13.04.2019 Aufrufe

Berliner Zeitung 12.04.2019

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 86 · F reitag, 12. April 2019 – S eite 20 *<br />

·························································································································································································································································································<br />

Sport<br />

„Ich bin sicher noch nicht am Ende angelangt“<br />

Hoffenheims Nico Schulz über die Arbeit von Trainer Julian Nagelsmann, seinen Aufstieg zum Nationalspieler und das Duell gegen Hertha BSC<br />

Andie neuen Gepflogenheiten<br />

in Zuzenhausen<br />

musste sich Nico Schulz,<br />

26, nach seinem Wechsel<br />

zur TSGHoffenheim erst mal gewöhnen.<br />

„Können Siesich vorstellen, wie<br />

mich die Leute hier angeschaut haben,<br />

als ich am Anfang zwischen<br />

zwei Trainingseinheiten nach Hause<br />

fahren wollte?“, fragt Schulz im Gespräch<br />

mit dieser <strong>Zeitung</strong>, als wir ihn<br />

telefonisch auf dem Trainingsgelände<br />

der TSG im2000-Seelen-Dorf<br />

zwischen Heilbronn und Heidelberg<br />

erreichen. Nach 15 Jahren bei Hertha<br />

BSC suchte der Linksverteidiger sein<br />

Glück in der Fremde –und fand es<br />

bei Berlins kommendem Gegner in<br />

der Provinz. Und das vor allem wegen<br />

Trainer Julian Nagelsmann.<br />

Herr Schulz, der TSG fehlt als Siebter<br />

aktuell nur ein Punkt auf die internationalen<br />

Plätze. Wasrechnen Sie sich<br />

im Saisonendspurtaus?<br />

Wir wollen auf jeden Fall wieder<br />

europäisch dabei sein. Dafür müssen<br />

wir möglichst viele der verbleibenden<br />

Spiele gewinnen. Wir werden<br />

alles dafür tun und sollten am<br />

Sonntag am besten die Hertha schlagen.<br />

Sie haben schon mit vielen Trainern<br />

zusammengearbeitet, aber über Julian<br />

Nagelsmann gesagt, dass er Sie<br />

besonders geprägt habe.Waszeichnet<br />

ihn aus?<br />

Er hat einen großen Teil zu meiner<br />

Entwicklung beigetragen. Er hat<br />

mir den Fußball anders erklärt. Noch<br />

detaillierter, noch besser auf den<br />

Gegner abgestimmt. Das ist manchmal<br />

vielleicht sogar etwas zu viel.<br />

Aber unter ihm wissen wir,wie wir in<br />

jedes Spiel gehen müssen, wohin wir<br />

auf dem Feld laufen sollen, um uns<br />

in die richtigen Positionen zu bringen.<br />

Er hat nicht nur mich, sondern<br />

jeden Einzelnen hier bei der TSG<br />

besser gemacht. Das ist sicherlich<br />

kein Zufall. Aber das ist nicht allein<br />

der Verdienst von Julian Nagelsmann.<br />

Auch der Verein hat einen<br />

großen Anteil daran.<br />

Nagelsmann soll ja immer wieder<br />

neue Methoden im Training anwenden.<br />

Gibt es da auch mal die eine oder<br />

andere, die bei Ihnen großes Stirnrunzeln<br />

hervorruft?<br />

Es gab schon einige Einheiten, bei<br />

denen auch ich nichts verstanden<br />

habe.Generell spricht er im Training<br />

sehr viel mit uns. Seine taktischen<br />

Prinzipien hängen in der Kabine.An<br />

denen läuft man jeden Tag vorbei<br />

und ab und an guckt man doch wieder<br />

drauf.<br />

Nico Schulz hat in Hoffenheim einen Leistungssprung gemacht.<br />

