Bahnsport 04/2019
Rock ’n’ roll on ice...wir begrüßen Sie herzlich zu unserer April-Aus-gabe. Und ich kann Ihnen versichern, es ist und war mal wieder viel los. So verläuft die aktuelle Eis-Saison spannend und voller Turbulenzen. Zu Redaktionsschluss befinden wir uns gerade unmittelbar vor dem Finale und bis dato ist noch alles offen den WM-Titel betreffend. Hee-renveen verspricht also Spannung pur...
Rock ’n’ roll on ice...wir begrüßen Sie herzlich zu unserer April-Aus-gabe. Und ich kann Ihnen versichern, es ist und war mal wieder viel los. So verläuft die aktuelle Eis-Saison spannend und voller Turbulenzen. Zu Redaktionsschluss befinden wir uns gerade unmittelbar vor dem Finale und bis dato ist noch alles offen den WM-Titel betreffend. Hee-renveen verspricht also Spannung pur...
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Wann kriegen wir sowas<br />
zu sehen? Hans Weber<br />
führt fast drei Runden<br />
lang vor dem noch<br />
amtierenden Weltmeister<br />
Dimitri Koltakow<br />
Enge Kiste 2:<br />
Dimitri Koltakow<br />
zwischen Ove Ledström<br />
und Dinar Walejew<br />
Nachdem sich der WM-Tross von Almaty über<br />
Schadrinsk nach Berlin aufgemacht hatte,<br />
musste man damit rechnen, dass die deutsche<br />
Hauptstadt von der russischen Walze<br />
überrollt werden würde. Lagen doch fünf<br />
Russen in der WM-Wertung an der Spitze.<br />
Doch dann rockte Hans Weber Berlin. Der<br />
Bayer sprengte Grenzen und zog am ersten<br />
Tag ins Finale ein. Zwar blieben Dimitri Koltakow,<br />
Dinar Walejew und Dimitri Komisewitsch<br />
vor ihm, doch die 10 Punkte waren<br />
Gold wert. Und beim GP 6 am nächsten Tag<br />
sprangen sogar 12 Punkte heraus. Bravo!!!!!!<br />
Bei bedecktem Wetter und vor 4200 Zuschauern,<br />
erneut mehr als im Vorjahr, begann am Samstag<br />
pünktlich um 17:00 Uhr der erste Lauf, der in der<br />
Reihenfolge Daniil Iwanow, Niclas Svensson, Nikita<br />
Toloknow und Max Niedermaier noch unspektakulär<br />
endete. Erwartungsgemäß auch die Sieger<br />
der weiteren Läufe mit Dimitri Komisewitsch<br />
und Andrej Schischegow, ehe es zum Abschluss<br />
des ersten Durchgangs in den Strohballen gewaltig<br />
rauschte. Weltmeister Dimitri Koltakow, ganz<br />
außen fahrend, ging die Kurve aus, er begab sich<br />
in die blauen Säcke und deponierte dort mögliche<br />
Punkte, während der bis dahin bestplatzierte<br />
Nicht-Russe Martin Haarahiltunen, unabhängig<br />
von Koltakows Abstieg, fast zum gleichen Zeitpunkt<br />
kurvenausgangs innen in ein Loch geriet,<br />
einen Aufsteiger hatte, spektakulär abflog und<br />
mit dem Kopf auf dem Eis landete. Nach kurzer<br />
Behandlung durch den Rennarzt musste er mit<br />
dem Sanitätswagen aus dem Rund gefahren werden.<br />
Beide Fahrer wurden disqualifiziert. Aber<br />
Koltakow gewann seine weiteren vier Läufe und<br />
zog ins Finale ein. Dort holte er sich den Tagessieg<br />
vor Dinar Walejew, Komisewitsch und Hans<br />
Weber. Auch der Schwede fuhr weiter, holte zwei<br />
Laufsiege, zwei Zweier und zog ins Halbfinale ein,<br />
das Dimitri Komisewitsch vor „Eishans“ Weber<br />
gewann, während zuerst Daniil Iwanow stürzte<br />
und dann Haarahiltunen. Der Schwede hatte sich<br />
bei seinem Abflug die Hand gebrochen und die<br />
war nun nicht mehr „betriebsfähig“, er konnte<br />
sein Bike einfach nicht mehr steuern. Damit war<br />
für ihn Endstation, auch für den Sonntag.<br />
Während am ersten Tag das Eis eher spröde wirkte<br />
und auf der Außenbahn reichlich abgefahrenes<br />
Material lagerte, gab es am Sonntag bei kurzzeitig<br />
leichtem Regen eine wässrige Bahn. Das Wetter<br />
war auch dafür verantwortlich, dass an diesem<br />
Tag weniger Zuschauer (3800) die durchweg<br />
spannenden Rennen verfolgten.<br />
Die Binsenweisheit, erstes Rennen = schnellstes<br />
Rennen, galt hier wie am Vortag und lag an der<br />
Minutengrenze. Nach vier Stürzen im GP 5 – nämlich<br />
von Haarahiltunen und Koltakow sowie Stefan<br />
Svensson/Andrej Schischegow und Iwanow<br />
(in ihren Halbfinalläufen) – musste nun nur Nikita<br />
Toloknow aus dem Sattel. Mit den ins Geschehen<br />
eingreifenden Ersatzfahrern (statt Haarahiltunen<br />
und Schischegow) respektive Wildcardfahrer Tobias<br />
Busch, Marc Geyer und Markus Jell erhöhte<br />
sich die Anzahl der im GP involvierten Deutschen<br />
auf sechs.<br />
Für Koltakow verlief der Tag nicht ganz nach<br />
