Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 105 · M ittwoch, 8. Mai 2019 5 *<br />
·························································································································································································································································································<br />
Hauptstadt<br />
Einnahmen<br />
der Parteien<br />
2017<br />
Mitgliedsbeiträge<br />
23,98%<br />
Mandatsträgerbeiträge<br />
12,82%<br />
Mitgliedsbeiträge<br />
Mandatsträgerbeiträge<br />
31,12% 15,79%<br />
Spenden von natürlichen<br />
Personen<br />
6,85%<br />
Sonstiges<br />
0,42%<br />
Spenden von<br />
natürlichen Personen<br />
14,41%<br />
166,1<br />
Sonstiges<br />
0,37%<br />
MillionenEuro<br />
Staatliche Mittel<br />
29,62%<br />
Spenden von juristischen<br />
Personen<br />
1,91%<br />
Einnahmen aus Beteiligungen<br />
3,19%<br />
Einnahmen aus sonstigem Vermögen<br />
4,12%<br />
Einnahmen aus Veranstaltungen<br />
und Veröffentlichungen<br />
7,03%<br />
1,29%<br />
30,86% 8,16%<br />
Staatliche Mittel<br />
156,7<br />
MillionenEuro<br />
Mitgliedsbeiträge<br />
Spenden von<br />
juristischen Personen<br />
8,06%<br />
Einnahmen aus<br />
sonstigem Vermögen<br />
Einnahmen aus Veranstaltungen<br />
und Veröffentlichungen<br />
Mandatsträgerbeiträge<br />
22,5% 22,39%<br />
Mitgliedsbeiträge<br />
Sonstiges<br />
0,81%<br />
16,29% 3,61%<br />
Staatliche Mittel<br />
41,12%<br />
Mandatsträgerbeiträge<br />
18,4<br />
Millionen Euro<br />
0,91%<br />
Spenden von<br />
natürlichen Personen<br />
Spenden von juristischen Personen<br />
1,15%<br />
Einnahmen aus Unternehmenstätigkeit<br />
0,01%<br />
Einnahmen aus sonstigem Vermögen<br />
0,23%<br />
35,87%<br />
Einnahmen aus Veranstaltungen<br />
und Veröffentlichungen<br />
Die<br />
Geldtöpfe<br />
der Parteien<br />
Staatszuschüsse, Spenden,<br />
Beiträge: Ein Blick in die<br />
Rechenschaftsberichte<br />
VonChristine Dankbar und Isabella Galanty<br />
Daimler will nicht mehr an die Politik spenden. Dasließ<br />
vor einigen Tagen aufmerken. Ein Blick in die Rechnungsberichte<br />
der Parteien zeigt jedoch, dass Firmenspenden<br />
für sie vonBedeutung sein mögen –die größte<br />
Einnahmequelle sind sie meist nicht. Dassind fast immer die Beiträge<br />
der Mitglieder. Bei der SPD machen sie mehr als ein Drittel<br />
der jährlichen Einnahmen aus. Die Sozialdemokraten sind mit<br />
mehr als 440 000 eingeschriebenen Mitgliedern nicht nur die<br />
größte Partei in Deutschland, sondern auch die einnahmenstärkste.Ihr<br />
Spendenanteil beträgt weniger als zehn Prozent.<br />
Die Christdemokraten haben rund 425 000 Mitglieder, mit gut<br />
22 Prozent aber einen höheren Anteil an Spenden. Die Staatszuschüsse,<br />
die beide Parteien erhalten, sind mit 48 Millionen Euro<br />
(CDU) bzw.49Millionen Euro etwa gleich groß. Beider FDP machen<br />
die Spenden vonPrivatleuten, Firmen und Vereinen dagegen fast 40<br />
Prozent der Einnahmen aus,bei der AfD sind es gut 37 Prozent.<br />
Auffällig ist die finanzielle Unterstützung aller Parteien durch<br />