Sie haben mit Mönchengladbach<br />

und Hoffenheim Champions League<br />

gespielt, sind unter Nagelsmann zum<br />

Nationalspieler geworden …<br />

Dann kann ich jetzt aufhören,<br />

meinen Sie?<br />

Mit26Jahren sind Siedoch im besten<br />

Fußballeralter …<br />

Stimmt.<br />

Wiegroßist der Leistungsunterschied<br />

zwischen Nationalmannschaft beziehungsweise<br />

Champions League und<br />

der Bundesliga?<br />

Das nimmt sich von der Qualität<br />

nicht viel, ob wir gegen Leverkusen<br />

oder Bayern und in der Champions<br />

League gegen Donezk oder Manchester<br />

City spielen. Das Besondere<br />

ist eher das Gefühl: Wenn man sich<br />

das Trikot mit dem DFB-Emblem<br />

oder dem Champions League-Sticker<br />

überstreift, wenn unter der Woche<br />

abends das Flutlicht angeht und<br />

die Hymne gespielt wird –das versprüht<br />

einfach eine besondere Atmosphäre.<br />

Seit Jahren heißt es, dass es in<br />

Deutschland zu wenige gute Außenverteidiger<br />

gibt.<br />

Berlin: Nico Schulz, 1993 in<br />

Berlin geboren, begann in<br />

der Jugend des BSC Rehberge.<br />

Vondortwechselte er<br />

zu Hertha BSC. 2010 gaber<br />

im DFB-Pokal sein Debüt im<br />

Profiteam.<br />

Naja, Philipp Lahm hat dort jahrelang<br />

auf Weltklasse-Niveau gespielt.<br />

Trotzdem wirddiskutiert, dass zu wenige<br />

Talente auf der Position nachkommen.<br />

Vielleicht will niemand so viel<br />

laufen. Nein, Spaß beiseite, woran<br />

das liegt, weiß ich nicht. Genauso<br />

könnte man sich fragen, warum es in<br />

Deutschland vielmehr gute Torhüter<br />

als in anderen Länder gibt.<br />

Die Diskussion ist verpufft, seitdem<br />

Sieunter Bundestrainer Joachim Löw<br />

ZUR PERSON<br />

Bundesliga: 2015 wechselte<br />

Schulz zum Ligarivalen<br />

Borussia Mönchengladbach,<br />

erlitt im selbem Jahr einen<br />

Kreuzbandriss. Seit der vergangenen<br />

Saison spielt er für<br />

die TSG Hoffenheim.<br />

Nationalteam: Am 9. September<br />

2018 lief Schulz<br />

erstmals für die Nationalmannschaft<br />

im Testspiel gegenPeruauf.<br />

Dabei gelang<br />

ihm der Siegtreffer zum 2:1<br />

in der 84. Minute.<br />

im Nationalteam die Position auf der<br />

linken Seite bespielen. Sind Sieinder<br />

Form Ihres Lebens?<br />

Wenn man die letzten eineinhalb<br />

Jahre betrachtet, kann man das so<br />

sagen. Dasheißt aber nicht, dass ich<br />

mich mit 26 Jahren nicht noch weiterentwickeln<br />

kann. Ich bin sicher<br />

noch nicht am Ende angelangt.<br />

IMAGO IMAGES/RUDEL<br />

Ist das kleinere Umfeld in Hoffenheim<br />

neben dem Trainer und den Bedingungen<br />

bei der TSG für Sie das<br />

perfekte Umfeld?<br />

Wenn man sich meine Entwicklung<br />

anschaut, passt es für mich super.<br />

Obesdas perfekte Umfeld ist?<br />

Dafür müsste ich noch bei ein paar<br />

anderen Klubs spielen. Aber im Moment<br />

ist es für mich auf jeden Fall<br />

sehr gut.<br />

Woranliegt das?<br />

Das sind viele Dinge, die sich zusammenfügen.<br />

Es ist ein gut geführter,<br />

sehr ruhiger Klub. Hier können<br />

sich junge Spieler sehr gut entwickeln.<br />

Man verbringt viel Zeit auf<br />

dem Trainingsgelände, auch weil<br />

drumherum nicht so viel los ist wie<br />