Wunsch. Nach den Berlin-Siegen 2017 und 2018<br />
sowie dem Erfolg am Samstag schnitten ihm Iwanow<br />
(Lauf 9) sowie Komisewitsch und Walejew<br />
(Lauf 19) den Faden ab. Zwar reichte es für das Finale,<br />
aber dort waren nun Walejew und Iwanow<br />
vorne. Vom Start weg im Hintertreffen, schaffte er<br />
auf seiner bevorzugten Außenbahn nicht mehr<br />
als Rang 3. Dieser Ausgang bescherte der WM-<br />
Wertung eine Spitzentroika mit den nach Berlin<br />
gleichauf liegenden 97 Punktern, nämlich Koltakow,<br />
Iwanow und Walejew. Letztgenannter konnte<br />
als Einziger in allen sechs bisherigen Grand Prix<br />
ins Finale kommen und feierte seinen zweiten GP-<br />
Sieg. Weiterhin ist er mit der Teilnahme an<br />
40 Läufen innerhalb dieses Championats Spitzenreiter<br />
vor Koltakow, Iwanow und Komisewitsch<br />
(jeweils 39). Diese vier Cracks legen mit einem<br />
Punkteschnitt von rund 2,5 einen deutlichen<br />
Abstand zum Fünftplatzierten Nikita Toloknow,<br />
der nach 34 Laufteilnahmen auf einen Schnitt von<br />
1,73 kommt, vor.<br />
Eindeutiger Aufsteiger in Berlin war Hans Weber,<br />
der sich mit seiner feinen Leistung auf Platz 6 der<br />
WM festsetzte und nun das Prädikat „Bester<br />
Nicht-Russe“ führen kann. Nach anfänglichen<br />
kleinen Problemen griff man auf das alte Set-up<br />
zurück, denn zu diesem Zeitpunkt „waren 9 Punkte<br />
zu holen“, so der Eis-Hans zum ersten Tag befragt.<br />
Sechs zusätzliche holte er in den folgenden<br />
drei Läufen heraus und sah sich im Halbfinale gegen<br />
Iwanow, Komisewitsch und Haarahiltunen.<br />
Nach einem Sturz von Iwanow und einem weiteren<br />
von Haarahiltunen, nachdem das Rennen<br />
schon gestoppt war und bei dem er sich die Hand<br />
brach, war die Sensation im Re-run perfekt – Weber<br />
im Finale! Das war der Zeitpunkt, wo der<br />
„Hab’ nichts zu verlieren“-Modus eingriff. So<br />
startete Weber ganz relaxt in den Heat, in dem<br />
sich „das Problem ergab, dass ich den Drehgriff<br />
nur mit drei Fingern hatte und nachgreifen musste“.<br />
Ende gut, alles gut; für den schnellen sowie<br />
ebenso sympathischen Bayern war die Finalteilnahme<br />
die Krönung der bisherigen Laufbahn. Am<br />
zweiten Tag schrammte er trotz 2 Punkten mehr<br />
am Finale vorbei, doch Tagesrang 5 vor dem<br />
Schweden-Trio war auch nicht schlecht.<br />
Was gab es noch Deutschsprachiges? Nach Nullern<br />
am Eröffnungstag konnten sowohl Busch als<br />
auch Geyer einen Zähler verbuchen. Marc Geyer<br />
musste, nachdem er keine einsatzfähigen Vorderräder<br />
mehr hatte, auf den Bikes von Haarahiltunen<br />
und Busch starten, mit denen er sichtlich Probleme<br />
hatte und lediglich darauf bedacht war, die<br />
Maschinen und sich heil ins Ziel zu bringen. Markus<br />
Jell, der neue deutsche Eisspeedwaymeister,<br />
konnte sich auf 4 Zähler steigern und hinterließ<br />
einen durchaus positiven Eindruck im Feld der<br />
„Großen“. Max Niedermaier war mit seiner Performance<br />
(Platz 13 bzw. 11) nicht zufrieden und<br />
wartet auf Inzell, wo ihm das Eis mehr taugt. Bereits<br />
nicht fit angetreten, waren für Stefan Pletschacher<br />
beide Tage leere Kilometer. Ein eingeklemmter<br />
Nerv verhinderte ein normales Fahren<br />
und das vorzeitige Aus war vorprogrammiert.<br />
Auch die ehemalige Speerspitze der österreichischen<br />
Fahrer Franz Zorn war stumpf. Die Nachwirkungen<br />
des Almaty-Sturzes waren offensichtlich,<br />
womit es bei einem Zuwachs von insgesamt<br />
12 Punkten blieb, was derzeit Rang 14 in den<br />
Charts bedeutet. Zwei Ränge dahinter rangiert<br />
sein Landsmann Charly Eber, der in allen bisherigen<br />
GP punktete, aber in der harten Ice-Gladiators-Welt<br />
noch Lehrgeld zahlt.<br />
Die schwedische Fraktion verkraftete den Ausfall<br />
Haarahiltunens einigermaßen. Nach den Rängen<br />
6 (Haarahiltunen), 8 (Stefan Svensson) 9 (Niclas<br />
Svensson) und 11 (Ledström) gab es am Sonntag<br />
ein geschlossenes Trio Niclas Svensson, Stefan<br />
Svensson, Ove Ledström auf den Plätzen 6 bis 8.<br />
In der WM-Wertung hieß es nach Berlin Siebter<br />
Haarahiltunen, Achter Stefan Svensson vor dem<br />
Filius und Ledström als Elfter.<br />
• Text: Alfred Domes;<br />
• Fotos: David Reygondeau/good-shoot.com<br />
Samstag (v.l.): Dinar Walejew, Dimitri Koltakow, Dimitri Komisewitsch; Sonntag (v.l.): Daniil Iwanow, Walejw und Koltakow<br />
April '19 BAHNSPORT AKTUELL 11