die sogenannten „Mandatsträgerbeiträge“. Egal, ob links oder<br />
rechts: Alle Parteien erwarten von ihren Bundestags- und Landtagsabgeordneten<br />
bis hin zu den Mitgliedernder Räte in den Kommunen<br />
Zuwendungen, die über den normalen Mitgliedsbeitrag<br />
hinausgehen. Für alle Parteien gilt, dass die staatlichen Zuwendungen<br />
ihreeigenen Einnahmen nicht übersteigen dürfen –auch,<br />
wenn sie ihnen aufgrund der Wahlergebnisse zustehen würden.<br />
Das kann bei kleineren Parteien schon mal zum Problem werden.<br />
Manche zeigen sich dann äußerst erfinderisch, wie etwa die AfD,<br />
die ihre Einnahmen mit Goldan- und -verkäufen steigerte. Die<br />
Freien Wähler,die in Bayern mit der CSU koalieren, verlegten sich<br />
auf den Handel mit Wertpapieren.<br />
Sonstiges<br />
4,5%<br />
Mitgliedsbeiträge<br />
31,78%<br />
31,6<br />
Millionen Euro<br />
Staatliche Mittel<br />
38,62%<br />
Mandatsträgerbeiträge<br />
15,33%<br />
Spenden von natürlichen Personen<br />
8,49%<br />
Spenden von juristischen Personen<br />
0,01%<br />
Einnahmen aus Beteiligungen<br />
0,32%<br />
Einnahmen aus sonstigem Vermögen<br />
0,11%<br />
Einnahmen aus Veranstaltungen<br />
und Veröffentlichungen<br />
0,84%<br />
Sonstiges<br />
3,29%<br />
Mitgliedsbeiträge<br />
Sonstiges<br />
0,33%<br />
Staatliche Mittel<br />
20,28%<br />
Staatliche Mittel<br />
30,32%<br />
36,39%<br />
Sonstiges<br />
0,57%<br />
Staatliche Mittel<br />
Mitgliedsbeiträge<br />
23,82% 8,47%<br />
27,16%<br />
43,5<br />
Millionen Euro<br />
43,4<br />
Millionen Euro<br />
Mandatsträgerbeiträge<br />
5,39%<br />
38,7<br />
Millionen Euro<br />
0,25%<br />
1,02%<br />
3,5%<br />
Mandatsträgerbeiträge<br />
Spenden von natürlichen Personen<br />
12,55%<br />
Spenden von juristischen Personen<br />
10,16<br />
Einnahmen aus sonstigem Vermögen<br />
2,82%<br />
Einnahmen aus Veranstaltungen,<br />
und Veröffentlichungen<br />
14,45%<br />
Spenden von natürlichen Personen<br />
11,29%<br />
2,21%<br />
0,37%<br />
1,56%<br />
Spenden von natürlichen Personen<br />
26,97%<br />
Spenden von juristischen Personen<br />
11,93%<br />
Einnahmen aus Beteiligungen<br />
Einnahmen aus sonstigem Vermögen<br />
Spenden von<br />
juristischen Personen<br />
Einnahmen aus<br />
sonstigem Vermögen<br />
Einnahmen aus Veranstaltungen<br />
und Veröffentlichungen<br />
Einnahmen aus Veranstaltungen und Veröffentlichungen<br />
QUELLE: BUNDESTAG<br />
PLATZ DER REPUBLIK<br />
Das wahre<br />
Leben<br />
Tanja Brandes über die Mehrheitsgesellschaft<br />
zwischen Berlin und Düsseldorf<br />
Seit gut zwei Jahren bin ich im<br />
Schnitt viermal im Monat auf der<br />
Bahnstrecke zwischen Berlin und<br />
Düsseldorf unterwegs. Für diejenigen,<br />
denen ein derartiges Pendlerschicksal<br />
erspart blieb, hier die Eckdaten<br />
in aller Kürze: Die Reisezeit<br />
beträgt zwischen viereinhalb und<br />
fünfeinhalb Stunden (je nach Baustellenlage).<br />
Die Strecke führt über<br />
Wolfsburg nach Hannover und Bielefeld,<br />
und dann über Bochum, Essen<br />
und Duisburg. Dann kommt<br />