zum Beispiel in Berlin. Dazu haben<br />

wir einen superTrainer und ein gutes<br />

Team. Dann führteins zum anderen<br />

und es läuft entsprechend gut.<br />

Sie haben bereits erwähnt, dass in<br />

Hoffenheim kein Spieler zwischen<br />

zwei Einheiten nach Hause fährt.<br />

Wardas tatsächlich neu für Sie?<br />

Ich musste mich daran erst mal<br />

gewöhnen. In Mönchengladbach<br />

liegt das Trainingsgelände nicht so<br />

weit weg von der Stadt, da hat man<br />

das mal so, mal so gemacht. Aber zu<br />

meiner Anfangszeit in Berlin gab es<br />

zwischen zwei Trainingseinheiten<br />

nicht mal Essen. Da mussten wir für<br />

das Mittagessen das Gelände verlassen.<br />

Das hat sich alles geändert, als<br />

ich gegangen bin. Da haben sie auch<br />

den Kabinentrakt erneuert. Davor<br />

war der Kraftraum gefühlt drei Quadratmeter<br />

groß.<br />

Hilft es Ihnen als <strong>Berliner</strong>, dass es in<br />

Hoffenheim und Umgebung weniger<br />

Ablenkung gibt?<br />

Ja. Wobei ich sagen muss, der<br />

Flughafen in Frankfurt ist relativ<br />

nah.<br />

Das nutzen Sie, um Ihre beiden Kinder,die<br />

mit ihrer ehemaligen Lebensgefährtin<br />

in Berlin leben, regelmäßig<br />

zu besuchen.Wasvermissen Sieaußer<br />

der Familie und Freuden am meisten<br />

aus Ihrer Heimat?<br />

Meine Stammlokale,indenen ich<br />

gerne essen gehe. Wohl auch aufgrund<br />

meiner italienischen Wurzeln<br />

ist mir gutes Essen sehr wichtig.<br />

Inwieweit ist das Duell gegen Hertha<br />

noch etwas Besonderes für Sie?<br />

Ichkenne noch immer viele Spieler<br />

und auch viele aus dem Trainerund<br />

Betreuerstab. Das ist auf jeden<br />

Fall anders als gegen andereVereine.<br />

Haben Sie deswegen noch nie gegen<br />

Hertha verloren?<br />

Daswusste ich gar nicht. Aber das<br />

ist schon mal ganz gut, oder?<br />

Hertha befindet sich nach vier Niederlagen<br />

in Serie in der Krise. Trainer<br />

Pal Dardai gerät zunehmend in die<br />

Kritik. Wienehmen Siedas wahr?<br />

Dass es im Moment nicht läuft,<br />

wissen sie selbst. Hertha hat eine<br />

sehr gute Hinrunde gespielt. Wenn<br />

es dann in der Rückrunde nicht so<br />

funktioniert, ist es doch normal, dass<br />

Kritik aufkommt. Im Moment spielen<br />

sie weder oben noch unten mit.<br />

Ich glaube, das haben sie sich ein<br />

bisschen anders vorgestellt nach der<br />

starken Halbserie.<br />

Nach den Ergebnissen der vergangenen<br />

Wochen mangelt es bei vielen<br />

Hertha-Spielern am Selbstvertrauen.<br />

Sie haben auch Höhen und Tiefen in<br />

Ihrer Karriere erlebt. Wie geht man<br />

mit so einer Situation um?<br />

Dafür gibt es kein Patentrezept.<br />

Bei einem Spieler ist das auch etwas<br />

anderes als bei einer ganzen Mannschaft.<br />

Man sollte versuchen, noch<br />

ein paar Prozent mehr aus sich herauszuholen,<br />

damit man wieder ein<br />

Erfolgserlebnis hat. Dadurch kommt<br />

dann auch wieder das Selbstvertrauen<br />

zurück.<br />

DasGespräch führte<br />

Sebastian Schmitt.<br />

Die Kunst des Vorempfindens<br />

Ob Union mit einem Heimsieg gegen Regensburg dem Traum vom Aufstieg wieder ein Stück näherkommt, spielt für die Kaderplanung von Manager Oliver Ruhnert offenbar keine Rolle<br />

