittelpunkt stehen.<br />
SALONIKA HUTIDI<br />
für nicht zum Influencer<br />
werden?<br />
An einer großen<br />
Social-Media-<br />
Präsenz habe er<br />
wenig Interesse, wolle nicht neben<br />
Luisa Neubauer zum deutschen Gesicht<br />
von „Fridays for Future“ werden.<br />
Bei ihr sieht erauch die Schattenseite<br />
von Fernsehauftritten: Luisa<br />
zieht derzeit viel Kritik und Beschimpfungen<br />
auf sich. Dabei habe<br />
die Bewegung viel mehr Gesichter,<br />
sagt Tommy: „Wir sind Greta, wir<br />
sind Luisa, wir sind Jakob. Wir sind<br />
aber auch Hassan, Amy, Hui, John<br />
und Malaika. Wir sind die ganze<br />
Welt.“ Ob das stimmt, wird sich am<br />
15. Märzzeigen. Da sollnämlichein<br />
globaler Schulstreik für mehr Klimaschutz<br />
stattfinden.<br />
es Inda und ihrem Team gelungen,<br />
die Pubertät lustig, traurig, spannend<br />
und gefühlvoll darzustellen.<br />
Im Mittelpunkt stehen das Zwillingspaar<br />
Mona und Theo sowie die<br />
personifizierte Pubertät, die erzählend<br />
durch das Stück führt und die<br />
Gedanken der Jugendlichen ausspricht.<br />
Dann sind da noch Mutter<br />
Rosi und Monas beste Freundin<br />
Steffi, außerdem der beste Freund<br />
vonTheo namens Jimmy sowie Monas<br />
erster richtiger Freund Mehmet,<br />
der gleichzeitig Steffis Schwarmist.<br />
Der Original-Text stammt von<br />
Günter Jankowiak, geschrieben hat<br />
er ihn in den 90er-Jahren. Das Stück<br />
wird empfohlen für Jugendliche<br />
über zwölf Jahren, da man in der<br />
Pubertät (gewesen) sein sollte, um<br />
das Stück wirklich zu verstehen. Es<br />
wird eine relativ große Zeitspanne<br />
gezeigt, und das macht es auch noch<br />
schwieriger, esrichtig zu interpretieren,<br />
denn man muss die Veränderungen<br />
glaubhaft spielen.<br />
Das gelingt prima, da die Schauspielerinnen<br />
und Schauspieler zeigen,<br />
wie sich nicht nur der Körper<br />
in der Pubertät verändert, sondern<br />
auch der Geist und die Seele. Auch<br />
im Tanz zeigt sich diese Veränderung.<br />
Die Inszenierung ist jedenfalls<br />
sehr unterhaltsam, aussagekräftig<br />
und wirklich sehr gut interpretiert.<br />
Irgendwie<br />
überleben auf<br />
hoher See<br />
Der Film „Buoyancy“ zeigt<br />
die moderne Sklaverei<br />
Von Salonika Hutidi, 21 Jahre<br />
Der junge Chakra kommt aus einer<br />
ärmlichen Bauernfamilie<br />
aus Kambodscha. Schwerstarbeit<br />
bis zur Erschöpfung ist sein täglich<br />
Brot. Doch Chakra träumt von einer<br />
besseren Welt. Als er von einer entlegenen<br />
Ananasfabrik in Thailand<br />
hört, wittert er seine Chance. Still<br />
und heimlich macht er sich auf den<br />
Weg. DochstattineinerFabrik findet<br />
er sich auf einem Fischkutter wieder,<br />
gezwungen, unter der prallen Sonne<br />
zu schuften. Die Haut vom Salzwasser<br />
aufgeweicht, der Hunger groß,<br />
keine Aussicht auf Flucht. Jene, die<br />
versuchen zu entkommen, werden<br />
Chakra (Sarm Heng) muss um sein Leben<br />
fürchten.<br />
CAUSEWAY FILMS<br />
mit Elektroschocks bestraft oder der<br />
See überlassen. Chakra verstummt.<br />
Erst als sein Freund, gefesselt an zwei<br />
Boote, buchstäblich auseinandergerissen<br />
wird, erwacht der 14-Jährige<br />
aus seiner Schreckstarre. Ihm wird<br />
klar:Entweder er kämpftgegen seine<br />
Peiniger oder er wirdsterben.<br />
„Buoyancy“ lief in der Kategorie<br />
„Generation 14plus“ auf der Berlinale<br />
und zeigt ein Bündel wahrer Geschichten<br />
vonMännern, die in Thailand<br />
versklavt werden. Nach langer<br />
Recherche und vielen Interviews mit<br />
Überlebenden entschloss sich der<br />
Regisseur Rodd Rathjen, die vielen<br />
Schicksale auf die Leinwand zu bringen.<br />
„Ich wollte die Geschichte der<br />
Überlebenden erzählen“, sagt der<br />
Australier. „Sie musste authentisch<br />
sein und das Publikum auf ihre Reise<br />
mitnehmen!“ Dabei habe sich das<br />
80-köpfige Filmteam aus Kambodscha,<br />
Australien, Vietnam und Thailand<br />
neben einigen Sprachbarrieren<br />
auch der Seekrankheit stellen müssen.<br />
Doch die Wichtigkeit ihrer Aufgabe<br />
habe sie durchhalten lassen.<br />
Millionen sind betroffen<br />
Die Zahlen der modernen Sklaverei<br />
sind hoch. Die Internationale<br />
Arbeitsorganisation ILO und die<br />
Walk Free Foundation gehen von<br />
rund 25 Millionen Menschen aus,<br />
die Zwangsarbeit verrichten müssen,<br />
besonders viele davon in Asien.<br />
Außerdem berichten die Organisationen<br />
von mehr als 15 Millionen<br />
zwangsverheirateten Menschen.<br />
Vonbeiden Phänomenen sind auch<br />
Hunderttausende in Kambodscha<br />
und Thailand betroffen.<br />
„Buoyancy“ zeigt beispielhaft, wie<br />
Zwangsarbeit auf einem Fischkutter<br />
schmeckt, nämlich nach Blut und<br />
Salzwasser. Esgibt keine Gnade, für<br />
niemanden. Jeden Tagmüssen die<br />
Männer um ihr eigenes Leben fürchten.<br />
Gemeinsam mit Chakra erinnern<br />
sie uns mit diesem Film daran,<br />
dass die moderne Welt immer noch<br />
nicht frei vonZwangsarbeit und Sklavereiist.<br />
DieRückkehr in ihren Alltag<br />
undzuihren Liebstenfällt den Männern<br />
schwer, die Normalität ist auf<br />
Seeertrunken.Zumindest da geht es<br />
den Zuschauernähnlich.<br />
Mit freundlicher Unterstützung von:<br />
Das Projekt „Spreewild“<br />
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