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Berliner Kurier 18.04.2019

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*<br />

SPORT 21<br />

Der Frankfurt-Macher über Festtage in Europa, die Folgen des Pokalsiegs und seinen Ex-Klub Hertha BSC<br />

Frankfurt – Frankfurts<br />

Sportvorstand Fredi Bobic<br />

(47) hat derzeit allen Grund<br />

zur Freude. Eintracht ist als<br />

einzige deutsche Mannschaft<br />

noch international dabei und<br />

will trotz des 2:4 im Hinspiel<br />

bei Benfica Lissabon heute<br />

ins Halbfinale der Europa<br />

League einziehen (21 Uhr,<br />

RTL). Bobic, der von 2003 bis<br />

2005 auch für Hertha BSC<br />

spielte, spricht im exklusiven<br />

KURIER-Interview über seine<br />

Arbeit in Frankfurt, seine<br />

Ziele und zeigt noch viel Interesse<br />

für seinen Ex-Klub an<br />

der Spree.<br />

KURIER: Fußball-Deutschland<br />

drückt Eintracht heute<br />

die Daumen, hofft auf das<br />

Halbfinale. Wie ordnen Sie<br />

diese Saison bisher ein?<br />

Fredi Bobic: Wir stehen im<br />

Viertelfinale der Europa<br />

League und in der Bundesliga<br />

aktuell auf einem Platz, der zur<br />

Champions-League-Teilnahme<br />

berechtigen würde – damit<br />

konnte nun wirklich keiner<br />

rechnen. Es hat sich eine regelrechte<br />

Eigendynamik entwickelt.<br />

Durch die vielen Siege<br />

haben unsere Spieler ein enorm<br />

hohes Selbstvertrauen. Wir alle<br />

genießen die Spiele in der Europa<br />

League. Das sind Festtage<br />

für Eintracht Frankfurt.<br />

Als Sie 2016 zur Eintracht kamen,<br />

hatten Sie ein Transferbudget<br />

von gerade mal 2Mio.<br />

Euro. Die Bilanz seither: 98<br />

Zu- und Abgänge. Auffällig<br />

ist, dass Sie häufig mit Leihgeschäften<br />

arbeiten. War das<br />

die einzige Möglichkeit, um<br />

Eintracht Frankfurt konkurrenzfähig<br />

zu machen?<br />

Zu Beginn meiner Arbeit war<br />

mir klar: Du hast hier keine<br />

Kohle. Es gab daher keine andere<br />

Möglichkeit. Wir konnten<br />

vielleicht den einen oder anderen<br />

Transfer machen, mussten<br />

aber sonst schauen, dass wir<br />

verkaufen, um aus dem Kaderwert,<br />

der sicherlich nicht so zu<br />

sehen war, das Beste rauszuholen.<br />

Wir haben dann unsere<br />

Netzwerke genutzt und sind<br />

mit Leihmodellen gewisse Risiken<br />

eingegangen. Denn da<br />

bleibt für uns als Klub erst mal<br />

nicht viel hängen: Der Spieler<br />

kommt, bietet sich an und geht<br />

nach einem Jahr wieder. Als ich<br />

kam, war der Auftrag aber klar:<br />

in der Liga konkurrenzfähig<br />

sein und keine Sorgen im Abstiegskampf<br />

haben. Das haben<br />

wir geschafft.<br />

Wolfgang Steubing, der Aufsichtsratsvorsitzende,<br />

erhielt<br />

im Zuge Ihrer Verpflichtung<br />

Drohbriefe von<br />

Fans. Der Ruf, den VfB Stuttgart<br />

in den Abstieg geführt<br />

zu haben, haftete an Ihnen.<br />

Wie sehr hat Sie das getroffen?<br />

Ich hatte mich damals schon<br />

gewundert, welche Mythen da<br />

verbreitet wurden. Schließlich<br />

war ich zwei Jahre raus aus<br />

dem Geschäft, als der VfB abstieg.<br />

Das war absurd. Wer genauer<br />

