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KULTUR<br />
Haben Sie vor Kurzem auch gehört,<br />
wie ihr Nachbar erzählte, er habe<br />
«die Hurtigruten gemacht»? Und<br />
das befreundete Paar «machte Südostasien<br />
und Hongkong, nächstes Jahr ist<br />
dann Costa Rica dran». Man stellt sich<br />
die Weltkarte der Betreffenden vor, mit<br />
Stecknadeln an allen Orten, die sie schon<br />
abhaken konnten auf ihrer Tour durch die<br />
Welt. Und durchs Leben.<br />
Man kann aber auch nach Ernen reisen.<br />
Dazu braucht es etwas Mut – denn dieses<br />
Dorf kann man nicht «machen». In Ernen<br />
kommt man an.<br />
Biegt man von der Hauptstrasse durchs<br />
Goms zwischen Lax und Fiesch scharf gegen<br />
Süden ab, fährt man rund drei Kilometer<br />
durch eine idyllische Landschaft.<br />
Die Strasse wird eng, und plötzlich, nach<br />
einer letzten Biegung, ist man mittendrin,<br />
auf dem Dorfplatz, von dem enge Gassen<br />
in das verwinkelte Dorf mit den schwarz<br />
verbrannten Häusern führen. Gepflegte<br />
Bauerngärten, eine Katze, die sich in der<br />
Sonne räkelt. Fast aus der Welt gefallen,<br />
herrscht hier eine Stimmung aus Ruhe<br />
und Beständigkeit, eben ganz so, als habe<br />
man endlich eine Heimat gefunden.<br />
So erging es auch dem ungarischen<br />
Konzertpianisten und Klavierpädagogen<br />
Györ gy Sebök. Der Weitgereiste, mit einer<br />
Professur in Indiana USA, kam in den<br />
Siebzigerjahren erstmals nach Ernen. Der<br />
begnadete Lehrer erkannte die einmalige<br />
Atmosphäre des Dorfes und gründete,<br />
nach einem Gespräch mit dem Dorfpfarrer,<br />
1974 die Sommerakademie für junge<br />
Musikerinnen und Musiker. Die Klaviere<br />
mussten von Genf ins Oberwallis transportiert<br />
werden, das Pfarrhaus diente<br />
den dreissig Musikern ebenso als Übungsraum<br />
wie das am Dorfplatz gelegene<br />
Tellenhaus. Zum Abschluss fanden in der<br />
unter Denkmalschutz stehenden Barockkirche<br />
St. Georg erste Konzerte statt.<br />
«Das ist mein Dank an Ernen», begründete<br />
der grosse Künstler Sebök. Denn:<br />
Kultur hat nichts mit Grossstadt zu tun,<br />
Kultur gehört überallhin.<br />
Niemand hätte damals gedacht, dass aus<br />
dieser Initiative dereinst das Musikdorf<br />
Ernen werden würde, das heute weltbe<br />
1 Das Festivalorchester<br />
in der Barockkirche<br />
St. Georg in Ernen. Hier<br />
fanden die ersten Aufführungen<br />
statt, die der<br />
Grundstein des Musikdorfs<br />
Ernen waren. 2 Die<br />
Pianisten Alasdair Beatson<br />
und Paolo Giacometti<br />
treten diesen Sommer<br />
wieder in Ernen auf.<br />
Am 3. und am 5. August<br />
gemeinsam. 3 Kunstwerk:<br />
eine Barockvioline.<br />
1<br />
2<br />
3<br />
«Eigene Magie: Wer<br />
einmal in Ernen war, kommt<br />
immer wieder zurück»<br />
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