VonMathias Bunkus<br />

Nachdem sich der Hamburger SV<br />

auch gegen Magdeburg eine<br />

Blöße gegeben hatte, wurde beim 1.<br />

FC Union zu Beginn der Woche der<br />

Kampf um Platz zwei ausgerufen. Mit<br />

einer ungewohnten Offenheit für die<br />

stets auf Zurückhaltung bedachen Eisernen.<br />

Aber Geschenke sollte man<br />

annehmen, wenn sie gemacht werden.<br />

Dahingehend zielführend wäre<br />

heute Abend ab 18.30 Uhr gleich mal<br />

ein Heimsieg gegen Jahn Regensburg.<br />

Mit dem Verdacht, dass im Erfolgsfall<br />

wohl doch plötzlich eine Euphorie-<br />

Welle durch die rot-weiße Fangemeinde<br />

schwappen könnte.<br />

Einher mit all den ausgiebigst diskutierten<br />

Was-wäre-wenn-Szenarien<br />

geht grundsätzlich die Frage,obdenn<br />

diese Mannschaft überhaupt eine<br />

Rolle in der höchsten deutschen Spielklasse<br />

spielen könnte? Inwieweit diese<br />

Mannschaft also verstärkt werden<br />

müsste, damit man als 56. Bundesligist<br />

in der Geschichte des deutschen<br />

Fußballs auch einen konkurrenzfähigen<br />

Bundesligist abgeben könnte.Mit<br />

diesen Fragen beschäftigt sich Manager<br />

Oliver RuhnertimHintergrund seit<br />

Wochen. Dabei hat sich der Kaderplaner<br />

–unabhängig vonder Ligazugehörigkeit<br />

–bereits auf die Anzahl der beschäftigen<br />

Profis festgelegt. „Ich empfinde<br />

eine Kadergröße von26, 27 Spielern<br />

als gut“, sagt Ruhnert. Gut und<br />

erforderlich. Wenn die drei Torhüter<br />

abgezogen werden, dazu womöglich<br />

ein, zwei Youngster mitgezählt werden,<br />

käme man gerade einmal auf 21<br />

Akteure. Die bräuchte man auch, um<br />

entsprechendes Verletzungspech und<br />

Sperren kompensieren zu können.<br />

Ruhnertplant übrigens –man höre<br />

und staune –dieserTage bei der Personalfahndung<br />

nicht zweigleisig. „Wir<br />

werden ja, so wie dieses Jahr auch, erst<br />

in der Sommerpause Planungssicherheit<br />

haben. Und das Anforderungsprofil<br />

an die Spieler ist, auch im kommenden<br />

Jahr in der Zweiten Liga eine<br />

sehr gute Rolle spielen zu können“, so<br />

Ruhnert. Also solche Kicker, denen<br />

man den Aufstieg zutraut. Undfür die<br />

es dann nur der Bonus wäre, dass der<br />

eventuell früher –also vor ihrer Verpflichtung<br />

–eingetreten ist. „Den best<br />

case können wir immer händeln. Den<br />

anderen Fall gilt es vorallem zu beachten“,<br />

so Ruhnerts Schlussfolgerung.<br />

Und da gelte es zügig zu handeln.<br />

„Diese Kicker sind schnell vergriffen“,<br />

weiß der 46-Jährige. Bundesligahinterbänkler<br />

gebe es zuhauf.<br />

Sprung in der Fernsehgeldtabelle<br />

Übrigens, solche Spieler, die nur auf<br />

die Bundesliga schielen, sind bei Ruhnert<br />

an der falschen Adresse. „Das<br />

macht keinen Sinn. Diejenigen, die in<br />

der Bundesliga bei jedem Klub ab<br />

Platz zehn spielen könnten, passen eh<br />

nicht in unsere Portfolio. Und was<br />

habe ich davon, wenn ich fünf, sechs<br />

Spieler habe,die mir sagen: In der Ersten<br />

Liga komme ich, sonst nicht. Damit<br />

kann ich keine Kaderplanung machen“,<br />

sagt Ruhnertdeutlich.<br />

Gestaltungsspielraum hat der Manager<br />

der Eisernen. Sechs Verträge<br />

(Marc Torrejon, Eroll Zejnullahu, Fabian<br />

Schönheim, Michael Parensen,<br />

Felix Kroos,BerkanTaz) laufen aus,bei<br />

vier Spielern (Carlos Mané, Suleiman<br />

Abdullahi, Manuel Schmiedebach<br />

und Robert Zulj) gilt es zu entscheiden,<br />

ob das Leih- in ein dauerhaftes<br />

Anstellungsverhältnis umgewandelt<br />

wird. Stand jetzt wirddas bei Abdullahi<br />

und Schmiedebach der Fall sein.<br />

Manés Verpflichtung für kolportierte<br />

fünf Millionen Euro wäre wirtschaftlich<br />

wohl nur in der Bundesliga<br />

stemmbar. Bei Zulj und Kroos stellt<br />

sich die Frage,wer auf Dauer besser zu<br />

Urs Fischers Spielweise passt. Stand<br />

heute wäredas wohl eher Kroos zuzutrauen.<br />

Bei Zulj gälte es zudem zu investieren,<br />

Hoffenheim wird ihn kaum<br />

ablösefrei ziehen lassen.<br />

Geld –und das ist die gute Nachricht<br />

–ist aber vorhanden. Selbst wenn<br />

Union den Aufstieg nicht schaffen<br />

sollte,amEnde „nur“ Dritter wird, hat<br />

das Auswirkungen auf die Finanzen.<br />

Die Eisernen lassen in der Fernsehgeldtabelle<br />

Darmstadt und Ingolstadt<br />

hinter sich. Statt 13,49 Millionen Euro<br />

gäbe es dann 16,373 Millionen Euro an<br />

Fernsehgelder. Nur die Erstligaabsteiger<br />

würden mehr von den Fernsehsendernabgreifen.<br />

Union wäreschon<br />

mal Top21. Also nur noch einen Steinwurf<br />

weit entfernt von Dirk Zinglers<br />

großem Ziel entfernt. Der Präsident<br />

der Eisernen will den Klub ja unter den<br />

Top20inDeutschland etablieren. Auf<br />

Dauer wohlgemerkt.<br />

Der Sprung in die Bundesliga<br />

würde dann ein weiteres sattes Plus<br />

vonrund 13 Millionen Euro in die Kassen<br />

der Köpenicker spülen. Geld, mit<br />

dem auch Ruhnertzum Teil wirtschaften<br />

könnte.Mit dem das Portfolio sich<br />

erweiternwürde.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!