Berliner Kurier 12.03.2019
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BERLINER KURIER, Dienstag, 12. März2019<br />
Der Häuserblock in der<br />
Cunostraße wurde vor<br />
knapp 15 Jahren<br />
verkauft.Alle Mieter<br />
sollten vorEigenbedarfskündigungen<br />
geschützt<br />
sein. So hatte es das<br />
Parlament beschlossen.<br />
Aranka Barfusssitzt vor<br />
dem elektrischen Kamin<br />
in ihrer Wohnung. Hier<br />
möchte sie bleiben.<br />
Fotos: Sabeth Stickforth<br />
C85/18) entschied noch im vergangenen<br />
Jahr, dassder Vermieter<br />
die Räumung der Wohnung<br />
nicht verlangenkann.<br />
Der Vermieter will das Urteil<br />
nicht akzeptieren. Er ist in Berufung<br />
gegangen. Eine Entscheidungder<br />
nächsten Instanzsteht<br />
aus. Für Aranka Barfuss heißt<br />
das: Die Unsicherheit geht weiter.Fürdie60-Jährigeeineungeheure<br />
Belastung. Ihr Fall zeigt,<br />
wie sich die Privatisierungspolitik<br />
vergangener Jahre auf die<br />
Mieter auswirkt. Und dass die<br />
Ankündigung für einen umfassenden<br />
Mieterschutz –zumindest<br />
in ihrem Fall–ein bisheruneingelöstes<br />
Versprechen geblieben<br />
ist. Das <strong>Berliner</strong> Abgeordnetenhaus<br />
hatte am14. September<br />
2000 den Beschluss für einen<br />
umfassenden Mieterschutz gefasst.Darin<br />
wird der Senat aufgefordert,<br />
„bei Verkäufen von landeseigenen<br />
Wohnungen durchzusetzen,<br />
dass alle Mieterinnen<br />
und Mieter automatisch eine<br />
Vertragsergänzung zum Mietvertrag<br />
erhalten,die ihre Rechte<br />
absichern.“ In den Verträgen<br />
sollten „ein dauerhafter Kündigungsschutz“<br />
und „der Schutz<br />
vor unangemessenen Modernisierungsmaßnahmen“<br />
sichergestellt<br />
werden. Das hörte sich damals<br />
zunächst alles gut an, entpupptesich<br />
später jedoch als bloße<br />
Willensbekundung.<br />
So berichtete der damalige<br />
Stadtentwicklungssenator Peter<br />
Strieder (SPD) am 19. Februar<br />
2001ineinem Berichtandas Parlament,<br />
dass „nur ein Teil“ der<br />
städtischen Wohnungsbaugesellschaften<br />
den betroffenen<br />
Mietern die gewünschten Mietvertragsergänzungen<br />
vor dem<br />
Verkauf der Wohnungen an<br />
Dritte gewähre.<br />
Bei den übrigen Gesellschaften<br />
würden die Mieterschutzrechte<br />
–wie im Fallvon Aranka Barfuss<br />
–imKaufvertragmit dem Erwerber<br />
verankert –oder der Erwerber<br />
werde verpflichtet,den Mietern<br />
die Mietvertragsergänzungen<br />
zu gewähren. Aranka Barfuss<br />
ist entsetzt über den laxen<br />
Umgang mit den Rechten der<br />
Mieter. Sie will erreichen, dass<br />
sich das Abgeordnetenhaus erneut<br />
zu seinem Beschluss für einen<br />
umfassenden Mieterschutz<br />
bekennt.<br />
Immerhin: Grund zur Hoffnung<br />
gibt der 60-Jährigen ein<br />
Urteil des Bundesgerichtshofs<br />
(BGH) vom 14. November 2018.<br />
Darin entschieden die Richter,<br />
dass sich die Mieter eines ehemals<br />
städtischen Hauses in Bochumnach<br />
dem Verkauf der Immobilie<br />
auf eine Kündigungsschutzklausel<br />
im Kaufvertragberufen<br />
können. Die Senatsverwaltung<br />
für Stadtentwicklung<br />
verweist auf das BGH-Urteil<br />
und bekräftigt außerdem:<br />
Der Käufer einerWohnung ist an<br />
sämtliche aus dem Kaufvertrag<br />
folgende Pflichtengebunden, also<br />
auch andie vereinbarte Weitergabe<br />
der mieterschützenden<br />
Regelungen im Falle einer Weiterveräußerung.“<br />
Was passiert,<br />
wenn der Mieterschutz nicht<br />
weitergegeben werde, hänge<br />
vom Einzelfall ab. Soll heißen:<br />
Wie es für Aranka Barfuss ausgeht,<br />
werdenamEndedie Richter<br />
entscheiden.<br />
Der Vermieter wollte sich auf<br />
Anfrage nicht äußern. Aranka<br />
Barfuss schwant unterdessen<br />
nichts Gutes. Sollte der Mieterschutz<br />
keinen Bestand haben,<br />
sagt sie, „würden hier viele und<br />
besonders ältere Menschen ihre<br />
Wohnungverlieren“.