hinschaut, weiß, dass<br />

Fotos: imago images/Huebner,imago images, imago images/Camera4,zVg<br />

Kennen und schätzen<br />

sich: Fredi Bobic und<br />

Herthas Manager<br />

Michael Preetz (r.).<br />

auch der VfB mit mir erfolgreich<br />

war. Wolfgang Steubing<br />

hatte sich richtig informiert<br />

und die Gespräche mit ihm waren<br />

sehr gut. Er und Eintracht<br />

Frankfurt standen voll hinter<br />

mir. Das war mir wichtig. Alles<br />

andere war egal.<br />

Sie wurden 2018 vom Kicker<br />

zum „Mann des Jahres“ gewählt<br />

und werden nun auch<br />

von den Fans gefeiert.<br />

Sehen Sie, so schnell kann es<br />

gehen. Ich merke schon, dass<br />

die Akzeptanz im Umfeld da ist.<br />

Mich macht es einfach nur froh,<br />

wenn ich nach dem Pokalfinale<br />

sehe, wie glücklich Fans und<br />

Spieler sind. Das sind Momente,<br />

die kannst du mit Geld nicht<br />

aufwiegen. Ich fliege ja sehr viel<br />

durch die Welt und überall<br />

kommen Leute auf mich zu, die<br />

sich als Bayern-, Gladbachoder<br />

Hertha-Fan outen und sagen:<br />

„Wir finden die Eintracht<br />

klasse! Es macht total Spaß,<br />

euch zuzusehen.“ Das ist eine<br />

große Anerkennung für unsere<br />

Arbeit.<br />

Der Sieg im DFB-Pokalfinale<br />

2018 oder der Einzug in die<br />

Zwischen 2003 und<br />

2005 machte Bobic in<br />

61 Spielen neun Tore<br />

für Hertha.<br />

KURIER-Reporter Patrick Berger (l.)<br />

traf sich in Lissabon mit Fredi Bobic.<br />

Champions League 2019 –<br />

was wäre eigentlich größer?<br />

Ein Finale ist immer nur ein<br />

Spiel, eine Bundesliga-Saison<br />

dagegen ist sehr lang. Über die<br />

Liga in die Champions League<br />

einzuziehen, das wäre der<br />

größte Coup. Wir würden dann<br />

in Dimensionen vorstoßen, in<br />

denen wir nie zuvor waren. Das<br />

wäre wie ein Double-Sieg.<br />

Wie sehr würde Ihnen die<br />

Teilnahmeander Champions<br />

League helfen, um europaweit<br />

umworbene Spieler wie<br />

Luka Jovic oder Sebastien<br />

Haller zu halten?<br />

Das würde uns auf alle Fälle<br />

attraktiver machen. Ich könnte<br />

mir gut vorstellen, dass ein Jovic<br />

oder ein Haller nach der Saison<br />

vielleicht sagen, dass sie die<br />

Champions League mit Eintracht,<br />

mit diesen tollen Fans,<br />

unbedingt erleben und sich dadurch<br />

weiterentwickeln wollen.<br />

Aber so und so wissen wir,<br />

dass ein langer Sommer vor uns<br />

steht, in dem unheimlich viel<br />

passieren kann. Wir sind auf alles<br />

gut vorbereitet.<br />

Inwieweit hat der Pokalsieg<br />

im Sommer gegen Bayern einen<br />

wirtschaftlichen Boom<br />

ausgelöst?<br />

Der Sieg hat dem ganzen Verein<br />

einen unfassbaren Push gegeben.<br />

Als Marke hat uns dieser<br />

Erfolg sehr gestärkt, die internationale<br />

Anerkennung ist nun<br />

viel größer. Im Merchandising<br />

generieren wir momentan unfassbare<br />

Umsätze. Wir haben<br />

keine Trikots mehr, es gibt<br />

Wartelisten in allen Bereichen<br />

des Sponsorings, die Logen, die<br />

Businessseats, die normalen<br />

Karten sind bis zum Saisonende<br />