Düsseldorf, es sei denn, man hat die<br />
langsamere Verbindung erwischt<br />
und muss in Wuppertal umsteigen.<br />
Ich erzähle das, weil ich mir einbilde,<br />
inden auf diese Weise bisher<br />
etwa 100 absolvierten Fahrten einen<br />
einigermaßen repräsentativen Datensatz<br />
in Sachen Bahn-Benutzer gesammelt<br />
zu haben. Hin- und wieder<br />
trifft man auch Politiker im Zug (ich<br />
bin zum Beispiel mal Franz Müntefering<br />
begegnet), allerdings nicht sehr<br />
oft. Es ist gut möglich, dass auch Boris<br />
Palmer, seines Zeichens Tübinger<br />
Oberbürgermeister und Mehrheitsgesellschaftsverleugner,<br />
noch nie auf<br />
dieser Strecke unterwegs war. Insofern<br />
verwundert esnicht, dass er die<br />
aktuelle Werbekampagne der Bahn<br />
für weltfremd hält. Wir erinnern uns:<br />
Die Bilder, die Herrn Palmer missfielen,<br />
zeigten verschiedene Menschen<br />
im Zug. Einen Mann, der genüsslich<br />
in ein Sandwich beißt. Eine junge<br />
Frau, die mit strahlendem Gesicht etwas<br />
auf ihrem iPad ansieht. Eine Mutter,die<br />
mit ihrer Tochter schmust. Einen<br />
jungen Mann, der mit einer Tasse<br />
in der Hand versonnen aus dem<br />
Fenster guckt. WasBoris Palmer an<br />
dem Werbeauftritt störte: Zu viel<br />
(sichtbarer) Migrationshintergrund,<br />
zu wenige (sichtbar) nur-deutsche<br />
Zugreisende. So, glaubt Herr Palmer,<br />
sieht unsere Gesellschaft nicht aus,<br />
schon gar nicht in der Bahn.<br />
Letztes Wochenende saß ich mal<br />
wieder im Zug. Kurz hinter Spandau<br />
begann der Mann auf dem Platz gegenüber<br />
auf Russisch zu telefonieren.<br />
In Wolfsburg kam eine Mutter<br />
mit fünf Kinderninden Waggon; die<br />
einzige Tochter (7) fragte mir Löcher<br />
in den Bauch (auf Deutsch) und gab<br />
sich dann alle Mühe, mir ihre Muttersprache<br />
(Serbisch) und außerdem<br />
Arabisch beizubringen. (Ich scheiterte<br />
bei beiden Sprachen kläglich.)<br />
In Hamm wiederum stieg eine junge,<br />
sehr dunkelhäutige Frau zu, die im<br />
rheinischen Singsang am Telefon auf<br />
ihren Freund einredete.<br />
Wiegesagt, ich weiß nicht, wie oft<br />
BorisPalmermit der Bahn unterwegs<br />
ist. Und obersich, wenn er es ist,<br />
seine Mitreisenden anguckt. Ich vermute<br />
aber,ertut es nicht. Denn täte er<br />
es,könnte er sich auf seine Frage, welche<br />
Gesellschaft die Bahn-Werbung<br />
abbilden wolle, eine eindeutige Antwortgeben:<br />
Diezwischen Berlin und<br />
Düsseldorf, zum Beispiel.<br />
Trotzdem hatte Herr Palmer recht.<br />
Die Realität zeigt jene Werbung keineswegs:<br />
In der Realität runzelte der<br />
Mann gegenüber sorgenvoll die Stirn,<br />
die serbische Mutter mühte sich erschöpft,<br />
ihre vier Jungs davon abzuhalten,<br />
über die Sitze zu turnen, und<br />
die junge Frau neben mir versuchte<br />
gereizt, ihren Freund dazu zu bringen,<br />
sie direkt am Gleis abzuholen.<br />
Mit anderen Worten: So fröhlich<br />
wie auf den Bahn-Werbebildern<br />
fährt niemand Zug. Na gut, Franz<br />
Müntefering vielleicht. Aber der reist<br />
bestimmt in der ersten Klasse.