in jedem Spiel ausverkauft. Die<br />

ganze Stadt ist immer noch euphorisiert.<br />

Letztens kam ein<br />

Fan zu mir und meinte: „Herr<br />

Bobic, ich kann mich gar nicht<br />

mehr ärgern über meine launische<br />

Diva, irgendwie haben Sie<br />

mir meine ganzen Emotionen<br />

genommen.“<br />

Im Februar 2017 sagten Sie in<br />

einem Interview: „Hertha ist<br />

uns zwei Jahre voraus.“ Wie<br />

schaut es jetzt –zwei Jahre<br />

später –aus?<br />

Hertha ist wirklich gut aufgestellt<br />

und uns schon noch ein<br />

Stück weit voraus. Es sieht momentan<br />

so aus, als wären wir<br />

Hertha weit voraus, aber dem<br />

ist nicht so. Michael Preetz hat<br />

vieles richtig gemacht. Auch<br />

finde ich völlig richtig, dass er<br />

mit Hertha um ein neues Stadion<br />

kämpft und an die Wände<br />

der Politiker klopft.<br />

Sie kennen es: Was für ein Gefühl<br />

ist es, im Olympiastadion<br />

aufzulaufen?<br />

Ich liebe das Olympiastadion,<br />

in dem viel Geschichte drinsteckt.<br />

Nur hat man als Spieler,<br />

wenn 40000 Fans da sind, das<br />

Gefühl, dass es nur halb voll ist.<br />

Die Ostkurve ist stark. Wenn<br />

ich mir vorstelle, dass die direkt<br />

hinter dem Tor in einem kompakten<br />

Stadion steht: großartig!<br />

Als ehemaliger Spieler kann ich<br />

das komplett nachvollziehen.<br />

Für mich gibt es keinen Grund,<br />

warum man das nicht machen<br />

soll. Hertha braucht das Stadion<br />

auch, um eine gewisse Emotionalität<br />

herzustellen. Ich<br />

würde mir wünschen, dass es<br />

kommt. Das wäre auch für die<br />

Liga gut.<br />

Hertha stellt sich zurzeit moderner<br />

auf, arbeitet gegen das<br />

Image der grauen Maus. Die<br />

Digitalisierung ist aber vielen<br />

Fans ein Dorn im Auge. Können<br />

Sie das verstehen?<br />

Nein, ich kann das nicht nachvollziehen.<br />

Das ist eine Heuchel-Diskussion!<br />

Tradition bedeutet<br />

nicht, dass wir darin verweilen<br />

müssen. Sonst bist du irgendwann<br />

in der vierten Liga.<br />

Da spielen genügend frühere<br />

Meister. Die Zeiten ändern<br />

sich, der Verein muss doch<br />

auch modern werden. Man sollte<br />

die Tradition mitnehmen<br />

und geschickt in die Moderne<br />

hinein gestalten. Dazu muss<br />

man intensiv mit Fanclub-Vertretern<br />

kommunizieren. Das<br />

machen wir bei der Eintracht<br />

auch. Leider wird es immer<br />

Gruppierungen geben, die gegen<br />

etwas sind. Die werden medial<br />

aber oft so dargestellt, als<br />

wären sie groß. Ich glaube, dass<br />

über 90 Prozent der Fans die<br />

moderne Entwicklung verstehen<br />

und annehmen.<br />

Wie beurteilen Sie die Arbeit<br />

von Michael Preetz bei Hertha<br />

BSC?<br />

Ich halte große Stücke von<br />

der Mannschaft, die sehr talentiert<br />

ist. Michael macht einen<br />

riesigen Job. Für ihn ist das Ergebnis<br />

aber nicht zufriedenstellen.<br />

Niemand spielt am Ende<br />

der Saison gerne um die goldene<br />

Ananas. Ich hätte Hertha vor<br />

der Saison höher angesiedelt.<br />

Das Gespräch führte<br />

Patrick Berger

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